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in der Region
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jüdischen Friedhöfe im Landkreis
Mainz-Bingen
Bingen am Rhein
(Rheinland-Pfalz)
Jüdischer Friedhof
Bitte
besuchen Sie auch die Website des Arbeitskreises Jüdisches Bingen
www.juedischesbingen.de
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur jüdischen
Geschichte / Synagoge in Bingen (interner Link)
Zur Geschichte des Friedhofes (nach der Darstellung von
Josef Götten, Arbeitskreis "Jüdisches
Bingen")
Die mittelalterliche
jüdische Gemeinde in Bingen hatte noch keinen eigenen Friedhof. Wie auch die Rheingauer
Juden brachten die Bingener ihre Verstorbenen auf den Friedhof in Mainz.
Ein jüdischer Friedhof in Bingen wurde erst in der 2. Hälfte des 16.
Jahrhunderts angelegt. 1570 hatte die jüdische Gemeinde ein kleines Gelände am
Berghang zwischen Wald und Weiden weit außerhalb der Stadtmauer als Begräbnisstätte
erworben. Nach dem 1789 angelegten Memorbuch der Gemeinde wurde bereits 1562
eine erste Beisetzung vorgenommen. Der Eingang zu diesem Friedhof befand sich in der Süd-Ost-Ecke;
das zugemauerte Tor ist noch erkennbar. Der älteste Teil des Friedhofs
liegt im Osten des 265 m langen, aber unterschiedlich breiten Grundstückes. Da
er auch von den umliegenden Gemeinden zur Bestattung benutzt wurde und die Zahl
der jüdischen Einwohner in Bingen in der Neuzeit stetig wuchs, waren im Laufe
der Zeit Veränderungen und Erweiterungen erforderlich. So wird vermutet, dass
der alte Teil, der 610 Grabsteine aufweist, wenigstens einmal aufgeschüttet und
aufs neue benutzt worden ist. Die Unregelmäßigkeit der Umfassungslinie deutet
auf verschiedene Erweiterungen durch Ankäufe von Nachbargelände hin. Die
Grabsteine des alten Teiles, die ohne erkennbare Ordnung unter hohen Bäumen und
Gestrüpp stehen oder liegen, sind durchweg aus Sandstein gehauen und ziemlich
gleich im Aussehen. Die oft den ganzen Stein einnehmenden Inschriften sind in
hebräischer Schrift eingemeißelt. Die Gräber sind und waren nicht eingefasst,
sondern eingeebnet. Der heutige Eingang liegt auf der Schnittlinie zwischen dem
östlichen älteren Teil und dem westlichen neueren Teil, der 1856
angelegt worden ist. Man betritt zunächst eine Plattform mit einer niedrigen
Umfassungsmauer, den Resten der 1878 errichteten und 1970 abgetragenen
Trauerhalle. An der Wand hinter der Eingangstür befindet sich das Waschbecken
mit Wasserhahn zur rituellen Reinigung nach dem Besuch des Friedhofs. Der neuere
Teil hat einen ganz anderen Charakter; er gleicht in vielem einem christlichen
Friedhof: Gerade Grabreihen mit Einfassungen und den unterschiedlichsten
Grabmonumenten. In der Süd-West-Ecke des Friedhofsareals befindet sich - etwas
höher gelegen - seit 1872 der Friedhof der jüdisch-orthodoxen Gemeinde.
Bis 1925 war dieser Bereich durch eine Mauer abgetrennt.
Trotz wiederholter Schändungen ist der jüdische Friedhof in Bingen im Laufe
der Jahrhunderte einschließlich der NS-Zeit einer Verwüstung, Enteignung oder
dem Zwangsverkauf mit Abräumung der Grabsteine entgangen. Mit seinen über
1.000 Grabsteinen ist er einer der bedeutendsten jüdischen Friedhöfe in
Rheinland-Pfalz. Die Friedhofsfläche umfasst 93,27 ar.
Aus der Geschichte des Friedhofes
Schändung des Friedhofes (1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Mai 1905:
"Ein Bubenstück wurde kürzlich in Bingen verübt, indem auf
dem am Rochusberg gelegenen Friedhof der israelitischen Religionsgemeinde
an mehreren Grabsteinen die Urnen abgehoben und weggeworfen
wurden." |
Schändung des Friedhofes (1926)
Mitteilung der der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins) vom 28. Januar 1927: "24. Dezember 1926. Bingen.
Auf dem jüdischen Friedhof wurden Grabdenkmäler umgestürzt,
Bronzestücke und Bronzeplatten abgeschlagen und
mitgenommen." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. Juli 1927:
"Tafel der Schmach - 39 jüdische Friedhöfe in Deutschland geschändet.
Berlin. (J.T.A.) 'Der Schild', Zeitschrift des Reichsbundes jüdischer
Frontsoldaten, bringt unter der Überschrift 'Tafel der Schmach' ein
Verzeichnis von 39 Friedhofschändungen, die sich von November 1923 bis
Mai 1927 in Deutschland ereignet haben. Hier die Namen der Orte und die
Daten:
1. Sandersleben
(November 1923), 2. Schneidemühl (Januar 1924), 3. Sandersleben
(März 1924), 4. Rhoden, 5. Wolfhagen
- Hessen (April 1924), 6. Ribnitz
/ Mecklenburg (Mai 1924), 7. Villing (Juli 1924), 8. Regensburg
(August 1924), 9. Hemer (November 1924), 10. Hersfeld
(November 1924, 11. Kleinbardorf bei
Königshofen, 12. Binswangen Bez.
Augsburg (Juni 1924), 13. Hagen i.W. (Juni 1924), 14. Göttingen
(August 1924), 15. Beverungen (Dezember 1924), 16. Köthen
(Mai 1925), 17. Plauen i.V.
(Juni 1924), 18. Alsbach a.d. Bergstraße,
19. Hockenheim / Baden (Januar
1925), 20. Löwenberg (Februar 1926), 21. Pflaumloch
(März 1926), 22. Erfurt (März 1926),
23. Callies (April 1926), 24. Memmelsdorf
/ Oberfranken (Main 1926), 25. Altdamm/Pommern (Oktober 1926), 26.
Breslau (Dezember 1926), 27. Bingen
(Dezember 1926), 28. Ermetzhofen /
Mittelfranken (Dezember 1926), 29. Kuppenheim
/ Baden (Januar 1927), 30. Kerpen / Rheinland (März 1927), 31.
Neviges / Regierungsbezirk Düsseldorf (März 1927), 32.
Hillesheim / Rheinhessen (April 1927), 33. Moers (April 1927), 34.
Krefeld (April 1927), 35. Richelsdorf /
Bezirk Kassel (April 1927), 36. Ansbach
(April 1927), 37. Regensburg (Mai
1927), 38. Aufhausen bei Bopfingen
(Mai 1927), 39. Rülzheim / Rheinpfalz
(Mai 1927)." |
Lage des Friedhofes
Am Fuß des Rochusberges oberhalb des kommunalen
Friedhofes, erreichbar über die Waldstraße.
Link zu den Google-Maps
Größere Kartenansicht
Plan
(Fotos: Wolfgang Peters, Quelle: Arbeitskreis
"Jüdisches Bingen")
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Plan des Friedhofes |
Fotos:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 30.3.2005;
Hinweis: zahlreiche Fotos finden sich auch in den Fotoseiten von Stefan Haas http://www.blitzlichtkabinett.de/friedhofs-fotografie/friedhöfe-in-rlp-ii/)
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Zugemauerter
Zugang zum alten Teil des Friedhofes |
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Im alten Teil des
Friedhofes - völlig zugewachsen |
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Das bis heute
benutzte
Eingangstor |
Im Eingangsbereich befindet
sich ein
Waschbecken; gleichfalls einige Steine
aus der 1938 zerstörten
Synagoge |
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Vom Friedhof aus
Blicke über die Altstadt von Bingen |
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Teilansichten des
neueren Friedhofteiles |
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Rechts ein neues Grab von 2004 |
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Der Friedhof im
Oktober 2011
(Fotos wurden zur Verfügung gestellt von Mike Simons, Tucson, Arizona/USA;
Album "Rosenau visit to Bingen & Gensingen"; picasaweb-Album) |
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Angehörige /
Nachkommen der Familie Simon in Gensingen und Bingen
besuchen den Friedhof |
Blick vom Friedhof
auf Bingen |
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Teilansicht
des Friedhofes |
Reste der 1970
abgebrochenen Trauerhalle |
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Grabstein für Eva
Simon geb. Simon
(1826-1895) und Sigmund Simon
(1819-1897) |
Grabstein von Seligmann
und Henriette Simon |
Grabstein von Elias Simon
und
Lisa Simon geb. Wolff |
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Grabstein für Isaak und
Jettchen Simon |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
August 2018:
Über den jüdischen Friedhof Bingen
als den ältesten Friedhof der Stadt |
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung" vom 14. August 2018: "Der jüdische Friedhof
in Bingen ist der älteste der Stadt
Nicht nur der älteste Friedhof der Stadt, sondern mit 1000 erhaltenen
Grabsteinen auch einer der größten in Rheinland-Pfalz: Wissenswertes zum
jüdischen Friedhof in Bingen
BINGEN - Bereits seit dem Mittelalter hat es in Bingen jüdische
Bevölkerung gegeben, die erste schriftliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1160.
Rund 400 Jahre lang mussten die Verstorbenen zur Bestattung nach Mainz
gebracht werden bis die jüdische Gemeinde 1570 am Rochusberg ihren Friedhof
erwarb. Damit ist er der älteste Friedhof in Bingen. In der
Publikationsreihe des Arbeitskreises Jüdisches Bingen (AKJB), heißt es in
Band eins, 'Zur Geschichte des jüdischen Friedhofs' von Dr. Josef Götten,
Seite 62: 'Der älteste heute noch lesbare Grabstein stammt aus dem Jahre
1602 und wurde für den verdienstvollen Gemeindevorsteher Hirz Bing gesetzt.'
Aufgrund der Lage der Umfassungslinie ist zu vermuten, dass der Friedhof
mehrfach erweitert wurde, auch eine Aufschüttung hat wohl stattgefunden.
Neuerer Teil ähnelt christlichem Friedhof. Auch heute ist am Eingang
noch ein Waschbecken vorhanden, damit sich die Gläubigen nach dem Besuch der
rituellen Reinigung unterziehen können.
Mit seinen rund 1000 erhaltenen Grabsteinen gehört er zu den größten in
Rheinland-Pfalz. 880 Inschriften sind in der Epigraphik-Datenbank des
Steinheim-Instituts verzeichnet. Im älteren Teil liegen oder stehen die
meist aus Sandstein gehauenen Grabsteine ohne erkennbare Grundordnung und
die eingemeißelte Schrift ist hebräisch. Der neuere Teil ähnelt einem
christlichen Friedhof, die Grabreihen sind gerade, die Gräber eingefasst und
die Inschriften sind in deutscher Sprache (lateinische Buchstaben) und nur
teilweise mit hebräischen Zusätzen und jüdischen Symbolen, wie
beispielsweise die segnende Hände, die auf die Abstammung von den
Geschlechtern der Kohanim zurückgehen, versehen. Der Friedhof wird von der
jüdischen Gemeinde noch genutzt, die letzte Beerdigung war im Jahr 2014.
Auch ist er der letzte Ruheplatz von Dr. Isaak Ebertsheim, dem einzigen
jüdische Ehrenbürger der Stadt Bingen (gestorben 1901).
Jüdische Gemeinde in Mainz ist Eigentümer. Heute ist die jüdische
Gemeinde in Mainz Eigentümer des jüdischen Friedhofs, die Stadt Bingen hat
den Pflegeauftrag übernommen. Der Friedhof ist außer an Samstagen und hohen
jüdischen Feiertagen zugänglich. Bei männlichen Besuchern ist eine
Kopfbedeckung erwünscht. Früher gab es wohl auch in Büdesheim einen
jüdischen Friedhof, so kann man in 'Büdesheim am Scharlachberg – eine Orts-
und Zeitgeschichte' von Joseph Trablé auf Seite 65 nachlesen: 'Die Juden
besaßen von jeher ihre eigene Schule in der Hintergaß, auch einen besonderen
Friedhof. 1589 ist ihnen als Begräbnisplatz eine ,Wüstenfeldung, nicht weit
von Büdesheim nach Dietersheim, gelegen, auf dem Hundert genannt‘ vom
Stephansstift und der Gemeinde überlassen worden.'
Auch in Dromersheim und
Gaulsheim gibt
es noch zwei kleine jüdische Friedhöfe. Die Literatur über den Gaulsheimer
Friedhof (In der Riedgewann/Hinter dem Wasserwerk) sagt Folgendes:
'Vermutlich in der zweiten Hälfe des 19. Jh. weitab östlich des Dorfes an
der Gemarkungsgrenze mit Gau-Algesheim an einem Feldweg auf einem
längsrechteckigen Areal angelegt. Nur noch drei teilweise verwitterte
Grabmäler aus Sandstein, das älteste von 1894, erhalten. Einfache Stelen mit
Stilmerkmalen des Historismus. Die Inschriften hebräisch. Das
Geschichtsdenkmal stellt die einzige anschauliche Erinnerung an die kleine
jüdische Gemeinde dar, die 1861 ca. 20 Personen umfasste.' (Aus:
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in
Rheinland-Pfalz – Mainz-Bingen 18.1.)" |
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April 2019:
Der Oberbürgermeister Bingens
besucht den jüdischen Friedhof |
Artikel
von Christine Tscherner in der "Allgemeinen Zeitung" vom 12. April 2019: "Bingen.
Binger Oberbürgermeister besichtigt jüdischen Friedhof
Der jüdische Friedhof sei ein wichtiger Teil der Binger Kulturgeschichte.
Nachfahren gehen oft auf Spurensuche nach ihren Wurzeln.
BINGEN - Ein 40 Meter langes Holzgeländer wurde ersetzt. Eigentlich
keine große Sache. Aber der besondere Ort lässt die Gruppe größer als
vermutet anschwellen: Oberbürgermeister Thomas Feser lud zum Vor-Ort-Termin
auf den jüdischen Friedhof. Moos auf den Gräbern, tiefe Ruhe, efeuumrankte
Wege und verwitterte Steine. Der jüdische Friedhof oberhalb des
Waldfriedhofs strahlt diesen ganz besonderen Lost-Places-Charme aus.
Vergessen? Nein, für das Erinnern sorgen vor allem der Arbeitskreis
Jüdisches Bingen und ganz handfest die städtischen Friedhofsmitarbeiter.
'Der Löwenkopf und die Gesetzestafeln sind wieder sichtbar', lobt
Hermann-Josef Gundlach vom Arbeitskreis die Putzarbeit. Wucherndes Grün
wurde gestutzt, Graffiti entfernt, Wege neu gesplittet. Weil ein hölzernes
Geländer im Hanggrundstück abzukippen drohte, wurde es ausgetauscht. 'Das
Geländer musste aus Gründen der Verkehrssicherheit ersetzt werden', erklärt
Feser. 90 Prozent der Kosten übernahm die Trierer Aufsichtsbehörde. 'Es geht
nicht um Blümchendekor, sondern um den Erhalt eines wichtigen Teils der
Binger Kulturgeschichte', unterstreicht Professor Dieter Bingen, Kölner
Politikwissenschaftler und Zeithistoriker. Sein Nachname ist Programm. Er
ordnet ein: 'Bingen hat den größten und wichtigsten jüdischen Friedhof in
der Region.' Ja, sogar in der Reihe der drei Schum-Städte Speyer, Worms und
Mainz sieht er Bingen.
Seit dem Mittelalter lebten kontinuierlich Menschen jüdischen Glaubens in
Bingen. Und zwar viele und häufig an prägender Stelle von Kultur, Wirtschaft
und Gesellschaft. Der Arbeitskreis Jüdisches Bingen erinnert mit seinen
Veranstaltungen regelmäßig an die einst bedeutende jüdische Bürgerschaft.
Nach Recherche des Vereins wohnten im Jahr 1900 insgesamt 713 jüdische
Einwohner in der Rhein-Nahe-Stadt – acht Prozent der Bevölkerung. 1943 war
die Gemeinde ausgelöscht - nach Deportationen, Flucht und
Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Die prächtige Synagoge war
zerstört. Löwenkopf und Tafeln am Friedhofseingang waren einst Teil der
Immobilie an der Rochusstraße. Mit Stolpersteinen, Kontaktpflege zu
Nachfahren und Vorträgen versucht der Verein, Brücken zu bauen und gegen das
Vergessen zu arbeiten. 'Regelmäßig suchen Nachfahren auf dem jüdischen
Friedhof nach ihren Wurzeln', weiß Gundlach. Ein Flyer mit Belegplänen der
insgesamt fast 1000 Grabstellen erleichtert die Spurensuche.
Neu: Eine engagierte Schülergruppe an der Rochus-Realschule plus um
Lehrer Marcel Griesang hat sich der jüdischen Stadtgeschichte angenommen.
Die Schüler haben alle in Bingen verlegten Stolpersteine gereinigt. Sie
bieten Hilfe für die Friedhofspflege an. Dank an alle Engagierten, das ist
Feser beim Vor-Ort-Termin wichtig. Eine Anregung der Jüdischen
Kultusgemeinde Mainz als Eigentümer des Friedhofs nimmt der Stadtchef mit:
Am Eingang des Hisselwegs sollen Tafeln auf die Geschichte des Judentums in
Bingen, ihre Bedeutung und die Besonderheit des Friedhofs aufmerksam machen.
Der Jüdische Friedhof ist zwar abgeschlossen, der Schlüssel kann jedoch
immer (außer am Sabbat und Feiertagen) kostenfrei am Friedhofsamt entliehen
werden. Die Bundesrepublik hat sich auf ewigen Erhalt der jüdischen
Friedhöfe verpflichtet, weil Nachkommen zur Pflege vor Ort fehlen."
Link zum Artikel |
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September
2019:
Schüler der Rochus-Realschule plus säubern Grabsteine im jüdischen Friedhof |
Artikel in der "Allgemeinen
Zeitung"
vom 27. September 2019: "Bingen: Schüler säubern Grabsteine auf
jüdischem Friedhof
BINGEN - (red). 'Es ist nicht selbstverständlich, dass ihr hier die
Grabsteine säubert, umso mehr gebührt euch Dank dafür', sagt
Oberbürgermeister Thomas Feser bei seinem Besuch auf dem jüdischen Friedhof.
Zwölf Schüler der Rochus-Realschule plus beschäftigen sich im Rahmen eines
aktiven Arbeitskreises gemeinsam mit ihrem Lehrer Marcel Griesang mit den
Schicksalen der jüdischen Bevölkerung. Nun haben sie bei einem ersten
Vor-Ort-Termin begonnen, die Grabsteine zu reinigen. Hermann-Josef Gundlach,
Vorsitzender des Arbeitskreises Jüdisches Bingen sowie Marieluise Prass und
Thomas Dahn vom Friedhofsamt unterstützen sie dabei.
'Der jüdische Friedhof in Bingen gehört mit seinen rund 1000 Grabstätten zu
den größten in Rheinland-Pfalz. Ich freue mich sehr und bin dankbar, dass
junge Menschen aus unserer Stadt sich auf diese Art und Weise mit unserer
Geschichte auseinandersetzen', hebt der Oberbürgermeister hervor. "
Link zum Artikel |
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Artikel von Marcel
Griesang in der Website der Rochus-Realschule plus
|
"Schüler
säubern Grabsteine auf jüdischem Friedhof.
Zusammen mit Herrn Gundlach, vom Arbeitskreis jüdisches Bingen und ihrem
Lehrer Herrn Marcel Griesang, haben Schüler der Geschichts-AG Grabsteine auf
dem jüdischen Friedhof der Stadt Bingen gereinigt. Bei ihrer Arbeit wurden
sie von Mitarbeitern der Stadt Bingen unterstützt. Auch die Handschuhe und
übrigen Gerätschaften wurden ihnen zur Verfügung gestellt.
Der Binger Friedhof wurde zum ersten Mal im Jahr 1570 urkundlich erwähnt und
weist eine Gesamtlänge von 265 Metern auf. Hier befinden sich über 1000
Grabsteine. Der älteste heute noch lesbare Stein stammt aus dem Jahr 1602.
Nachdem man den Friedhof im Jahr 1856 weiter nach Westen vergrößert hatte,
wurde in diesem Bereich auch eine Trauerhalle gebaut. Die Spaltung der
jüdischen Gemeinde in eine orthodoxe und eine eher liberale
Glaubensgemeinschaft, führte auch in der Folge zur Anlegung eines eigenen
orthodoxen Friedhofsteils im Süd-Westen. Dieser Bereich wurde sogar durch
eine Mauer vom Rest der Anlage abgetrennt. Interessant dabei ist die
Tatsache, dass die Mauer nach außen nicht durchgängig eine gewisse Höhe
aufweist, sondern an einer Stelle nur etwa einen Meter hoch ist. Dieser
Umstand ist damit zu erklären, dass vor allem orthodoxe Juden einen Friedhof
nicht gerne betreten. Für sie ist es ein 'negativ' belasteter Ort. Um aber
trotzdem bei Begräbnissen und zum Gebet diesen Ort aufzusuchen, wurde eine
Möglichkeit geschaffen, von außerhalb wichtige Rituale in Sichtweite des
Geschehens zu vollziehen.
Die Mauer auf dem Friedhof selbst wurde nach der Annäherung der beiden
Gemeinden im Jahr 1925 wieder beseitigt. Man ging sogar dazu über, unterhalb
des orthodoxen Friedhofsteils gemeinsame Bestattungen durchzuführen. Heute
findet man eine weitere Ebene unter diesem Bereich, der noch heute für
Bestattungen genutzt wird.
Die Schüler waren mit großem Interesse und Eifer bei der Arbeit. Besonderes
Augenmerk zog ein Grab eines im 1. Weltkrieg eingesetzten Soldaten auf sich.
Dieses Grab ziert eine Pickelhaube und der Name des damaligen Truppenteils
des Soldaten. Der hier bestattete ehemalige Soldat, musste offensichtlich
sehr stolz auf seinen Militärdienst in der damaligen kaiserlichen Armee
gewesen sein. Zu dieser Annahme passt, dass sich viele ehemalige jüdische
Soldaten bis zu ihrer Deportation 1942 beharrlich geweigert hatten
Deutschland zu verlassen, da sie im 1. Weltkrieg für ihr Vaterland ihr Leben
riskiert hatten. Jedoch hatten sie sich schon vor der Zeit des
Nationalsozialismus Anfeindungen gefallen lassen müssen, da es schon kurz
nach dem Ende des 1. Weltkriegs Untersuchungen gab, die belegen sollten,
dass jüdische Soldaten sich vor dem Kriegsdienst gedrückt hätten. Natürlich
führten diese Untersuchungen für ihre Initiatoren zu einem unbefriedigten
Ergebnis.
Außerdem sahen die beteiligten Schüler bei ihrer Tätigkeit noch den
Löwenkopf, der sich früher über dem Eingang der Synagoge in der Rochusstraße
befunden hatte. Diesen hatten Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht
1938 abgeschlagen und im Anschluss die Synagoge geschändet. Bis heute liegt
dieses Zeugnis der früheren jüdischen Gemeinde auf dem Friedhof im Bereich
des Eingangs. Im Rahmen der Schulkooperation mit dem Arbeitskreis jüdisches
Bingen werden sich Schüler der Geschichts-AG in regelmäßigen Abständen
zusammen mit Mitarbeitern der Stadt um die Pflege des jüdischen Friedhofs
kümmern und zum Erhalt dieses einmaligen Kulturgut beitragen."
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Fotos von der
Reinigungsaktion
auf dem Friedhof
(Quelle:
Website der Rochus Realschule plus) |
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Links und Literatur
Link:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 82-85; III,1 S. 116-128 (Lit.). |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. 1971 Bd. I, S.
75-79. |
| Martina Strehlen: Der jüdische Friedhof in Bingen
und die Erfassung seiner Inschriften. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 5. Jahrgang, Ausgabe 2/95 S. 48-56. Beitrag
online zugänglich (pdf-Datei). |
| Martina Strehlen/Dan Bondy: Zur Geschichte der jüdischen
Gemeinde in Bingen und ihres Friedhofes. Ein edler Stein sei sein Baldachin. Jüdische
Friedhöfe in Rheinland-Pfalz, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege
Rheinland-Pfalz 1996 S. 109-147. |
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