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in Baden
Baden CH (Kanton
Aargau, Schweiz)
Texte zur jüdischen Geschichte der Stadt
aus dem Zeitraum zwischen der Gründung der Gemeinde 1859 und den 1930er-Jahren
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Baden CH wurden in jüdischen Periodika
des 19./20. Jahrhunderts gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Letzte Einstellung am
26.11.2020.
Übersicht:
Allgemeine Berichte zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Die ersten jüdischen Personen können sich in Baden niederlassen (Nach 1845,
Bericht von 1851)
Aus
einem Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Mai 1851:
"Ein im Jahre 1845 ins Leben getretenes Gesetz ermächtigt die Regierung, gut
beleumdeten Israeliten die Niederlassungsbewilligung auch außerhalb der
Marken von Endingen und Lengnau, worauf die aargauischen Israeliten bis
anhin beschränkt waren, zu erteilen. Es wurde nun diese Bewilligung seither
erteilt: 8 Israeliten für Baden, 1 in
Aarau, 1 in
Bremgarten, 2 in Zurzach, 2 in Rheinfelden, 1 in Stein, 2 in Frick, 1 in
Erlisbach, 1 in Steinach, 1 in Gebensdorf, 1 in Mellingen, 1 in Leibstadt, 2
in Sins, 2 in Sarmenstorf, also zusammen an 26 Israeliten. In einigen
Gemeinden wurden diese Niederlassungen in Übereinstimmung mit dem Willen der
betreffenden Gemeinden, in anderen auch gegen denselben erteilt..." |
Mitteilungen
aus verschiedenen Gemeinden: in Baden konstituiert sich ein jüdischer
Kultusverein (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Juli 1859: "Ober-Endingen, 4. Juli (1859).
In Baden im Aargau haben die Juden
nun sich förmlich zu einem Kultusvereine verbunden und hierfür ein
Statut entworfen, das sie von dem hohen Regierungsrate sanktionieren
lassen und ihren Vorstand und Sekretär gewählt. Die
Religionslehrerstelle daselbst, mit welcher auch das Kantoramt verbunden
ist, wird in nächster Zeit im Amtsblatte und in der Zeitung des Judentums
ausgeschrieben werden. Besoldung 800 Fr.
Im eidgenössischen Dienste stehen an der italienischen Grenze 22 Juden
von Endingen und Lengnau.
Darunter ein Divisionsfähnrich, ein Oberleutnant und mehrere Graduierte.
Die israelitische Gemeinde Endingen zahlt den im Felde stehenden Soldaten
aus ihrer Mitte täglich 40 Centimes = 12 Fr.
Soldzulage.
Unlängst machte ein aargauisches Blatt, 'Freie Presse', seine hämische
Bemerkung darüber, dass der Bundesrat eine auswärtige Angelegenheit
durch einen Israeliten in Chaux-de-Fonds
besorgen ließ. Das Aarauer Tageblatt rügt dieses Benehmen der 'Freien
Presse', und bemerkt hierzu, dass der Bundesrat schon noch einmal eine
Angelegenheit im Auslande durch einen aargauischen Juden besorgen ließ
und es nicht zu bereuen habe. - Beim jüngsten Schwurgerichte in Aarau
war ein Jude Mitglied. - Unrichtig wurde unlängst von Genf aus berichtet,
dass es zwei Rabbinate in der Schweiz gebe, sondern wir haben deren drei:
Genf, Lengnau und Endingen.
Letzteres ist noch immer vakant. Und das kommt daher, weil einige Wenige
aus unserer Gemeinde sich bemühten, einen Mann von altem Stile an die
Stelle zu bringen, was ihnen schwerlich gelingen wird, da sowohl Gesetz
als Behörde, sowie die Gemeinde hierfür wenig geneigt sind. Letztere hat
sogar die Absicht, einem Rabbiner, dessen Wirken ihren Beifall erhalten
wird, den Gehalt um ein Bedeutendes zu erhöhen. Unser künftiger Rabbiner
darf nur seinen Obliegenheiten, die keine andern sind als diejenigen, die
ein Seelsorger, der Beruf fühlt, von selber erfüllt, nachkommen, so
erwirbt er sich die Zuneigung der Gemeinde und der Regierung, sowie des
weiteren Publikums und verschafft sich somit eine gute Stellung sowohl in
moralischer als materieller Beziehung, da einem solchen die vielen
zerstreuten Gemeinden der Schweiz zum großen Teile zufallen werden. M.
G. Dreifus, Lehrer." |
Über
die neu entstandene Gemeinde (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
17. Oktober 1859: "Ober-Endingen, im September (1859). Jüngster
Tage erhielt ich von dem erleuchteten, literarisch rühmlich bekannten
Professor Stochholz in Aarau unter andern Notizen über Geschichte der
Israeliten in der Schweiz folgende: 'Ein Promemoria, gefertigt von Keller,
Prokurator zu Baden im Aargau, 30. Heumonat (= Juli) 1802, liegt mir
handschriftlich vor; darin heißt es im Eingang über die Judenschaft zu
Endingen und Lengnau: Vor etwa 45 Jahren war ihre Anzahl noch sehr gering,
selten kam ein Jud nach der Stadt Baden, ohne dass sich die Jugend
zusammenrottete und ihn mit Schlägen und Sottisen (= Beleidigungen) zur Stadt hinaus
begleitete. Seither haben sie sich erstaunlich vermehrt. Der Jud Wolf
Dreifuß behauptet seinen Wohnsitz im Schloss zu Baden, er hat guten
Burgunder, Große und Kleine machen ihm Komplimente; es gibt Leute, die
ihm nachschreiben, was er ihnen in die Feder diktiert. Sein Wort ist: 'Ich
stehe euch gut dafür!' und ein Vorgesetzter hat in sein amtliches
Kopienbuch (Hypothekenprotokoll) geschrieben: Der Jude Wolf steht gut dafür.'
So weit Herr Keller. Wolf Dreifuß war zur Zeit ein reicher Jude in
Endingen, der in großem Ansehen stand, selbst bei den obersten
helvetischen Behörden. Er war aber eine Zwingherrnnatur, der sein Vorbild
an den Landvögten nahm. Als Vorsteher wendete er manches Ungewitter von
den aargauischen Israeliten durch sein Ansehen und seine
Geistesgewandtheit ab.' -
Was würde nun Keller jetzt sagen, wenn er wieder in seine Vaterstadt
Baden zurückkäme? Eine niedlich eingerichtete Synagoge, die jüngsten
Sabbat bezogen ward, eine jüdische Gemeinde von 12 Familien mit einem
sehr zweckmäßigen Organismus, an deren Spitze ein Vorsteher, Herr Daniel
Guggenheim, und ein Aktuar, Herr Louis Bernays, Sohn des verstorbenen
Hamburger Rabbiners, mit dem uneigennützigsten Eifer wirken. Und bald
wird die Gemeinde auch ihren eigenen Lehrer haben, der auch Prediger-,
Kantor- und Schächteramt verstehen wird. (Bisher wurde der
Religionsunterricht vom Lehrer Dreifuß zu Endingen wöchentlich ein Mal
nur erteilt in drei Stunden nachmittags, was allerdings nicht hinreichend
und nur supplementarisch war.) Und diese Bestrebungen alle werden von dem
Stadtrate zu Baden, der Gemeindeschulpflege und dem Schulinspektor Herrn
Huwiler, Chorherrn und Prediger unterstützt. D." |
Über
die Gemeindeverhältnisse (1860)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20.
September 1860: "Schweiz. Baden, 2. September (1860). Sie berichteten vor
einiger Zeit in ihrem Blatte von einer in Baden entstandenen Gemeinde. Ich
kann ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, dass dieselbe sich immer
mehr konsolidiert und dass ein reger Sinn fürs Religiöse daselbst
herrscht, wovon am vergangenen Sabbat ein sprechender Beweise geliefert
ward. Die Gemeinde besitzt nur zwei Torarollen; da schlug ein
Gemeindemitglied vor, eine neue schreiben zu lassen und im
Augenblick waren für diesen schönen Zweck freiwillig 700 Frs.
zusammengesteuert. Die Gemeinde hat jetzt ein recht schönes Lokal, das
als Synagoge dient und sehr zweckmäßig eingerichtet ist, nur ein Übelstand
herrscht, dass die Frauen- und Männersynagogen nicht gehörig getrennt
sind. Es muss dies wohl mehr aus Unkenntnis, als aus Irreligiosität
geschehen sein und wird es nur dieses Hinweises bedürfen, dass hierin
eine Änderung geschieht.
Auch ein Kuriosum besonderer Art habe ich Ihnen zu berichten. Im Kanton
Aargau ist nämlich das Schächten als Tierquälerei!!! verboten. Lengnau
und Endingen wurde es ausnahmsweise erlaubt, Baden aber nicht; es muss nun
der Schochet jede Woche zweimal nach Zürich, um dort zu schächten und
bringt er jedesmal das Fleisch, dessen die Gemeinde bedarf, von da gleich
mit; mit welchen Mühen und Unkosten dies verbinden, kann man sich wohl
denken. Wie ich höre, petitioniert Baden jetzt, dass das Verbot
aufgehoben werde, und soll wirklich jüngst in Zürich im Beisein zweiter
Tierärzte als Experten geschächtet worden sein. Da diese nun der
Wahrheit gemäß bezeugen müssen, dass die Schechita keine Tierquälerei,
so wird auch hoffentlich das Verbot bald aufgehoben werden.
L." |
Verschiedene
Mitteilungen aus dem Gemeindeleben (1863)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
24. März 1863: "Baden (Schweiz), im Februar. Als Zeichen des guten
Einverständnisses zwischen den christlichen und jüdischen
Glaubensgenossen, eines Einverständnisses, das unter den jetzigen Verhältnissen
im Aargau von Bedeutung ist, mögen die folgenden Tatsachen Erwähnung
finden.
In wenigen Wochen wurden hier mehrere jüdische Hochzeiten gefeiert. Während
des Aktes der Trauung war die Teilnahme von Seiten der christlichen
Einwohner jedes Mal so groß, dass die Synagoge immer dicht angefüllt
war. Die gediegene Predigt unseres geehrten Rabbiners, des Herrn Dr.
Kayserling, machte stets den günstigsten Eindruck auf die Anwesenden.
Ferner verdient erwähnt zu werden, dass im Schulgebäude ein Lokal mit
allen Utensilien nebst freier Heizung eingeräumt wurde, um der
israelitischen Schuljugend den Religionsunterricht selbst an den Sonn- und
christlichen Feiertagen erteilen zu können. - Auch wurde jüngst einer
unserer Glaubensgenossen, Herr Daniel Guggenheim, in das Komitee der neu
errichteten 'Bank in Baden' gewählt. - Mögen daher auch unsere
Glaubensgenossen im Aargau immer mehr den rechten Weg gehen, um sich die
Sympathien ihrer christlichen Mitbürger zu erwerben. H." |
Bericht
aus der Gemeinde und über die neu gegründete Talmud-Tora-Schule in Baden
(1891)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. März 1891: "Zum Schluss noch eine erfreuliche Nachricht aus
dem benachbarten Kurort Baden. Ich hatte dieser Tage Jahrzeit, und
da ich hier kein Minjan zusammen bekommen kann, so ging ich nach Baden, um
mein Jahrzeit abzuhalten. Dieser Ort kommt einem wie eine Oase in der
Wüste vor. Sie haben dort dieser Tage ein neues Bes Hamidrasch
eingeweiht, in welchem täglich dreimal gebetet wird. Ich war freudig
erstaunt daselbst Familienväter und junge Geschäftsleute zu
finden, die sich allabendlich versammeln und gemeinsam Menorat Ha-maor
und Schulchan Aruch zu lernen. Alle hängen mit ungewöhnlicher
Aufmerksamkeit und Verehrung an den Lippen ihres Rabbiners Herrn Dr.
Ehrmann, der hier eine Wirksamkeit entfaltet, die weit über die
Grenzen seines Ortes hinausreicht. Ihm zur Seite steht der
Gemeindevorstand, dessen Präsident Herr Jacques Lang im Verein mit
seinem Bruder das Lokal für ein Bet Hamidrasch zur Verfügung
gestellt hat. Es existiert ein Verein in Baden unter dem Namen Chewrat
Chissuk Hadat, der in diesem Beth Hamidrasch eingeborene junge Leute
für den Beruf als Lehrer, Kantoren, Schochetim und Rabbiner
vorbereiten will, damit die Schweiz für die Besetzung dieser Stellen
nicht mehr wie bisher ausschließlich auf das Ausland angewiesen ist. Ein
Verein junger Leute Chewra Kijum Haemunah hat die ganze Einrichtung
des Beth-Hamidrasch übernommen, die, der kurzen Zeit seines Bestehens
entsprechend, allerdings noch zu wünschen übrig lässt. Es fehlt
besonders noch an Torarollen und bedarf es gewiss nur des
Hinweises, um diesem Mangel abzuhelfen. Es müssen in der Schweiz aus der
früheren besseren Zeit noch viele alte Torarollen vorhanden sein,
die nicht benützt werden und daher vermodern. Hier wären sie gut
angebracht.
Wir wünschen dem jungen Unternehmen, seinen Begründern und Förderern
die schönste Verwirklichung aller Hoffnungen, die sich an diese Stätte
der Tora knüpfen und leben der festen Überzeugung, dass die gute von
Baden ausgehende Anregung nicht ohne günstigen Einfluss auf die ganze
Schweiz bleiben wird." |
Bericht über die jüdische Gemeinde in Baden und die dortige
Besserung der religiösen Verhältnisse (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September
1894: "Aus dem badischen Oberlande. Rosch Chodesch Elul (1.
Elul = 2. September 1894). (Deutsch und hebräisch aus Psalm 114,8) 'Der
den Felsen umwandelt in einen Wasserteich und Kieselstein in
Wasserquellen.' Diese Worte drängten sich an diesem Monatsbeginn auf
meiner diesjährigen Erholungsreise mir auf, als ich vom Großherzogtum
Baden in das Schweizerland kam. - Wie Sie bereits schon ausführlich
mitteilten, ist vom Großherzoglichen Badischen Oberrate der Israeliten
der Kizzur Schulchan Aruch auf den Index gesetzt worden und
schleunigst musste das gefürchtete Buch aus sämtlichen badischen Schulen
verschwinden. Wie die Verwandlung von (hebräisch und deutsch nach den
Begriffen des Psalms 114,8) 'rohem, hartem Gestein' in 'frische, sprudelnde
Quellen' kam es mir vor, als ich nun vom badischen Landes in das
Städtchen Baden (Schweiz) gelangte. - Wie viel ein echter, eifriger
Rabbiner, der es ernst mit seinem heiligen Berufe nimmt, erreichen und
bewirken kann, lässt sich hier in der Tat deutsch sehen und erkennen.
Kaum 10 Jahre zurück und der größere Teil der jüdischen Gemeinde
verletzte öffentlich die wichtigsten Gebote unserer heiligen Religion,
von denen ich u.a. das Hüten des Schabbat, der Besuch der Mikwe, sowie
die Einhaltung der Koscher-Vorschriften nenne. Heute sind fast
sämtliche Mitglieder der Gemeinde zu unserer heiligen Tora zurückgekehrt
und keinem derselben fällt es mehr ein, eine der obengenannten
Vorschriften zu übertreten. Freilich nur ein erster Wille und
tatkräftiges Wirken können derartige Erfolge erzielen! - Wie musste ich
aber erst staunen, als sich am Abend die ganze Jugend und viele Erwachsene
zum Lernen im Schulchan Aruch und im Gebot Gottes einfangen, wie
Jung und Alt die Worte aus dem Munde ihres allverehrten Lehrers, des Herrn
Dr. Ehrmann - sein Licht leuchte - förmlich aufsogen, wie jede frage aus
dem Munde der Kleinen und Großen eine freundliche Antwort fand! Nach
beendetem Schiur (Lernstunde) verrichteten alle in innigster
Andacht ihr Abend-Gebet, wobei einer der jüngeren Generation mit
Verständnis und Gefühl vorbetete. Doch schreibe ich diese Zeilen nicht,
um den Ruhm dieser Gemeinde, von Hirt und Herde, zu verbreiten, da solches
denselben bei ihrer Bescheidenheit gar nicht erwünscht wäre, sondern
vielmehr in der Absicht, dass bei den kommenden, ernsten Tagen des Elul,
in der Zeit der ehrfurchtgebietenden Tage (sc. über Neujahr und
Jom Kippur) sich auch an anderen Orten Lehrer und Gemeinden zurufen
möchten (hebräisch und deutsch:): 'Ich gehöre meinem Freunde und
mein Freunde gehört mir'. Wir wollen uns gegenseitig unterstützen, um
unseren Kindern zu sagen (hebräisch und deutsch): 'Kommt, liebe
Kinder, hört mir zu, Gottesfurcht möchte ich Euch lehren', damit sich
Gotteserkenntnis und Gottesglaube mehr und mehr verbreiten. Ein
guter Mann." |
Reisebericht
aus dem Jahr 1901 (Artikel von 1924, verfasst von dem ehemaligen jüdischen
Lehrer in Endingen Selig Schachnowitz)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit'" vom 24.
Januar 1924: "Baden.
In Baden,
auf der Bahnstrecke Basel-Zürich, sprudeln die warmen Quellen von unten
herauf... Wenn man, vom Endinger Walde kommend, den Berg heruntersteigt
und sich unten im Kessel zu beiden Seiten der hellgrünen Limat die Hänge
voller Reben, die prächtig umrankten Häuschen mit den blumigen Veranden
und dem grünen Giebelwerke dem Auge auftun, fühlt man sich nach Genua
oder sonst irgendwo an die Riviera versetzt. Weiter unten in Ennet-Baden
erheben sich am Flussbett der Limat, die Quellen in großen Bassins
fassend, die großen Hotels. Am Rande der Stadt singen Fabriken das harte
Lied der Arbeit und in den Gassen raunen alte Bauten und Schlösser von
Konferenzen, Religionsgesprächen und Treubündnissen, von Krieg und
Frieden alter, verklungener Zeiten. Das Städtchen an der Limat birgt auch
ein Stückchen meiner Geschichte.
Auf dem Wege vom kleinen Bahnhofe zur Innenstadt vor dem großen Bogentore
erhebt sich seitwärts der Schlossberg. Hier bleibe ich eine Weile in
beschaulichem Rückdenken stehen.
Es war im Frühjahre 1901, als ich hier sozusagen zuerst festen
Schweizerboden betrat. Der Schnee schmolz und rann den Schlossberg
hinunter, der Tag ging zur Neige. Da oben fand ich aber ein Dutzend
Menschen in einer Art Beshamidrasch (sc. Talmudschule), zu dem man durch
einen dunklen Korridor von der Synagoge aus gelangte, bei der Gemoro
versammelt. An der Spitze des Kreises der etwas gedrungene Mann mit dem
Jugendfeuer im Auge, aus dem unendliche Güte strahlte. Ich bat ihn, mir
ein Hotel für die Nacht zu empfehlen. Er sagte: 'Ich bringe Sie selbst
hin. Aber dieses Hotel sieht sehr darauf, dass die Gäste dort auch was
verzehren. Also werden Sie dort heute Ihr Abendessen und morgen Ihr Frühstück
nehmen.'
Und er brachte mich ins Hotel, wo ich zu Abend und zu Morgen aß. Es war
sein eigenes Haus...
Öfters begab ich mich seitdem von meinem stillen Dorfe nach diesem Hause
auf dem Schlossberg. Und eines Tages stand ich klopfenden Herzens vor dem
freundlichen Manne mit meinem ersten Opus – es hieß 'Chajim Moschiach'
–, das ich ihm zur Prüfung vorlegte. Sein Auge lachte noch mehr, der
Mund auch, und er gab das Schriftstück nicht aus der Hand. Acht Tage später
las ich die Sache im Mainzer 'Israelit', sah ich mich gedruckt, zum ersten
Male.
Dieser Gang zum Schlossberg war entscheidend für mein späteres Leben...
Heute liegt der Schlossberg, das einstmalige Zentrum starken jüdischen
Lebens, verödet. Gebet-, Lehr- und Rabbinerhaus, in dem die herrlichste
der Frauen waltete, sind geschlossen. Ein verwunschenes Schloss, in dessen
dunklen Räumen und Ecken es von einstiger Größe nur raunt und flüstert
wie aus den Tiefen einer versunkenen Welt. Aber der Geist ist nicht
gewichen, er hat sich nur anderswohin verzogen.
Unten auf dem Wege zu den Heilquellen erhebt sich ein neuer, schöner,
moderner Synagogenbau nach allen Gesetzen der Technik und Vorschriften der
Tradition, und drinnen am Vorbeterpulte und am Katheder wirkt ein Lehrer,
der weit mehr ist als das, was man gemeiniglich darunter versteht, ein
wahrer Führer seiner Gemeinde und Mehrer ihrer geistigen Substanz, ein
kundiger Wegweiser für Väter und Söhne.
Baden hat neben schönem Gottesdienste mit allwöchentlicher religiöser
Belehrung vortrefflichen Religionsunterricht, gut verwaltete
Institutionen, und im 'Zentralhofe' versammelt sich in den Winterabenden
Jung und Alt, um Vorträgen aus allen denkbaren Gebieten des jüdischen
Wissens zu lauschen. Zu all dem wirkt im engeren Kreise ein Rabbi, der in
althergebrachter Weise die Jugend im Talmud unterrichtet. Alle jüdischen
Lebensmöglichkeiten sind bestens gegeben.
Die Wärme sprudelt von unten herauf, in diesem schönen aargauischen Städtchen,
heute noch wie vor dreiundzwanzig Jahren...
Diesen 'Zentralhof', ein mit allem Komfort ausgestattetes und peinlich
rituell geführtes jüdisches Hotel, sollten sich jüdische Reisende,
insbesondere aber auch kurbedürftige jüdische Familien, denen Wiesbaden
verschlossen und andere Bäder zu teuer, zu geräuschvoll sind, oder in jüdischer
Beziehung zu wenig bieten, heute, da die Brücke zwischen Mark und Franken
wieder geschlagen ist, merken!" |
Gemeindevorstellung
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" (1916)
Artikel
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" 1916 S. 195: "Baden.
In Baden wurde im Jahre 1859 eine jüdische Gemeinde gegründet und zählt
diese heute mit 52 Gemeindemitgliedern ca. 200 Seelen. Vorstand:
Adolf Guggenheim, Präsident; Samuel K. Guggenheim; Louis Wyler. Beamter:
H. Fröhlich.
Institutionen: Synagoge (Parkstraße), Religionsschule, Armenpflege
und Friedhof.
Vereine: Chevra Kadischah, Frauenverein, Kijum Hoemunoh, Hachnosas
Kalloh". |
Gemeindevorstellung
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" (1921)
Artikel
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" 1921 S. 189: "Baden.
Die im Jahre 1859 gegründete jüdische Gemeinde zählt heute mit 48
Gemeindegliedern ca. 200 Seelen. Vorstand: Adolf Guggenheim,
Präsident; Samuel L. Guggenheim; Louis Wyler. Beamter: J.
Fröhlich.
Institutionen: Synagoge (Parkstraße), Religionsschule, Armenpflege
und Friedhof.
Vereine: Chevra Kadischah, Liebestätigkeit bei Krankheits- und
Sterbefällen (Präsident: Herr Leopold Guggenheim). - Frauenverein,
Fürsorge für Arme und Kranke (Präsidentin: Frau Louis Wyler). - Kijum
Hoemunoh, Förderung des Thoralernens (Präsident: Herr Isidor Bollag). -
Jeschiwo und Bethamidrasch (Rabbiner M. B. Kraus(. - Hachnosas Kalloh,
Subventionierung armer Bräute (Verwaltung:
Gemeindevorstand)." |
Aus
der Geschichte des Rabbinates in Baden
Wahl
von Rabbiner Dr. Herz Ehrmann aus Trier als Rabbiner in Baden (1885)
Anmerkung: Dr. Herz Naftali Ehrmann (geb. 1849 in Michelstadt,
gest. 1918 in Lübeck): studierte in Altona, Mainz und Berlin; 1876 bis 1884
Rabbiner und Schulleiter der Adass Jeschurun (Israelitische Religionsgesellschaft) in
Kassel (nicht: Karlsruhe!);
1879 bis 1879 orthodoxer Rabbiner in Trier; 1886 bis 1902 Rabbiner in Baden;
verbrachte seinen Lebensabend ab 1912 in Lübeck. Er veröffentlichte mehrere Werke unter
dem Pseudonym "Judäus", u.a. Der Baalschem von Michelstadt.
Kulturgeschichtliche Erzählung von Judäus. Frankfurt am Main 1907. Nachdruck
Basel 1982.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5.
Oktober 1885: "Schweiz. Aus der Schweiz, 10. Tischri (= 19.
September 1885). Ich bin heute in der
Lage, Ihnen eine freudige Botschaft mitteilen zu können, die in allen
Kreisen der gesetzestreuen Judenheit mit lebhafter Befriedigung begrüßt
werden wird. - Von der richtigen Ansicht ausgehend, dass in dem Mangel
einer geeigneten Führung unserer religiösen Angelegenheiten eine der
Hauptursachen der bedauerlichen Gleichgültigkeit liegt, die allem
spezifisch Jüdischen vielfach hier entgegengebracht wird, trat vor
mehreren Monaten eine Anzahl gesinnungstüchtiger, tatkräftiger Männer
zusammen, die folgenden Aufruf erließen: 'Durchdrungen von dem
Bewusstsein, dass es endlich an der Zeit sei, den jüdischen Gemeinden
wiederum ein tüchtiges, religiöses Oberhaupt zu geben, entschlossen sich
die Unterzeichneten, an gleichgesinnte Glaubensgenossen eine Einladen zu
einer Versammlung ergehen zu lassen.
Jeder Israelit, dessen Herz noch warm für das Judentum, seine
angestammt Religion schlägt, wird seit einer Reihe von Jahren nur mit
Schmerz und innigem Bedauern wahrgenommen haben, wie arg es in vielen
Gemeinden und Niederlassungen in religiöser Beziehung steht: die Jugend
erhält entweder gar keinen oder einen nur ganz ungenügenden
Religionsunterricht, die jüdischen Institutionen sind total keiner
Aufsicht unterstellt, Stellen für jüdische Lehrer, Vorsänger und
Schochtim müssen von Ausländern besetzt werden, weil in unseren
Gemeinden keine Schule vorhanden ist, in welcher solche herangebildet
werden können.'
'Durch
diese traurigen Verhältnisse nimmt der Indifferentismus in schrecklicher
Weise überhand, sodass, wenn keine Abhilfe getroffen wird, die
schlimmsten Folgen zu erwarten sind.' etc. etc.
In Folge dieses Aufrufs versammelte sich eine ansehnliche Anzahl
Gesinnungsgenossen aus vielen Gemeinden, welche die Anstellung eines
Rabbiners beschloss, der sich durch gründliche jüdische und allgemein
wissenschaftliche Bildung auszeichne und als erprobte pädagogische und
rhetorische Kraft allgemein anerkannt sei. Ein Komitee wurde mit der Ausführung
dieses Beschlusses beauftragt. Die Wahl dieses Komitees fiel auf die
Person des Herrn Rabbiner Dr. Ehrmann in Trier, der auch, sofort nachdem
er sich bereits erklärt hatte, einem Rufe zur Übernahme unseres
Rabbinats Folge zu leisten, sowohl von den in Betracht kommenden einzelnen
Gemeinden, als auch von der heute in Baden stattgehabten
Generalversammlung sämtlicher Bezirksgemeinden einstimmig gewählt wurde.
Die Wahl dieses Mannes, dessen bloßer Name ein Programm bedeutet,
überhebt mich jeder weiteren Illustrierung der erfreulichen Tatsache,
dass dem überlieferten Vätererbe, ein großer, Achtung gebietender Kreis
jüdischer Gemeinden wiedergewonnen ist. Der Sitz des Rabbinats ist Baden;
zu demselben zählen außerdem die Gemeinden: Ober-Endingen, Lengnau,
Luzern, Bremgarten, Rapperswil sowie ein Teil der Kultusgemeinde Zürich." |
Einführung
von Rabbiner Dr. Herz Ehrmann (1886)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14.
Januar 1886: "Baden. Jüngsten Schabbat Kodesch Paraschat
Waera
(Heiliger Schabbat mit der Toralesung Waera, d.i. 2. Mose 6,2 -
9,35, das war am Schabbat, 2. Januar 1886) wurde unser hochverehrter
Rabbiner, Herr Dr. Ehrmann von Trier, in seine neue Gemeinde eingeführt
und hielt derselbe in geschmückter und dichtbesetzter Synagoge seine
Antrittspredigt. Letztere, die ebenso würdig, als geistreich gehalten,
zeugte von dem großen Wissen, mit welchem unser neuer Führer begabt und
von der festen Energie, mit der er stets für unsere heilige Tora
eintritt. Von einem Verse der laufenden Sidro (Wochenabschnitt) ausgehend:
'mit unseren Jungen und mit unseren Alten wollen wir gehen, mit unseren
Söhnen und unseren Töchtern und mit unseren Schafen und unserem
Rindvieh; denn ein Fest des Ewigen haben wir.' (2. Mose 10,9) schilderte er in einstündiger Rede den tiefen Sinn jedes einzelnen
Wortes, wie die sonderbare Sprach- und Wortfolge, die Moscheh gegen den ägyptischen
Tyrannen gebracht. Nachdem er die 7 wackeren Männer, zu denen auch ein
Louis Bernays, Sohn des hochberühmten Chacham Bernays – das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen – von Hamburg zählte, hervorhob, wie
sich dieselben vor 27 Jahren (sc. 1859) zusammentaten und die hiesige
Kultusgemeinde gründeten, da schaute Gott ihr Unternehmen und ließ es
mit dem heutigen Tage zu einem Ganzen, zu etwas Vollendetem gestalten.
Heil denen vor Allem, die sich in uneigennütziger Weise ein ganzes
Jahr hindurch abmühten, um das zu erringen, was wir heute in schönster
Betätigung vor uns sehen. Sie können sich glücklich schätzen und dürfen
stolz sein, den argauischen Gemeinden wieder ein Oberhaupt gegeben zu
haben, das all' unseren Erwartungen vollkommen entspricht. 'Mit unseren
Jungen und mit unseren Alten wollen wir gehen', sagt der große Führer
Moscheh zu Pharao. Vor allem war es die Jugend, der Moscheh bedurfte, um
sie für einen Sinai zu gewinnen und heranzubilden. Auch zu jetziger Zeit,
so die Tora, wo unser Heiligstes so mannigfach in Verfall gekommen, ist es
die Jugend, die noch das Mittel für alles Gute und Edle bildet. Die
Jungen sind es, die auch unser neuer Führer zuerst verlangt, um aus ihnen
die würdigen Träger unserer Tora heranzuziehen. Sodann entwickelte Herr
Dr. Ehrmann das Ideal des jüdischen Weibes, anknüpfend an die Worte (des
Talmud): 'durch das Verdienst der gerechten Frauen wurden unsere Väter
aus Ägypten erlöst'.
Mit dem Segen für die Gemeinde und die Stadt, wie für die gesamte
Eidgenossenschaft, schloss der treffliche Redner seine erste Predigt. Möge
es ihm gelingen, sein edles Vorhaben, das er uns mit so rührenden und
herzlichen Worten kundgegeben – ein treuer Hirte seinen Gemeinden, ein Förderer
alles Guten und Schönen zu sein, zur Verwirklichung zu bringen, (hebräisch
und deutsch:): 'Und zu allem, wohin er sich wendet, o Allgütiger! Lass es
ihm gelingen.' M.N." |
Die
Frau von Rabbiner Dr. Herz Ehrmann unterrichtet Mädchen der Gemeinde (1889)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28.
Februar 1889: "Baden (Schweiz). Auf meinen Geschäftsreisen, die mich alljährlich
zweimal mehrere Wochen in die Schweiz führen, suche ich es immer möglich
zu machen, einige der geschäftsfreien Tage hier zu verleben. Dieser Ort
ist wie eine Oase in der Wüste. Während es draußen in den anderen jüdischen
Gemeinden leider von Tag zu Tag zusehends wüster wird, macht sich hier jüdisches
Leben und Streben bei Jung und Alt immer herrlicher geltend. Jedes halbe
Jahr finde ich irgend einen Fortschritt zum Guten in den Einrichtungen und
Institutionen der Gemeinde wie im Einzelleben vor.
Die Neuerung, die mich aber dieses Mal freudig überraschte, ist so
originell und scheint mir so tief bedeutsam zu sein, dass sie es wohl
verdient als mustergültiges Beispiel beachtet und nachgeahmt zu werden.
Frau Rabbiner Dr. Ehrmann versammelt die der Schule entwachsenen
jungen Mädchen um sich und erteilt ihnen in populären Vorträgen
Belehrung über die jüdischen Pflichten. Die Beteiligung ist, wie ich höre,
eine sehr rege, und das lebhafte Interesse, mit welchem die lernbegierigen
Zuhörerinnen den Worten ihrer ebenso liebenswürdigen Freundin als
meisterhaften Lehrerin folgen, lässt einen bedeutenden dauernden Erfolg
sicher mit Gottes Hilfe erwarten.
Wenn ich recht unterrichtet bin, hat die Frau Rabbinerin das berühmte
Buch Choreb ihres kürzlich verstorbenen Großvaters ihren Belehrungen
zugrunde gelegt, welches Werk ja das gesamte jüdische Pflichtleben
umfasst, und sich kaum ein zweites für diesen Zweck eignet.
Wer sich je darüber klar geworden ist, dass die Wiedergewinnung
der jüdischen Geister und Gemüter für ihr altes, überliefertes
Judentum erst mit der Wiedergewinnung unserer Frauen und Mädchen wirklich
vollzogen ist, wird eine solche Belehrung erwachsener Mädchen durch eine
wegen ihrer Bildung des Geistes und Herzens so allgemein beliebte und
verehrte Lehrerin, gewiss nicht unterschätzen.
Wenn von solchen Händen und in solchen Boden Rabbiner Hirsch's
Geist recht reichlich gepflanzt würde, wäre gewiss eine Wendung zum
Besseren auch in anderen Gemeinden zu erhoffen.
Die 'Neuerung' ist übrigens nicht so neu, wie sie auf den ersten
Blick erscheint. Wissen wir doch, dass ein Rabbiner, der die Männer und
eine Rabbinerin, welche die Frauen für das Judentum zu gewinnen suchen,
nur dem Beispiele Abrahams und Saras folgen, welche die Seelen, die sie für
die Sache gewinnen, gemeinsam gewonnen hatten. Die Einführung dieser
uralten Neuerung spricht übrigens so für sich, dass es außer des
Hinweises keines empfehlenden Wortes weiter bedarf." |
Über
Rabbiner Dr. Herz Ehrmann (1890)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Mai
1890: "Baden, 13. Mai (1890). Gegen Ende 1884 trat ein Komitee aus
Mitgliedern der Gemeinde Endingen, Lengnau, Baden, Luzern, Bremgarten, Rapperswil,
Wohlen und Zürich zu dem Zwecke zusammen, einen orthodoxen Rabbiner zu
berufen. Der Sitz dieses Bezirksrabbinates sollte Baden sein, weil von
diesem Orte aus der anzustellende Rabbiner eine freiere und damit gedeihlichere
Wirksamkeit zu entfalten im Stande sein würde, als etwa in Endingen,
Lengnau, den Stammgemeinden des Aargaues und der Schweiz überhaupt. Er würde
in Baden durch die Kantonalbehörden weniger beengt sein, als in diesen
weit größeren Gemeinden.
Die Wahl fiel auf Herrn Rabbiner Dr. Ehrmann, damals in Trier,
welcher dem Rufe aus den Schweizer Gemeinden willig folgte. Zu Anfang des
Jahres 1886 trat er das Bezirksrabbinat an. Ein Rückblick auf seine
Wirksamkeit vom Anbeginn bis zu diesem Augenblicke muss jedem Unbefangenen
die Überzeugung gewähren, dass die Wahl auf keine geeignetere und würdigere
Persönlichkeit hätte gelenkt werden können. Von der ersten Minute an
hat Herr Dr. Ehrmann mit hingebendster Aufopferung in Umsicht und Weisheit
die heiligen Interessen des Judentums nach Innen und Außen kräftig
vertreten und gefördert. Während er einen gedeihlichen Unterricht in den
Religionswissenschaften einrichtete und zur ersprießlichen Entfaltung
brachte, trat er zugleich energisch für die Dispensation der jüdischen
Schüler in den allgemeinen Unterrichtsanstalten vom Schreiben und
Zeichnen am Samstag ein. Was vor ihm trotz aller Beschwerden nicht
erreicht werden konnte, ihm gelang es, eine Verfügung des hohen
Erziehungsrats zu erwirken, durch welche fürderhin die jüdischen Eltern
nicht mehr vor die Alternative sich gestellt sahen, entweder ihre Kinder
von den öffentlichen Schulen fern zu halten oder sie das Sabbatgebot
verletzen zu lassen.
Durch
die Kanzel wirkt er belehrend und erziehend auf die Erwachsenen und, was
ganz besonders erfreulich ist, auf die jüngeren Familienväter. Er weiß
den Weg zum Geiste und Herzen seiner Zuhörer zu finden und ihnen Verständnis
und Begeisterung für das Judentum einzuflößen, nicht jene Begeisterung,
welche sich in Worten äußert, sondern diejenige, welche in der Erfüllung
und gewissenhaften Beobachtung der Religionsgesetze sich betätigt.
Und was Dr. Ehrmann für die namentlich in der Schweiz in jüngster
Zeit stark gefährdete Institution der Schechita geleistet hat, und zwar
nicht allein für die Israeliten der helvetischen Eidgenossenschaft,
sondern für das Judentum überhaupt, ist zu offenkundig und anerkannt,
als dass es noch einer näheren Ausführung bedürfte. Die von ihm
verfasste Schrift 'Tierschutz und Menschentrutz' hat seinen Namen weithin
getragen in alle Länder. Er hat es erreicht, dass nunmehr von der
obersten Bundesbehörde anerkannt worden ist, dass die Schechita eine
religiöse Angelegenheit sei und demnach in einem Lande, das seinen Bürgern
die Freiheit des Gewissens und der Religionsausübung gewährleistet,
nicht verboten werden könne.
Möge
es unserem verehrten Rabbiner noch lange vergönnt sein, in unserer Mitte
für die heiligen Angelegenheiten des Judentums zu wirken und seine
Berufstreue und nimmer ermüdende Arbeitskraft der gedeihlichen Gestaltung
unseres Gemeindelebens zugute kommen zu lassen." |
Vortrag
von Rabbiner Dr. Herz Ehrmann (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Februar 1901: "Baden, 27.
Februar (1901). In einem ausgezeichneten Vortrage vor dem Verein
'Erholung' dahier schilderte Herr Bezirksrabbiner Dr. Ehrmann am letzten
Samstagabend das Wesen und Wirken des jüngst verstorbenen Chefs des
Hauses Rothschild in Frankfurt. Die an geistvollen Apercus und
scharfsinnigen Nutzanwendungen reiche Darstellung verstand es trefflich,
Prof. Hiltys Aphorismen ber 'Geschäftsmoral' in Parallele mit der
makellosen Geschäftsgebahrung des Welthauses Rothschild zu setzen. Von
speziellem Lokalinteresse und sehr kennzeichnend für den schlichten Sinn
des verstorbenen Geldfürsten ist unter vielen vom Vortragenden erzählten
Charaktereigenschaften folgende: Dr. Ehrmann hat als persönlicher
Bekannter des Barons diesen zu Beiträgen für Wohltätigkeitszwecke der
israelitischen Diaspora veranlasst. Sobald von Gaben des Baron von
Rothschild in einem Rechenschaftsberichte unter Nennung des Namens die
Rede war, sistierte derselbe seine Beiträge, weil er jeder öffentlichen
Erwähnung abhold war." |
Überlegungen
zu "Rosch Haschono am Sabbat" von Bezirksrabbiner Dr. Ehrmann in Baden
(1901)
Hinweis: Zum Lesen bitte die Textabbildungen
anklicken
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Artikel in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 5. September 1901 und vom 9. September
1901. |
Versammlung der Rabbiner, Lehrer und Kantoren der Schweiz in
Baden (1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. Juli 1903:
"Baden. Am Montag, den 13. dieses Monats fand hier eine Versammlung
der Rabbiner, Lehrer und Kantoren der Schweiz statt zur Gründung eines
israelitischen Religionslehrervereins. Herr Rosenthal - St. Gallen
eröffnete die Sitzung mit einem Referate über die Notwendigkeit des
Vereins. Nach ernster Diskussion und eingehenden Beratungen, an denen sich
die Herren Dr. Strauß - Zürich, Schachnowitz - Endingen, Neuberger -
Baden, Herz - Solothurn und andere beteiligten, wurde der Verein unter dem
Namen 'Verein israelitischer Religionsbeamten der Schweiz' gegründet. Zum
Vorstande wurden gewählt: Herr Dr. Strauß - Zürich, Präsident, Herr
Schachnowitz - Endingen, Schriftführer und Kassierer Herr Rosenthal - St.
Gallen." |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Herz Ehrmann (1918)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Februar
1918: "Lübeck. Im Alter von 68 Jahren verschied hier, wo er
seit sechs Jahren lebte, Dr. Herz Ehrmann, früher Rabbiner in Baden
(Schweiz).
Dr. Ehrmann war einer der bekanntesten Rabbiner der Orthodoxie. Hatte er
doch seine gewandte Feder stets mit Eifer in deren Dienst gestellt. Sein
'Durchs Jahr', das dem Kalender des Jahres folgend, in einzelnen
Aufsätzen jüdische Erkenntnis gibt, sein 'Aus einer ungekannten Welt',
seine anderen unter dem Pseudonym 'Judäus' erschienenen Erzählungen
haben im traditionellen Sinne erzieherisch gewirkt. Während des
gegenwärtigen Krieges erschien aus seiner Feder eine Broschüre
'Kriegstrophäen'. Im Kriege 1870/71 wirkte er als Feldrabbiner, der erste
dieses Amtes." |
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Links:
eine der im obigen Text genannten Veröffentlichungen von Rabbiner Dr. Herz Ehrmann: Durch's Jahr!
Essays über die gehobenen Momente des jüdischen Pflichtlebens in allen
Monaten des Jahres. Frankfurt am Main. Verlag A.J. Hofmann. 1900. 530
Seiten. |
Anzeige
der Talmud-Tora-Schule von Rabbiner Moses Krauß (1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. November 1904: "In der
Talmud-Thora-Schule zu Baden (Schweiz) finden mehrere Freischüler, im
Alter von 12-15 Jahren, Aufnahme, welche Vorkenntnisse besitzen. Für
Unbemittelte freie Kost und Logis im Hause. Tüchtige ungarische
Talmudlehrer erteilen den Unterricht. Aufnahmegesuche sind zu richten an
Moses Krauß, Rabbiner, Baden (Schweiz)." |
Informationen über die Toraschule ('Jeschiwoh') in Baden (1918)
Anzeige
im Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz 1918 S.
270: "'Jeschiwoh in Baden'. Gegründet 5663 durch Jacques Lang
sel.. Zweck: Den Lichtquell der heiligen Tora auch armen
Kindern, mit Beihilfe edler und wohltätiger Leute beizubringen. Schüler
20. Lehrer und Rabbiner M. B. Kraus. Einzelmitglieder z.d.Z.
26. - Präsident: Benoit Lang, Zurück; Kasser: C. Lang, Postscheckkonto
VIII/5014. Empfohlen wird die Jeschiwoh, welche unter Leitung der 'Agudas
Israel' steht, von Dr. Rabbiner Cohn, Basel, N. Sterenbuch, Basel; M.
Schwarz, Basel; Abr. Erlanger, Luzern; Dr. M. Ascher, Neuenburg; D.
Steinlauf, Zürich; S. Teplitz, Zürich. - Zuschriften für die Jeschiwo
sind an Rabbiner Kraus zu richten." |
Die Mutter von Rabbiner Krauß - Sara Krauß - ist verstorben
(1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1933: "Baden
(Schweiz), 27. Februar (1933). Herr Rabbiner Krauß ist durch den Heimgang
seiner Mutter in Trauer versetzt worden. Auf heiligem Boden, in Erez
Israel, wurde sie am 22. Schewat (= 18. Februar 1933), hochbetagt, zur
letzten Ruhe gebracht. Ihre lautere Frömmigkeit, ihre beispiellose Liebe
zur Tora, die sie als würdige Enkelin des Chacham Sofer auf den Sohn und
dessen Nachkommen übertrug und nicht minder die Hilfsbereitschaft für
jedermann aus Ausstrahlung eines gütigen Herzens, alle diese Tugenden
lassen uns mit Wehmut an den Abschied von Frau Sara Krauß denken. Vor
mehr als drei Jahrzehnten trieb sie die Sehnsucht von ihrem Heimatlande
Ungarn ins Land der Väter, nach Jerusalem. Noch voriges Jahr hat Rabbiner
Krauß, offenbar von einem stillen Ahnen gedrängt, die Mutter in Erez
Israel besucht, und dies mag ihm zur Linderung des Schmerzes dienen.
Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers (1859)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. August 1859: "Die neu errichtete Stelle eines Religionslehrers
für die israelitischen Schüler der Gemeinde- und Bezirksschule in
Baden wird anmit zur freien Bewerbung ausgeschrieben.
Der anzustellende Lehrer hat folgende Pflichten zu übernehmen:
a. Er hat den mosaischen Religionsunterricht in dem Sinne und Umfange, wie
es das Aargauische Schulgesetz §§. 77. und 78. und die
Vollziehungsverordnung $ 119 Lit. a. und b. für die israelitischen
Schulen zu Endingen und Lengnau vorschreiben, zu erteilen.
b. Er gibt den katechetischen Unterricht nach den in der Aargauischen
Rabbinatsverordnung vorgeschriebenen Bestimmungen.
c. Er ist in Bezug auf Anstellung, Pflichterfüllung etc. dem Aargauischen
Schulgesetze unterworfen.
d. Er hat wöchentlich 25 Unterrichtsstunden zu geben und außerdem am
Samstag Nachmittags den Bezirksschülern die heilige Schrift in freien
Vorträgen zu erläutern.
Die Jahresbesoldung beträgt Fr. 800. Die Dauer der Anstellung ist
vorläufig auf drei Jahre festgesetzt.
Bewerber haben ihre Anmeldung bis zum 27. August laufenden Jahres der Tit.
Gemeindeschulpflege von Baden einzureichen, und derselben die
erforderlichen Wahlfähigkeits- und Sittenzeugnisse nebst einer kurzen
Darstellung ihres bisherigen Lebens- und Bildungsganges, Kantonsfremde
überdies noch Heimatschein und Zeugnis über bürgerliche
Rechtsfähigkeit beizufügen.
Aarau, den 15. Heumonat 1859. Die Erziehungsdirektion." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. September 1859: "Mit Bezug auf ein Inserat der
hochlöblichen Erziehungs-Direktion in No. 32 dieses Blattes vom 1. August
dieses Jahres, betreffend die Anstellung eines israelitischen
Religionslehrers für die Bewohner hiesiger Stadt, bringt der
Unterzeichnete zur näheren Erläuterung noch Folgendes zur
Kenntnis:
1) Die Gemeinde besteht vorläufig nur aus 12 Familien mit 16
schulpflichtigen Kindern.
2) Außer dem Gehalte, der auf Frcs. 800 pro Jahr festgesetzt ist, kann
dem Lehrer noch sichere Aussicht auf Nebenverdienst gegeben werden.
3) Die Anstellung ist provisorisch zwar nur auf drei Jahre bestimmt,
jedoch kann der Lehrer nach Ablauf dieser Frist einer Erneuerung des
Kontrakts versichert sein, sobald er den ihm vorgeschriebenen Pflichten
treu nachgekommen ist.
Hierauf Reflektierende werden ersucht, ihre Anmeldungen bis zum 15.
Oktober diesen Jahres an die löbliche Gemeindeschulpflege hierselbst zu
machen und nebst den in der früheren Ausschreibung verlangten Zeugnissen
auch etwaige Zeugnisse über die Befähigung zum Schächten
beizulegen.
Baden in der Schweiz, September 1859.
Der Vorstand des israelitischen
Kultusvereins." |
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. Februar 1860: "Unterzeichneter, ein Preuße, noch
unverheiratet, welcher als Religionslehrer von einer preußischen
Regierung konzessioniert und als Schächter von den Herren Rabbiner zu
Berlin, Schönlanke u.m.a. mit Kabbala versehen ist, und als
solcher wie auch als Vorbeter hier in der Schweiz fungierend, wünscht zum
1. April oder zum (Monatsende des Adar), den 23. April diesen Jahres am
liebsten in Preußen eine entsprechende Anstellung. Gefällige
Franco-Anfragen sind zu richten an
Jacob Werner, Religionslehrer in Baden in der Schweiz." |
Lehrer
Michael Neuberger wird Direktor des Israelitischen Bürgerspitals in Fürth
(1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Mai
1904: "Fürth in Bayern. Von 86 Bewerbern erhielt
einstimmig Herr Lehrer Michael Neuberger, seit 22 Jahren Lehrer der
israelitischen Gemeinde Baden (Schweiz), die Stelle des Direktors
am hiesigen israelitischen Bürgerspital. Wir wünschen dem Spitale Glück
zu dieser vorzüglichen Akquisition". |
Verabschiedung
von Lehrer Michael Neuberger (1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August
1904: "Baden, 26. Juli (1904). Eine kleine ernste Schar aus den
verschiedensten Kreisen der hiesigen jüdischen Gemeinde fand sich am 12.
dieses Monats am Bahnhofe zusammen, um Herrn Neuburger und Frau noch
einmal die besten Wünsche auf ihrem Wege zur neuen Stelle in Fürth
mitzugeben. Nur wenige wussten die Zeit ihrer Abfahrt, aber die es
wussten, kamen. Still, einfach und bescheiden, wie das Wirken dieses
trefflichen Ehepaares, so war auch sein Abschied. Nur die tränenfeuchten
Blicke und die stummen Händedrücke sagten, wie innig das Verhältnis
dieses Beamten zu seiner Gemeinde war und wie schwer die Trennung von
beiden Seiten empfunden wurde. Herr M. Neuburger hat in Baden mehr als
zwei Jahrzehnte gewirkt. Er hat da eine Generation heranwachsen sehen, die
in Liebe und Ehrfurcht zu ihm hinaufblickt. Der Schwerpunkt seiner Tüchtigkeit
lag aber darin, sich allezeit als das Ideal eines jüdischen Kultusbeamten
zu bewähren, eines Beamten, der nach den Worten der Weisen ein Schüler
Ahrons sein muss, der den Frieden sucht und ihm nachstrebt, der die
Menschen liebt und sie der Lehre nahe bringt. Was Herr Neuburger seiner
Gemeinde war, ist allgemein bekannt und letztere hat dieses auch durch
eine Widmung bewiesen, über die wohl von anderer Seite berichtet wird.
Aber auch wir Lehrer der Schweiz werden seinen Fortgang ungemein bedauern.
Er verstand es wie kein zweiter, Kollegialität zu üben. Gar oft wandten
wir uns, namentlich da, wo rasche Hilfe nötig war, an unseren Neuburger,
wir konnten stets auf sein kräftiges Mitwirken rechnen. Mögen also auch
die herzlichsten Glückwünsche seiner schweizerischen Kollegen ihn in
seinem verantwortungsvollen Berufe begleiten. Möge auch seine neue Tätigkeit
von Segen und Gelingen gekrönt sein! S.i.E." |
Ausschreibung
der Lehrerstelle nach dem Weggang von Lehrer Neuberger (1904)
Ausschreibung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 3. Juni 1904: "Baden
(Schweiz). Religionslehrer, Vorbeter und Schächter per August oder
September. Gehalt 3.000 Franken, Nebenverdienst 500 Franken." |
Anzeige
von Lehrer Joseph Fröhlich für die "Kommission für den jüdischen
Wanderlehrer in der Schweiz" (1917)
Anzeige
in "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" von 1917 S.
250: "Für vereinzelt wohnende jüdische Familien der Schweiz.
Unterricht in den jüdischen Elementarfächern (Hebräisch lesen, Gebete
übersetzen, Religionslehre, Biblische Geschichte für die Kinder der
vereinzelt in der Schweiz wohnenden Juden vermittelt die
Kommission für den jüdischen Wanderlehrer in der Schweiz.
Interessenten wollen sich wenden an Herrn Lehrer Fröhlich in
Baden." |
Beitrag von Lehrer Joseph Fröhlich in Baden über "Der
literarische Nachlass eines schweizerischen Rabbiners" sc. Rabbiner Dr.
Arthur Cohn, Basel (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1928: "Der
literarische Nachlass eines schweizerischen Rabbiners. Reden und Aufsätze
von Rabbiner Dr. A. Cohn, seligen Andenkens. Von Lehrer Fröhlich
in Baden (Schweiz).
Der Artikel wird nicht ausgeschrieben, da es keine direkten Bezüge zur
jüdischen Geschichte in Baden gibt. Bei Interesse bitte anklicken. |
Zum
Tod von Lehrer Michel Neuberger (1930)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Oktober 1930: "Michel Neuberger
– das Andenken an den Gerechten ist zum Segen. Lengnau (Schweiz), 16. Oktober. Mit der Versöhnung
des Jomkippur und der Freude an Sukkah und Lulow in der Seele, schlummerte
plötzlich unser Lehrer Michel Neuberger in die Ewigkeit hinüber. Am
Hoschanorabbo kam er auf dem uralten Friedhof
Endingen-Lengnau, für
dessen Restaurierung er sich so ungeheure Verdienste erworben hatte, zur
Bestattung. Wer Neuberger als Menschen geliebt, als gehämmerten Jehudi
verehrt, als treuen Diener Gottes im Dienste der Gemeinde und der Jugend
verehrt hat und es waren so viele, die es taten, - wird eine stille Träne
dem stillen Manne nachweinen, der in einem Leben emsiger Arbeit wie ein Sämann
manch Saatkorn in den dunklen Boden versenkte, das später zur vollen Blüte
aufging.
Zwanzig
Jahre war Michel Neuberger Lehrer und Kantor der jüdischen Kultusgemeinde
zu Baden in der Schweiz, Rechnungsführer und Verwalter der
Gemeindefinanzen, eine in der Schweiz wohlbekannte und beliebte Persönlichkeit.
Die Freuden an Nachkommenschaft blieben ihm versagt. Michel Neuberger und
seine Frau, die ihm vor einigen Jahren in den Tod voranging, suchten und
fanden ihr Seelenglück in stillen mannigfaltigen Wohltaten. Im Jahre 1905
verließ Neuberger freiwillig Amt und Gemeinde, um sich einer höheren
Chesed-Aufgabe in Fürth zuzuwenden. Die Ehegatten sahen sich in ihren
Erwartungen getäuscht, und nun begann für die Menschen, die ein Bild der
Ruhe und Stabilität waren, ein Wanderleben, unruhig und unstet. Sie
wohnten vorübergehend da und dort, eine längere Zeit in Halle, dann in
Frankfurt, und überall betätigte sich Neuberger als Lehrer der Kleinen
und der Großen mit hingebender Liebe und gutem Erfolg. Besonders in
Frankfurt erwarb er sich ein großes Maß von Liebe und Achtung. In den
schweren Jahren des Krieges und des Nachkrieges standen die feinbesaiteten
Menschen den Kämpfen des Tages zu schwach gegenüber. Es zog sie wieder
nach der Schweiz, wo Neuberger in der ach so klein gewordenen
Muttergemeinde Lengnau die Kantor und Lehrerstelle annahm. Auch dort schuf
er eine kleine Insel echter Jüdischkeit um sich, und die Herzen der alten
Schweizerfreunde stürmten ihm zu. Vor einigen Jahren wurde ihm die treue
Gattin und Wegebegleiterin seines Lebens genommen. Er baute den zweiten
Tempel seines Glückes auf, aber leider nur für kurzen Zeitraum. Michel
Neuberger ruht auf dem alten Friedhof, der er in den letzten Jahren mit
der ganzen Liebe seines Herzens betreut hatte, als Maliz joscher
(Fürsprecher) für
seine Gemeinde und für die Gemeinschaft. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
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Artikel in der "Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung" vom 15. November 1930: "Michael Neuberger –
seligen
Andenkens -. Nur wenige unserer Mitglieder werden noch persönliche
Erinnerungen an Michael Neuberger haben; aber unbekannt ist er uns allen
nicht, dieser edle Mensch, dieser glaubensstarke Jude, dieser
gottbegnadete Lehrer. Und weil er einer unserer Besten war, darum trauern
auch wir um ihn, der am Rüsttage zum Sabbat Chaul Hamoed Sukkoth, kaum
68-jährig, seine unsterbliche Seele ausgehaucht hat.
Michael Neuberger war von 1881 bis 1908 Mitglied unseres Vereins.
Im Jahre 1920 bedachte er unseren Verein in treuer Anhänglichkeit mit
einem Legat.
Das
'Israelitische Wochenblatt für die Schweiz' widmet diesem seltenen
Menschen sehr ehrende Worte der Liebe und Verehrung. Wir entnehmen diesem
Nachruf, dass er 1862 in Mühlfeld in Unterfranken geboren wurde, in
Höchberg
und Würzburg seine Ausbildung erhielt, 25 Jahre in
Baden in der Schweiz
amtierte, dann die Leitung eines Altersheimes in Fürth übernahm und nach
einigen schweren Wanderjahren, in denen er in den Gemeinden Ansbach,
Schweinfurt, Halle und Frankfurt seines Amtes waltete, der Stimme seines
Herzens folgend wieder in die Schweiz zurückkehrte. In Lengnau fand er
als Lehrer und Leiter des Altersasyls endlich eine ihn voll befriedende
Stellung.
Die machtvolle
Kundgebung an seinem Leichenbegängnis zeigte, wie die Schweiz diese
vorbildliche Persönlichkeit ehrte; aber auch die jüdischen Lehrer in
Bayern werden seiner nie vergessen! Sein Andenken sei zum Segen!" |
Berichte aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Mai 1889: "Bonn, 6. Mai (1889). Wir erhalten folgendes
Rundschreiben, welches wir in allen seinen Teilen wahr und angemessen
erkennen. Auch wir hatten Gelegenheit, mit dem seligen A. Keller in
Verbindung zu treten und ihn hochachten zu lernen. Die Redaktion.
Das Schreiben lautet:
'Wie Ihnen wohl durch die Tagespresse bekannt, findet am Sonntag den 12.
Mai im Rathausgarten zu Aarau die Einweihung des Denkmals Augustin
Kellers statt und es verbindet sich damit eine Gedenkfeier zu Ehren dieses
großen Toten.
Treffend und schön sagen diejenigen, welche uns in einem Aufrufe zur
Teilnahme an der genannten Feier einladen: 'Ein wackeres Volk ehrt seine
wackeren Männer.'
Was Augustin Keller seinem engern Vaterlande war und welche Verdienste er
sich um die Eidgenossenschaft erworben, davon wird so lange die Rede sein,
als es eine Geschichte des Schweizervolkes gibt: Auch der schweizerische
Israelit hat alle Veranlassung, in Verehrung und Dankbarkeit des großen
Staatsmanns zu gedenken. Denn er war es, der mit Eisnetzung seiner ganzen
Kraft und mit der vollen Wucht seiner gewaltigen Beredsamkeit die
Emanzipation der aargauischen Juden durchsetzte! Augustin Keller war es,
der die Ghettos von Lengnau und Endingen öffnete und uns zu
vollberechtigten und freien Bürgern eines freien Staates
machte!
Lesen Sie die vom, Geiste Lessings durchwehte Rede, die Keller anlässlich
der 'Judendebatte' am 15. Mai 1862 im aargauischen Großen Rate hielt sie
folgt hier beigeschlossen) und Sie werden mit uns in bewundernder
Dankbarkeit ausrufen: Ehre seinem Namen!
Keine Undankbaren hat Keller verpflichtet, als er für die Juden eintrat!
Auch wir wollen seiner am nächsten 12. Mai gedenken. So recht im Geiste
Augustin Kellers aber feiern wir sein Gedächtnis, wenn wir jenen Tag mit
einer guten Tat beschließen!
Wir laden Sie deshalb ein, mit uns an eine milde Gabe beizusteuern, die
wir am Tage der Gedenkfeier einer wohltätigen aargauischen Anstalt zu
überreichen gedenken mit der Widmung: 'Zu Ehren und zum Andenken an
den seligen verstorbenen Landammann August Keller.'
Zürich und Baden, im April 1889.
H. Guggenheim, Fürsprech in Baden.
Dr. jur. Hermann Guggenheim in Zürich.
Adolf Guggenheim in Baden.'
P.S.: Beiträge sind beförderlichst an H. Guggenheim, Fürsprech in Baden
zu übermitteln. Ein Verzeichnis der verehrten Subskribenten wird
denselben mit einem Rechnungsabschluss zugesandt werden.'
Der Gedanke, die Emanzipationsrede Kellers wieder abdrucken zu lassen, war
ein glücklicher, und wünschen wir, dass sie in recht vieler Hände komme
- es tut der Gegenwart not."
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Über den Verein "Chevrat Kijum Haemunoh" (1896)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juni 1896
(Abschnitt): "... Die mittelbare Anregung zu diesen
Bestrebungen ging an beiden genannten Orten von der nahe gelegenen
Gemeinde Baden aus. Dort besteht schon seit ca. 10 Jahren ein
derartiger Verein unter dem Namen Chevrat Kijum Haemunoh. Derselbe
versammelt sich allabendlich unter der Leitung des Rabbiners Herrn Dr.
Ehrmann zum gemeinschaftlichen Lernen von Schulchan Aruch und Menorat
Hamaor, während fortgeschrittene Mitglieder bei dem Vereinslehrer
Herrn Aloys Schweiger Gemara lernen. Dank der Munifizenz der
Herren Gebrüder Lang besitz der Verein schon seit Jahren ein Tag
und Nacht offen stehendes Beth Hamidrasch, das fleißig besucht wird.
Leider erweist sich bei der stetig wachsenden Beteiligung das
Beth-Hamidrasch viel zu klein, was sich in der heißen Jahreszeit
besonders fühlbar macht. Eine Vergrößerung derselben wäre sehr zu
begrüßen. Auch die vorhandenen Torarollen erweisen sich bei dem
regen Verkehr daselbst als nicht genügend. In dem benachbarten Elsaß und
vielleicht in der Schweiz selbst finden sich im Privatbesitz noch vielfach
Torarollen aus jener Zeit, in welcher die Tora noch heimischer in
den jüdischen Häusern war. Aus falscher Pietät lassen die Eigentümer
diese heiligen Schriften oft lieber von Würmern und Motten zu Grunde
richten, als dass sie dieselben ihrer eigentlichen Bestimmung übergeben,
damit daraus etwas gelernt werde. Es bedarf hoffentlich nur dieser
Anregung, um Besitzer von Torarollen zu bestimmen, dieselben dem
Beth-Hamidrasch zu überlassen. Der Präsident des Vereins Kijum Hoenumnoh
Herr Isak Rhein und ohne Zweifel auch Herr Rabbiner Dr. Ehrmann
in Baden (Schweiz) werden Zuwendungen dieser Art mit Dank entgegen
nehmen." |
Über
die Aktivitäten der Schweizer Talmud-Vereine und die Planung einer gemeinsamen
Veranstaltung (Feier eines großen Sium) in Baden (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni
1901: ist noch abzuschreiben, bei Interesse zum Lesen bitte
Textabbildung anklicken. |
Gründung
eines "Vereines der israelitischen Religionsbeamten der Schweiz" in
Baden (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 20. Juli 1903: "Schweiz. Baden (Schweiz). Am Montag, 6.
Juli, konstituierte sich in einer dahier einberufenen Versammlung der
Rabbiner, Lehrer und Kantoren des Landes ein 'Verein der israelitischen
Religionsbeamten der Schweiz'. In den Vorstand wurden die Herren Dr. Strauß
- Zürich, Schachnowitz - Endingen und Rosenthal - St.
Gallen gewählt." |
Über
das "Schweizerische Israelitische Altersasyl in Lengnau" - Sitz der
Verwaltung in Baden (1916)
Anzeige
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" 1916 S. 206: "Schweizerisches
Israelitisches Altersasyl in Lengnau.
Sitz der Verwaltung: Baden. - Anstalt: Lengnau (Aargau). Gründungsjahr:
1901:
Zweck der Vereinigung: Die Anstalt hat den Zweck, durch
Altersschwäche zum Erwerb des Unterhalts unfähig gewordene Israeliten
der Schweiz aufzunehmen und zu verpflegen.
Mitgliederzahl: 297.
Vorstand: Jacques G. Guggenheim, Zürich, Samuel Wyler, Baden, Dr.
E. Guggenheim, Fürsprech, Baden, Dr. med. F. S. Wyler, Zürich, Hermann
Dreifuss, obige fünf sind Mitglieder des
Asylvorstandes. Mitglieder: Max Weill-Brüll, Zürich, Leopold
Bollag, Zürich, Simon Wyler, Zürich, Isak Bloch, Ober-Endingen, Henri
Boneff, Bern, Samuel Bollag-Heumann, Winterthur, Max Meier, Bremgarten, H.
Braun-Heymann, Luzern, Moritz D. Guggenheim, Basel, Victor Wyler, Basel,
J. Dreifus-Brodsky, Basel, Moritz Guggenheim, Paris, Ed. B. Homburger, St.
Gallen, J. Guggenheim-Cahn, Liestal. Ehrenmitglied: Rabbiner Dr. Littmann,
Zürich.
Beamte: Hausverwaltung (Herr und Frau Weisskopf)."
|
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Moriz Guggenheim aus Lengnau
- wohnhaft in Baden - verunglückt bei einer
Bergwanderung am Stanserhorn (1898)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. August
1898: "Zürich, 6. August (1898). Über einen auch unsere
Kreise besonders interessierenden Absturz am Stanserhorn berichtet das
'Vaterland': Eine Gesellschaft junger Leute aus Baden im Kanton Aargau
unternahm letzten Mittwoch einen Ausflug nach dem Stanserhorn. Den Berg
hinauf ward die Bahn benutzt und droben im Hotel genächtigt. Am Morgen
darauf, am Donnerstag, zerstreute sich die Reisegesellschaft, indem die
Einen zu Fuß, die Anderen mit der Bahn zu Tale gingen. Ein Trupp, der
für den Abstieg den Fußweg nach Stans auf der Ostseite des Berges
gewählt hatte, kehrte unterwegs in der Wirtschaft zur 'Alpenrose' ein.
Die Wirtin, Frau Püntener, unterließ auf Befragen nicht, die Leute über
den an sich ganz gefahrlosen Weg aufzuklären; sie warnte namentlich, vom
Wege abzugehen und etwa Abkürzungen den Planken des Grates entlang zu
versuchen. Eine Strecke weit begleitet Frau Püntener die Leute. Allen
Warnungen zum Trotz ließen sich's zwei Waghalsige nicht nehmen, den
Fußweg zu verlassen und den Grat entlang zu gehen. Von einem Gewitter,
das Nachts über die Gegend gezogen, waren die Planken hier sehr glatt.
Mangels Bergschuhe oder sonst genagelter Schuhe gestaltete sich der
Abstieg für die beiden doppelt beschwerlich: Moritz Guggenheim von
Lengnau, wohnhaft in Baden (Aargau) stürzte sechzig Meter
tief. Sein 21-jähriger Begleiter Bloch von Brugg konnte
sich in der ersten Zeit des Rutschens noch halten und ward später
gerettet, während Guggenheim tot blieb. Zwischen Tod und Leben schwebend,
rief Bloch verzweifelt um Hilfe. Bahnmeister Robert Lussi und Bahnwärter
Remigius Lussi wurden in der Fluhmatt auf den Hilferuf aufmerksam, zumal
auch von der Egg herunter Alarmrufe ertönten. Mit Decken und Heuseilen
ausgerüstet, stiegen die beiden die Unglücksstätte hinan. Es gelang,
den Bloch mit Seilen aus seiner entsetzlichen Lage zu befreien. Von
Schürfungen abgesehen, hat ihm die Rutschpartie weiter nichts zuleide
getan. Guggenheim aber lag mit zerschmettertem Kopf tief unten im
sogenannten 'Katzenloch' hinter der Alphütte Fluhmatt. Robert Lussi stieg
hinunter und ermöglichte so die Bergung der Leiche, die heute, Freitag,
nach erfolgtem gerichtlichen Augenschein nach Baden befördert wurde,
während Bloch die Heimreise schon Donnerstag Abend antrat. In der
Reisegesellschaft befand sich auch Rabbiner Dr. Ehrmann". |
Rechtsanwalt Arnold Bollag wird in den argauischen
Großen Rat gewählt (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März
1909: "Baden (Schweiz). 20. März (1909). Einen Erfolg in politischer
Beziehung haben die Aargauischen Juden insofern zu verzeichnen, als zum
ersten Male auch ein Jude, und zwar Herr Rechtsanwalt Arnold Bollag, von
hier in den aargauischen Großen Rat gewählt wurde. Bedenkt man, dass
gerade der Kanton Aargau sich seinerzeit der vom Bundesrate aus
unternommenen Emanzipation der Juden so hartnäckig widersetzte und dass
auch zu dem 1893 zustande gekommenen Schächtverbote die aargauische Bevölkerung
ihr gut Teil beigetragen hat, so kann man in dieser Wahl eines Juden zum
Mitgliede der Staatsregierung doch eine wesentliche Besserung erblicken.
Andererseits aber kann von einer vollständig ungetrübten Freude ob
dieses Sieges kaum ernstlich die Rede sein. Stand doch dieser Herr bislang
dem Judentume und der Judenheit so fern, so kalt und fremd gegenüber,
dass es kaum zu erwarten ist, dass er jemals sich dazu bereit finden würde,
jüdische Interessen zu vertreten. Bedeutet aber diese Wahl den Anbruch
einer neuen Ära, so eröffnen sich damit immerhin freudige Perspektiven für
die Zukunft der schweizerischen Judenheit." |
Zum Tod von
Michael Bollag (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. April
1909: "Baden (Schweiz). 25. März (1909). Letzten Samstagabend verschied
plötzlich infolge eines Herzschlages, Herr Michael Bollag im Alter von 69
Jahren. Das ungewohnt große Leichengeleite von Seiten der jüdischen und
christlichen Bevölkerung Badens, die äußerst ehrenden Nachrufe der
Badener Tagespresse, legen Bewiese von der großen Sympathie, deren sich
der Verstorbene überall erfreut hat. Michael Bollag war ein Mann von
ausgezeichneten Eigenschaften und hat stets nur das Beste zum Wohl anderer
gewollt. Die jüdische Gemeinde hat einen treuen Anhänger, die Armen eine
große Stütze verloren, die Gesetzesfreuen in der Schweiz aber einen
ihrer besten Förderer. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum
Tod von Gemeindepräsident J.B. Dreifuß (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2.
September 1909: "Baden (Schweiz), 27. August (1909). Einen unersetzlichen
Verlust erlitt die schweizerische, die gesamte gesetzestreue Judenheit.
Herr J.B. Dreifuß ist seit letzten Freitag in Grabesfrieden gebettet. Die
ihn kannten, sie können es kaum fassen, dass Todesmacht ihn beugen
konnte. Erst vor kurzem verließ er unsere Gemeinde, die ihn ungern
scheiden sah, denn er hat ihr treue Dienste geleistet. Mit Liebe und
Hingebung waltete er seines Amtes als Präsident; noch am vergangenen Jom
Kippur hat er in der Neilah-Weihestunde durch seine liebliche
Vortragsweise die Gemeinde in andachtsvolle Stimmung versetzt. Es war sein
Schwanenlied. Als schwankende Gesundheit ihn von der gewohnten geschäftlichen
Betätigung zurückdrängte, fasste er den Entschluss, in das benachbarte
Zürich zu übersiedeln. Ein Hoffnungsstrahl entfachte aufs neue das
verglimmende Feuer des Lebens. Die Quellen der Gotteslehre, an denen er
sich seit frühester Kindheit labte, schienen ihm noch einmal einen
erquickenden Trunk zu reichen. Es sollte nicht sein. In den Tagen, die
durch göttliches Erbarmen und Liebewaltungen ausgezeichnet sind, wurde er
seiner irdischen Wirksamkeit entrückt, und ein imposantes Trauergeleite
ehrte seinen letzten Gang. Die schweren, geduldig getragenen Leiden,
welche sein Krankenlager verdunkelten, die vielen Opfer an Zeit und Mühe,
die er sich auferlegte, um Tausende in den Abrahambund aufzunehmen, die
große Zahl von Armen und Verlassenen, denen er Berater und Helfer war,
und alle sonstige ideale Arbeit im Dienste der Gotteserkenntnis und
Menschenliebe, sie bedeuten für die Kürze dieses Lebens eine Summe von
Verdiensten, deren reiche himmlische Belohnung gesichert ist. Seine Seele
sei eingebunden in der Bund des Lebens." |
Zum Tod von
Jacques Lang (geb. in Sierentz, lebte in Glarus, dann in Baden, gest. 1915)
Artikel
in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. April 1915: "Baden (Schweiz), 7.
April (1915). Am 1. Pessachtag starb im gesegneten Alter von 85
Jahren der als frommer Mann weit und breit bekannte Jacques Lang
und kam am 1. Halbfeiertag des Pessachfestes unter großer
Beteiligung in seiner Vaterstadt Hegenheim zur Beisetzung. Eine Würdigung
des von guten Werken ausgefüllten Lebens dieses seltenen Mannes
behalten wir uns vor. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April
1915: "Jacques Lang – er ruhe in Frieden.
Baden (Schweiz), 11. April (1915). Am ersten Tage des Festes
unserer Freiheit hat der Tod eine große, edle Seele von ihrer irdischen Hülle
befreit, hat Jacques Lang in Baden (Schweiz) sein Leben ausgehaucht. Ein
solches Leben aufrichtiger Gottesfurcht, edler Menschenliebe und
unbeugsamer Charakterfestigkeit hätte auch in früheren Jahrhunderten, wo
diese Tugenden allgemeiner verbreitet waren, die Aufmerksamkeit der
Mitwelt auf sich gezogen. Heute aber, wo die Vereinigung dieser Vorzüge
des Geistes und Herzens, diese Liebe zur Tora, diese rückhaltlose
Hingebung an die Erfüllung ihrer Pflichten, dieser unerschrockene Freimut
in der Vertretung alles dessen, was er als wahr erkannt, so schmerzlich
oft vermisst wird, heute bedeutet der Heimgang eines solchen Mannes einen
Verlust, der umso größer ist, je weniger er in seiner ganzen Tiefe
empfunden wird.
Jacques Lang war in Sirenz (Oberelsass) geboren und verlor schon im
Kindesalter seinen Vater. Nach seiner Verheiratung lebte er lange Jahre
mit seiner Familie als einziger Jude in Glarus. Obwohl er dort ein blühendes
Geschäft hatte, war er doch unablässig darauf bedacht, sich in einer jüdischen
Gemeinde niederzulassen. Er entschied sich für Baden im Kanton Aargau, wo
ihn das Vertrauen der jüdischen Gemeinde bald zu ihrem ersten Vorsteher wählte,
welche Stellung er lange Jahre bis in sein hohes Greisenalter bekleidete.
Von den Institutionen, die er dort geschaffen, ausgebaut und
mustergültig hingestellt hat, sei hier nur eine einzige erwähnt, die früher
in keiner jüdischen Gemeinde fehlte, die aber in der Schweiz und überhaupt
dem westlichen Deutschland kaum mehr dem Namen |
nach bekannt war, es ist das sein Bes-Hamidrasch
(Lehrhaus). Er stellte dafür einen besonderen Lehrer an und zog von auswärts
Schüler herbei, für deren Unterricht und Unterhalt er die größten
Opfer brachte. Seitdem hat er sein ganzes Leben ausschließlich dem
Studium der Tora und der Erfüllung ihrer Gebote gewidmete.
Es ist geradezu erstaunlich, welche reiche Torakenntnis er sich angeeignet
hat, obwohl er doch erst an der Schwelle des Greisenalters sich intensiv
mit dem Studium der Tora beschäftigt hatte.
Noch wunderbarer ist aber die Art und Weise seiner Erfüllung der Gebote,
und unter diesen geradezu mustergültig war seine Heiligung des Schabbos
(= Schabbat). Als sein ausgebreitetes Manufakturwarengeschäft in höchster
Blüte stand, hatte er allen Reisenden vertraglich bei Androhung einer
hohen Konventionalstrafe untersagt, am Schabbos irgendwie auf der Reise für
das Geschäft tätig zu sein. Als sich nachträglich herausstellte, dass
trotzdem ein christlicher Reisender am Schabbos eine Bestellung
aufgenommen hatte, ordnete er an, dass die Musterkoffer sämtlicher
Reisenden am Schabbos-Morgen in Baden sein müssen! Wenn am
Freitagnachmittag ihm die abgehenden Briefe zur Unterschrift vorgelegt
wurden, legte er alle Briefe, die an jüdische Firmen gerichtet waren, bis
nach Schabbos-Ausgang zurück, damit durch ihn niemand veranlasst werde,
den Schabbos zu entweihen. Und so war es mit jeder anderen Mizwoh. Es gab
keine Seite des jüdischen Pflichtlebens, der er nicht seine ungeteilte
Aufmerksamkeit zuwandte, um sie in sorgfältigster Weise zu erfüllen und
andere zur Erfüllung anzuregen. Sein Haus war eine ideale Verwirklichung
wahrhaft jüdischen Lebens und Strebens. Dass die Armen die ständigen Gäste
und Freunde dieses Hauses waren, braucht nicht erst gesagt zu werden. Er
bedachte sie aber nicht nur mit Speise und Trank, sowie mit reichen Gaben,
sondern war auch für deren seelisches Heil bedacht. Besonders aber ließ
er sich die Erfüllung derjenigen Lebenspflichten angelegen sein, die er
selbst in früheren Jahren, als er sich noch nicht in einer jüdischen
Gemeinde niedergelassen hatte, nicht mit der erforderlichen
Gewissenhaftigkeit erfüllen konnte, weil ihm auch vielfach die gründliche
Kenntnis der einzelnen Anforderungen des Religionsgesetzes nicht in ihrer
vollen Bedeutsamkeit bekannt waren. Bei der Verheiratung seiner Kinder war
er in erster Reihe auf Verbindungen mit Familien bedacht, die eine Bürgschaft
für ein echt jüdisches Leben in dem zu gründenden Hause boten. Er hat
sich mit Aufgebot aller Kraft und seines ganzen Einflusses dem Zug der
Zeit entgegengestellt, die dem jüdischen Weibe die sittige Hülle vom
Haupte reißt und hat mit Entfaltung aller Energie es im Kreise seiner großen
Familie erreicht, dass alle ihre Frauen und Mütter in dem Schmucke züchtiger
jüdischer Häuslichkeit durchs Leben gehen.
Wie er lebte, ist er gestorben, mitten in der Erfüllung der Mizwos,
die das Pessachfest in so reicher Fülle bringt, wie ein Kämpfer auf der
Wallstatt. Seine angelegentlichste Sorge in den letzten Wochen war die
Beschaffung von Mehl für Herstellung von Mazzen, die er alljährlich
in einem eigens für diesen Zweck gebauten Ofen am Nachmittag des
Vortages zu Pessach selbst zu backen pflegte. Wenn man von diesem
Manne nichts gesehen hätte, als die Freude über das religiöse Gebot,
die ihn bei der Herstellung seiner Mazzen durchglühte, und die er
auf seine ganze Umgebung zu übertragen verstand, sie hätte genügt, um
diese stelle Größe kennen und achten zu lernen.
Möge sein Heimgang eine Sühne für die Verirrungen sein, die er während
seiner 86-jährigen Laufbahn mit so seltener Hingebung und mit so großem
Erfolge bekämpfte. Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen." |
Zum
Tod von Kaufmann Israel Wieser (1915)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar
1915: "Baden (Schweiz), 3. Januar (1915). Am 7. Tewet
(= 24. Dezember 1914) starb hier
der Kaufmann Israel Wieser im Alter von 53 Jahren. Durch seinen frommen
Lebenswandel, durch allezeit frohen Sinn und durch eine fast unbegrenzte
Wohltätigkeit, die in Anbetracht seiner pekuniären Verhältnisse
geradezu erstaunlich war, hatte er sich in allen Kreisen eine außerordentliche
Beliebtheit erworben. Diese bekundete sich in einem überaus großen
Leichenbegängnisse, zu dem trotz des Freitagnachmittags zahlreiche
Freunde, selbst aus Zürich und anderen Orten, herbeigeeilt waren. Aus den
Eigenschaften des Verstorbenen sei besonders sein reiches jüdisches
Wissen hervorgehoben. Stets war auf seinen häufigen Reisen ein hebräisches
Buch sein Begleiter und so erfüllte er das Gebot 'und während du auf
dem Wege gehst' (5. Mose 6,7.11.19)'. Er gehörte zu denen, die in der Schweiz auf die
Erhaltung der jüdischen Traditionen bedacht sind, und wirkte in
zahlreichen Vereinen für die Befestigung des Glaubens. Sein Andenken sei
zum Segen! Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von
Benoit Lang (1921)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. März
1921: "Zürich. Mit Benoit Lang verschied in Baden der letzte
der drei Brüder, die unverfälschtes Judentum nach der Schweiz
verpflanzten. sie stammten aus Sierenz
im Elsass. In der Überzeugung, dass nur die Tora die Judenheit erhalten
könne, errichteten sie Lehrstätten der Tora und förderten überall ihre
Erhaltung. Die Liebe zur Gotteslehre war der Herzpunkt, wo die drei
Brüder zusammentrafen. Der eine steuerte feurig und kämpfend, der andere
ruhiger und gemessen, aber unentwegt auf dieses Ziel los. Wer Gelegenheit
hatte, den seligen Benoit Lang beten zu sehen, wer ihn Mizwas Lulow
erfüllen sah, der bewunderte die titanenhafte jüdische Seele in diesem
schwachen Körper. Der Begriff Leben umspannte aber auch bei ihm wie bei
den andern Brüdern die aufrichtigste Liebe zu den Mitmenschen. Jeder
Bedürftige fand klingende und tröstende freundlich-ermutigende Aufnahme.
Drei Brüder waren es, und drei Dinge, die Lebensadern des Judentums haben
sie gehütet: Tora, Awoda (Gottesdienst) und Gemilus Chasodum
(Wohltätigkeit). (Israelitisches Wochenblatt für die
Schweiz)." |
Zum Tod von
Isidor Bollag (1928)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März
1928. "Baden (Schweiz), 8. März (1928). Die Schweizer Judenheit hat einen
schweren Verlust erlitten. Isidor Bollag von hier, ein wegen seiner
flammenden Liebe zur Tora, seiner tiefen, unerschütterlichen Frömmigkeit
und seiner lauteren Menschenliebe allseitig hochgeachteter Mann ist leider
unerwartet schnell aus dem Leben geschieden. Die Trauer um diese starke Säule
des Judentums ist eine allgemeine. Der Einstellung der im Materialismus
versunkenen Mitwelt hat er unbekümmert um Spott und Kritik der Mitwelt
seine unvergleichliche Toraliebe entgegengesetzt. Alle seine Söhne
brachte er im zartesten Alter in bedeutende Jeschiwaus (Toraschulen) in
Ungarn, um sie mit dem Geiste der Tora zu durchtränken. Er durfte die Früchte
dieser Edeltat noch bei Lebzeiten genießen: jeder einzelne der Söhne ist
zu einem gesinnungstüchtigen Jehudi gereift, der die Fähigkeit des
selbstständigen Talmudlernens mit Fleiß und Liebe übt. Die aufopfernde
Herzensgüte Isidor Bollags äußerte sich in menschenfreundlicher Tat
gegen Reich und Arm, gegen Juden und Nichtjuden. Insbesondere war er den
Notleidenden ein Freund und Berater, sein gastliches Haus war zu jeder
Tag- und Nachtstunde für sie geöffnet. Er hat sie auch seelisch zu stärken
gewusst und manchem jungen Wanderarmen, der wohl den Weg zur jüdischen
Kasse, aber den zum Judentum nicht mehr kannte, der Schabbos- und
Tefillin-Gebot vernachlässigte, hat er mit ernsten, eindringlichen Worten
das jüdische Verantwortlichkeitsgefühl geweckt. Die jüdischen
Institutionen in der Schweiz, die die Förderung von Tora und Mizwaus erstreben,
das Komitee für Erez Jisroel und des Centralvereins für die Interessen
des orthodoxen Judentums zählten ihn zu ihren Begründern und eifrigsten
Mitglieder, überall war seine Mitarbeit eine Quelle des Segens. Möge er
ein Fürsprecher für uns sein und sein großes Verdienst
uns beistehen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Jahrestag des Todes von Isidor Bollag (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. März 1929:
"Isidor Bollag - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen.
Baden (Schweiz), 25. März (1929). Es jährt sich der Tag, an dem Herr
Isidor Bollag das Zeitliche gesegnet hat. Am 28. Dezember 1868 wurde er
als Sohn des angesehenen Jechiel Bollag - seligen Andenkens - in
Oberendingen geboren. Noch in jungen Jahren kam er nach Baden, saß dort
zu Füßen seines Lehrers Dr. Ehrmann seligen Andenkens und verblieb dort
mit einer kurzen Unterbrechung von zwei Jahren, die er in Basel
zubrachte.
War er schon seit frühester Jugend in ein leben voll Kampf und Entsagung
hineingestellt, so fühlte er die Tragweite seines jüdischen Berufes in
reiferen Jahren, da ihm tausendfache Hindernisse entgegentraten, noch weit
mehr. Aber gerade das befähigte ihn, ein Kämpfer und Dulder zu werden.
So sehen wir ihn gemeinsam mit Jacques Lang seligen Andenkens den Verein 'Kijum
Haemunah' in Baden begründen, sehen ihn als Vorstandsmitglied des
'Vereins zur Förderung des gesetzestreuen Judentums in der Schweiz', als
Präsident der 'Armenkasse' Baden und noch vieler segensreicher
Institutionen unentwegt arbeiten.
In weit größerem Maße aber wirkte er durch sein vorbildliches Beispiel,
durch den hohen Adel seiner Gesinnung und seines Herzens. Tag für Tag
lernt er zusammen mit Herrn Rabbiner Kraus schon um 4 Uhr morgens im
Beth-Hamidrasch. Unter größten Opfern schickt er alle seine sieben
Söhne auf berühmte Jeschiwoth. Durch eine biedere, treue Gattin und
liebevolle Kinder unterstützt, errichtet er ein jüdisches Haus, das mit
seiner Gastfreundschaft geradezu einzig dasteht und das der
schweizerischen Judenheit zum größten Stolz gereicht. Jeder Bedürftige
und Notleidende erfährt am Bahnhof in Baden, dass er sich nur an den
'frommen Bollag' wenden müsse, der ihm mit Rat und Tat beistehen werde.
Und der 'fromme Bollag' kannte keine Sprechstunde, zu jeder Zeit war er zu
sprechen und nie hat ein Mensch umsonst zu ihm gesprochen. Sag er doch in
jedem Menschen Schwester und Bruder, denen zu helfen ihm höchste
Glückseligkeit war. Sicherlich Tausenden hat er zu einer Existenz oder
doch zu einer Besserstellung verholfen.
So goss dieser Mensch einen Segensstrom von gottinniger Frömmigkeit, von
grenzenloser Opferfreudigkeit und bewundernswürdiger Demut und Milde
über die Judenheit aus. Sein ganzes Leben war nichts anderes als eine
Hingabe der besten und edelsten Kräfte für das Wohl der Gesamtheit, ein
Kiddusch-Haschem (= Heiligung des göttlichen Namens) für die
Erhaltung der heiligen Güter der Tora. Ein Mensch von großem Format, von
priesterlich-zähem Willen und von patriarchalischer Gestalt.
Es war am 16. Adar 5688 (= 8. März 1928). Zwei Tage nach Purim. Isidor
Bollag hatten eben einen Sijum auf die letzte Mischnah in Ukzin gemacht,
die lautet: 'Rabbi Josua sagt, in der zukünftigen Welt wird der
Allgütige jedem Gerechten 310 Welten vererben.' Da warf es ihn
unerbittlich aufs Krankenlager und sein herannahendes Ende fühlend, rief
er seinen Kindern im letzten Schmerz die Worte zu: 'Bleibet gute Jehudim,
schema jisrael'.
Er hat nicht bloß zu seinen Kindern gesprochen, denn nicht für sie
allein, für die gesamte Judenheit hat er sich aufgeopfert. Daher spricht
er zu uns allen und ermahnt uns eindringlich: Lasset mich nicht umsonst
volle 5 Jahrzehnte gekämpft, gerungen und geduldet haben, schaffet mir
ein Denkmal der lebendigen Tat, indem Ihr das begonnene Werk in meinem -
im Sinne der Tora - fortsetzet und entwickelt.
Das Leben Isidor Bollags war eine unausgesetzte Verherrlichung des
göttlichen Namens. Ein Stück jüdische Zeitgeschichte wurde mit ihm zu
Grabe getragen. Über das Grab hinaus aber wirkt seine gerade
Persönlichkeit, die eine unerschöpfliche Quelle edelster Geistes- und
Herzensgaben bleiben wird." |
Zum Tod von
Armand Meier (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27.
November 1930: "Baden, Schweiz, 15. November (1930). Am vergangenen
Samstagabend verschied im Bürgerspital zu Basel nach fünfmonatlicher
schwerer Krankheit Armand Meier aus Mühlhausen im Elsass im Alter von
erst 38 Jahren. In Baden (Schweiz) verlebte er seine Jugend, die durch den
früheren Tod des Vaters getrübt war. Mit Erfolg besuchte er die Schulen
in Baden, nach deren Absolvierung ihn Neigung und seltene Fähigkeit das
Bankfach wählen ließen. Auf diesem Gebiete entfaltete er solche Fähigkeiten,
dass er in ganz jungen Jahren zum Direktor der Dresdner Bank in
Mainz-Frankfurt am Main avancierte. Mit dem hellen Geist paarte sich ein
reines jüdisches Herz, das sich in aufopfernden Liebestaten bekundete.
Auf Wunsch des Entschlafenen wurde er in Baden, seinem Geburts- und Heimatort, bestattet, und es war eine erlesene Trauergemeinde, die ihm am
Dienstag das letzte Geleite gab. Als ein herzensguter Mensch, edel in
Gesinnung und Tat, wird Armand Meier in unserem Gedächtnis fortleben. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod
von Hirsch Rubinstein mit Danksagung (1933)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10.
August 1933: "Baden (Schweiz), 4. August (1933). Von Schuls-Tarasp kommt
die Schmerzenskunde: Hirsch Rubinstein ist nicht mehr! Wir beklagen das
Hinscheiden eines Mannes, der in der finsteren Gegenwart wie ein
Lichtstrahl wirkte. Große Ahnen umstanden seine Wiege: Sein Vater, ein
Gelehrter von Ruf, der jahrzehntelang in Frankfurt am Main, getragen von
der Gunst des Barons Willy von Rotschild lebte, entstammte der Familie des
Gaon von Wilna, die Mutter wuchs in einem Kreise heran, wo das Feuer der
Tora brannte, Tag und Nacht. Hirsch Rubinstein hat die elterlichen
Traditionen treu gewahrt. Die drei Scharen von Engeln, die nach unseren
heiligen Urkunden einen edlen Menschen in die höhere Welt geleiten,
werden ihm fürsprechend voranziehen. Die eine erzählt davon, wie er die
Jeschiwaus, jene geistigen Reservoir des jüdischen Volkes allezeit
gespeist hat, eine zweite bezeugt die Ehrfurcht und Andacht, mit der er
vor dem Herrn der Welt sein Gebet verrichtete und eine dritte Engelschar kündet
die reiche Aussaat seiner Liebe auf Erden. Der Segen ruhte auf diesem
Familienleben, wo ein Gatte und ein Vater wie Hirsch Rubinstein walteten.
Wie ein Fürst des Friedens erschien er überall und ein klarer Geist,
gepaart mit einer natürlichen Herzensgüte, befähigten ihn zu dieser
Mission. Den schönsten Kranz legen wir an seiner Bahre nieder, den man
einem Erdenpilger flechten kann: Er hatte keinen Feind! Wo er auf der Straße
des vielverschlungenen Lebens einem Mitmenschen begegnete, da leuchtete
sein wohlwollendes Auge, grüßte sein freundliches Antlitz, linderte, wo
es sein musste, seine edle Tat. Einen Sterblichen erfreuen, war Devise
seines Lebens. Er war Kaufmann von Beruf. Bahnbrechend hat er eine
Industrie ins Leben gerufen, die heute europäischen Ruf genießt. Ein
langjähriger Teilnaher und Mitarbeiter hat an seiner Totenbahre mit tränenerstickter
Stimme erzählt, dass während 45 Jahren geschäftlicher Verbundenheit nie
ein lautes Wort gefallen sei. Er machte viele Reisen, nach dem Norden und
Süden, aber jede führte über Frankfurt, wo das Mütterchen wohnte und
die Geschwister, die in rührender Weise seiner Liebe teilhaftig wurden.
Die jüdische Gemeinde Baden verliert in ihm einen ihrer treuesten Söhne.
Als Bal Tefilloh (ehrenamtlicher Vorbeter) schuf er eine Atmosphäre
tiefer Andacht, als Mitglied der Schulpflege leitete ihn das Bestreben,
gemeinsam mit dem Religionslehrer Wissen und Ehrfurcht vor dem Schöpfer
in die jungen Herzen zu pflanzen. Hirsch Rubinstein stand, als der Tod ihn
überraschte, noch im Trauerjahr um seine selige Mutter, eben hatte er das
Kaddischgebet vollendet, das nun sein zartes Söhnchen fortsetzt um ihn
selbst. Wenn den Kinderlippen das Jisgadal entströmt, um die Heiligkeit
des großen Namens zu künden, dann erbebt die Gemeinde in dem Gedanken,
wie flüchtig das Leben ist und oft einen Edlen urplötzlich in höhere
Welten entrückt. Das Andenken an Hirsch Rubinstein wird unauslöschlich
in unseren Herzen weiterleben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1933: "Danksagung.
Wenn uns in unserem tiefen Schmerze um unsern so rasch dahingeschiedenen
Hirsch Rubinstein - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - außer
der Ergebung in den Willen Gottes, nach dem er selber gelebt, noch etwas
hat trösten können, so waren es die trefflichen Reden ehrwürdiger
Männer an seiner Bahre, die zahlreichen Nachrufe und Briefe, in denen
sein Charakter wie sein Wirken liebevoll gewürdigt wurde.
Für all die Beweise aufrichtiger Anteilnahme sprechen wir als Gattin,
Sohn und Geschwister des Unvergesslichen unsern innigsten Dank
aus.
Baden bei Zürich (Schweiz) Dammstraße 3
Frankfurt am Main Obermainstraße 18. Ellul
5683 - August 1923
Die trauernden Hinterbliebenen:
Elsa Rubinstein geb. Meier Maxli Elias
Rubinstein Bernhard Rubinstein Anna Rubinstein |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Juni 1860:
"Israelitische Wirtschaft
zum roten Schild in Baden,
einer der besuchtesten Kurorte in der Schweiz, gehalten von Frau Maria
Mühlhäuser geb. Ulmann, früher zur Kanne in Basel, empfiehlt sich
dem geehrten reisenden Publikum zu geneigtem Zuspruch bestens, und sichert
demselben unter Verabreichung guter Speisen und Getränke prompte und
billige Bedienung zu."
|
Anzeige für den israelitischen "Gasthof zum Löwen" (1863)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Juni
1863: "Israelitischer Gasthof. Kurort Baden in der Schweiz. Lokalveränderung.
Die Unterzeichnete beehrt sich, ihren Gönnern sowie allen denjenigen
Reisenden mosaischen Glaubens, die die Schweiz, insbesondere aber den
hiesigen Ort besuchen und gerne koscher speisen wollen, ergebenst
anzuzeigen, dass sie seit dem 1. Januar letzthin die Wirtschaft zum
Rothenschild verlassen und den neu eingerichteten, besser gelegenen
Gasthof zum Löwen angetreten hat, und allda fortfahren wird, ihre werten
Gäste wie bisher, unter Verabreichung guter Speisen und Getränke,
promptest und billigst zu bedienen. Zu geneigtem Zuspruch empfiehlt sich höflichst
Frau Marie Mühlhäußer-Ullmann, zum Löwen." |
Anzeige der "Israelitischen Restauration zum Rothen Schild" (1867)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
4. Juni 1867: "Mit dem 1.Mai 1867 ist die israelitische Restauration zum Rothen Schild
in dem Kurorte Baden (Schweiz) eröffnet worden. Gute und
billige Bedienung werden zugesichert. Bestens empfiehlt sich Guggenheim
– Bernheim." |
Anzeige des Zürcher Schächters S. J. Bekken
(1889)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4.
November 1889: "Zur Beachtung! Herr Dr. Ehrmann, Rabbiner in Baden
(Schweiz) hat mir nach vorgenommener Prüfung eine Kabbala (Zertifikat)
erteilt, dieselbe aber laut Inserat im 'Israelit' Nr. 75 vom 19. September
dieses Jahres wieder öffentlich zurückgezogen, ohne einen Grund für
diese Maßregel anzugeben. Da dieses Vorgehen nicht gegen mich, da ich
mich keines Vergehens bewusst bin, sondern gegen die Kultusgemeinde Zürich
gerichtet ist, so erkläre ich Herrn Dr. Ehrmann als einen – braven
Mann! - so lange derselbe mir nicht öffentlich Satisfaktion erteilt. Zürich,
den 28. Oktober 1889. S.J. Bekken, Schächter in Zürich." |
Anzeige der Restauration zum "Rothen Schild"
(1890)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Mai
1890: "Kurort Baden (Schweiz) bei Zürich. Koscher – Koscher.
Restauration zum 'Rothen Schild'. Referenz: Herr Rabbiner Dr. Ehrmann.
Witwe Guggenheim." |
Hauslehrer von den Gebrüdern Lang gesucht (1893)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11.
Dezember 1893: "Hauslehrer gesucht zu einer Familie, einzige Juden in
einer Kantonshauptstadt der Schweiz, für den Unterricht im Jüdischen an
Kinder, welche die städtischen Schulen besuchen. Bewerber müssen in der
deutschen Buchführung einigermaßen bewandert sein, um sich in der
Zwischenzeit darin nützlich zu machen. Gehalt 4-500 Francs nebst freier
Station. Offerten mit Zeugnisabschriften befördern
Gebrüder Lang, Baden
(Schweiz)." |
Anzeige
des Badearztes Dr. med. F.S. Wyler
(1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni
1901: |
Anzeige
des Manufakturwaren-Engros-Geschäftes Lang & Cie. (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. November 1901:
"Per 1. Januar wird in unserem Manufakturwaren-Engros-Geschäft
eine
Lehrstelle
frei. Kost und Logis im Hause bei dreijähriger Lehrzeit. Es werden nur
Jünglinge aus gutem Hause, groß gewachsen und guter Schulbildung
berücksichtigt. Offerten direkt an
Lang & Cie., Baden,
Schweiz." |
Anzeigen des Hotel-Restaurant Centralhof
(1902 / 1916)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3.
Februar 1902: "Hotel-Restaurant Centralhof, Baden (Schweiz). Neu eröffnet.
Am Theaterplatz. Große luftige Restaurationssäle, für Versammlungen und
Anlässe speziell geeignet. Komfortabel eingerichtete Fremdenzimmer, mit
elektrischem Licht und Zentralheizung. - Streng rituell. Gute Küche. Mäßige
Preise. Telephon. Spezialität: Anerkannt Ia. Wettinger und Goldwändler
Weine. Bestens empfiehlt sich Jul. Guggenheim. Besitzer.'" |
|
Anzeige
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" 1916 S.
220: "Streng Koscher.
Hotel-Restaurant Centralhof. Thermal-Kurort Baden (Schweiz).
Große luftige Speisesäle, modern eingerichtete Zimmer. Elektrisches
Licht. Telefon Nr. 239. Zentralheizung Übernahme von Hochzeiten und
Festanlässen.
Bestens empfiehlt sich Besitzer Julius Guggenheim."
|
Hochzeitsanzeige für Hirsch Rubinstein und Elsa geb. Meier
(1922)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24.
August 1922:
"Hirsch Rubinstein – Elsa Rubinstein geb. Meier. Vermählte.
Baden (Schweiz). 15. August 1922." |
Geburtsanzeige für einen Sohn von Herz Bollag und Paula
Bollag geb. Dzialoszynski (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1925: "Die
- Gott sei gepriesen - glücklich erfolgte Geburt unseres Sohnes
zeugen in dankbarer Freude an
Herz Bollag und Frau Paula geb. Dzialoszynski.
Baden, 10. August 1925". |
Lehrstellensuche von Willy Guggenheim
(1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. November 1925:
"Suche für meinen
15 ½ jährigen Sohn in einem an Schabbat und Feiertag
streng geschlossenen, gut frequentierten Detailgeschäft (Manufaktur- und
Konfektionsbranche bevorzugt) der Textilbranche er sofort
Lehrstelle
an
einem Platze, wo man Gelegenheit, streng rituell zu leben. Offerten
erbitte an
Willy Guggenheim, Baden (Schweiz), Schlossbergplatz." |
Verlobungsanzeige
und Hochzeitsanzeige von Selma Kempler und Salomon Bollag (1933 / 1934)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. November
1933:
Selma Kempler - Salomon Bollag. Verlobte.
Lugano - November 1933 - Baden/Schweiz". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. April
1934:
Statt Karten - Gott sei gepriesen.
Selma Kempler - Salomon Bollag
zeigen hiermit ihre - so Gott will - am Lag BaOmer 3.
Mai (1934) in Lugano Hotel Villa Federico stattfindende Vermählung an. Lugano
Trauung 2 Uhr Baden." |
Verlobungsanzeige
von Willy Guggenheim und Armand Weill (1934)
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. November 1934:
"Willy Guggenheim - Armand Weill. Verlobte.
Randegg (Baden) - Baden - Zürich.
Oktober 1934." |
Verlobungsanzeige von Ilse Löwenstein und Leopold
Kempler (1936)
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1936: "Gott
sei gepriesen.
Ilse Löwenstein - Leopold Kempler grüßen als Verlobte.
Baden/Schweiz - Bruggerstraße 31 - Genève - 54, Rue du Rhône. Adar
5696 - März 1936." |
Sonstiges
(Dokumente aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim /
Ries)
Briefumschlag
an Julius Wyler
in Baden (1887) |
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Umschlag eines Briefes, versandt von Veit
Weil (Oberdorf) an Julius Wyler
in Baden (Schweiz) am 5. August 1887 - mit rückseitigem Gruß von
Veit Weil: "Herzliche Grüße an Alle von Emil". Emil Weil war ein Enkel von Firmengründer Veit Weil, Leim -, Collagen und
Degrasfabrik. Sein Vater Michael Weil führte den Betrieb in der zweiten Generation weiter und sein Bruder Karl Weil daran anknüpfend in der
dritten Generation. Die Eltern von Emil Weil waren Moses Michael Weil und Anna
geb. Guggenheimer. Emil wurde 1870 geboren und starb schon sehr früh im Alter von 19 Jahren 1889. Er wurde
beigesetzt im jüdischen Friedhof in Oberdorf.
vgl. zur Familie: Ancestral Chart: Weil
Family of Oberdorf von Rolf Hofmann. |
Karte
von Therese Hirschberger (Baden) an Marie Bruchsaler in Sulzburg (1904)
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