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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Freudenberg (Main-Tauber-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Bischöfen
von Würzburg, zuletzt auch den Grafen von Löwenstein-Wertheim-Freudenberg gehörenden
Freudenberg bestand eine jüdische Gemeinde im Mittelalter, die bei der
Judenverfolgung 1298 vernichtet wurde. Erst seit 1442 werden
wieder Juden in der Stadt genannt.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das
16./17. Jahrhundert zurück. 1571 beschwerte sich der Freudenberger Pfarrer darüber, dass
ein jüdisches Haus so nahe bei der Kirche stand, dass dessen Bewohner aus ihrer
Wohnung in die Kirche und auf die Kanzel schauen könnten. Auch 1634 werden
Juden genannt; 1655 gab es zwei, 1664 drei jüdische Haushaltungen in der Stadt, 1699 vier.
Bei dieser sehr geringen Zahl jüdischer Familien in der Stadt blieb es auch im
18. Jahrhundert (1748 vier Familien). Ein "Judenschulmeister" (Lehrer,
Vorbeter) wird erstmals 1767 genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgte: 1800 39 jüdische Einwohner (3,0 % von insgesamt 1.282 Einwohnern),
1826 64 (4,0 % von 1.644) jüdische Einwohner, 1833 54, 1838/41 59, 1843 61 (3,5
% von 1.726), 1864 Höchstzahl mit 81 Personen, 1871 73, 1875 68, 1880 77
(4,4 % von 1.757), 1885 62, 1888 77 (in 17 Familien), 1899 43 (von insgesamt
1.664 Einwohnern, in 17 Haushaltungen), 1890 53, 1895 43, 1900 43, 1905 22, 1910 18 (1,3 %
von 1.399).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Von den Lehrern werden genannt: um
1871 Moses Dreifuß, um 1882 Lehrer Weißkopf, um 1888 Lehrer B. Oppenheimer, um
1892 Lehrer Feuerbach, um
1893/1894 Lehrer Elias Gut (er unterrichtete in Freudenberg und
Fechenbach und trat 1894 in den
Staatsdienst siehe Anzeige unten). 1899 waren an der Religionsschule acht
Kinder zu unterrichten. Die
Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Reistenhausen (Gemeinde Collenberg) beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
fungierte (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). 1827 wurde die Gemeinde dem Rabbinatsbezirk
Wertheim zugeteilt.
Von jüdischen Vereinen wird genannt: ein Wohltätigkeitsverein Chewras
Gmilus Chesed (genannt in "Der Israelit" - Blätter vom 10. Januar 1929 S.
4).
Von den Gemeindevorstehern werden u.a. genannt: um 1881 Feist Sohn, um
1893/1895 J. Sommer, L. Sommer und M. Sommer, um 1899 H. Sommer und N. Sommer.
Um 1924, als noch 19 jüdische Einwohner in Freudenberg gezählt wurden,
waren die Gemeindevorsteher Leopold Rothschild und Isak Reis. Den
Religionsunterricht der schulpflichtigen Kinder erteilte Lehrer Abraham Hess aus
Miltenberg. Gleichfalls war er als
Schochet in Freudenberg tätig. 1932 wird als Gemeindevorsteher weiterhin
Leopold Rothschild genannt.
An ehemaligen, bis nach 1933
bestehenden Handelsbetrieben im Besitz jüdischer Familien sind bekannt:
Stoff-, Pferde- und Wagenhändler Emanuel Heilmann (Hauptstraße 165),
Textilverkäufer Benno Levy (Haaggasse 278), Textilverkäufer Josef Sommer
(Hauptstraße 212). Andere ehemalige jüdische Wohnhäuser sind: Hauptstraße
123 und Hauptstraße 206.
1933 lebten noch 15 jüdische Personen in Freudenberg. Die drei
jüdischen Textilgeschäfte konnten bis 1938 weitergeführt werden, wenngleich
sich die Folgen des wirtschaftlichen Boykotts auch in Freudenberg bemerkbar
machten. Dennoch ist bis 1939 niemand aus den jüdischen Familien verzogen oder
ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge demoliert
(siehe unten). 1939 heiratete noch eine jüdische Frau nach Freudenberg. Im
selben Jahr wollten vier jüdische Einwohner über Köln auswandern. Dort wurden
sie jedoch festgehalten; sie sind verschollen. Die letzten acht jüdischen
Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Drei sind zwischen
1933 und 1940 in Freudenberg verstorben.
Von den in Freudenberg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt/korrigiert auf
Grund der Recherchen von Joachim Maier s.Lit.): Theresia Bergmann geb.
Bergmann (1853), Regina Bravmann geb. Heimann (1878), Minna [Mina] Kahn geb.
Sommer (1865), Benno Levy
(1897), Emilie Levy geb. Rothschild (1895), Ilse Levy (1925), Babette Reis geb.
Sommer (1873), Isak Reis (1902), Jeanette Reis (1901), Leopold Reis (1903),
Klara Rothschild geb. Heimann (1871), Rosa Schütz geb. Sommer (1860), Minna
(Mina) Simon geb. Kahn (1862), Abraham Sommer (1867), Ferdinand Sommer (1877), Hedwig
Sommer geb. Hely (1895), Isidor Sommer (1902), Josef Sommer (1861), Ludwig
Sommer (1897), Max Sommer (1894), Nanette Sommer (1891), Nathan Sommer (1872), Regina Sommer (1862),
Getta Steinhardt geb. Sommer (1883), Berta Stern geb. Sommer (1881), Karoline Strauss geb. Heimann (1875).
Hinweis: In den Listen der Opfer kommt es immer wieder zu Verwechslungen
zwischen Freudenberg und Freudenburg.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1851 /
1854 / 1872 / 1877 /
1879 / 1881 / 1884 / 1891 / 1894
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 2. August 1851 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Vakante Schulstellen.
Die mit einem festen Gehalte von 135 fl. und einem jährlichen
Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule besuchende Kind,
offene Religionslehrer- und Vorsängerstele bei der israelitischen Gemeinde
Freudenberg, ist zu besetzen. Berechtigte ledige Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen, unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 4 Wochen, sich bei der Bezirkssynagoge
Wertheim zu Tauberbischofsheim sich
zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- oder
Rabbinatskandidaten, können auch andere inländische befähigte Subjekte
nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen
werden." |
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Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 13. Dezember 1854 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Vakante Schulstellen.
Die mit einem festen Gehalte von 135 fl. und einem jährlichen
Schulgelde von 48 kr. für jedes die Religionsschule besuchende Kind und dem Vorsängerdienste samt den davon abhängigen
Gefällen, verbundene Religionsschulstelle bei der israelitischen Gemeinde
Freudenberg ist zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen, unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 6 Wochen, mittelst
des betreffenden Bezirksrabbinats, bei der Bezirkssynagoge
Tauberbischofsheim sich
zu melden.
Bei dem Abgange von Meldungen von Schul- oder
Rabbinatskandidaten, können auch andere inländische befähigte Subjekte
nach erstandener Prüfung bei dem Bezirksrabbiner zur Bewerbung zugelassen
werden." |
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Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 17. Februar 1872:
"Verwaltungssachen. Auskündigung einer Religionsschulstelle.
Tauberbischofsheim. Die Religionsschul- und Vorsängerstelle bei der
Israelitengemeinde Freudenberg, hiesigen Synagogenbezirks, mit einem
festen Gehalte von 300 fl., nebst gesetzlichem Schulgelde und Akzidenzien,
ist erledigt. Bewerber wollen sich, unter Vorlage ihrer Zeugnisse, binnen
4 Wochen hierher melden.
Tauberbischofsheim, den 13. Februar 1872. Die Bezirks-Synagoge.
Löwenstein." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1877: "In unserer
Gemeinde ist die Stelle eines israelitischen Religionslehrers und Schächters
vakant. Fixer Gehalt 700 Mark nebst freier Wohnung und sonstige Nebeneinkünfte.
Ledige oder verheiratete Lehrer ohne Familie werden bevorzugt.
Reflektierende wollen sich an den unterzeichneten Vorstand wenden.
Freudenberg am Main, 9. April 1877. L. Sommer, Leser Sohn." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Mai 1879: "Die hiesige
Religionslehrerstelle, verbunden mit dem Schächter- und Vorbeterdienst,
ist vakant. Jährlicher fixer Gehalt 500 Mark nebst Nebenverdiensten und
freier Wohnung. Reisevergütung findet nicht statt. Bei einem inländischen
geprüften Lehrer kann der Gehalt erhöht werden. Freudenberg, 18. Mai
1879.
Der Synagogenrat: Leser Sommer, Feist Sohn, Vorsteher. Isaak Lamm,
Moses Sohn." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. August 1881: "Die hiesige
Stelle ist sofort zu besetzen mit einem Religionslehrer, Vorsänger und
Schächter.
Die drei Ämter ertragen jährlich fixo Gehalt 500 nebst Nebenverdienste.
Durch Erteilung des Religionsunterrichts an die Kinder in
Fechenbach kann der Gehalt um 100 M.
erhöht werden.
Russen und Polen werden nicht berücksichtigt.
Freudenberg in Baden. Der Synagogenrat: Leser Sommer. Feist Sohn,
Vorsteher, David Bergmann. " |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1884: Auskündigung
einer Religionsschulstelle! Die israelitische Religionslehrer-, Vorsänger-
und Schächterstelle in Freudenberg mit einem festen Gehalt von 500 Mark,
ca. 200 Mark Nebeneinkommen und freier Wohnung soll alsbald wieder besetzt
werden. Bewerber wollen sich unter Vorlage von Zeugnissen anher
melden.
Merchingen, 20. Juni 1884. Bezirkssynagoge Tauberbischofsheim. Dr. L.
Heilbut." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1891: "Vakanz.
Die mit einem festen Gehalt von 500 M. und den üblichen Nebengefallen
verbundene Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in
Freudenberg nebst Filiale Fechenbach
(das mehr als 200 M. einträgt), soll sofort besetzt werden. Geeignete
Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnisabschriften innerhalb 14 Tagen bei
uns einreichen.
Mosbach (Baden), 16. November 1891. Die Bezirkssynagoge: Dr.
Löwenstein. " |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Mai 1894: "Lehrerstelle.
Durch Eintritt des bisherigen Lehrers in den Staatsdienst ist die
Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle in Freudenberg mit
einem festen Gehalt von 500 M. und den üblichen Nebengefällen (wozu
wahrscheinlich noch die Filiale Fechenbach
kommt), sofort zu besetzen. Bewerber wollen ihre Meldungen nebst Zeugnis
Abschriften alsbald dem Unterzeichneten zugehen lassen.
Mosbach, den 9. Mai 1894. Die Bezirkssynagoge. Dr. Löwenstein."
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Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Seit der Zeit um 1700 wird die zu
Gottesdiensten nötige Zehnzahl von religionsmündigen Männern erreicht worden
sein. 1699 gab es vier jüdische Haushaltungen. 1727 bestand die Freudenberger
Judenschaft aus vier Männern, drei Frauen, fünf Söhnen, einem Schulmeister
und einer Magd. Spätestens damals wird, wie aus der Nennung des "Judenschulmeisters"
geschlossen werden kann, ein Betsaal vorhanden gewesen sein.
Eine
Ende der 1850er-Jahre erbaute Synagoge stand bis 1891 an der Ecke
Maingasse/ Hauptstraße 139. Am 3. Mai dieses Jahres brannte das Gebäude ab. Nur mit Mühe ist es nach dem Bericht der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 14. Mai 1891 gelungen, die Torarollen zu retten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1891: "Aus
Baden. In Freudenberg (Amt Wertheim) ist durch einen Brand auch die
Synagoge eingeäschert worden. Dieselbe war Ende der 50er-Jahre erbaut;
nur mit Mühe gelang es, die Torarollen zu retten." |
Trotz der damals schon sinkenden Zahl von Gemeindegliedern
entschied die jüdische Gemeinde, einen Neubau an derselben Stelle zu errichten.
Am 21. September 1891 reichte sie bei der Freudenberger Ortsbaukommission
den Bauantrag ein und legte Pläne vor, die der Wertheimer Baumeister Heinrich
Wießler angefertigt hatte. Das Baugesuch war unterzeichnet von den damaligen
Synagogenräten Isaak Sommer, Leser Sommer und Feist Sechs. Den Bau errichtete
der aus Gamburg stammende Maurermeister Bernhard Wilz für insgesamt 9.174,60
Mark. Das dreigeschossige Gebäude war ein Mehrzweckbau, der das rituelle Bad,
die Lehrerwohnung, den Betsaal und das Gemeindezimmer enthielt. Im Keller
befanden sich ein Vorzimmer und die Kellerräume des Lehrers. Von hier aus ging
es zur Mikwe hinab. Im Erdgeschoss hatte der Lehrer seine Wohnung. Die oberen
Geschosse wurden von dem hohen Synagogenraum und dem Gemeindezimmer eingenommen.
Die Synagoge verfügte über 29 Sitzplätze im Betsaal der Männer, dazu gab es
Sitzplätze für die Frauen auf der Empore. Mit dem Neubau hat sich die klein
gewordene jüdische Gemeinde vermutlich finanziell übernommen, denn 1906 ging
beim Großherzoglichen Oberrat der Israeliten in Karlsruhe ein Gesuch um ein
Darlehen für die Baukosten ein.
Die neu erbaute Synagoge ist nur wenige Jahre genützt
worden. Durch die weiter zurückgehende Zahl der Gemeindeglieder konnte man
keinen jüdischen Lehrer/Vorsänger mehr anstellen. Der letzte hat Freudenberg
um 1895 verlassen. Bereits um 1908 wird geschrieben, dass die Synagoge nicht
mehr genutzt wird, "da wegen der Auswanderung die zum jüdischen
Gottesdienst erforderliche Zahl von Männern nicht mehr vorhanden ist"
(Mai, Geschichte S. 334).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
demoliert. SA-Leute aus Wertheim und Freudenberg zerschlugen die
Inneneinrichtung und warfen die Trümmer zusammen mit den Torarollen und anderen
Kultgegenständen aus den Fenstern des Betsaales. Gemeindearbeiter mussten alles
auf einen Wagen laden und am nächsten Tag auf den örtlichen Schuttplatz
fahren. Der damalige Gemeindediener Anton Beck schaffte eine Schriftrolle
heimlich beiseite und versteckte sie. Diese Torarolle wurde im April 1979 mit
Zustimmung des Gemeinderates Freudenberg nach Israel übergeben und dient seit
1983 wieder kultischen Zwecken in der Synagoge von Kedumim
(50 km nördlich von Jerusalem). Ein Teil einer anderen Torarolle aus
Freudenberg mit Brandspuren und Wasserflecken war nach der Pogromnacht 1938 von
Hugo Mönch aus dem Main gezogen und aufbewahrt worden. Sie befindet sich heute
als Leihgabe in der ehemaligen Synagoge in (Werbach-)Wenkheim.
1945 wurde das Synagogengebäude von alliiertem Militär
beschlagnahmt und der jüdischen Vermögensverwaltung JRSO übergeben. Diese
verkaufte es im Frühjahr 1952 an die Gemeinde Freudenberg. Wenig später kam es
in Privatbesitz und wurde zu einem bis heute erhaltenen Wohnhaus umgebaut. Eine
Gedenk- oder Hinweistafel ist nicht vorhanden.
2013 ergab sich für die Stadt Freudenberg die Chance, das Gebäude der
ehemaligen Synagoge zu erwerben, da es nicht mehr bewohnt war. Auf Grund der
Finanzlage der Gemeinde konnte es jedoch nach Auskunft des Bürgermeisters nicht
erworben werden.
Link
zur Pressemitteilung im Main-Netz vom 5.11.2013.
Text
zur Geschichte der 1938 geretteten Freudenberger Torarolle:
(aus der Zeitschrift "Spessart" Heft 11/1992 S. 16-17):
...Eng mit dem zentralen Heiligtum der Freudenberger Synagoge, der Torarolle,
war das Leben des Freudenbergers Anton Beck verbunden. Beck hatte kein einfaches
Schicksal. Er war eines von vier Geschwistern, mit elf Jahren Waise geworden,
alle Kinder waren zu fremden Leuten gekommen. Antons Vormund hatte bestimmt,
dass er eine Schusterlehre beginnen sollte. Beck wollte aber nicht Schuster
werden. Er brach die Lehre ab und wandte sich in Freiburg im Breisgau, gestützt
auf den dortigen Kolpingsverein, seinem angestrebten Beruf zu und wurde Maurer.
Auf Wanderschaft kam er bis Berlin und Breslau und kehrte 1927 nach Freudenberg
zurück. 1928 heiratete er und wurde Gemeindediener, Wochenlohn 22,50 Mark.
Als 1938 die Nazis das Innere der Freudenberger Synagoge demoliert hatten, fiel
ihm unter dem "Gerümpel", das aus den Fenstern geworfen und
anschließend auf den Schuttplatz gefahren worden war, eine große, eigenartige
Rolle auf. Sie war mit seltsamen Schriftzeichen bedeckt und auf zwei Rundstäbe
aufgewickelt. Ein Gefühl sagte Beck, es müsse sich um ein "Heiligtum",
wie er sich später ausdrückte, handeln. Was er nun tat, hätte ihm, wäre es
herausgekommen, Kopf und Kragen gekostet. In einem unbemerkten Augenblick nahm
er diese Rolle von dem Abfallhaufen und legte sie in einen bereitgehaltenen
Sack. Den Sack versteckte er zunächst in seiner Scheune. Als er 1940 in den
Krieg musste, wollte er seine Familie nicht gefährden und brachte Sack samt
Rolle heimlich in einen entlegenen Winkel des Rathausspeichers. Als der Krieg zu
Ende war, wurde Beck wieder von der Stadt eingestellt, zunächst als
Gemeindediener, dann als Schulhausmeister.
Ein Israeli wird aufmerksam. Im Oktober 1978 suchte der örtliche Schulleiter im Freudenberger Archiv
Material für einen Aufsatz zur 40. Wiederkehr der
"Reichskristallnacht" und entdeckte die Rolle. Der Aufsatz über den
Fund, dem ein Foto beigegeben war, wurde auch von der israelischen Familie
Kellermann gelesen, die in Kfar Harve nahe bei Hadera (nördlich von Tel Aviv)
lebt und sich zufällig in Wertheim aufhielt. Die Kellermanns knüpften eine
Verbindung nach Freudenberg, und am 1. April 1979 trafen sie sich mit dem
Bürgermeister und Vertretern der Stadt. Der orthodox-strenggläubige Josef
Kellermann erkannte, dass es sich um eine Torarolle handelt und wischte eine
Träne der Freude und der Ehrfurcht aus den Augen. "Es ist eine Fügung
Gottes", sagte er. Den Anwesenden erläuterte er die zentrale Rolle, die
die Tora im jüdischen Gottesdienst und für das private Leben des gläubigen
Juden spielt...
Geschrieben mit dem Federkiel. Das Freudenberger Exemplar ist aus reinem Pergament, ganz von Hand mit
Federkiel geschrieben, die Blätter sind mit Tiersehnen zusammengenäht
beziehungsweise an manchen Stellen mit Tierleim geklebt, denn an einer Torarolle
darf nichts aus Eisen sein. Der Israeli Kellermann befand: "Diese Tora ist
noch koscher", was bedeutet, dass sie zum gottesdienstlichen Gebrauch
geeignet ist. Der Schreibwert betrug damals rund 20 000 Mark, der ideelle Wert
ist unschätzbar. Die Rolle war vermutlich nach dem Brand der Synagoge 1891
entstanden, wahrscheinlich wurde sie anlässlich des Baus der neuen Synagoge
beschafft. Aus der Umschrift der Rollengriffe lassen sich die Namen der Stifter
Jehuda, Sohn des Elia haLevi, Elisa, Sohn des Isaak, Mordechai (Markus) und
Nathan sowie der Monatsname September entziffern. Die Jahreszahl ist
unleserlich.
Josef Kellermann schlug dem Bürgermeister und der Stadt vor, die Rolle nicht in
einem Archiv zu begraben, sondern sie nach Israel zu einer jüdischen Gemeinde
zu geben, damit sie in Gottesdiensten wieder ihr Leben entfalten kann.
Bürgermeister und Stadtrat stimmten zu. Josef Kellermann trug die
Restaurierungskosten in Höhe von rund 3 000 Dollar.
"Gesegnet seien die Gäste". In der neuen Gemeinde Kedumim in Israel, etwa 50 Kilometer nördlich von
Jerusalem, wurde die Torarolle am 18. Oktober 1983 in einer feierlichen
Zeremonie "in den heiligen Schrank des Gebetshauses hineingelegt", wie
eine israelische Tageszeitung schrieb. Anton Beck und sein Schwiegersohn Josef
Keck waren als Ehrengäste zugegeben. Sie waren auf Einladung, aber auf eigene
Kosten, nach Israel gereist. Auf einem Transparent über der Einfahrtstraße
nach Kedumim stand: "Gesegnet seien die Gäste zur Feier der Einweihung der
Torarolle". Beck und Keck hielten sich acht Tage lang als Gäste bei den
Kellermanns auf.
Die Torarolle hatte einen neuen Mantel bekommen, auf dem unter den mosaischen
Gesetzestafeln eingestickt ist: "Diese Torarolle wurde gerettet aus der von
den Nazis zerstörten Synagoge der Stadt Freudenberg durch einen tapferen Mann,
einen der Gerechten der Völker der Erde, und ins Land Israel gebracht durch
Familie Kellermann aus Kfar Harve im Jahre 5741 (1980)".
Die Zeitung berichtete weiter: "Diese große Feier begann mit einer Prozession
von Schülern der Gebetsschule von Shomron, in deren Verlauf man die Tora unter
einen Baldachin legte. Der Zug wurde angeführt von dem Leiter der Gebetsschule
'Söhne Akiwas', Rabbi Mosche Zwi Nerija, und der Familie Kellermann. Ehrengast
war der Deutsche Anton Beck aus Freudenberg, der die Tora gerettet hatte."
Eine ausführliche Schilderung der Rettung der Torarolle schloss sich an.
In einer anderen Zeitung hieß es: "In der Siedlung Kedumim in Shomron wird
eine dramatische Geschichte der Rettung dieses Buches zum Abschluss
gebracht". Fröhlichkeit und Andacht. Gerührt berichtete der damals 76jährige Beck nach seiner Rückkehr:
"Die feierliche Zeremonie dauerte über drei Stunden. Auch das israelische
Fernsehen war dabei und immer wieder musste ich mich zusammen mit Josef
Kellermann den Fotografen stellen. Alle israelischen Zeitungen berichteten,
jeweils mit Bild, wobei ich, die Torarolle im Arm haltend, im Mittelpunkt stand.
Schade, dass ich kein Wort verstanden habe, aber ich war immer mittendrin. Ich
spürte und sah, wie begeistert, fröhlich und dann auch wieder andächtig und
ergriffen die Menschen waren." Ein Volksfest schloss sich dem offiziellen
Teil an. "Man führte mich an der Hand zur Mitte des Festplatzes, stellte
mich auf ein Podest, und dann sang die ganze Gemeinde und die vielen hundert
Gäste, und sie tanzten im Reigen um mich herum, und immer wieder küsste man
mich. Viele Menschen weinten vor Freude, und auch bei mir blieb kein Auge
trocken."
Zur Erinnerung hatten Ortsrat und Einwohner von Kedumim und die Familie
Kellermann ein Album mit Fotos zusammengestellt und "Herrn Anton Beck aus
Freudenberg a/M, dem tapferen Retter der Torarolle", gewidmet.
Anton Beck starb am 3. März 1986 im Alter von 79 Jahren.
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Fotos / Plan
Historischer Plan:
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Bauplan der Freudenberger
Synagoge von 1891
(GLA KA 380/47/185, in: Spessart s. Lit. S. 17).
Ein auf dem Plan zu sehender dekorativer Eckaufsatz
ist nicht mehr
vorhanden. |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
September 2014:
Das Gedenkbuch
von Joachim Maier für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
aus Freudenberg ist erschienen |
Artikel in den "Fränkischen
Nachrichten" vom 26. September 2014: "
Neuerscheinung: Werk von Professor Dr. Joachim Maier. Gedenkbuch für jüdische Opfer aus Freudenberg
Freudenberg. "Die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus Freudenberg am Main. Ein Gedenkbuch": Unter diesem Titel hat Professor Dr. Joachim Meier aus seien umfangreichen Archivstudien ein Buch verfasst. Das Gedenkbuch wird am Donnerstag, 16. Oktober um 19 Uhr in der Alten Kirche in Freudenberg vorgestellt.
Die Stadt Freudenberg hat im Jahr 2007 an der Stadtmauer bei der Zollgasse eine Gedenktafel mit Namen der aus Freudenberg gebürtigen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft angebracht. Diese Gedenktafel hat Professor Maier veranlasst, die Schicksale der Opfer in einer Gesamtdarstellung zu würdigen. Aus umfangreichen Archivstudien ist das Gedenkbuch "Die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus Freudenberg am Main" hervorgegangen.
Das Gedenkbuch stellt die Einzelschicksale der aus der Stadt Freudenberg am Main gebürtigen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft dar. Den Hauptanteil bilden die Schicksale von mehr als 30 jüdischen Freudenbergern, darunter mehrere minderjährige Kinder. Manche Juden hatten den Ort schon lange vor 1933 verlassen. Sie lebten in großen Städten und waren zumeist erfolgreiche Geschäftsleute. Die ausweglose Flucht einer Familie aus Freudenberg im September 1939 führte nicht wie angestrebt nach Südamerika, sondern nach Berlin und von dort in die Vernichtungslager des Ostens. 1940 wurden die letzten sechs jüdischen Mitbürger aus Freudenberg in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich verschleppt.
Aus einer zeitweilig in Freudenberg lebenden Sinti-Familie wurden der Vater und zwei Söhne ermordet. Vier Freudenbergen wurden zu Opfern der "Euthanasie-Aktion".
Nach der Buchvorstellung findet ein Empfang im Rathaussaal statt.
Das 320-seitige Buch, herausgegeben von der Stadt Freudenberg, kann bei Tourismus und Kultur, Freudenberg, Telefon 09375/920090, E-Mail:
touristinfo@freudenberg-main.de
oder im Buchhandel bezogen werden."
Link
zum Artikel |
|
Links:
Artikel von Dieter Fauth in den "Fränkischen Nachrichten" vom
18. Oktober 2014: "Buchpräsentation: Dem Autor Professor Joachim
Maier ein vertieftes Interesse an den Lebensgeschichten der Freudenberger
Ermordeten bescheinigt. Eine Verbindung von Wissenschaft und Gedenken...."
Zum Lesen des Artikels bitte die Textabbildung anklicken.
Link zum Artikel
in den "Fränkischen Nachrichten" |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 95-96. |
| Germania Judaica III,1 S. 405. |
| Eugen Mai: Geschichte der Stadt Freudenberg am Main.
Freudenberg 1908. Nachdruck 1985 (Abschnitt "Die Juden" ab S. 333). |
| Helmuth Lauf: Das Schicksal jüdischer Gemeinden im
Main-Spessart-Tauber-Gebiet. Die Kette von Verfolgung und Mord begann 1298
und endete 1945. Beispiele aus Stadt Freudenberg. Sowie andere Beiträge in:
Zeitschrift "Spessart" Heft 11/1992 S. 1-23. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 431-432. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
|
| Joachim
Maier: Die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus
Freudenberg am Main. Ein Gedenkbuch. Herausgegeben von der Stadt Freudenberg am
Main 2014. 320 Seiten mit 278, zum Teil farbigen Abbildungen. Fester Einband.
ISBN 978-3-89735-844-7. EUR 29,80.
Link zum Verlag Regionalkultur (mit Möglichkeit zum "Blick ins
Buch"). Informationen
zum Buch in einer pdf-Datei.
Dazu auch: Heinz Linduschka: "Den Opfern die Ehre, den Tätern
die Stirn". In der Zeitschrift: Spessart Heft 3/2015 S.
3-15. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Freudenberg Baden.
The first Jewish community was destroyed in the Rindfleisch massacres of 1298. A
new settlement was founded in 1442. Under local pressure, a series of
disabilities was imposed on the Jews in the late 17th century. The Jewish
population reached 81 (around 4 % of the local) in 1865. At the end of the
century over half the Jews were cattle traders or shopkeepers. By 1933, 15
remained. After Kristallnacht (9-10 November 1938), when the synagogue
was vandalized, the three Jewish textile establishments in Freudenberg were
transferred to "Aryans". One family of four left for Berlin and
perished in the east in 1942; two children reached France and subsequently the
United States; the last six Jews in Freudenberg were deported to the Gurs
concentration camp on 22 October 1940.
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