Inklusion
Inklusion in Kindertagesstätten
Inklusion
Spätestens seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention am 26. März 2009 gewinnt das Thema Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindertagesstätten des Regelbereichs zunehmend an Bedeutung. Im Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wird die Vision eines lebenslangen gemeinsamen Lernens als Ziel formuliert. Kinder und Jugendliche werden in ihren individuellen Stärken und Besonderheiten unterstützt und respektiert sowie durch ihr Umfeld und durch pädagogische, medizinische und therapeutische Begleitung gefördert.“
In § 2 Abs. 3 des rheinland-pfälzischen Kindertagesstättengesetzes, aber auch in den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen sowie in den Qualitätsempfehlungen ist die gemeinsame Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderungen in Regeleinrichtungen schon lange festgeschrieben.
Die Zahl der Förderkindergärten konnte in den letzten Jahren in Rheinland-Pfalz zugunsten der integrativen Kindergärten deutlich reduziert werden. Immer mehr Kinder mit Behinderungen besuchen Regeleinrichtungen. Auf den nachfolgenden Seiten haben wir Informationen für die Kitas zusammengestellt, die sich zu einer inklusiven Kindertagesstätte weiterentwickeln möchten. Aber auch Eltern finden hier interessante Informationen.
Was versteht man unter Inklusion?
Inklusion bedeutet, die Unterschiedlichkeit von Menschen als Normalität zu sehen. Inklusion heißt Zugehörigkeit und ist das Gegenteil von Ausgrenzung. Alle Menschen sind unterschiedlich und gehören in ihrer Unterschiedlichkeit zur Gesellschaft hinzu.
In einem inklusiven Bildungssystem lernen Kinder mit und ohne Behinderungen von Anfang an gemeinsam; niemand wird ausgegrenzt. Inklusion geht davon aus, dass alle Menschen unterschiedlich sind und dass jede Person mitgestalten und mitbestimmen darf. Dabei bekommt die Heterogenität, die die Normalität in unserer Gesellschaft darstellt, höchste Wertschätzung. Für Institutionen, z. B. Kindertagesstätten heißt dies, dass nicht das Kind sich an die Institution anpassen muss, sondern die Einrichtung an das Kind. Die Institution muss sich dahingehend entwickeln, dass eine Aufnahme des entsprechenden Kindes gut möglich ist.
Gilt der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für alle Kinder?
Alle Kinder ab einem Jahr haben einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege (§ 24 SGB VIII).
Wie ist Behinderung definiert?
Es gibt verschiedene Definitionen zum Begriff „Behinderung“. Die Wichtigsten finden Sie nachfolgend:
Der Begriff der Behinderung findet sich an verschiedenen Stellen der Sozialgesetzbücher wieder. Er ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) gesetzlich definiert und gilt grundsätzlich für alle Bücher des Sozialgesetzbuches, es sei denn, der Behinderungsbegriff ist in einzelnen Büchern abweichend bestimmt. Demnach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Das Sozialhilferecht als das primär für die Leistungserbringung in Frage kommende Rechtsgebiet knüpft an den Begriff der Behinderung im Sinne des SGB IX an. Für die Eingliederungshilfe nach SGB XII für Kinder mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen muss darüber hinaus das Merkmal der wesentlichen Teilhabebeeinträchtigung vorliegen. Der Begriff der seelischen Behinderung ist im § 35a SGB VIII verankert und gilt als Grundlage der Leistungserbringung für Kinder mit seelischen Behinderungen. Auch das Kindertagesstättengesetz greift an verschiedenen Stellen den Begriff der Behinderung auf. Mangels abweichender Regelungen gilt auch hier die Definition im SGB IX.
In der UN-Behindertenrechtskonvention ist der Behinderungsbegriff deutlich weiter gefasst. In §1 heißt es „ […] Zu den Menschen mit Behinderung zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ Behinderung wird demnach nicht auf die beim Menschen bestehende Beeinträchtigung reduziert, sondern in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Barrieren gesehen.
Welche Möglichkeiten der Betreuung von Kindern mit Behinderungen in Kindertagestätten gibt es in Rheinland-Pfalz?
Es besteht ein subjektives Recht auf einen Kindergartenplatz für Kinder mit Behinderungen. Um diesen Anspruch zu garantieren, gibt es in Rheinland-Pfalz drei verschiedene Einrichtungsformen, die Kinder mit Behinderungen aufnehmen. Dies sind einerseits die Regeleinrichtungen und andererseits die teilstationäre Einrichtungen, wie integrative Kindertagesstätten und Förderkindergärten.
Das angemessene Wunsch- und Wahlrecht der Eltern ist zu berücksichtigen.
Die Bedarfsplanung für die aufgeführten Formen "Integrative Kindertagesstätten" und "Förderkindergärten" obliegt gemeinsam den örtlichen und überörtlichen Leistungsträgern unter Einbindung der Leistungserbringer und der Betroffenen.
Die unten aufgeführten Formen der Einzelintegration basieren auf § 22a Abs. 4 SGB VIII und § 2 Abs. 3 Kindertagesstättengesetz. Sie unterliegen nach § 9 Kindertagesstättengesetz der Bedarfsplanung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe – also dem jeweils zuständigen Jugendamt - in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Sozialhilfeträger.
Die Jugendämter gestalten Inklusion in den jeweiligen Jugendamtsbezirken sehr unterschiedlich.
Aufgrund des Nachrangs der Eingliederungshilfe gehen Maßnahmen nach der Landesverordnung zum Kindertagesstättengesetz den Leistungen nach dem SGB VIII und SGB XII grundsätzlich vor.
§ 10 Abs. 4 SGB VIII regelt das Verhältnis von Leistungen nach dem SGB VIII zu Leistungen nach dem SGB XII.
Gibt es Empfehlungen zur Gestaltung von Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindertagesstätten?
Mit dem Ziel der Förderung und kontinuierlichen Verbesserung der Inklusion von Kindern mit Behinderungen in Kindertageseinrichtungen des Regelsystems befasste sich eine auf Beschluss des 9. Kita-Tags der Spitzen vom Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen Rheinland-Pfalz eingerichtete Arbeitsgruppe. Mitwirkende waren LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, evangelische und katholische Kirche, Gemeinde- und Städtebund, Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung und Selbsthilfe. Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurden im Dezember 2014 den Spitzenvertreterinnen und –vertretern vorgestellt. Erstmals wird hier ein gemeinsames Verständnis von Inklusion sowie grundsätzliche, bei der Umsetzung von Inklusion in Regeleinrichtungen zu berücksichtigende Aspekte formuliert. So spricht sich die Arbeitsgruppe langfristig für den Einsatz von bedarfsgerechtem Regelpersonal, nicht für den Einsatz von Integrationshelferinnen und -helfern aus. Es bestand Konsens aller Beteiligten in Bezug auf die Inhalte des Papiers, das zukünftig eine Beratungsgrundlage für die Fachpraxis darstellt. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier.
Dürfen in Kindertagestätten Medikamente verabreicht werden?
Viele Kinder benötigen aufgrund akuter oder chronischer Erkrankungen Medikamente. Diese können von Fachkräften in Kindertagesstätten gegeben werden. Hierbei sollten jedoch die Hinweise im Merkblatt zur Medikamentenvergabe Berücksichtigung finden.
Sehr gute Hinweise enthält auch das Informationsblatt zu Kindern mit chronischen Erkrankungen und gesundheitlichen Problemen der Unfallkasse Rheinland-Pfalz. Die Unfallkasse Rheinland-Pfalz berät auch bei haftungsrechtlichen Unklarheiten.
Können wir Kinder mit chronischen Erkrankungen aufnehmen?
Seit der Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention im Dezember 2008 besteht das Ziel, die volle Teilhabe von Menschen/Kindern mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen in allen Bereichen der Gesellschaft zu ermöglichen. Für Kinder mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen gilt daher, dass sie Regeleinrichtungen besuchen können und sogar ein Recht darauf haben. Viele Ängste, was passieren könnte, aber auch haftungsrechtliche Fragestellungen verunsichern Träger und Team. Diesen lässt sich aber entgegenwirken, wie u.a. ein rheinland-pfälzisches Pilotprojekt zeigt.
Seit Mai 2015 läuft in Rheinland-Pfalz unter Beteiligung von drei Ministerien, federführend das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, das Bildungsministerium – zuständig für die Schulen und das Familienministerium für die Kindergärten und Kitas ein Pilotprojekt zur Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen am Beispiel Diabetes Typ 1. Grundlage für das Projekt sind ministerielle Handlungsempfehlungen zum Umgang mit chronischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Kita und Schule. Träger des Pilotprojektes ist der Verein „Hilfe für Kinder und Jugendliche bei Diabetes mellitus e.V.“.
Aufklärung und Einweisungen nach standardisierten Vorgaben sollen dem betreuenden Umfeld, zu dem die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte der betroffenen Kinder und Jugendlichen zählen, mehr Kompetenz und Sicherheit im alltäglichen Umgang mit dem Diabetes vermitteln. Informationen zu den stattfindenden Seminaren finden Sie hier.
Können Menschen mit Behinderungen in Kindertagestätten arbeiten?
Grundlage für alle, die im erzieherischen Dienst in einer rheinland-pfälzischen Kindertagesstätte arbeiten wollen, ist die Fachkräftevereinbarung für Kindertagesstätten vom 1. August 2013. Das Projekt „Helferinnen und Helfer in Kitas“ eröffnet darüber hinaus für Beschäftigte der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) den Weg in eine dauerhafte Anstellung im Hauswirtschaftsbereich einer Kindertagesstätte.
Weitere Informationen zu dem Projekt finden Sie hier.
Fortbildungsmöglichkeiten
- Weiterbildung zum Inklusionspädagogen/Inklusionspädagogin an der Hochschule Koblenz
- Mehrtägige Fortbildung „Hier kann ja jede/r kommen“ vom Sozialpädagogischen Fortbildungszentrum Mainz
- Konsultationskindertagesstätte Katholische integrative Kindertagesstätte Arche Noah in Dittelsheim-Heßloch
- Materialien der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte
Materialien
Allgemeine Schriften zum Thema Inklusion
- Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums: Inklusion: Eine Herausforderung auch für die Kinder- und Jugendhilfe. München 2012
- Deutsche Unesco-Kommission e.V. (Hrsg.): Inklusion: Leitlinien für die Bildungspolitik. Bonn 2009
- Europäische Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung: Grundprinzipien zur Förderung der Qualität in der inklusiven Bildung. Empfehlungen für Bildungs- und Sozialpolitiker/-innen. Odense 2009
Empfehlungen und Arbeitshilfen zur Umsetzung von Inklusion in Regelkindertagesstätten
- Arbeitshilfe Integrationshilfe in Kindertagesstätten der Stadt
- Leitfaden zur Integration von Kindern mit Behinderungen in Kindertagesstätten in Stadt und Landkreis Bad Kreuznach
Beispiele für Konzepte zur Umsetzung von Inklusion in Kindertagesstätten
Medizinische Hinweise für Kindertagesstätten
- Merkblatt für Verabreichung von Medikamenten und zum Verhalten in Notfällen in Tageseinrichtungen für Kinder
- Informationsblatt der rheinland-pfälzischen Unfallkasse zu haftungsrechtlichen Fragestellungen bei der Aufnahme von chronisch kranken Kindern
- Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu chronischen Erkrankungen im Kindesalter
Digitale Volltextbibliothek zum Thema Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderungen
Kontakt
Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen
Kaiser-Friedrich-Straße 5a | 55116 Mainz
Ansprechpartnerin: Susanne Skoluda
Telefon 06131-162936 | E-Mail: susanne.skoluda@mifkjf.rlp.de