Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Rheinland-Pfalz"
Zur Übersicht "Synagogen im
Kreis Bad Kreuznach"
Meisenheim (Landkreis Bad
Kreuznach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Wolfgang Kemp)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Meisenheim lebten Juden möglicherweise bereits im
Mittelalter, nachdem der Ort 1315 die Stadtrechte verliehen bekam. Urkundlich
wird jedoch erst 1551 ein Jud Moses genannt, der ein Wohnhaus in der
Schweinsgasse verkaufte. 1569 wurden die Juden aus der Stadt verwiesen. Nach dem
Dreißigjährigen Krieg waren zwei jüdische Familien in der Stadt zugelassen.
1740 sollte die Anzahl der jüdischen Familien auf vier begrenzt bleiben, was aber wohl oft nicht eingehalten wurde. Der entsprechende
Erlass gibt vorwiegend wirtschaftliche Gründe für diese Beschränkung an.
.. Vierzehendens sollen in hiesiger Statt mehr nicht, als vier Judenfamilien wohnen und gedultet werden; Es haben sich zwaren solche unter der hochfürstlichen Gustavischer Landesregierung biß auf 7 vermehret, . . . welche dann nicht nur denen hiesigen Krähmern durch das beständige Haußiren, und denen Metzgern durch das Schächten grossen schaden und abgang der Nahrung verursachen, sondern auch bereits viele bürger und bauern ins Verderben gesetzet haben, und noch beständig setzen, daß das wenige Schutzgeldt welches Ew. Hochfürstl.
Durchl. von solchen Ziehen bey weitern den schaden nicht ersetzet, welchen Ew. Hochfürstl.
Durchl. an dero treuesten unterthanen leiden. Ob auch wohlen wegen des Haußirens und schächtens einige Verordnungen, absonderl. der Metzger Zunftarticul ergangen sind, so stöhren sich dannoch diese Juden als ein hartnäckiges und unartiges Volck daran wenig, sondern fangen nach Verlauf einiger Zeit ihren mißbrauch wieder von neuem an; wir bitten demnach unterthänigst, daß Ew. Hochfürstl.
Durchl. gnädigst geruhen wollen, die Juden allhier zur grösten consolation der bürgerschaft wieder auf 4 zu reduciren, so dann die Verordnungen wegen des verbottenen Hausirens und der Metzgerzunft articul wegen des übermäßigen schächtens zu schärfen.
(Quelle: LHA Koblenz Abt. 24, Nr. 1194; hier zitiert aus: Meisenheimer Heft Nr. 30, S. 237).
In der Folge des Erlasses von 1740 wichen die Juden auf die umliegenden Dörfer aus, blieben aber in der Nähe des
"Marktes", der für sie überlebensnotwendig war, aber natürlich auch notwendig war für den wirtschaftlichen Aufschwung. Die
"Krämer" und vor allem Metzger konnten also ihre Konkurrenz nicht gänzlich loswerden, zumal die Regierung gute Steuerzahler zu schätzen
wusste. Dieser Wechseleffekt galt auch über Grenzen hinweg, also nicht nur für die zum Canton Meisenheim gehörenden Dörfer, sondern auch die angrenzenden pfälzischen Orte wie
Odenbach. (Hinweis: auf diese Wechselwirkung von Land- und Stadtjuden geht W. Kemp in seinem Referat näher ein, siehe Lit.; darin ist auch eine Steuerrolle der Juden im Canton Meisenheim abgedruckt, die zeigt, welche Steuerlast die Juden der umliegenden Dörfer -
Medard, Breitenheim, Schweinschied, Löllbach,
Merxheim, Bärweiler,
Meddersheim, Staudernheim,
Hundsbach - tragen mussten. (zitiert aus:
Günther F. Anthes: Beiträge zur Geschichte der Juden..., s. Lit. S. 15-16.).
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in die Zeit des 18.
Jahrhunderts zurück. Nach einem Bericht von 1860 war der damals noch
älteste lesbare Stein im Meisenheimer Friedhof von 1725. Vermutlich konnten
damals wieder Juden in der Stadt leben. In der Zeit vor der Französischen
Revolution waren es einige wenige Familien, unter denen sich ein Metzger befand,
der sein Gewerbe in der Stadt ausüben konnte. Um 1800 flüchteten offenbar
mehrere Familien in die Stadt auf Grund der Streifzüge des Johannes Bückler
("Schinderhannes").
In der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner vor allem durch Zuzug von
jüdischen Dörfern im Bereich des Hunsrück stärker zu. Die Zahl der
jüdischen Einwohner entwickelte sich wie folgt: 1808 161 jüdische
Einwohner, 1860 260, 1864 198 (12 % der Einwohnerschaft), 1871 160 (8,73 % von
1832 Einwohnern), 1885 120 (7,05 % von 1701), 1895 87 (5,01 % von 1738), 1902 89
(5,01 % von 1777).
Zur jüdischen Gemeinde Meisenheim gehörten auch die in Breitenheim
lebenden jüdischen Einwohner (1924 zwei).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), spätestens seit 1826
eine israelitische Elementar- bzw. eine Religionsschule (seit 1842 im Gebäude
Wagnerstraße 13), ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiösen Aufgaben der Gemeinde war neben dem Rabbiner
(s.u.) ein jüdischer Elementar- bzw. Religionslehrer angestellt, der
teilweise zugleich als Vorbeter und Schochet (Schächter) tätig war. Zeitweise
war die Stelle des Vorbeters (Kantors) auch zusätzlich neben dem
Elementarlehrer ausgeschrieben. Im 19. Jahrhundert wirkte als Elementarlehrer
von 1837 bis 1887 (50 Jahre lang) Benjamin Unrich. Er unterrichtete 1830
32 Kinder, 1845 46, 1882 21 Kinder. Mit der Zurruhesetzung Unrichs bzw. seinem
Tod 1890 wurde die jüdische Elementarschule geschlossen; die Kinder besuchten
seitdem die evangelische Schule und erhielten an der jüdischen Religionsschule
ihren Religionsunterricht. Von 1875 bis 1909 war Heyman de Beer Kantor
und Religionslehrer der Gemeinde. Letzter jüdischer Religionslehrer war von 1924 bis
1928 Julius Voos (geb. 1904 in Kamen, Westfalen, umgekommen 1944 im KZ
Auschwitz). Er unterrichtete 1924 noch 15, 1928 nur noch sieben
Kinder. Nach seinem Weggang wurden die nur noch wenigen schulpflichtigen
jüdischen Kinder durch den Lehrer aus Sobernheim
unterrichtet (Julius Voos promovierte 1933 in Bonn und war zwischen 1936 und
1943 Rabbiner in Guben, Lausitz, dann in Münster, von wo er 1943 nach Auschwitz
deportiert wurde).
Meisenheim war im 19. Jahrhundert Sitz eines Rabbinates (als
"Landesrabbiner" zuständig für
das hessisch-homburgische Oberamt Meisenheim bzw. in der preußischen Zeit als
"Kreisrabbiner"). Als Rabbiner waren tätig:
- vor 1835 als vermutlich
erster Rabbiner in Meisenheim Isaac Hirsch Unrich. Dann blieb das
Rabbinat zehn Jahre lang unbesetzt, da die finanziellen Mittel fehlten.
- 1845 bis 1861 Rabbiner Baruch Hirsch Flehinger (geb. 1809 in Flehingen,
gest. 1890): studierte nach 1825 an der Mannheimer Jeschiwa, 1830 bis 1833 an
der Universität Heidelberg; 1845 bis 1861 Landesrabbiner in Meisenheim, danach
in Merchingen; zuständig seit 1870 auch
für den Rabbinatsbezirk Tauberbischofsheim.
- 1863 bis 1869 Rabbiner Lasar Latzar (geb. 1822 in Galizien,
gest. 1869 in Meisenheim); war um 1856 Bezirksrabbiner in Kikinda, Woiwodina, wo
er 1860 seine Stelle durch die Magyarisierung von Schule und Kultus verloren
hat; 1861 Landesrabbiner in Meisenheim.
- 1870 bis
1879 Rabbiner Dr. Israel Mayer (Meyer) (geb. 1845 in Müllheim, Baden
gest. 1898 in Zweibrücken): studierte
1865 bis 1871 am Jüdisch-theologischen Seminar in Breslau, seit 1870
Landesrabbiner in Meisenheim. Nachdem die neuen preußischen Machthaber 1873 den
Zuschuss zum Rabbinergehalt streichen, legt er das Amt nieder, das 1877 auf den
Vorsänger Unherich übertragen wird; 1879 wird er als Rabbiner nach Zweibrücken
berufen.
- 1879 bis 1882 Rabbiner Dr. Salomon (Seligmann) Fried (geb. 1847
in Ó-Gyalla, Ungarn, gest. 1906 in Ulm):
studierte 1871 bis 1879 an der Universität und am Jüdisch-theologischen
Seminar in Breslau; 1870 Kreisrabbiner in Meisenheim, 1883 Rabbiner in Bernburg
a.d. Saale, 1884 in Ratibor, seit 1888 bis zu seinem Tod 1906 Rabbiner in Ulm.
- 1882 bis 1883 für kurze Zeit Rabbiner Dr. Moritz Janowitz (geb. 1850
in Eisenstadt, Ungarn, gest. 1919 in Berlin): studierte 1871 bis 1878 an der
Universität und am Jüdisch-theologischen Seminar in Breslau: 1876 Rabbiner in
Pisek, Böhmen, 1882 in Meisenheim, danach Dirschau in Westpreußen, um 1896
Rabbiner und Leiter des Religionsschule des Synagogenvereins "Ahawas
Thora" in Berlin.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Leo Sender (geb.
12.7.1893 in Hennweiler, gef. 20.10.1914). Außerdem ist gefallen: Alfred Moritz
(geb. 16.5.1890 in Meisenheim, vor 1914 in Kirn wohnhaft, gef. 20.6.1916).
Um 1924, als noch 55 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (3 % von
ca. 1800-1900 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Moritz
Rosenberg, Simon Schlachter, Albert Kaufmann, Hermann Levy. Der Repräsentanz
gehörten an: Louis Strauß, Levi Bloch, Albert Cahn, Siegmund Cahn. Als Lehrer
war Julius Voos angestellt. Er unterrichtete an der Religionsschule der Gemeinde
und erteilte den jüdischen Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen. 1932
waren die Gemeindevorsteher Moritz Rosenberg (1. Vors.), Simon Schlachter (2.
Vors.) und Felix Kaufmann (3. Vors.). Inzwischen hatte die Gemeinde keinen
eigenen Lehrer mehr. Den Unterricht der damals noch sechs schulpflichtigen
jüdischen Kinder erteilte Lehrer Felix Moses aus Sobernheim.
Von den jüdischen Vereinen war damals insbesondere noch der Israelitische
Frauenverein auf dem Gebiet der Armenunterstützung aktiv (1932 Vorsitzende
Frau Schlachter).
1933 lebten noch 38 jüdische Einwohner in 13 Familien in Meisenheim. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Bereits 1933 kam es zu
einschüchternden Maßnahmen: Schächtermesser wurden durch SA und
"Stahlhelm" beschlagnahmt. Mehrere der bekannten Meisenheimer
jüdischen Geschäftsleute (Getreidegroßhändler Hugo Weil, Weinhändler Julius
Levy, Vieh- und Getreidegroßhändler) wurden in sog. "Schutzhaft"
genommen. Die jüdischen Gewerbebetriebe wurden "arisiert", die
letzten im Juni 1938 (Adlerkellerei und Likörfabrik Julius Levy an Alfons
Treitz und Paul Risch sowie die Firma Jakob Weil). Beim Novemberpogrom 1938
wurde die Synagoge erheblich beschädigt (siehe unten). Die noch am Ort
befindlichen jüdischen Männer wurden verhaftet. Mit der Deportation der
letzten in Meisenheim lebenden jüdischen Personen im Oktober 1940 nach
Südfrankreich endete die Geschichte der jüdischen Gemeinde am Ort.
Von den in Meisenheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", verglichen mit den Angaben aus W. Dörr s.
Lit.; kritisch durchgesehen und ergänzt von Wolfgang Kemp): Ferdinand Altschüler (1865), Thekla Bär geb. Fränkel (1862), Hedwig de Beer (1887), Klara de Beer (1889), Cäcilia (Zili) de Beer (1891), Sigmund Cahn (1874), Ida Cahn geb. Kaufmann, Ehefrau von Sigmund (1885), Adolf David (1879), Julius David (1883), Leo Fränkel (1867), Julius Fränkel (1873), Karl Josef Fränkel (1902), Pauline Goldmann, geb. Fränkel(1864), Frieda Hamburger, geb. Schlachter (1885), Willy Hamburger, Sohn von Frieda (1911), Albert Löb (1870), Flora Löb geb. de Beer (1895), Julius Maas (1876), Martha Mayer geb. Fränkel (1866), Georg Meyer (1894), Selma Meyer, geb. Schlachter, Ehefrau von Georg, Tochter von Simon und Elise (1894), Johanna Nathan geb. Strauss(1873), Moritz Rosenberg (1866), Auguste Rosenberg geb. Stern, Ehefrau von Moritz (1863), Elsa (Else) Rosenberg Tochter von Moritz und Auguste (1894), Flora Sandel geb. de Beer (1884), Justine Scheuer geb. Fränkel (1861), Simon Schlachter (1858), Schlachter, Elisabeth Elise, geb. Sonnheim, Ehefrau von Simon (1867), Adele Silberberg geb. David (1871), Simon Schlachter (1877), Isidor (Juda, Justin) Stern (1893), Walter Stern (1899), Ida Strauss geb. Strauss (1862), Isaac Julius Strauss (1866), Isaac (gen.
'Louis/Ludwig') Strauss (1887), Laura Strauss geb. Michel, Ehefrau von 'Louis' (1883), Lilli Strauss, Tochter von
'Louis' und Laura (1924), Rudolf Strauss, Sohn von Louis und Laura (1928), Isidor Weil, Bruder von Jakob (1875), Friederike
'Rika' Weil geb. Stein, Witwe von Jakob (1875), Dr. Otto Weil, Sohn von Jakob und seiner ersten Ehefrau Therese geb. Schwartz (1894), Hedwig Weil geb. Mayer (Ehefrau von Hugo Emanuel, Sohn von Jakob und seiner zweiten Frau Friederike geb. Stein) (1911), Alfred Abraham Weil, Sohn von Hedwig und Hugo (1936).
Nach 1945 kam nur ein jüdisches Ehepaar nach Meisenheim zurück (Otto David und Frau).
Anmerkung: Die Zeitzeugen, die für das "Meisenheimer Heft Nr. 39" aussagten, erinnerten sich an die folgenden Familien, die in den 20er und 30er Jahren in Meisenheim
lebten:
Familie Ludwig Bloch, emigriert mit zwei Söhnen, die Ehefrau war verstorben;
Familie Sigmund Cahn, die Eltern ermordet; Familie Albert Cahn, emigriert;
Familie Adolph David, emigriert, Adolph in Dachau ermordet; Familie Albert
Kaufmann, emigriert; Familie Felix Kaufmann, emigriert; Familie Hermann Levy,
emigriert - sie sind die einzigen, die noch emigrieren konnten, nachdem sie die
Pogromnacht in Meisenheim erleben mussten; Albert Loeb, ermordet; Familie Julius
Loeb, unbekannt; Familie Moritz Rosenberg, Eltern und Tochter ermordet, eine
weitere Tochter emigriert, ein Sohn früh verstorben; Familie Simon Schlachter,
bis auf Jakob alle ermordet; Familie Isaak Strauß, ermordet; Friederike Unrich,
verstorben; Familie Jakob Weil, Jakob war 1937 nach einem Treppensturz
verstorben, seine Witwe Friederike ("Rika) wurde in Sobibor ermordet, Sohn
Hugo überlebte Auschwitz und konnte von einem "Todesmarsch" fliehen,
Hugos Ehefrau Hedwig und der Sohn Alfred Abraham wurden in Auschwitz umgebracht.
Die Ehefrau von Dr. jur. Otto Weil, Edith "Settchen" geb. Meier,
überlebte mit den beiden Söhnen Edwin in Ralf Bergen-Belsen, ihre Eltern
Isidor und Sophie sind mit "Rika" zusammen in Sobibor umgebracht
worden. .
Im Vergleich mit der Liste der Opfer ergibt sich, dass das idyllische und
beschauliche Meisenheim gerne von werdenden Müttern zur Entbindung aufgesucht
wurde. Es gibt deutlich mehr in Meisenheim Geborene als dort dann auch Wohnende.
Drei Personen, die auch zwar in Meisenheim geboren sind, aber dort nicht ihren
Lebensmittelpunkt hatten, lebten in Mannheim in einem jüdischen Altenheim und
kamen dadurch in die "Saar/Pfalz/Baden-Aktion" der Gauleiter Bürckel
und Wagner und somit nach Gurs; sie entstammen aber durchaus großen Familien in
Meisenheim, nämlich Ferdinand Altschüler (76 Jahre) und die Schwestern Ida und
Johanna Strauss (79 und 68 Jahre). (s. Lit.).
An viele der aus Meisenheim in der Shoa vertriebenen oder umgekommenen
jüdischen Personen erinnern inzwischen sogenannte "Stolpersteine",
die - angeregt durch Günter Lenhoff, den Vorsitzenden des Träger- und
Fördervereins der Synagoge Meisenheim - auf einstimmigen Beschluss des Rates
der Stadt erstmals am 23. November 2007 in der Stadt verlegt wurden.
Dazu: Informationen
auf einer Seite des Paul-Schneider-Gymnasiums Meisenheim. Zu den
"Stolpersteinen" in Meisenheim siehe https://stolpersteine-guide.de/staedte/146/meisenheim-am-glan.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Zur Geschichte des Rabbinates
Besetzung des Rabbinates mit Rabbiner Baruch Hirsch Flehinger (1845)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Dezember 1845: "Meisenheim (Hessen-Homburg), im November (Privatmitteilung). Nachdem
unser Rabbinatssitz aus Mangel an Mitteln zur Besoldung eines Rabbiners über
zehn Jahre verwaist war, ist derselbe dieser Tage durch Herrn Flehinger,
den Verfasser der größeren und kleineren Erzählungen aus den heiligen
Schriften, wieder besetzt worden. Diese Besetzung wäre uns auch jetzt
nicht möglich gewesen, wenn nicht unser gütiger Landgraf uns huldvoll
die Hand dazu geboten hätte, indem Seine landgräfliche Durchlaucht den
vierten Teil des Gehalts aus Staatsmitteln bewilligte. Unser Herr Rabbiner
findet ein sehr brach liegendes Feld vor, es kann ihm an Arbeit nicht
fehlen. Gott segne sein Wirken, von dem wir uns viel Gutes für Gotteshaus
und Schule versprechen!" |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 14. Dezember
1845: "Meisenheim (Hessen-Homburg). Hier ist der durch seine kleinere
und größere Geschichte bekannte Flehinger (bisher Religionslehrer in
Darmstadt) vor einiger Zeit, durch die Regierung zum Rabbiner angestellt
worden, und gibt die Regierung auch zu dessen Gehalt eine nicht
unbedeutende Beisteuer sowie dieselbe auch den Rabbiner als Staatsbeamten
anerkennt. Man kann sich umso mehr hiermit freuen, als Herr Flehinger
entschieden dem Fortschritt huldigt, weshalb derselbe auch früher von dem
Darmstädter Auerbach aufs Schändlichste verfolgt ward. Dabei besitzt
Herr Flehinger gründliche und gediegene wissenschaftliche talmudische
Kenntnisse, und gehört auch seinem Charakter nach zu den ehrlichsten und
aufrichtigsten Rabbinen unserer Zeit. Möge er nur in seinen Gemeinden die
Anerkennung und das Zutrauen finden, die ihm so vollkommen gebühren." |
Bemühungen von Rabbiner Flehinger zur Reform des
Gemeindelebens (1847)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 14. März 1847:
"Kultus-Verbesserungen. (Meisenheim, im Februar). – Der bessere Geist
der Zeit, der alle Wohnungen der deutschen Juden durchzieht, hat nunmehr
auch bei uns Einkehr genommen, seitdem Herr Flehinger seine Anstellung als
unser Rabbiner erhielt. Er bemüht sich in weiser Umsicht das leider bei
uns noch im Argen liegende religiöse Bewusstsein auf eine bessere Weise
umzugestalten und es auf die Höhe der Gegenwart zu erheben. Ich tue der
von ihm getroffenen Einrichtungen bezüglich der Einführung des
Chorgesangs, der äußerlichen Ordnung beim Gottesdienst etc., die
anderswo kaum mehr des Aufhebens wert sind – nur aus dem Grunde Erwähnung,
weil der größte Teil seiner Gemeindemitglieder orthodox, Herr Flehinger
nur altgläubige Vorgänger hatte und sein Rabbinat übernahm, nachdem
dasselbe lange ohne geistlichen Hirten gewesen. Überdies ist bei jeder Änderung
des Status quo des Gottesdienstes die Zustimmung des jüdischen Vorstandes
erforderlich, welche bekanntlich nicht immer mit leichter Mühe zu
erlangen ist. Wir können sicher noch Weitergreifende Reformen von unserem
Rabbiner erwarten. Erwähnen muss ich noch, dass Herr Flehinger nach dem
Schlusse des sabbatlichen Gottesdienstes am Freitage die Jugend vor sich
treten lässt und sie segnet, d.i. benscht. Riecht das nicht nach
Priesterlichkeit?
Auch eine bürgerliche Verbesserung ist uns zuteil geworden. Unsere
Regierung hat nämlich das kaiserliche Dekret des so genannten
Moralpatentes außer Kraft
gesetzt, und so können wir uns nunmehr als völlig emanzipiert erklären.
– Im Ganzen leben in der Landgrafschaft 1.000 jüdische Seelen, die sich
der Achtung der Beamten und der Liebe ihrer christlichen Mitbürger
erfreuen. Die eigentliche Landgrafschaft Homburg hat einen eigenen
Rabbiner, soviel wir wissen vom orthodoxen Genre, Herr Flehinger ist nur
Rabbiner in der Herrschaft Meisenheim." |
Werbung für Publikationen des Rabbiners Flehinger (1857 /
1859)
Anzeige
in der Zeitschrift "Jeschurun" vom Januar 1857: "Anzeige.
In der Jäger’schen
Buch-, Papier- und Landkartenhandlung in Frankfurt am Main ist soeben
erschienen: Flehinger, B.H., Rabbiner in Meisenheim: Erzählungen und
Belehrungen aus den heiligen Schriften der Israeliten, nebst einem
Anhange: Begebenheiten in den Tagen Mathithiasus und seiner Söhne.
Dargestellt für die reifere israelitische Jugend. Zweite verbesserte
Auflage. Preis 18 Sgr. Oder 1 Gulden. Diese zweite Auflage des größeren
Werkes des Herrn Verfassers, dessen kleines Lehrbuch bereits die achte
Auflage erlebt, ist mannigfach vergrößert, im Preise billiger als die
erste und bereits in mehreren Schulen, namentlich in der bayerischen
Pfalz, eingeführt.
Israelitische Lehrer, welche dies Werk noch nicht
kennen, erhalten von uns gerne auf Verlangen ein Frei-Exemplar
geliefert." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. August 1859: "In der Jäger'schen Buch-, Papier-
und Landkartenhandlung in Frankfurt am Main ist erschienen und
durch alle Buchhandlungen in Deutschland und der Schwweiz zu
erhalten:
Flehinger, B. H. , Rabbiner zu Meisenheim, Erzählungen aus den
heiligen Schriften der Israeliten, dargestellt für die kleinere
israelitische Jugend. Zehnte, neu durchgesehene Auflage. Preis 27
Kr. oder 7 1/2 Sgr. gebunden.
- Erzählungen und Belehrungen aus den heiligen Schriften der Israeliten,
nebst einem Anhange: Begebenheiten in den Tagen Metithjahu's und seiner
Söhne. Dargestellt für die reifere israelitische Jugend. Zweite
verbesserte Auflage. Preis Fl. 1 oder 18 Sgr.
Die beiden Schriften des rühmlichst bekannten Verfassers schreiten stets
weiter vor in der Anerkennung der Herren Religionslehrer und mit jeder
neuen Auflage werden solche in weiteren Kreisen zum Unterricht
eingeführt.
Es bedarf daher wohl nur der Bekanntmachung, dass solche stets in
korrektem Abdruck erhalten werden und jede Buchhandlung bereit ist,
denjenigen Herren Lehrern, welchen beide Bücher noch unbekannt sein
sollten, ein Exemplar zur Ansicht zu
verschaffen." |
Ausschreibung des Rabbinates (1861)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Mai 1861:
"Anzeige. Die hiesige Rabbinatsstelle, seit 15 Jahren von
Herrn Rabbiner Flehinger verwaltet, ist durch dessen Weiterbeförderung
mit dem 1. Mai dieses Jahres anderweitig zu besetzen. - Außer den
Kasualien ist die Stelle mit einem fixen Gehalte von 600 Gulden
verbunden. Es wird daher ein tüchtiger Mann, welcher seine Fähigkeit
gehörig nachzuweisen hat, für diese Stelle gesucht, der sich recht
baldigst an den unterzeichneten Vorsteher, welcher ihm die nötige
Auskunft erteilen wird, zu wenden hat.
Meisenheim am Glan, Landgrafschaft
Hessen-Homburg, den 15. April 1861.
Der Vorsteher der israelitischen Gemeinde.
Jacob Haas." |
Zu Rabbiner Latzar - Rabbiner in Meisenheim seit 1863
Artikel
in der Zeitschrift "Chananja" vom 1. Juli 1867: "Meisenheim, 5.
Juni. Der ehrwürdige Rabbiner von Gr.-Kikinda (im Banat*), der seit vier
Jahren in unserer Gemeinde fungiert, ist bei dem Übergange der Regierung
unseres Ländchens Hessen-Homburg an Preußen im Auftrag des königlichen
Zivilkommissärs vom Landrat wie die anderen Staatsbeamten in Eid genommen
worden. Es scheint also, dass die israelitischen Verhältnisse in den
neuerworbenen Ländern in status quo erhalten werden sollen. Herr Rabbiner
Latzar, der aus Ungarn hierher kam, hat sich in kurzer Zeit die allgemeine
Zuneigung erworben."
* heute Kikinda in Serbien an der Grenze zu Rumänien |
Zum Tod von Rabbiner Latzar (Lazar) - Aufruf zur Hilfe
für seine Familie (1869)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. September 1869: "Hilferuf! Ein trauriger Fall
führte die Unterzeichneten heute hier zusammen. Wir hatten unserem
würdigen Kollegen Lazar dahier die letzte Ehre zu erweisen. Derselbe
wirkte sieben Jahre in segensreichster Weise für den hiesigen Bezirk,
aber irdischer Segen für sein Haus war in diesem kleinen, nicht sehr
reichen Kreise nicht zu erwerben. Er hinterlässt einen guten Ruf, schöne
Früchte seiner Tätigkeit und - ein noch junges Weib und zwei kleine
Waisenknaben, beide hilflos dastehend. Die wenig zahlreichen und wenig
begüterten Gemeinden Gemeinden sind nicht imstande, der Witwe und der
Waisen ausreichende Hilfe zu gewähren, sie haben alle Kräfte
aufzubieten, um für die Anstellung eines Nachfolgers Sorge zu tragen. Wir
haben uns von der hilflosen Lage der Hinterlassenen, sowie von der
Machtlosigkeit derer, die zunächst zu helfen berufen wären, persönlich
überzeugt, und halten uns daher berechtigt und berufen, unseren Brüdern
nahe und ferne zuzurufen: helfet! helfet! Solcher Ruf ist in Israel noch
niemals fruchtlos verhallt, besonders wenn er von seinen Lehrern und für
seine Lehrer und Führer ertönte. Gaben zu diesem Zwecke - möchten sie
reichlich fließen - nimmt der israelitische Vorstand dahier, die
verehrliche Redaktion dieses Blattes und die Unterzeichneten gerne in
Empfang und werden dieselben für die richtige Verwendung der Gelder Sorge
tragen.
Meisenheim, den 26. Juli 1869.
Flehinger, Rabbiner in Merchingen.
S. Bamberger, Rabbiner in Kreuznach.
Wir sind bereit, Unterstützungen für die unglücklichen Hinterlassenen
in Empfang zu nehmen und darüber in diesem Blatt zu quittieren. Mögen
sie recht reichlich fließen. Die Redaktion." |
1870 bis 1879: Rabbiner Dr. Israel Mayer - Artikel zu
seinem Tod in Zweibrücken (1898)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1898. "Zweibrücken, 24. Mai
(1898). Die Pfälzische Presse schreibt: Dieser Tage verschied nach kurzem
Krankenlager infolge einer schweren Lungenentzündung Bezirksrabbiner Dr.
Israel Mayer. Der Trauerfall ruft hier in allen Kreisen die größte
Teilnahme hervor, zumal der Verblichene allgemein hoch geschätzt und ein
sehr toleranter Mensch war. Der Verstorbene erreichte ein Alter von 55
Jahren. Er war geboren am 14. Januar 1843 in Müllheim in Baden, besuchte
die Mittelschule und das Lyceum in Karlsruhe, bezog dann die Universität
in Breslau, machte 1869 das Doktorexamen in Freiburg im Breisgau und wurde
1870 Rabbiner in Meisenheim. 1879 wurde er nach Zweibrücken berufen und
verblieb dann daselbst als Bezirksrabbiner. Er war Mitarbeiter
verschiedener wissenschaftlicher und populärer Zeitschriften,
Ehrenvorsitzender und Ehrenmitglied mehrerer von ihm begründeter Wohltätigkeitsvereine.
Zahlreiche Beileidsbekundungen
auswärtiger Korporationen und Freunde sind bereits eingelaufen und geben
Zeugnis von der großen Beliebtheit und Wertschätzung des
Verblichenen." |
Ausschreibung des Rabbinates (1879)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juli 1879: "Die hiesige
Rabbinatsstelle soll wieder besetzt werden. Gehalt 1.100 Mark. Bevorzugt
werden solche Kandidaten, welche unverheiratet und in modernen Sprachen
Privatunterricht erteilen wollen, wodurch die Nebeneinkünfte beträchtlich
vermehrt werden können. Meldungen mit Zeugnissen zu richten an den
unterzeichneten Vorstand. Meisenheim (Rheinprovinz). Abraham Klein." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. August 1879: "Die
hiesige Rabbinatsstelle soll wieder besetzt werden. Gehalt 1.100 Mark.
Bevorzugt werden solche Kandidaten, welche unverheiratet (sind) und in
modernen Sprachen Privatunterricht erteilen wollen, wodurch die Nebeneinkünfte
beträchtlich vermehrt werden können. Meldungen mit Zeugnissen zu richten
an den unterzeichneten Vorstand. Meisenheim (Rheinprovinz). Abraham
Klein." |
Ausschreibung des Rabbinates (1883)
Anzeige in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Januar 1883: "Die
hiesige Rabbinats-Stelle ist vom Januar 1883 ab zu besetzen und werden die
etwaigen Bewerber ersucht, ihre Zeugnisse respektive Abschriften an den
Unterzeichneten einzusenden. – Es wird ein junger lediger Mann gewünscht,
der womöglich in Breslau studierte und Deutscher ist.
Der Vorstand der
Synagogen-Gemeinde. M. Dinkelspiel. (Kreis) Meisenheim." |
Zum Tod von Rabbiner Baruch Hirsch Flehinger (1890)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Februar 1890: "Darmstadt. Vor
kurzem starb hier der pensionierte Bezirks- und Konferenz-Rabbiner B.H.
Flehinger im Alter von 80 Jahren. Derselbe war früher Rabbiner in
Meisenheim und in Merchingen im Großherzogtum Baden. Als
Konferenz-Rabbiner war er auch Mitglied des Großherzoglichen Oberrats der
Israeliten. Er war Verfasser zweier biblischer Geschichtsbücher, wovon
das für die ‚kleinere Jugend’ 20 und das für die ‚reifere
Jugend’ 5 Auflagen erlebte." |
Zum Tod von Rabbiner Dr.
Seligmann Fried (1906, Rabbiner in Meisenheim zwischen 1879 und
1883)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Februar 1906: "Ulm, 8. Februar (1906). Am 2. dieses
Monats in den ersten Morgenstunden ist sanft und kampflos, nach langem,
schweren Leiden, infolge einer Herzlähmung, unser Rabbiner Herr Dr. M.
Fried entschlafen. Er hat in unserer Gemeinde 18 Jahre lang gewirkt,
nachdem er zuvor in Meisenheim, Bernburg und Ratibor gewesen.
Bei Interesse am weiteren Text Textabbildung anklicken oder siehe auf
einer Seite
zur jüdischen Geschichte in Ulm. |
Zur Geschichte der israelitischen Schule sowie der Lehrer und Vorbeter
Ausschreibungen der Stellen des Religionslehrers, Vorbeters und Schochet
-
1846 Vorsänger und Lehrer im Bezirk / 1865, 1873 und 1874 Kantor und Schächter in
Meisenheim
/ 1909 Religionslehrer, Kantor und Schächter in Meisenheim
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Oktober 1846:
"Vakanzen.
Einige Vorsänger- und Religionslehrerstellen sind zu
besetzen. Auf portofreie Anfragen erteilt die unterzeichnete Stelle nähere
Auskunft. Meisenheim. Das landgräfliche Rabbinat. Flehinger". |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Juli 1865:
"Ein unverheirateter, musikalisch gebildeter Vorbeter,
Toravorleser und Schächter kann, bei einem jährlichen Gehalte von 100 Talern
und ca. 150 Talern Nebeneinkommen, in unsere Gemeinde am 15. September
dieses Jahres eintreten.
Reflektanten belieben sich unter Einreichung ihrer Qualifikations-Atteste
in portofreien Briefen beim Gefertigten baldigst zu melden.
Es wird noch bemerkt, dass für gebildete Männer sich dahier die
Gelegenheit darbietet, durch Privatunterricht die pekuniären
Verhältnisse bedeutend zu verbessern.
Meisenheim am Glan, den 28. Juni 1865. L. Latzar,
Landgräflicher Rabbiner." |
|
Anzeige in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Juli 1873: "Vakanz.
Wir suchen bis 1. Januar 1874 einen musikalisch gebildeten
Kantor und Schächter. Unverheiratete bevorzugt. Fester Gehalt nach
Leistungen und Übereinkunft. Nebeneinkünfte circa 300 Gulden. Meldungen
sind baldigst zu richten an den Vorstand der Synagogengemeinde in
Meisenheim (Rheinprovinz)." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Februar 1874:
"Die hiesige Kantor- und Schächterstelle ist vakant. Bewerber wollen
sich wenden an den Vorstand der Synagogen-Gemeinde zu Meisenheim,
Regierungs-Bezirk Koblenz." |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. August 1909:
"Wir suchen per 1. September einen seminaristisch geprüften
jüngeren Lehrer als Religionslehrer, Kantor und Schächter. Garantiertes
Mindesteinkommen Mark 1.500. Offerten an den Vorstand
Louis David.
Meisenheim am Glan." |
Gutes Miteinander zwischen jüdischem Lehrer und
den evangelischen Lehrern (1855)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelitische Volksschullehrer" vom Februar 1855: "Aus
Meisenheim (Landgrafschaft Hessen) wird uns als schönes Zeichen
freundlichen Zusammenlebens der verschiedenen Konfessionen berichtet,
dass, als der jüdische Lehrer durch Unwohlsein an dem Abhalten der Schule
auf längere Zeit verhindert war, die drei evangelischen Lehrer sich
freiwillig erboten, sich die jüdischen Kinder zu teilen und sie bis zur
vollständigen Wiedererkräftigung ihres früheren Lehrers in die eigene
Schule aufzunehmen. Auf Verwenden des dortigen Rabbiners gab auch die
Schulinspektion und die Schulkommission, an deren Spitze ein streng
orthodoxer Geistlicher steht, die bereitwilligste Zustimmung dazu." |
Regelungen im Blick auf den jüdischen Religionsunterricht
und Probleme mit einem katholischen Pastor (1854)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Februar 1854: "Meisenheim, im Februar. Als ein Zeichen der Zeit mag folgendes
Vorkommnis ein allgemeines Interesse beanspruchen dürfen. Auf Anregung
des Rabbiners unseres Landesteils hatte die hohe Regierung die, beiläufig
gesagt, von allen Gesetzen zu Gunsten der Juden aus dem Jahre 1848 auch
noch kein Jota zurückgenommen oder geschmälert hat, schon im Jahre 1847
verfügt, dass da, wo keine besonderen israelitischen Elementarschulen
bestehen, Versäumnisse des israelitischen Religionsunterrichtes ebenso
bestraft werden sollen, wie Versäumnisse beim Elementarunterrichte;
sodass also die betreffenden christlichen Geistlichen, die an der Spitze
der Ortsschulkommissionen stehen, das Straferkenntnis für Versäumnisse
auch beim israelitischen Religionsunterrichte zu erlassen hätten. Bisher
fand dieses auch nicht den geringsten Anstand. – Ein katholischer Pastor
in unserer Nähe war der erste, der sich weigerte, ein solches
Straferkenntnis zu erlassen und motivierte seine Weigerung mit den Worten:
*Dieses kann als etwas gegen ihr Gewissen Gehendes, weil in Sachen, die
gegen ihre religiöse Überzeugung sind, derselben nicht zugemutet
werden.’ Zartes Gewissen, das lieber die Religionslosigkeit, als ein
akatholisches Glaubensbekenntnis in Schutz nehmen zu müssen glaubt! Denn
nur zwischen beiden war hier zu wählen. Die Sache liegt indessen hoher
Landesregierung zur Entscheidung vor, auf die wir sehr gespannt sind. B.H." |
Lehrer Benjamin Unrich tritt in den Ruhestand (1887)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Dezember 1887: "Meisenheim,
15. November (1887). Herr Unrich, der Lehrer der israelitischen Schule,
welcher krankheitshalber schon seit Jahresfrist an der Ausübung seines
Amtes verhindert war, ist nun in den wohl verdienten Ruhestand getreten. Für
seine große Treue und seinen Pflichteifer während seiner fünfzigjährigen
Wirksamkeit wurde ihm von Seiner Majestät unserem König der Adler des
Hohenzollernschen Hausordens verliehen. Anlässlich der Überreichung
desselben fand heute Morgen in dem ehemaligen Schulsaale des Jubilars eine
einfache, erhebende Feier statt. Nach Absingung eines Liedes seitens der
zur Konferenz dahier versammelten Lehrer des Konferenzbezirks Meisenheim
dekorierter Herr Landrat Schlenther, im Auftrag der Königlichen Regierung
Herrn Unrich. Herr Kreisschulinspektor Bornemann gedachte in lobender
Anerkennung der gewissenhaften, treuen Amtsführung desselben. Herr Lehrer
Martin beglückwünschte den Dekorierten im Namen seiner Kollegen und
gedachte des liebevollen kollegialischen Entgegenkommens desselben. Auch
Herr Superintendent Gerlach drückte ihm die herzlichsten Glückwünsche
aus. Als der Vertreter der Gemeinde war Herr Bürgermeister von Holwede
erschienen. Tief ergriffen dankte Herr Unrich für die ihm gewordene
Auszeichnung und die herzlichen Glückwünsche. Von ganzem Herzen stimmen
wir ein in den Wunsch der Gratulanten, dem Jubilar möge nach so langjähriger
mühevoller aber auch segensreicher Lehrertätigkeit ein langer, ungetrübter
Lebensabend beschieden sein." |
Zum Tod von Lehrer Benjamin Unrich 1890
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. März 1890: "Meisenheim, 4. März
(1890). Unter sehr zahlreicher Beteiligung der hiesigen Einwohner und der
Lehrer des Konferenzbezirks Meisenheim fand gestern Nachmittag die
Beerdigung des israelitischen Lehrers, Herrn Benjamin Unrich statt. Herr
Rabbiner Maier (sc. Dr. Israel Mayer) aus Zweibrücken, der früher lange Jahre an der hiesigen
israelitischen Gemeinde tätig war, hielt am Grabe des im 78. Lebensjahre
Dahingeschiedenen die Leichenrede. Der Verstorbene war im November 1887
krankheitshalber genötigt, nach 50 jähriger Wirksamkeit sein Amt
niederzulegen. Bei jener Gelegenheit wurde er für seine große Treue und
seinen Pflichteifer von unserem hochseligen König Wilhelm I. mit dem
Adler des Hohenzollernschen Hausordens bedacht. Herr Unrich war bei seinen
Mitbürgern durch seine gewissenhafte Amtsführung und sein freundliches
Benehmen im Umgang allgemein geachtet und beliebt. Ehre seinem
Andenken!" |
Über den Kantor und Religionslehrer Heyman de Beer
(Kantor von 1875 bis 1909)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 16. November
1909: "Meisenheim am Glan. Vor kurzer Zeit legte Herr Heyman
de Beer, der langjährige Kantor der hiesigen israelitischen Gemeinde,
sein Amt nieder. Im Jahre 1875 kam Herr de Beer nach Meisenheim, damals
noch Sitz eines Rabbiners und einer staatlichen israelitischen
Volksschule. Nachdem durch den allgemeinen Zug nach der Großstadt die
Gemeinde infolge ihrer Verminderung die beiden letzten Institutionen
aufgeben musste, verblieb Herr de Beer als alleiniger Kultusbeamter. Er
hat seines Amtes fast 35 Jahre lang ununterbrochen gewaltet. Die hiesige
Gemeinde bereitete ihm zum Abschied eine kleine Feier, wobei ihm die
Ältesten im Namen der Gemeinde als Andenken an Meisenheim und in
Anerkennung seiner verdienstvollen Tätigkeit in feierlicher Weise ein
Ehrengeschenk (bestehend aus einem Ruhesessel und einer silbernen Bowle)
überreichten. Herr de Beer siedelte nach Frankfurt am Main über, um
seinen Lebensabend im Kreise seiner Familie bei seinen Kindern zu
verbringen." |
Über den letzten jüdischen Lehrer Dr. Julius Voos
(geb. 1904 im Kamen, ermordet 1944 in Auschwitz)
Julius
Voos (auf dem Foto links mit seiner Frau Stephanie geb. Fuchs 1940 in
Münster) ist 1904 in Kamen (Rheinland) als Sohn eines Metzgermeisters
geboren, wo er mit fünf Geschwistern aufgewachsen ist; Ausbildung zum
Lehrer in der Marks-Haindorf-Stiftung in Münster. Seite erste Stelle war
nach dem Examen 1924 in Meisenheim, wo er bis 1928 als
Religionslehrer und Kantor wirkte, zuletzt auch als Lehrer für andere
Fächer an der evangelischen Volksschule in Meisenheim. Nach 1928
studierte er in Berlin und Bonn, wo er zum Dr.phil. promovierte. Nach dem
Rabbinerexamen fand er in Guben, Niederlausitz eine Anstellung, wo er 1936
Stephanie Fuchs heiratete. Nach der Pogromnacht 1938 wurde er verhaftet
und im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Seit Januar 1939 war das Ehepaar in
Münster, wo er als letzter Rabbiner und Lehrer tätig war. Die
Bemühungen um eine Auswanderung scheiterten. Im März 1942 Zwangsarbeit
in Bielefeld, wo er mit Frau und dem Sohn Denny in einem der dortigen
"Judenhäuser" wohnte und heimlich mit den verblieben jüdischen
Bewohnern Gottesdienste abhielt. A, 2. März 1943 nach Auschwitz
deportiert, wo Frau und Sohn sofort ermordet wurden. Julius Voos kam in
das Arbeitslager Auschwitz III. Er starb am 2. November 1944 auf Grund der
katastrophalen Arbeitsbedingungen. Nach dem Überlebenden Dr. Unikower aus
Breslau war Dr. Julius Voos der einzige Rabbiner in Auschwitz, der das
'Lager erbarmungslos mitgemacht, schwerstgearbeitet, gehungert und
gedurstet und seine Kameraden noch aufgerichtet hat".
Zur Erinnerung an ihn gibt es in Münster eine "Julius-Voos-Gasse",
gleichfalls in Kamen eine "Julius-Voos-Straße".
Informationen zu Voos und Foto nach einer Seite
des DYBBUK-Ensemble
Weitere Informationen: Zwischen Hoffen und Bangen. Filmaufnahmen
einer jüdischen Familie im 'Dritten Reich'. Begleitheft
zum Film (online zugänglich). Hrsg. vom Westfälischen
Landesmedienzentrum. Zu Julius Voos und seiner Familie S.
21ff. |
Die
Gemeinde- und Synagogenordnung von 1849
|
|
|
|
|
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. Juli 1849: "Meisenheim, 8. Juli 1849. Beifolgende Statuten für die hiesige
israelitische Kultusgemeinde möchten vielleicht jetzt, wo es sich überall
reget zur Neugestaltung und Bildung anderer Grundlagen für unser künftiges
Gemeindeleben, auch für das größere Publikum einiges Interesse haben.
– Die Genesis derselben ist einfach folgende. Als das stürmische Jahr
1848 auch die israelitischen Gemeindeverhältnisse mit Auflösung
bedrohte, dagegen aber auch die Gelegenheit bot, sich selbständig,
ungehindert von oben, zu konstituieren, wurde
diese Gelegenheit rasch benützt. In einer Plenarversammlung –
die Gemeinde zählt nur 32 selbständige Mitglieder – wurden dem
Rabbiner sechs Personen beigegeben, um mit denselben gemeinschaftlich
einen Entwurf zu einer Gemeindeordnung auszuarbeiten. Dieser so
entstandene Entwurf wurde nachher wieder von der ganzen Gemeinde § nach
§ beraten, größtenteils angenommen und Weniges daran modifiziert. Die
landgräfliche Regierung wurde hierauf um Genehmigung ersucht, diese wünschte
ebenfalls einige Modifikationen, man vereinbarte sich darüber, und
hierauf erfolgte die landgräfliche Sanktion und Publikation im
Regierungsblatte.
Dass Vieles darin nur in lokalen Verhältnissen seine Begründung findet,
versteht sich von selbst. Das absolute Veto, das in religiösen
Angelegenheiten dem Rabbiner eingeräumt ist, möchte mit Recht vielen
Tadel finden. Allein wie die Sachen jetzt stehen, ist ein Missbrauch des
Rabbiners in dieser Hinsicht nicht zu fürchten; und wendet man ein, dass
eine Konstitution ja nicht für gewisse Zustände berechnet sein darf,
sondern gerade dazu da ist, um in allen Lagen und gegen alle eventuellen
Persönlichkeiten Rechtsschutz zu gewähren, dass ja in unserem Falle das
Verhältnis zwischen Rabbiner und Gemeinde später ein umgekehrtes sein könne;
so bedenke man, dass eben diesen Umstand die jetzige, vollständige
konservative Gemeinde vorbedachte und aus Furcht davor dem Rabbiner das
absolute Veto in religiösen Angelegenheiten aufdrang.
[Bemerkung der Redaktion. Wir teilen die folgende Gemeindeordnung
allerdings darum mit, weil eine Solche bei der gegenwärtigen Krise von
Bedeutung ist, und Vielen willkommen sein möchte.]
Wir Ferdinand, von G.G. souv. Landgraf zu Hessen etc. etc. fügen zu
wissen:
Nachdem die israelitische Kultgemeinde zu Meisenheim die nachfolgenden
Bestimmungen über die Regelung ihrer Gemeindeverhältnisse im Wege der
freiwilligen Vereinbarung angenommen und an uns das Ansuchen gerichtet
hat, denselben unsere landesfürstliche Sanktion zu erteilen, so haben wir
dieser Bitte zu willfahren beschlossen und sanktionieren daher diese
Bestimmungen dergestalt, dass dieselben für die jetzigen und künftigen
Mitglieder der israelitischen Kultgemeinde zu Meisenheim, beziehungsweise
für Alle, welche nach dem Inhalte derselben zu dieser Gemeinde gehören
sollen, als Gesetz gelten und verbindlich sein sollen. Die gedachten
Bestimmungen verkünden wir zugleich, wie folgt:
Begriff und Mitgliedschaft.
§ 1. Die israelitische Kultusgemeinde zu Meisenheim ist ein Einzelverband
zum Zwecke der Erhaltung, Pflege und Übung der israelitischen
Religionsvorschriften, zur Förderung religiösen Sinnes und zu Heiligung
des Lebens.
§ 2. Zur israelitischen Kultusgemeinde zu Meisenheim gehören alle dem
politischen Bürgerverbande daselbst und in Breidenheim einverleibten
Israeliten.
§ 3. Stimmfähiges, vollberechtigtes und verpflichtetes
Gemeindeglied…."
Bitte den weiteren Text in den anklickbaren
Texten einsehen. |
Fortsetzung der Gemeindeordnung mit Schwerpunkt Synagogenordnung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 30. Juli 1849:
|
|
|
|
|
§ 39 Kinder, welche die Lehrschule noch
nicht besuchen, dürfen auch beim Gottesdienste nicht erscheinen.
§ 40 Kinder vom zehnten Jahre bis nach
ihrer Konfirmation werden zum Chorgesang verwendet und sitzen, unter der
Aufsicht ihres Lehrers, auf einer eigenen Bank, auf welcher kein Anderer
Platz nehmen darf.
§ 41 Jüngere Kinder und ältere Knaben
stehen unter der Aufsicht ihrer Eltern, resp. Pflegeeltern, und sind diese
für deren Betragen verantwortlich.
§ 42 Erwachsene haben still und
geräuschlos einzutreten, sich ebenso ruhig sogleich auf ihren Platz zu
begeben, welchen sie vor Beendigung des Gottesdienstes resp. vor Olenugebet,
nicht verlassen dürfen. Nur dringende Fälle, zur Befriedigung eines
unabweislichen Bedürfnisses, machen hiervon eine Ausnahme.
§ 43 Um das Zusammenströmen von Männern
und Frauen vor der Synagogentüre zu verhüten, dürfen die Letzteren schon
nach der Mussaph-Keduscha das Gotteshaus verlassen.
§ 44 Alles Aufhalten auf der Treppe in
dem Synagogenhofe oder in der zur Synagoge gehörigen Wohnung ist während
des ganzen Gottesdienstes streng untersagt.
§ 45 Jedes Plaudern, wenn auch noch so
leise, das laute Beten, das Bewillkommnen, das Zurufen von Jascher-Koa und
ähnl., das Entfernen von seinem Platze, wenn ihn nicht eine Funktion dazu
nötigt, kann nicht gestattet werden.
§ 46 Nach dem Anlegen der Gebetriemen
muss Jeder seinen Rock wieder vollständig anziehen und kann es unter keinen
Umständen gestattet werden, mit entblößtem Arme in der Synagoge zu
verweilen. |
Anzeigen jüdischer
Gewerbebetriebe
Anzeige der Wein- und Speisewirtschaft Ferdinand Fränkel
(1876)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. August 1876: "Koscher Restauration Koscher.
Empfehle hiermit meine nach streng jüdischem Ritus geführte Wein- und
Speisewirtschaft. Ferdinand Fränkel sen., Meisenheim am Glan." |
Anzeige der Metzgerei / Wurstfabrik H. Rotschild (1876)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. September 1876: "J.
Rothschild, Meisenheim. Koscher
empfiehlt alle Sorten Würste koscher
als: Salami-, Cervelat- und Knoblauch-Würste, sowie Rauch- und Pökelfleisch
zu den billigsten Preisen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war jeweils ein Betsaal vorhanden. 1808 wurde
eine Synagoge in der Lauergasse erbaut. Nachdem sie für die im 19. Jahrhundert
größer werdende Gemeinde nicht mehr ausreichte, beschloss die jüdische
Gemeinde 1860 den Neubau einer Synagoge an der städtischen Bleiche, der
heutigen Saarstraße.
Aus der ersten Zeit der Spendensammlungen für den Neubau liegt ein Bericht
aus der Zeitschrift "Der Israelitische Volkslehrer" vom Oktober 1860 vor:
Artikel
in "Der Israelitische Volkslehrer" vom Oktober 1860:
"Meisenheim.
Die hiesige Gemeinde hat diesmal einen sehr schönen Matnat Jad (sc.
Festgeschenk, das zu den hohen Festtagen gebracht wird) gefeiert.
Nachdem sie vor zwei Jahren zur Erweiterung und Verschönerung des Friedhofes
bedeutende Summen verwendet, vor einem Jahre zur Erhaltung ihres Rabbiners
diesem eine entsprechende Gehaltserhöhung votierte, bewilligte sie an den
letzten Festtagen die Summe von 2000 Gulden zum Bau einer neuen Synagoge. Die
bisherige war nämlich bei ihrer Gründung vor 52 Jahren auf eine viel kleinere
Mitgliederzahl berechnet und auch vor ungefähr 12 Jahren durch Verbauung von
Seiten der Nachbarn alles Lichtes beraubt worden; so dass ihr, abgesehen von den
Anforderungen eines besseren Geschmacks, Licht, Luft und Raum fehlte. - Wer die
Verhältnisse der hiesigen Gemeinde kennt, wird diese Opferwilligkeit nicht
gering anschlagen und dem guten Willen der Gemeinde die vollste Anerkennung
nicht versagen. Freilich reicht diese Summe noch nicht hin, das Ziel
vollständig zu erreichen, allein man hofft umso mehr auf auswärtige Hilfe, als
man auch hier nie zurückstand, wenn von Außen ein Hilferuf ertönte." |
Die frühere Synagoge wurde einige Jahre darauf abgebrochen. Der
Neubau sollte ein repräsentatives Gebäude werden. Die Finanzierung (es
entstanden Kosten von 15.200 Gulden) konnte mit einigen Mühen gesichert werden.
Am 3. August 1866 fand die feierliche Einweihung der neuen, durch den
Architekten Heinrich Krausch entworfenen Synagoge statt. Sie verfügte über 160
Sitzplätze. Zum Inventar gehörten u.a. sechs Torarollen, reichhaltiger
Toraschmuck, silberne Leuchter, eine Orgel und eine Bibliothek. In sechs Pulten
wurden die Gebetbücher aufbewahrt. Äußerlich
war es ein sechsachsiger Saalbau mit einer dreigeschossigen
Doppelturmfassade.
In der Pogromnacht im November 1938 wurde die Meisenheimer
Synagoge erheblich beschädigt. Sämtliche Türen, Fenster und große Teile der
Empore wurden zertrümmert sowie Feuer gelegt, das jedoch bald wieder gelöscht
wurde mit Rücksicht auf ein unmittelbar angrenzendes NS-Haus. Das Gebäude
wurde zwar nicht abgebrochen, doch das obere Geschoss der beiden Türme 1940
abgetragen. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude überwiegend
als Industriebetrieb zweckentfremdet, danach als städtisches Lagerhaus. Seit 1951
war des privates Lager für Getreide, Futter-
und Düngemittel. Beim Umbau wurden die Reste der Frauenemporen entfernt, die
Fenster vermauert und Zwischendecken eingezogen. 1982 wurde es unter Denkmalschutz gestellt.
1985 erfolgte die
Gründung des "Träger- und Fördervereins Synagoge Meisenheim", der 1986
die ehemalige Synagoge erwarb und restaurieren ließ. Am 9. November 1988 – fünfzig
Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 – konnte das ehemalige Synagogengebäude
als "Haus der Begegnung" der Öffentlichkeit übergeben werden.
Im oberen Stockwerk wurde als sichtbare Erinnerung an die
ehemalige Synagoge ein Glasfenster der israelischen Künstlerin Ruth van de
Garde-Tichauer angebracht. Das Fenster wurde unter technischer Assistenz von
Karl-Heinz Brust aus Kirn ausgeführt. Inhalt des Glasfensters ist die Rückkehr
der zwölf Stämme Israels nach Jerusalem auf Grund des Textes aus dem
18-Bitten-Gebet (Schmone-Esre): "Stoße in die große Posaune zu unsrer
Befreiung und richte ein Panier auf, all unsre Verbannten zu sammeln von den
vier Flügeln der Erde hin nach unserem Land".
Mit Bescheid vom 21. Mai 1997 erhielt das Synagogengebäude
den
Schutz der Haager Konvention als besonders schützenswertes Kulturgut. Über dem
Eingang befindet sich seit 1999 ein von der israelischen Partnerstadt des
Kreises Bad Kreuznach Kiryat Motzkin gestifteter David-Stern aus
Jerusalem-Kalkstein.
Adresse/Standort der Synagoge: Saarstraße 3
Öffnungszeit des "Hauses der Begegnung": Von April bis
Oktober am 1. Sonntag eines jeden Monats von 15 bis 17 Uhr. Eine Besichtigung der ehemaligen Synagoge oder eine Führung
durch die Ausstellung ist für Einzelpersonen und Gruppen nach vorheriger
Absprache jederzeit möglich.
Adressen:
| Träger- und Förderverein Synagoge Meisenheim
e.V. Vorsitzender Günther Lenhoff (Tel. 06753/124511) |
| Stellvertretende Vorsitzende Martha Eicher (Warthstr. 1
55590 Meisenheim, Tel.
06753/3771) |
| Schatzmeister Wolfgang Schumann (Tel. 06753/3110) |
| Spendenkonto:
Träger- und Förderverein Synagoge Meisenheim. Sparkasse Rhein-Nahe Bad
Kreuznach Konto Nr. 7004757 BLZ
560 501 80 |
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum am "Tag des offenen
Denkmals" am 11.9.2005; Fotos zweite Fotozeile von Michael Ohmsen,
Aufnahmen vom Sommer 2010)
|
|
|
Ansichten des
Synagogengebäudes |
|
Rechts: hochauflösende Fotos
(Quelle der Fotos rechts und in den Fotozeilen
darunter: Michael Ohmsen (2010;
aus der
Fotoseite
von M. Ohmsen; die drei mit *
markierten Fotos sind von Klara Strompf, 2020) |
* |
|
|
Blick auf die
ehemalige Synagoge |
Das Eingangsportal |
|
|
|
* |
* |
|
Links Portalinschrift; rechts
Hinweis-/
Informationstafel zu den Zehn Geboten |
Hinweistafel
|
Eingangsbereich auf der
Rückseite
des Gebäudes |
|
|
|
|
|
|
Ausstellung im
Erdgeschoss (Bereich des Betsaales) |
|
|
|
|
Toravorhang, ursprünglich aus
Bad Sobernheim |
Aufgang zum oberen
Bereich auf Höhe der ehemaligen Frauenempore mit
künstlerischen
Darstellungen von SchülerInnen |
|
|
|
|
|
Das Glasfenster
der israelischen Künstlern Ruth van de Garde-Tichauer |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Das Gebäude der
früheren
jüdischen Schule, Wagnergasse 13
(Foto: Michael Ohmsen,
Aufnahme vom Sommer 2010; Fotoseite) |
|
|
Geschichte des
Hauses nach der angebrachten Tafel: "Ehemalige Schule 1751 zweites
lutherisches Pastorat, danach bis 1838 unten Schulraum, oben Lehrerwohnung.
1842-87
jüdische Elementarschule. Erster und einziger Lehrer Benjamin Unrich ab 1839.
Zierfachwerk 1938 freigelegt." |
|
|
|
|
|
|
"Stolpersteine"
in Meisenheim - unvollständige Zusammenstellung
(Fotos: obere Zeile: Michael Ohmsen, Aufnahmen vom Sommer 2010;
Fotos mit *: Klara Strompf, Aufnahmen vom Februar 2020) |
|
* |
* |
* |
|
|
|
|
|
"Stolpersteine"
für Familie Cahn (Metzgermeister):
Albert Cahn (1879), Hilde
Blumenthal geb. Cahn
(1910), Fritz Max Cahn
(1914), Johanna Cahn geb. Kaufmann (1881),
alle 1937/39 in die USA
geflüchtet;
Obergasse, Ecke Rathausgasse.
|
"Stolpersteine"
für Familie Weil
(wohlhabender Getreidehändler):
für Rika Weil geb. Stein (1875,
ermordet nach Deportation in Sobibor),
Hugo
Weil (1907, überlebte Auschwitz),
Hedwig Weil geb. Mayer (1912, ermordet in
Auschwitz), Alfred Weil (1936, ermordet in
Auschwitz),
Dr. Otto Weil (1894, ermordet
in Bergen-Belsen);
auf der Lindenallee, nahe Obertor/Amtsgasse. |
"Stolpersteine"
für Familie Rosenberg
(Tabakwarenhändler und Mitglied des Stadtrates): Moritz
Rosenberg (1866, umgekommen 1943 in Theresienstadt),
Auguste
Rosenberg geb. Stern
(1863, umgekommen 1943 in Theresienstadt),
Johanna
Rosenberg (1891, 1938 in die USA
geflüchtet) und Else Rosenberg
(1894, ermordet); liegen von der Lindenallee abbiegend,
in der Herzog-Wolfgang-Straße, 3. Haus
auf der linken Seite der Straße. |
|
|
|
kursive
Angaben sind Korrekturen gegenüber
der Stolpersteininschrift |
|
|
|
|
* |
* |
* |
"Stolpersteine" für
Familie Strauss (Kleinviehhändler,
eine sehr arme Familie): Lili Strauss (1924), Laura S. geb. Michel
(1883),
Isaak 'Louis' S. (1887) und Rudolf S. (1928);
fast direkt neben dem Hotel Meisenheimer Hof,
an der Ecke Obergasse und Klenkertor,
direkt vor dem Eingang zur Volksbank. |
"Stolpersteine"
für Familie David (Getreidehändler):
Adolph David (1879), Liesel D. (1919), Erich D.
(1917), Otto D. (1907), Berta D. geb.
Mayer (1896);
Obergasse, zwischen Hammelgasse und
Rathausgasse
|
"Stolpersteine" für Familie Kaufmann (Viehhändler)
Rosa Kaufmann geb. Diehl (1883), Gerti Löwenthal
geb. K. (1907), Robert K. (1908), Else K. (1912),
Ellen (Else) Hirsch geb. K. (1930);
Obergasse, zwischen Hammelgasse und
Rathausgasse.
|
|
|
|
|
* |
|
|
"Stolpersteine"
für Familie Levy (Kaufmann,
Schnapsbrenner, Wein- und Likörhändler):
Mathilde Levy geb. Adler (1868), Julius L. (1900),
Alfred Henoch L. (1938), Irma L. geb. Leib (1910);
Rathausgasse, schräg gegenüber
eines italienischen Restaurants |
|
|
|
|
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
Juli 2012:
Miriam Lotte Weihl-Steinhardt
besichtigt den Tora-Vorhang aus Bad Sobernheim in der Meisenheimer
Synagoge |
Artikel von Wilhelm Meyer in der
"Allgemeinen Zeitung" (Lokalausgabe) vom 2. Juli 2012:
Miriam Lotte Weihl-Steinhardt besucht Stationen ihrer Kindheit (Allgemeine Zeitung, 02.07.2012) |
|
Dezember 2012:
Erster jüdischer Gottesdienst nach 74 Jahren |
Artikel in der "Rhein-Zeitung" vom
30. Dezember 2012: "Historischer Moment in Meisenheims Synagoge: Erster Gottesdienst nach 74 Jahren
Meisenheim - Ein besonderes Ereignis konnten Mitglieder der jüdischen Gemeinde Kaiserslautern und Landstuhl sowie der Air Base Ramstein und Besucher in der ehemaligen Synagoge Meisenheim erleben: Nach 74 Jahren wurde erstmals wieder ein jüdischer Gottesdienst in dem Gebäude an der Meisenheimer Saarstraße zelebriert, das nach der Renovierung seit 1988 als Begegnungszentrum genutzt wird und Raum bietet für eine ständige Ausstellung zum Judentum in Meisenheim und Umgebung sowie für kulturelle Angebote..."
Link
zum Artikel |
|
Januar 2020:
Vielfältiges kulturelles Programm
in der ehemaligen Synagoge |
Artikel von Jürgen Link im "Wochenblatt-reporter.de"
vom 24. Januar 2020: "Volksbildungswerk startet in neue Saison.
Abwechslungsreiches Programm vorbereitet
Meisenheim. Der Träger- und Förderverein Synagoge Meisenheim hat in
Zusammenarbeit mit dem Volksbildungswerk ein vielseitiges Kulturprogramm für
die erste Hälfte des Jahres 2020 vorbereitet. Auf dem Terminplan stehen
anspruchsvolle Konzerte mit hochkarätigen Musikern, Musik aus aller Welt und
einer großen Bandbreite, hochinteressante Vorträge und gesellige
Veranstaltungen. Veranstaltungsort ist jeweils das Haus der Begegnung
(ehemalige Synagoge) in Meisenheim. Nachfolgend eine Programmübersicht: ...
" |
Link zum Artikel |
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Günter F. Anthes: Beiträge zur Geschichte
der Juden und der jüdischen Kultusgemeinde in Meisenheim am Glan. 1988.
Reihe: Quellen zur Geschichte der Stadt und Verbandsgemeinde Meisenheim am
Glan XII. |
| Wolfgang Dörr: Zur Geschichte der Juden in
Meisenheim und Umgebung. 1991. |
| Anni Lamb / Kläre Schlarb: Jüdische
Mitbürger in den 20er und 30er Jahren - Zeitzeugen berichten. Meisenheimer
Heft Nr. 39. Veröffentlichung des Historischen Vereins Meisenheim e.V. XIV.
Jahrgang 1992. |
| Wolfgang Kemp: Zur Geschichte der Meisenheimer
Juden. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 5. Jahrgang, Ausgabe 2/95 S. 23-27. Online zugänglich (pdf-Datei). |
| Wolfgang Kemp: Zur Geschichte der Meisenheimer
Juden. Überarbeitete Version des oben genannten Beitrages in SACHOR (Stand
November 2011). Online zugänglich (pdf-Datei). |
| ders.: Verzeichnis der Meisenheimer Juden.
Zusammenstellung der jüdischen Familien, die in den 1930er-Jahren in
Meisenheim lebten. Nach Zeitzeugenbefragungen. Veröffentlicht im "Meisenheimer
Heft 39".
Online zugänglich (pdf-Datei). |
| Albrecht Martin: Ansprache bei der
Gedenkveranstaltung 60 Jahre Reichspogromnacht am 9. November 1998 in
Meisenheim. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 10. Jahrgang, Ausgabe 1/2000, Heft Nr. 18. S. 58-61. Online
zugänglich (als pdf-Datei eingestellt). |
| Thomas Philippi: Gemeinsam auf Spurensuche im
jüdischen Meisenheim. Ein schulartübergreifendes Projekt von
Bodelschwingh-Sonderschule - Paul-Schneider-Gymnasium und Regionaler Schule
in Meisenheim/Glanz. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 7. Jahrgang, Sonderheft Nr. 1 S. 28-29. Online
zugänglich (pdf-Datei).
|
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 265-268 (mit weiteren Literaturangaben). |
| Udo Salomon: Meisenheim. Eine kleine Stadt und
ihre Bewohner in den Spannungsfeldern der europäischen Geschichte. Hrsg. von
der Stadt Meisenheim am Glan. Meisenheim 2015. Hierin ein Abschnitt: "Die
Meisenheimer Juden im 19. und 20. Jahrhundert - von guter Nachbarschaft" S.
366-375. Die Publikation ist online eingestellt unter
http://www.stadt-meisenheim.de/files/meisenheim-chronik-salomon.pdf.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Meisenheim. Rhineland. The
first Jew is mentioned in 1551 and Jews resided in the city without a break from
the mid-17th century. Their population reached a peak of 198 (total 1,882) in
1864. In 1836, the community started a Jewish elementary school, which operated
intermittently until Worldwar I. A splendid synagogue was consecrated in 1865
and a new cemetery was opened in 1880. The Jewish population dwindled to 38 by
the eve of the Nazi era. The synagogue was partially burned on Kristallnacht
(9-10 November 1938), when 16 Jews were still living in Meisenheim. One was
taken to the Dachau concentration camp in the wake of the pogrom and perished
there. About eight were deported to the death camps.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|