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Die M.A. von Rothschild'sche Lungenheilanstalt
Übersicht:
Zur Geschichte der
M.A. von Rothschild'schen Lungenheilanstalt
In Nordrach bestand seit 1905 ein im Besitz einer
Rothschildstiftung in Frankfurt am Main stehendes Sanatorium für jüdische
weibliche Lungenkranke (M.A. von Rothschildsche Lungenheilanstalt).
Die Stiftungsgründerin war Baronin Adelheid de Rothschild (1853-1935,
beigesetzt 1954 bei Zikhron Ya'akob in Israel). 1903 war die Stiftung in
Adelsheim gegründet worden. Ursprünglich sollte die Lungenheilanstalt dort
erbaut wurden, 1905 wurde jedoch das fünf Jahre zuvor von Lungenfacharzt
Dr. Karl Hettinger erbaute Gebäude von der Rotschildstiftung in Frankfurt
zur Einrichtung einer Lungenheilanstalt für jüdische Kranke gekauft.
Die Leitung der Lungenheilstätte hatte der leitende Chefarzt inne unter der
Oberaufsicht eines Verwaltungsrates. Als Chefärzte waren tätig: Dr. Ephraim
Adler (1907-1910, siehe Bericht anlässlich seines Todes unten), Dr. Max Ascher
(1910-1921, siehe Bericht anlässlich seiner Verabschied unten), Dr. Nehemias
Wehl (1921-1942). Das Sanatorium ist auf Anweisung der Stifterin streng orthodox geführt
worden. So war eine koschere Küche eingerichtet, Schabbat und die jüdischen Feiertage wurden
streng eingehalten und zelebriert (vgl. unten den Bericht einer Patientin von
1922). Die im Sanatorium verstorbenen Patientinnen wurden in einem
eigenen Friedhof außerhalb des Ortes
beigesetzt.
Die Lungenheilanstalt sollte einen unentgeltlichen Aufenthalt für jüdische
weibliche Lungenkranke aller Länder ermöglichen. Durch die Inflationszeit in
den 1920er-Jahren geriet die Einrichtung jedoch in finanzielle Schwierigkeiten,
sodass von vermögenderen Kranken Verpflegungsbeiträge erhoben werden
mussten.
Über die Zeit nach 1933 aus Hundsnurscher s.Lit. S. 230: "Von den
judenfeindlichen Maßnahmen der nationalsozialistischen Regierung bekam das
Sanatorium bis 1942 nicht viel zu spüren. Die Zahl der Patientinnen ging
allmählich zurück, da aus dem Ausland keine Kranken mehr das Sanatorium
aufsuchen könnten. Auswanderndes jüdisches Pflegepersonal konnte jeweils durch
stellenlos gewordene Jüdinnen mühelos ersetzt werden. 1939 ging die
Lungenheilstätte in den Besitz der Reichsvereinigung der Juden in Berlin über.
Martin Wehl aus Hamburg, offenbar ein Bruder des Chefarztes, der sich seit dem
18. September 1940 im Sanatorium aufhielt, wurde am 22. Oktober 1940 von der
Gestapo abgeholt und nach Gurs deportiert. Alle übrigen Insassen durften
zunächst blieben. Ende September 1942 wurden sie - mit dem Chefarzt 26 Personen
- nach Darmstadt transportiert und dort einem hessischen Deportationszug nach
Auschwitz angeschlossen. Sie wurden alle ermordet."
Von den zwischen 1933 und 1943 insgesamt 116
Patientinnen und Pflegepersonal in der Lungenheilstätte wurden mindestens 56
ermordet.
Von den jüdischen Patientinnen und vom
Pflegepersonal sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; es ist nur ein Teil der
umgekommenen Patientinnen aufgeführt; diejenigen, die nicht von Nordrach aus
deportiert wurden, sind nur ausnahmsweise unter "Nordrach" erfasst):
Lieselotte Baer (1915), Margarete Bertha Behrens (1892), Ruth Berju geb.
Podolski (1906), Wolfgang Samuel Borowitzky (1892), Luise Brocziner (1890),
Cilly Burg geb. Steckhammer (1883), Irene Böck geb. Levitus (1884), Elsbeth
Caminer (1901), Ellen Czarlinsky (1901), Rachel Desiatuik (1905), Hedwig Frank
(1890), Ruth Freund (1920), Rosa Fuchs geb. Schwartz (1889), Käthe Goldschmidt
(1907), Ursula Gross (1914), Magdalene Grundmann (1916), Elly Grunfeld (1919),
Salomea Kalter (1914), Mechli Kaufmann-Süssermann (1908), Frieda Koh (1908),
Jenny Levi (1893), Lotte Lewald geb. Hartwig (1893), Sophie Meyer (1899), Ilse
Neumark (1906), Elsa Ottemberg geb. Isaac (1897), Hilde Platt geb. Maget (1910),
Lina Plesser (1912), Käthe Salinger (1907), Martha Sandermann geb. Wolf (1892),
Martha Sassen geb. Schneider (1884), Erna Schild (1920), Ruth Stein (1918), Dr.
Nehemias Wehl (1877), Helene Zernik geb. Michaelis (1872), Elsa ZImmernann geb.
Zander (1890), Lucie Österreicher (1914).
Nach 1942 wurde aus dem Sanatorium ein SS-Mütterheim "Haus Schwarzwald" des
Vereins "Lebensborn e.V." für schwangere Frauen vor und nach der
Entbindung. Dieses Heim bestand bis zum 15. April 1945. In dieser
Zeit sind 247 Kinder im Haus geboren. Das Heim hatte ein eigenes Standesamt, das
die Geburten eigenständig registrierte.
Nach 1945 wurde das Gebäude zunächst vom amerikanischen, danach vom
französischen Militär als Lazarett für Soldaten genutzt. Ab Juli 1947 wurde das
Gebäude als Sammelstelle für Kinder genützt, deren deutsche Mütter mit
französischen Soldaten ein Verhältnis hatten und dadurch Kinder zur Welt
brachten. Diese Kinder wurden durch die französische Regierung oft gegen den
Willen der Mütter nach Frankreich gebracht. Das Kinderheim wurde am 15. November
1949 geschlossen. Nach einem zweijährigen Leerstand kam das Gebäude 1952 wieder
in jüdischen Besitz. Ein Sohn der Baronin Adelheid von Rothschild verkaufte das
Grundstück mit dem früheren Sanatorium an Thaddäus Zajac aus Schömberg/Calw,
dessen erste Frau eine polnische Jüdin war. Zajac betrieb die Einrichtung bis
1969 wieder als Lungensanatorium, danach kurze Zeit als Krebsnachsorgeklinik,
schließlich als neurologisch-psychiatrisches Pflegeheim.
Von 1993 an war das ehemalige Rothschild'schen Sanatorium das Haus
Bergblick des Sankt Georg Pflegeheimes in Nordrach (Träger seit 1993: Oberrheinische
Kliniken mit Sitz in Bad Krozingen; Träger von 2012 bis 2019 "Median" mit Sitz
in Berlin). Es handelte sich um eine Pflegeeinrichtung für psychisch- und
abhängigkeitskranke Menschen.
Die frühere Gedenktafel an die Stifterin des Sanatoriums wurde
im Mai 2003 - im 100. Jahr der Stiftungsgründung und im 150. Geburtsjahr der
Stifterin - wieder aufgestellt. Sie befindet sich an einer zum Klinikgelände
gehörigen Mauer neben dem Eingang.
Berichte aus der Geschichte
der Rothschild'schen Lungenheilanstalt / Sanatoriums - in
chronologischer Reihenfolge
Die Rothschild'sche Stiftung baut keine
Lungenheilanstalt in Adelsheim (1904)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Januar
1904: "Adelsheim, 3. Januar. Dem Bürgerausschuss wurde
mitgeteilt, dass die Rothschildsche Stiftung in Frankfurt von der
Erbauung einer Lungenheilsanstalt am hiesigen Platze absehen wolle, wenn
die Stadt 38.000 Mark Entschädigung für aufgewandte Arbeiten usw.
bezahle. Der Bürgerausschuss lehnte dieses Ansinnen ab." |
Lehrer Jakob Lorch wird Verwalter in der Lungenheilstätte (1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Dezember
1905: "Karlsruhe: "Das neueste Verordnungsblatt des
Großherzoglichen Oberrates der Israeliten meldet folgende Veränderungen
in der Besetzung der Religionsschullehrerstellen: Jakob Lewin seither in Lorsch
nach Randegg, Sally Rosenfelder in Eubigheim
nach Buchen, Nathan Adler von Külsheim
nach Eubigheim, Kantor Simon Metzger
von Sulzburg nach Bretten,
Samuel Strauß von Berlichingen
nach Sulzburg, Jakob Schloß von Talheim
nach Malsch bei Ettlingen. Auf
Ansuchen wurden von ihren Stellen enthoben: Kantor Weiß in Gailingen
und Religionslehrer Jakob Lorch in Untergrombach,
letzterer behufs Übernahme der Verwalterstelle der M.A. d.
Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach." |
Das Hettinger'sche Sanatorium wird von der Rothschildstiftung gekauft
(1905)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Oktober
1905: "Frankfurt am Main. Das Dr. Hettinger'sche Sanatorium in
Nordrach (Baden) ist an die Rothschildstiftung zum Zwecke der Errichtung
einer Lungenheilanstalt für israelitische Kranke verkauft worden." |
Ausschreibung der Stelle eines Arztes (1905)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Dezember
1905:
"M.A. von Rothschild'sche Lungenheilstätte, Nordrach (Bad
Schwarzwald).
Wir suchen für unsere Heilstätte einen womöglich spezialistisch
ausgebildeten Arzt.
Bewerber wollen sich schriftlich wenden an Herrn Dr. med. G. Stiebel,
Frankfurt am Main. Rechneigrabenstraße 9." |
Ausschreibung der Stelle einer Haushälterin
(1907)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. April
1907: "M.A. von Rothschild'sche Lungenheilstätte. Die Stelle
einer Haushälterin in unserer Lungenheilstätte Nordrach
(Badischer Schwarzwald) ist zu besetzen. Bewerberinnen, welche eine streng
religiöse Führung nachweisen können, belieben ihre Offerten unter
Beifügung von Zeugnissen nur schriftlich an Herrn M. Mainz junior,
Börnestraße 52 in Frankfurt am Main gelangen zu lassen. Der
französischen Sprache mächtige erhalten den Vorzug." |
Ausschreibung der Stelle des Assistenzarztes
(1908)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1908: "In
der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte Nordrach (badischer Schwarzwald)
ist per sofort die Stelle eines Assistenzarztes zu besetzen.
Anfangsgehalt bei vollständig freier Station 1.500 Mark. Bewerber wollen
ihre Zeugnisse einreichen bei
Dr. E. Adler, Direktor." |
Zum Tod des Leiters der Lungenheilanstalt Dr. Ephraim
Adler (1910)
Meldung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Januar 1910:
"In Nordrach im Schwarzwald ist der Leiter der Rothschild'schen
Lungenheilstätte, Dr. Ephraim Adler, im Alter von 55 Jahren verschieden.
Der Verblichene war ein edler Mensch und begeisterter Jude, dessen
Andenken alle, die ihn kannten, stets in Ehren halten werden." |
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Januar
1910: "Dr. E. Adler seligen Andenkens.
Die Judenheit hat einen schweren Verlust erlitten: Dr. med. Ephraim Adler
ist in der Nacht vom 19. zum 20. Januar zu Nordrach nach langem Leiden in
der Blüte seiner Jahre dahingerafft worden. Dr. Adler wurde 1855 zu
Moisling bei Lübeck geboren. Nach seinen Schuljahren studierte er in
Berlin und Freiburg Medizin. Schon als Student zeichnete er sich durch
eine unermüdliche Arbeitsfreudigkeit und durch die Vielseitigkeit seines
regen Geistes aus. Er besuchte neben den medizinischen Kollegien in Berlin
das Rabbinerseminar, wirkte zu gleicher Zeit auch als Lehrer der
Religionsschule der Addas Jisrael, trieb Sprachstudien und erwarb sich so
für sein späteres Leben schon frühzeitig neben tiefen medizinischen
Kenntnissen reiches und reifes jüdisches Wissen und eine geradezu
umfassende Allgemeinbildung.
Im Jahre 1882 ließ Dr. Adler sich in Lübeck als praktischer Arzt nieder.
Schon nach kurzer Zeit hatte er eine umfangreiche Praxis, die ständig
wuchs, und nach wenigen Jahren war er einer der gesuchtesten und
beliebtesten Ärzte Lübecks. Vor allem war er ein hervorragender
Diagnostiker. Das Vertrauen des Hohen Senates berief ihn in das
Medizinalkollegium und in den Ehrenrat der Lübecker Ärzteschaft, und
seine Patienten hingen mit schwärmerischer Verehrung an ihm. Er war der
leidenden Menschheit nicht nur ein hilfreicher Arzt, er war ihnen auch
Freund und vertrauter Berater; mit gewinnender Liebeswürdigkeit kam er allen
entgegen, für alle und für alles hatte er Interesse, und jedem half er,
wo er nur zu helfen vermochte.
Aber nicht allein als Arzt leistete Dr. Adler Hervorragendes. Der Schwerpunkt
seines Wirkens lag im Judentume. Er war ein Jude in des Wortes
vollkommenster Bedeutung. Von echter Religiosität erfüllt, forschte er
im Gottesworte, so oft seine karg bemessene Zeit es zuließ, und all sein
Sinnen und Trachten war darauf gerichtet, die Lehren des Judentums in die
Tat umzusetzen. So wurde sein Haus ein Mittelpunkt echt jüdischen Lebens.
Jeder fand dort einen gedeckten Tisch, eine offene Hand, ein offenes Herz
und reiche Geistesschätze.
An zahllosen Bestrebungen, die dem Dienste des Judentums gewidmet sind,
nahm Dr. Adler tätigen Anteil, oft in führender Stellung, manche auch
verdanken seiner Initiative ihre Entstehung. So begründete er in Lübeck
den jüdischen Gesangverein 'Kaul Rinnoh' und einen hebräischen
Sprachkurses; die Esra-Loge zu Lübeck im U.O.B.B., deren Expräsident er
war und die er mustergültig leitete, hatte er ins Leben gerufen; zwei
Jahrzehnte wirkte er als Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde in
Lübeck, die er auch auf den Versammlungen des Deutsch-Israelitischen
Gemeindebundes und auf den Judentagen in Berlin vertrat, und groß ist die
Zahl der jüdisch-gemeinnützigen Vereinigungen außerhalb Lübecks, denen
er ein eifriger Förderer war. |
Vor
allem aber war Dr. Adler Zionist! Bald nachdem er Herzls Weckruf vernommen
hatte, war er in die Reihen des Zionismus eingetreten. Mit flammender
Begeisterung erfasste er die national-jüdischen Ideale, und mit frischem
Enthusiasmus arbeitete er an ihrer Verwirklichung mit. Wenn es auch nicht
in seiner bescheiden-zurückhaltenden Art lag, ein Rufer im Streite, ein
Vorkämpfer zu sein, so leistete er dem Zionismus doch große und
bedeutende Dienste in stiller Werbearbeit. Seinem Einflusse ist es nicht
zum wenigsten zu danken, dass die deutsche Misrachi-Förderation, deren
Vizepräsident er war, immer neuen Zufluss bekam, denn seinem, des
strenggläubigen Juden Beispiel schlossen sich viele an, die aus
religiösen Erwägungen fern geblieben waren. Ihm verdanken wir aber auch,
dass der Misrachi sich eng in die bestehende zionistische Organisation
einfügte und seinen Mitgliedern vorschreibt, den zionistischen
Ortsgruppen beizutreten kurz, dass die Misrachi-Förderation ihre
besonderen religiösen Interessen den allgemein-zionistischen Grundsätzen
angliedert.
Auch als Mitglied des deutschen Zentralkomitees der zionistischen
Organisation war Dr. Adler immer auf dem Posten, sein Einfluss war stets
darauf gerichtet, Gegensätze auszugleichen und ein einheitliches Vorgehen
zu ermöglichen. Nicht unerwähnt darf es bleiben, dass Dr. Adler einer
derjenigen war, deren Takt und Geschicklichkeit es gelang, auf dem VII.
Kongress die Einigung zwischen den politischen Zionisten und den Zione
Zion herbeizuführen.
Er war einer unserer Treuesten und Besten! Seine Augen leuchteten, sein
Antlitz strahlte wie verkört, wenn er von unseren Idealen sprach, mit
ganzem Herzen, mit ganzer Seele war er unser. Und nun mussten wir ihn
hergeben. - - -
Vor etwas mehr als zwei Jahren, nachdem er sein 25jähriges Jubiläum als
Arzt gefeiert hatte, musste er seine Praxis in Lübeck niederlegen, weil
er unter der Last seines Berufes zusammengebrochen war und ein schweres
körperliches Leiden sich fühlbar machte. Er siedelte nach Nordrach
im badischen Schwarzwald über, begleitet von seiner trefflichen Gattin,
der ihm gleichgesinnten Lebensgefährtin, die ihn mit aufopfernder
Sorgfalt umgab, und übernahm dort die Leitung der von Rothschild'schen
Lungenheilstätte, wo er weniger aufreibende Arbeitslast hatte und doch
einen reichen Wirkungskreis ausfüllen konnte. Bis zu seinem Tod hat er
dort segensreich gewaltet und im Fluge die Herzen aller gewonnen: bis zu
seinem Tode ist er auch uns treue geblieben. Er hat für den Zionismus und
für das Judentum auch in Nordrach unentwegt und mit voller Hingebung
gearbeitet. Nun ist er dahingegangen, dieser edle Mensch, dieser treue,
echte Jude. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und ihm Dankbarkeit
bewahren für das, was er uns und der Mitwelt geleistet hat. Er wird in
unserer Erinnerung fortleben und uns ein Vorbild selbstloser
Pflichterfüllung sein, und wenn man die Besten unseres Volkes nennt, wird
man auch Dr. Ephraim Adler nennen! L." |
Der leitende Chefarzt Dr. Max Ascher verabschiedet sich von Nordrach (1921)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Januar 1921:
"Danksagung! Nach zehnjähriger segensreicher Tätigkeit sieht sich
Herr Dr. Max Ascher veranlasst, sein Amt als leitender Chefarzt der M.A.
von Rothschild'schen Lungenheilstätte zu Nordrach niederzulegen. Bei
seinem Scheiden rufen wir ihm, sowie seinem ganzen Haus ein herzliches
Lebewohl zu. Wir verlieren in Herrn Dr. Ascher den tüchtigen, überaus
geschickten, allzeit liebevoll für unser Wohl bedachten Arzt, der durch
sein reiches Wissen und Können unser Leiden oft zu heilen und immer zu
mildern wusste. Es war uns zugleich unser treuester Freund und Berater,
der durch die Lauterkeit und Güte seines Charakters uns auch in unseren
seelischen Nöten Beistand und Hilfe war. Trotz aller Schwierigkeiten, die
sich ihm entgegenstellten, vertrat er in seiner selbstlosen, aufopfernden Menschenfreundlichkeit
stets nur unser Interesse ohne Rücksicht auf sich selbst. Innigen, nie zu
löschenden Dank schulden wir ihm. Dass wir ihn nun entbehren sollen, dass
er der Anstalt, aus der das Beste mit ihm geht, nun verloren ist, bewegt
uns aufs schmerzlichste. Immer wird der Gedanke an ihn tiefste Verehrung
bei uns auslösen.
Auch Frau Dr. Ascher wird uns stets unvergessen sein. Ihre herzgewinnende
liebevolle Anteilnahme gab uns in unserem Leiden oft Trost und immer
Freude.
Dasselbe wie die noch anwesenden, empfinden auch wir ehemaligen
Patientinnen.
Viele von uns durften von Zeit zu Zeit als Sommergäste in die Anstalt
zurückkehren und sich immer wieder der Sorgfalt und Güte Herrn Dr.
Aschers erfreuen. Sein Verlust trifft uns also gleich hart, wie die eben
in der Anstalt anwesenden Kranken.
Möge das Gute, das Herr und Frau Dr. Ascher uns taten, ihnen selber Segen
bringen! Möge ihnen in einem neuen Wirkungskreis die verdiente
Anerkennung zuteil werden, die ihnen in ihrer bisherigen Tätigkeit so oft
vorenthalten war. Innig wünschen dieses in unentwegter Anhänglichkeit
und Dankbarkeit
Jetzige und ehemalige Patientinnen der M.A. von Rothschild'schen
Lungenheilstätte zu Nordrach." |
Zum Tod des Verwalter Jakob Lorch (1921)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. April 1921: "Nachruf!
Am 11. April nachts 11 Uhr wurde uns plötzlich und unerwartet Herr
Jakob Lorch, Verwalter der M.A. von Rotschildschen Lungenheilstätte
in Nordrach durch den Tod entrissen. Der Verblichene hat in einem Zeitraum
von 15 1/2 Jahren unermüdlich und hingebungsvoll in unserer Anstalt
gewirkt und seine ganze Kraft in ihren Dienst gestellt. Ein Herzschlag hat
seinem treuen Wirken ein jähes Ende bereitet. Wir werden ihm für alle
Zeiten ein dankbares Gedenken bewahren. Mosbach, den 15. April 1921.
Der Verwaltungsrat der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte in
Nordrach.
Dr. Löwenstein, Vorsitzender." |
Ehepaar für die Verwalterstelle gesucht (1921)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1921: "Verwalterstelle.
Zur wirtschaftlichen Leitung unserer Anstalt suchen wir ein streng
orthodoxes jüngeres Ehepaar. Der Verwalter, der auch die Schechioth
zu besorgen hat, soll mit dem Rechnungswesen und Besorgung der
Büroarbeiten vertraut sein. Baldige ausführliche schriftliche
Bewerbungen sind an den Unterzeichneten zu richten.
Der Verwaltungsrat der M.A. von Rothschildschen Lungenheilstätte
Nordrach zu Händen des Herrn
Michael M. Mainz in Frankfurt am Main, Börnestraße 52." |
Bericht einer Patientin aus Nordrach
(1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. März 1922: "Nordrach.
(Von einer Patientin erzählt.).
An einem Januartag war es! Die Sonne strahlte am Himmel und frühlingslind
war die Luft. Die Landschaft lag schneebefreit da. Kinder spielten jubelnd
im Freien; ein braunes Schwarzwaldmädchen, die Haare schlicht um den Kopf
belegt, in der kleidsamen Dorftracht, die ihren Trägerinnen so viel
Würde verleiht, ließ ein jauchzendes Bübchen die ersten Gehversuche
machen. Es war einer jener Wintertage, die dem nahen Frühling den Einzug
vorbereiten und seine ganze Schönheit ahnen lassen. Berge und Tal waren
von Sonnenlicht übergossen, die Quellen sprühten silberne Perlen, die
Bäche rauschten frohe Lieder 'der Frühling kommt'. Und in all' dieser Schönheit,
all' dieser Pracht liegt ein Haus; es ragt wie eine stolze Burg über die
anderen Häuser des lieblichen Schwarzwalddorfes. Seine Tore schützen
mächtige Koniferen und sein Gebiet umfrieden eng gepflanzte Tannen. Ein
weiter Park umgibt das schöne Gebäude, über dessen Eingangspforte die
Trost spendenden Worte 'Heilung dem Kranken' stehen. Ich las diese Worte,
seufzend gedachte ich vergangenen Leids und mit stillem Gebet trat ich in
die Heilstätte ein.
Tage, Wochen und Monde haben inzwischen schwere Schatten über die Welt
geworfen. Draußen verkrampfen sich die Menschen in bitterem Hass und
jeder neue Tag bringt neues Leid. Hier blühten an den Abhängen der Berge
die Veilchen, die Bäume überschleierte ein zartes Grün, die Sonne
lockte die Patientinnen ins Freie und vergessen waren Not und Krankheit.
Die Kranken bauten Luftschlösser, die bis in den blauen Himmel ragten und
so vergingen schnell die Tage. Und der Schabbos kam! Auf den Gesichtern
der Frauen lag der Schimmer stiller Freude; alle waren festtäglich
gekleidet und aufrichtige 'Gut-Schabbbos-Wünsche' wurden zwischen den
Fremdesten gewechselt. Schabbos war's. Er hielt das ganze Haus in seinem
Bann und weiherfüllt war die Brust der Einsamsten und Unglücklichsten,
wenn in dem blumengeschmückten Speisesaal in schöner Melodie und
gedankenvollen Worten der Schabbos begrüßt und der Kiddusch gesprochen
wurde. Der Saal erstrahlte im Glanz der Schabboskerzen und froh erklangen
zwischen den einzelnen Gerichten altvertraute Semiroth (Melodien). Bei
ihrem Klange weiteten sich die Herzen, das beglückende Gefühl, Jude sein
und mit Juden zusammenleben zu dürfen, vertiefte sich und ich erinnere
mich, dass ich mich an jenem ersten Schabbosabend in diesem Hause, als zum
Schluss des Mahles der Stufengesang Schir Hamaloth gesungen wurde, in
schöner Befangenheit befand. Wie war das Herz mir voll! Ich lebte in der
lieblichsten Gegend des Schwarzwaldes in einem Hause, das die große Güte
einer edlen Jüdin ihren leidenden Glaubensschwestern gestiftet hat; hier
darf man gesund werden, ohne unsere geheiligten Gesetze verletzen zu
brauchen und über allem und Jedem weht der Hauch jüdischen Geistes, der
sich so besonders schön und wahr in der Liebe von Mensch zu Mensch
offenbart. ich stand lange noch an diesem Abend am Fenster meines stillen
Zimmers. Der Himmel war mit Sternen übersät und die Berge lagen dunkel
am Horizont. Die Nordrach rauschte ihrem Ziele entgegen, das Dorf schlief
einen friedlichen Schlummer und durchs Haus schallten lachende Stimmen.
Schabbos war's und die Juden waren in ihm geeint. Das fühlte ich mächtig
und bestimmend. Ich war seit Jahren nicht mehr daheim und lange lebte ich,
durch meine schwere Krankheit gezwungen, in den schönsten Orten des
Auslandes, fern von Juden. Aber weder die Schönheit der oberitalienischen
Seen, noch die der Graubündner Bergriesen haben mir jemals über das
Gefühl der Einsamkeit und der äußerlichen Losgelöstheit von der
Gemeinschaft der Juden hinweggeholfen. Und nun war ich inmitten gläubiger
Leidensgenossen, stand ihnen unmittelbar durch den gleichen Glauben nahe
und friedlich und still wurde es in mir. |
Der
Sommer kam. Die Kirschblüte verwehte, wie Reif war sie über die Wege
verstreut. Die Bäume des Parkes belaubten sich, die ersten Rosen brachen
aus ihren Knospen, Bänke und Tische luden zur Rast und die Sonne lachte
am tiefblauen Himmel. Vor den Fenstern ertönte ein vielstimmiges
Vogelkonzert 'kiwitt, tirilili, wer ist froher als wir'? und im Park
blühten Maßliebchen und Anemonen. 'Kiwitt, tirilili, wer ist froher als
wir'? Draußen vor der Liegehalle am Waldrand und einer herrlichen
Zypresse holt euch Bescheid, ihr gefiedertes Sängervolk! Dort singt und
klingt's auch, dort liegen kranke Frauen und singen leise jüdische
Wiegenlieder, die die ganze Innigkeit der jüdischen Frau in sich bergen,
hört zu, ihr Vögel.
Etwas entfernt von dieser Gruppe auf einem Platz, den die Sonne bestrahlt,
an einem dunkelrot blühenden Rotdornstrauch ein anderes Bild. Dort
träumt ein junges Mädchen von seiner Heimreise und dem Leben draußen.
Es kam krank und elend her und nun ist's gesund und arbeitsfähig. Freude
erfüllt sein Herz und doch fällt ihm der Abschied schwer von der
Anstalt, die es jetzt der Welt als gesunden Menschen zurückgibt, in der
es unendlichen Segen genieß0en durfte und die es menschlich Neues und
Schönes lehrte. Neben ihm liegen drei andere junge Menschen. Eine kleine,
zarte Polin mit vor Begeisterung brennenden Augen und stürmischen
Bewegungen, spricht zu einer großen, schlanken Deutschen, die lächelnd
und still ihr zuhört und dann mit heiterer Miene sich Gehör verschafft.
Wie so oft zwischen ihnen ist auch heute die Streitfrage der Zionismus.
Die kleine Polin bekennt sich zu ihm, das schlanke Mädchen steht fest auf
dem Boden der gesetzestreuen Juden. Es gibt ein Hin und Her an Fragen und
Antworten, bis sich die Dritte, eine Palästinenserin (sc. eine jüdische
Frau aus dem damaligen 'Palästina' = Erez Jisrael), die mit all' ihrem
Denken und Fühlen an ihrer Heimat hängt, ins Gespräch mischt und mit
ihren Liegenachbarinnen von dem Land der Verheißung erzählt. Stille
ward's nun am Rotdornstrauch und die Vögel konnten zukunftsfrohen Worten
lauschen, die Kunde von schöner, starker Gemeinschaft und von der hohen
Sendung des jüdischen Volkes geben. Der Streit war gebrochen, die
Palästinenserin sann ihren eigenen Worten nach und die junge Deutsche gab
der Polin freundlich lächelnd die Hand.
Das Alles sahet ihr, ihr Vögelein und nun fliegt hurtig an die Fenster
des Hauses! In hohen, weiten, wohnlich möblierten Zimmern liegen die
Kranken, sonnengebadet, vor ihren Blicken die vollen Wipfel der Bäume im
Park, ein grünes Meer, das dann und wann leis' von einem warmen Windhauch
bewegt wird. Sie hören eurer Singen und Jubilieren und sind hoffnungsfroh
trotz der schweren Krankheit, von der sie hier Heilung finden wollen. Auch
sie träumen bunte Träume und weben sie zu einem schönen Zukunftsbild,
das sie weit über die Berge des stillen Tales zurück ins Leben bringt,
zur Erfüllung und Auswirkung ihres Seins. Und in diesem Zukunftsbild
steht leuchtend über dem Treiben und Hasten des Alltags Nordrach, das
Nordrach, das sich uns zu unendlichem Segen in der M.A. von
Rothschid'schen Lungenheilstätte erschloss. Unsere Gedanken werden oft
still bei ihm verweilen und ihr Vögel, die ihr jetzt in eurer luftigen
Höhe so fröhliche Fragetöne singt, kommt dann zu uns, wenn ihr die
Antwort froher, tatkräftiger Menschen vernehmen wollt! Ihr sollt dann
hören, dass wir jetzt wie immer, hier wie überall der unendlichen
Wohltat der Anstalt eingedenk sein werden, die uns den Weg ins Leben
wieder ebnete und die Tore zu ihm uns mit beinahe dornenlosen Rosen
schmückte." |
Anzeigen für die Betreuung in der Rothschild'schen
Lungenheilstätte (1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1934: "Lungenleidende
können in zwei vorzüglich ausgestatteten, fachärztlich geleiteten
jüdischen Anstalten, der Rothschild'schen Lungenheilstätte in
Nordrach in Baden (nur für weibliche Kranke) und der Kuranstalt für
Israeliten in Bad Soden im Taunus
(für männliche und weibliche Kranke) Aufnahme finden. Die in
Lungenheilstätten üblichen modernen Behandlungsmethoden werden
angewandt. Beide Anstalten liegen in landschaftlich bevorzugter Gegend und
verfügen über alle Kurhilfsmittel, wie Liegehallen, Terrassen usw. - Die
Kuranstalt in Bad Soden ist neuerdings weitgehend modernisiert und
auch ärztlich noch ausgebaut worden. Privatpatienten, Versicherte und von
jüdischen Organisationen betreute Patienten finden Aufnahme und
ärztliche Betreuung zu mäßigen Sätzen. Die Reichsversicherungsanstalt
für Angestellte belegt die Anstalten seit vielen Jahren. Es ist uns
bekannt, dass sie entsprechenden Anträgen von Kranken, die auf rituelle
Verpflegung Wert legen, im allgemeinen Rechnung trägt.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass Versicherte, die ihre
Stellung verloren und das freiwillige Weiterkleben der Beitragsmarken für
die Reichsversicherung unterlassen haben, ihre Anwartschaft auf
Versicherungsleistungen wieder herstellen können, wenn sie innerhalb
von zwei Jahren nach Verlust der Stellung die fehlenden Marken
nachkleben. Weitere Auskünfte erteilt die Reichsversicherungsanstalt für
Angestellte oder ihre Vertrauensmänner an den einzelnen
Orten." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1934: "Heilstätten
für jüdische Lungenleidende.
Berlin, 5. November (1934). Die Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen
Juden teilt auf mehrfache Anfragen mit, dass Lungenleidende in
zwei vorzüglich ausgestatteten, fachärztlich geleiteten jüdischen
Anstalten, der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach
im badischen Schwarzwald (nur für weibliche Kranke) und der Kuranstalt
für Israeliten in Bad Soden am Taunus (für männliche und weibliche
Kranke) Aufnahme finden können. Beide Anstalten liegen in landschaftlich
bevorzugter Gegend und verfügen über alle Kurhilfsmittel wie
Liegehallen, Terrassen usw. In beiden Heilstätten werden alle modernen Behandlungsmethoden,
auch solche chirurgischer Art, angewandt. Besonders wird darauf
hingewiesen, dass Winterkuren im allgemeinen zweckmäßiger sind als
Sommerkuren.
Privatpatienten, sowie Versicherte und von jüdischen Organisationen
verschickte Patienten finden Aufnahme und ärztliche Betreuung zu
mäßigen Sätzen. Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, sowie
die Landesversicherungsanstalten belegen die Anstalten seit vielen Jahren
und tragen entsprechenden Anträgen von Kranken, die auf rituelle
Verpflegung Wert legen, im allgemeinen Rechnung. In diesem Zusammenhang
wird darauf hingewiesen, dass Versicherte, die ihre Stellung verloren und
das freiwillige Weiterkleben der Beitragsmarken für die Versicherung
unterlassen haben, ihre Anwartschaft auf Versicherungsleistungen wieder
herstellen können, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach Verlust der Stellung
die fehlenden Marken nachkleben.
Weitere Auskünfte erteilt die Zentralwohlfahrtstelle der deutschen Juden,
Abt. Tuberkulosefürsorge, Berlin-Charlottenburg 2, Kantstraße 158, sowie
die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte oder ihre
Vertrauensmänner an den einzelnen
Orten." |
Jahrzeittag von Frau Baronin Adelheid von Rothschild
(1936)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juni 1936:
"Nordrach, 12. Juni (1936). Am 11. Juni (21. Siwan) fand eine
Gedächtnisfeier anlässlich des ersten Jahrzeittages der seligen Frau
Baronin Adelheid von Rothschild aus Paris in dem Betsaal der M.A. von
Rothschild'schen Lungenheilstätte in Nordrach statt. Zu diesem
feierlichen Akt hatten sich sämtliche Patienten, Vertreter des badischen
Oberrats und der gesamte Verwaltungsrat eingefunden. Ihren Höhepunkt fand
die Feier in der Enthüllung einer schlichten Gedächtnistafel für die
edle Stifterin der Anstalt. Aus den Reden, die gehalten wurden, wuchs die
einzigartige Persönlichkeit der Verewigten hervor, deren ungewöhnliches
geistiges Format allen Anwesenden plastisch vor Augen trat. Das stolze
Werk, das die selige Frau Baronin Adelheid von Rothschild in der M.A. von
Rothschild'schen Lungenheilstätte erstellt hat, legt Zeugnis ab von dem
tiefen sozialen Gefühl und der echten religiösen Überzeugung, die sie
beseelten. Vor 30 Jahren wurde die Anstalt ins Leben gerufen, zu einer
Zeit, wo die Kampfmethoden gegen die Tuberkulose noch recht bescheiden
waren. Nur wenige Heilstätten standen damals für diesen Kampf zur
Verfügung. In Prophetischem Blick hatte die Verklärte schon damals das
große Bedürfnis der Gründung einer Jüdischen Lungenheilstätte erfast,
weil sie, aus ihrem sozialen und echt jüdischen Empfinden heraus,
fühlte, dass ein jüdischer Kranker nur in einem jüdischen Milieu
genesen könne. Für jeden im Judentum wurzelnden Juden war nach ihrer
Überzeugung die Befriedigung der seelischen Bedürfnisse von der gleichen
Bedeutung wie die Behandlung des körperlichen Leidens. Aus dieser
Erwägung heraus gründete sie vor 30 Jahren die Lungenheilstätte für
weibliche Kranke, die bis auf den heutigen Tag einzigartig dasteht. In der
Stiftungsurkunde bildet die Forderung der Führung der Anstalt nach den
Grundsätzen des gesetzestreuen Judentums das Kernstück. In dieser
Bestimmung erblickte sie die Grundfeste der Anstalt, wie ihr eigener
geistiger Standort in den Traditionen ihrer edlen Vorfahren wurzelte. Dr.
W." |
Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge
Neben
48 Krankenzimmern und Gesellschaftsräumen wurde in dem Gebäude auch eine Synagoge
eingerichtet.
Fotos
Historisches Foto:
(aus der Sammlung von U. Schellinger)
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Blick auf das Gebäude des
Rothschild'schen Sanatoriums |
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Neuere Fotos:
(Fotos: U. Schellinger, Mai 2003 / neuer Gedenkstein: Sommer 2009)
Die Gedenktafel zu Ehren der
Baronin Adelheid von Rothschild
vor dem ehemaligen
Rothschild'schen
Sanatorium
in Nordrach |
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Gedenkstein von 2007
unterhalb
des ehemaligen Lungenheilanstalt |
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Gedenkstein mit
Inschrift: "Nordrach gedenkt der in den Jahren 1940/42
deportierten
jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger der
Rothschild'schen
Lungenheilanstalt" |
Text
Aus einem Schreiben von Benjamin de Rothschild aus Genf, dem Urenkel der
Gründerin Adelheid de Rothschild
anlässlich der Neuaufstellung der Gedenktafel
in Nordrach im Mai 2003:
"Meine Urgroßmutter war eine rücksichtsvolle, herzensgute und tief
religiöse Frau. Sie beschäftigte sich insbesondere mit dem Bau eines
Krankenhauses in Safed und mit verschiedenen anderen Wohlfahrtseinrichtungen.
Zusammen mit meinem Urgroßvater Edmond bildete sie ein Ehepaar, das sich
bestens verstand und sie überlebte ihn auch nur knapp sechs Monate. Ihre
gemeinsame Grabstätte befindet sich nunmehr in Ramat Hanadiv, auf der Anhöhe
von Zikhron-Jacob bei Haifa. Ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür, dass sie
auf diese Weise das Andenken an eine Frau wach halten möchten, die den
Schwierigkeiten und der äußersten Not ihrer Mitmenschen niemals gleichgültig
gegenüberstand".
Berichte
zur ehemaligen von Rothschild'schen Lungenheilanstalt
August 2019: St.
Georg schließt - die künftige Nutzung des Gebäudes ist unklar
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Artikel von Herbert Vollmer Badenonline.de
vom 23. August 2019 : "Fachpflegeeinrichtung schließt zum Monatsende. Die
letzten Tage von St. Georg Nordrach
Das 'Median'-Haus St. Georg Nordrach wird zum Ende August geschlossen.
Die fast 100 Patienten wurden im Laufe der letzten Monate bereits in andere
Einrichtungen im Ortenaukreis und darüber hinaus verlegt. Die Gemeinde
bemüht sich nun intensiv um eine Nachnutzung.
'Median' mit Sitz in Berlin ist ein Gesundheitsunternehmen mit 120
Rehabilitationskliniken, Fachkliniken für Frührehabilitation,
Therapiezentren, Ambulanzen und Wiedereingliederungseinrichtungen in 14
Bundesländern. Im Mai gab das Unternehmen bekannt, die Fachpflegeeinrichtung
Haus St. Georg in Nordrach zum Ende August zu schließen (wir berichteten).
Bei St. Georg handelt es sich um eine Pflegeeinrichtung für psychisch- und
abhängigkeitskranke Menschen. Eigentümer Median nannte als Grund für die
Schließung die Landesheimverordnung, die ab dem 1. September dieses Jahres
verlangt, dass Bewohnern von Heimen ein Einzelzimmer zur Verfügung stehen
muss. 'Das ist in der denkmalgeschützten Immobilie so nicht umzusetzen',
hieß es in der Pressemitteilung vom Mai.
1993 übernahmen die 'Oberrheinischen Kliniken' mit Sitz in Bad Krozingen das
Pflegeheim. Dieser Träger wurde 2012 von der Median-Unternehmensgruppe
übernommen.
Bis vor wenigen Monaten wohnten knapp einhundert Personen im Pflegeheim,
teilweise schon seit mehreren Jahrzehnten. Sie waren Nordracher Einwohner
und nahmen, soweit es jedem möglich war, auch am Dorfgeschehen Anteil. Die
Heimbewohner waren akzeptiert und integriert. Die Patienten wurden zuletzt
von 35 Mitarbeitern betreut. Bereits im Jahre 2009 hat das Land
Baden-Württemberg das Gesetz zur Gestaltung der Bau- und Raumkonzepte von
Heimen erlassen. Diese müssen sich vorrangig an den Zielen der Würde,
Selbstbestimmung und Lebensqualität orientieren. Dies schließt das Recht auf
eine geschützte Privat- und Intimsphäre der Bewohner von Heimen mit ein, was
durch Einzelzimmer erreicht werden soll. Für diese Vorgaben wurde den
Heimbetreibern eine Übergangsfrist von zehn Jahren eingeräumt. Diese Frist
läuft Ende August 2019 ab.
'Nicht wirtschaftlich'. Im Nordracher Haus St. Georg gibt es 70
Zimmer, davon sind 46 Doppelzimmer. Median sah es nicht als wirtschaftlich
an, in dem Gebäude die Doppelzimmer auch als Einzelzimmer zu nutzen und
hoffte auch aus therapeutischen Gründen auf eine Ausnahmegenehmigung.
Gespräche seien seit geraumer Zeit mit den zuständigen Behörden geführt
worden, um eine bestmögliche Lösung für die Einrichtung zu finden. Diese
Gespräche führten laut Median aber nicht zum gewünschten Erfolg, so dass das
Pflegeheim geschlossen werden musste.
Der Heimverwaltung ist es gelungen, alle Patienten in anderen Häusern
unterzubringen. Zahlreiche Mitarbeiter haben vorzeitig das Pflegeheim
verlassen und sich einen anderen Arbeitsplatz gesichert. Für die
Heimbewohner, die zum Teil schon lange gemeinsam im Haus lebten, war es
schwer erträglich, als immer mehr ihrer Mitbewohner ausgezogen sind und sich
ihre 'Großfamilie' nach und nach auflöste. Am Dienstag hat die letzte
Patientin das Haus verlassen. Mitarbeiter räumen es derzeit 'besenrein' auf,
Mobiliar wird, soweit verwendbar, in andere Kliniken gebracht. Für Nordrach
ist die Schließung des Pflegeheims ein großer Verlust. Die Gemeinde verliert
mit einem Schlag fast 100 Einwohner, was sich erheblich auf die
Finanzzuweisungen auswirken wird. Ebenso ist der Verlust von 35
Arbeitsplätzen zu beklagen. Die Median Franz-Alexander-Klinik in
unmittelbarer Nähe ist von der Schließung nicht betroffen. Noch ist kein
Konzept bekannt, was mit dem Gebäude geschehen wird. Bürgermeister Carsten
Erhardt erklärt auf Nachfrage, dass die Gemeinde sich intensiv um eine
Nachnutzung bemühe. Da die letzte Entscheidung allerdings beim Eigentümer
Median liege, könne er, Erhardt, aber nur als Vermittler tätig sein. Die Art
einer späteren Nutzung möchte Erhardt nicht einschränken: 'Wir sind da sehr
offen'.
Schmerzlicher Verlust. Erhardt weiter: 'Es ist natürlich sehr
bedauerlich, dass das St. Georgs-Pflegeheim schließt. Die Bewohner waren
immer ein Teil von Nordrach. Mit den Verantwortlichen vor Ort hat die
Gemeinde Nordrach ein sehr gutes Verhältnis gepflegt. Daraus entstanden auch
verschiedene Initiativen, um den Betrieb der Einrichtung zu erhalten. Diesen
Prozess hat die Gemeinde Nordrach nach Kräften unterstützt. Leider ohne
Erfolg.' 'Trotz des schmerzlichen Verlustes der Einrichtung freue ich mich,
dass die Bewohner eine neue Bleibe und fast alle Mitarbeiter eine neue
Beschäftigung gefunden haben', erklärt Erhardt."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 229-230. |
| Uwe Schellinger: Adelheid de Rothschild (1853-1935)
und die Gründung der M.A. von Rothschild'schen Lungenheilanstalt in
Nordrach, in: Die Ortenau 82 2002 S. 519-528. |
| ders.: Der vergessene Fotograf: Wolf Schmuel Borowitzky aus
Nordrach (1892-1940). In: Die Ortenau 89 2009 S. 391-396. |
|
ders. / Rolf Oswald / Egbert Hoferer:
Deportiert aus Nordrach. Das Schicksal der letzten jüdischen Patientinnen
und Angestellten des Rothschild-Sanatoriums. Hrsg.: Historischer Verein für
Mittelbaden - Mitgliedergruppe Nordrach. 2010.
Aus der Buchvorstellung: "In dem vorliegenden Buch wird versucht, das
damalige Geschehen in Erinnerung zu rufen. Es wurden die bisher
unbekannten Lebensläufe der deportierten Patientinnen und der
Angestellten erforscht und dokumentiert, sowie dies aus den aufgefundenen
Quellen noch möglich war".
Weitere Informationen über Uwe Schellinger M.A., Historiker, Mozartstraße 29, 79104 Freiburg
i.Br.,
E-Mail. |
| Uwe Schellinger: Von der Idylle zur Falle. Das Rothschild-Sanatorium für jüdische Frauen in Nordrach (1905-1942), in: Olga Kurilo (Hrsg.), Kurort als Tat- und Zufluchtsort. Konkurrierende Erinnerungen im mittel- und osteuropäischen Raum im 19. und 20. Jahrhundert, Berlin 2014, 63-96.
|
| Eva Magin-Pelich: "Die Frau, die zu Gott betete: Baronin
Adelheid de Rothschild" in: AUFBAU Nr. 15/2003 vom 7.8.2003: online
hier anklicken oder (intern abgespeichert) als pdf-Datei.
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