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Langen (Hessen)
(Kreis
Offenbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english
version)
In
Langen bestand
eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17.
Jahrhunderts zurück. 1678 wird ein Mose von Langen genannt. Im Jahr 1700
werden in den Rechnungsbüchern der Stadt die Schutzjuden Wolf, Moses und Süßmann
genannt. 1710 waren es vier Familien. Nach Angaben von 1734 hatten die jüdischen
Familien am Ort in diesem Jahr zusammen acht Kinder. 1808 nahmen die jüdischen
Familiennamen feste Familiennamen an. Alteingesessene Familien waren Bendheim,
Eppstein, Kahn, Markus, Neu, Schloß, Simon, Strauß und Wolf.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie
folgt: 1828 31 jüdische Einwohner, 1840 50, 1861 60 (2,0 % von insgesamt
3.978 Einwohnern), 1871 77 (2,1 % von 3.636), 1880 60 (1,8 % von 4.475),
1900 91 (1,6 % von 5.632), 1905 91 (damals waren auch die in Dreieichenhain
lebenden 25 jüdischen Personen der Gemeinde in Langen angeschlossen), 1910
102 (1,4 % von 7,134). Die jüdischen Haushaltsvorstände in Langen
waren zum größten Teil angesehene Geschäftsleute. Unter ihnen waren bis um
1930 Fabrikanten (Seifenfabrik Max Markus Wolf, später Samy und Friedrich
Wolf), ein Arzt (Sanitätsrat Dr. Ferdinand Fürst), Rechtsanwalt Emanuel
Rothschild, jüdische Viehhändler, Metzger, ein Altwarenhändler, ein
Schuhmachermeister, Kaufleute (Textilien, Schuhwaren, Holzhandel und
Versicherungen). In jüdischen Kreisen in ganz Deutschland bekannt waren
die Produkte der Seifenfabrik Wolf aus Langen (vgl. Anzeige unten).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad sowie seit 1876 ein eigener Friedhof. Zuvor waren
die Toten der jüdischen Gemeinde in Groß-Gerau beigesetzt worden. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Die Stelle war
immer wieder neu zu besetzen (vgl. Ausschreibungstexte unten).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen
Gemeinde Gustav Bendheim (geb. 4.4.1889 in Langen, gef. 1.11.1914) und Felix
Strauß (geb. 22.1.1884 in Langen, gef. 25.8.1914). Ihre Namen stehen auf einem
Ehrenmal am Eingang zum jüdischen
Friedhof.
1919 waren die Vorsteher der Gemeinde Max Markus Wolf (Fabrikant), Gustav
Strauß (Handelsmann), Anton Schiff (Schuhmacher), Isaak Markus (Handelsmann),
Markus Kahn (Kaufmann), Um 1924, als noch 80 jüdische Einwohner gezählt wurden (0,8 % von
insgesamt etwa 9.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Max
Wolf, Jonas Schloß und Isaak Markus. Als ehrenamtlicher Lehrer war
damals Jonas Schloß tätig. Sechs schulpflichtige jüdische Kinder erhielten im
Schuljahr 1924/25 jüdischen Religionsunterricht (ebenso viele im Schuljahr
1931/32). An jüdischen Vereinen war ein Pietätsverein (Chewra
Kadischa) vorhanden (1924 30 Mitglieder unter Leitung von Gustav Strauß). Um
1932 waren gleichfalls 80 jüdische Personen in der Stadt gemeldet. Die Vorsteher
waren Jonas Schloß (1. Vors.), Isaak Markus (2. Vors.) und Julius Rossmann (3. Vors.).
Kantor und Lehrer war J. Markus.
1933 lebten noch 24 jüdische Familien mit 76 jüdische Personen in Langen. In
den folgenden Jahren sind die meisten der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Insgesamt 58 Personen
verzogen nach Frankfurt. Sechs Personen emigrierten nach Palästina, drei in die
USA. Mehrere emigrierten von Frankfurt aus nach Amerika, England oder in andere
Länger. Bis
1936 waren auf Grund der letzten Vorsteherwahlen 1933 die Gemeindevorsteher Jonas Schloß, Julius Rossmann und Moritz Kahn.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.) sowie die jüdischen
Wohnungen und Geschäfte verwüstet. Jüdische Bewohner wurden im Rathaus der
Stadt (heute Altes Rathaus, Wilhelm-Leuschner-Platz 3 mit einer Gedenktafel an
der Außenfassade seit Mai 1990) eingesperrt und schwer misshandelt. 1939 lebten nur noch zwei jüdische Personen in Langen. Den
Krieg überlebte in Langen nur eine, in sogenannter "Mischehe" lebende
jüdische Frau.
Von den in Langen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Mathilde Baer geb. Kahn (1885),
Rosa Bacharach geb. Strauß (1886), Arthur Bendheim
(1892), Lina Bendheim (1882), Salomon Bendheim (1887), Hannelore Berg (1831), Martha Berg geb. Markus
(1894), Paul Berg (1892), Selma Blum geb. Strauss (1882), Klara Emrich (1877),
Bernhard Eppstein (1895), Johanna Eppstein (1904), Rosa Eppstein geb. Kahn (1870),
Dora Heyum geb. Schloss (1893), Bernhard Kahn (1884), Bertha Kahn (1891), Franziska Kahn geb. Wolf (1862), Manfred Kahn
(1924), Paula Elisabeth Landau geb. Bentheimer (1898), Richard Landau (1897),
Rosa Lazarus (1905), Arthur Neu (1882), Alfred Pappenheimer (1928), Thekla Rossmann
geb. Strauss (1890), Emil Samuel
(1886), Johanna Martha Schiff (1908), Selma Schiff geb. Lazarus (1874), Frieda
Schloss geb. Strauss (1866, vgl. Foto des Grabsteines in Frankfurt unten); Jenny
Schloss geb. Schloss (1892), Meta Schloss (1904), Julie Schwarzschild geb.
Strauss (1890), Arthur Simon (1889), Guido Simon (1895), Jenny Stern geb. Sichel
(1876), Mina Straub (1867), Edith Strauss (1925),
Jakob Strauss (1866), Ludwig Strauss (1885), Meta Jenny Strauss (1924), Rieka
Strauss geb. Lazarus (1873), Hannchen Wertheimer geb. Junker (1863), Karl Wolf
(1863).
Hinweis: Informationen
zu den Umgekommenen und weitere Biographien auf der Website von
"Stolpersteine für Langen - Initiative gegen das Vergessen"
Anmerkung: 2007 bis 2014 fanden sechs Verlegungen (letzte Verlegung am 15.
August 2014) von insgesamt 87 "Stolpersteinen" in Langen statt. Sie
wurden verlegt für 81 jüdische Opfer der NS-Zeit, aber auch für Opfer der
"Euthanasie"-Aktionen und weitere von Nationalsozialisten ermordete Personen.
Vor dem Alten Rathaus wurde im August 2014 eine "Stolperschwelle" für
24 Frauen und 18 Männer verlegt, die zwischen 1934 und 1938 von den
Nationalsozialisten zwangssterilisiert worden waren.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1887 / 1889 /
1903 / 1912 / 1919 / 1921 / 1924
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni 1887:
"Die israelitische Religionsgemeinde Langen (Hessen) sucht zur
Bekleidung der Religionslehrer- und Vorbeterstelle, verbunden mit dem
Schächteramt, einen seminaristisch gebildeten, jungen Mann. Gehalt Mark
600, bei erheblichen Nebenverdiensten. Geeignete Bewerber wollen sich,
unter Einsendung von Zeugnissen, an den Unterzeichneten wenden.
Langen
(Hessen), im Juni 1887.
Für den Vorstand der israelitischen
Religions-Gemeinde. M. Strauß". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1889: "In
der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde ist die Stelle eines
Religionslehrers, Vorbeters und Schächters zu besetzen.
Das Gehalt beträgt 600 Mark bei bedeutendem Nebeneinkommen.
Reflektanten wollen sich unter Einsendung ihrer Zeugnisse an den
unterzeichneten Vorstand wenden.
Langen, (Hessen) im Juni 1889. Für den Vorstand der Israelitischen
Religions-Gemeinde: M. Strauß". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1903:
"Die hiesige Gemeinde beabsichtigt, per 1. April 1903 einen Beamten
zu engagieren.
Derselbe hat die Funktionen eines Lehrers, Kantors und Schochets zu
versehen. Das Einkommen beträgt pro Jahr 800 Mark fixem, nebst ca. 400
Mark Nebeneinkommen. Seminaristisch Gebildete und solche, die einen Chor
leiten können, erhalten den Vorzug.
Langen bei Frankfurt am Main.
Für den Vorstand der israelitischen Gemeinde: J. Schloss." |
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Anzeige
im Frankfurter Israelitischen Familienblatt vom 15. März 1912: "Die
hiesige Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle ist am 1. Mai zu
besetzen. Gehalt Mark 850 nebst ca. 400 bis 500 Mark Nebeneinkommen.
Geeignete Bewerber wollen sich baldigst mit Zeugnissen an Unterzeichneten
wenden.
Herz Strauss, Vorsteher. Langen, bei Frankfurt am Main." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 29. Juli 1919:
"Die hiesige Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle
ist sofort zu besetzen. Gehalt Mark 850.- nebst ca. 400-500 Mark
Nebeneinkommen. Geeignete Bewerber wollen sich baldigst mit Zeugnissen an
den Unterzeichneten wenden.
Herz Strauss, Vorsteher. Langen bei Frankfurt am Main." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Dezember 1921:
"In unserer Gemeinde wird die Stelle eines Religionslehrers, Kantors
und Schächters per Januar 1922 frei und suchen wir einen ledigen
seminaristisch gebildeten Beamten.
Der Vorstand der Religionsgemeinde Langen (Bezirk Darmstadt)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1924:
"Die hiesige Gemeinde beabsichtigt einen tüchtigen Vorbeter und
geprüften Lehrer anzustellen mit einem eventuellen sofortigen Eintritt.
Es wird hauptsächlich auf einen verheirateten Kandidaten reflektiert.
Geboten wird ein auskömmliches zeitgemäßes Gehalt. Die Stellung würde
aber auch für einen ledigen jungen Mann in Frage kommen, der solche im
Nebenberufe, indem er sich in den benachbarten Städten zum Studium
aufhält, ausfüllen könnte. Langen (Bezirk Darmstadt). Der Vorstand: Max
Wolf". |
Lehrer Waldek übernimmt den Religionsunterricht in Egelsbach (Juli 1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Juli 1905:
"Egelsbach. Seit dem Weggange der Herrn Friedmann ist die Stelle
eines israelitischen Religionslehrers noch nicht wieder besetzt. Dieselbe
wird durch Herrn Eschwege aus Frankfurt, der den Gottesdienst abhält,
verwaltet, während der Religionsunterricht durch Herrn Lehrer Waldek aus
Langen abgehalten wird. - Das Verhältnis wird - wie es scheint - auch in
der nächsten Zeit keine Änderung erfahren, sind die beteiligten Kreise
bis jetzt doch ganz zufrieden damit." |
Lehrer Anhalter übernimmt den Religionsunterricht in Egelsbach (Dezember
1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Dezember
1905: "Egelsbach. Durch
den Weggang des Herrn Lehrer Uhlfelder ist die hiesige Vorbeterstelle
Herrn Eschwege aus Frankfurt, welcher dieselbe schon einmal versehen hat,
und die Religionslehrerstelle Herrn Lehrer Anhalter - Langen
übertragen worden." |
Max Fuchs wird die Lehrerstelle an der
Simultanschule in Langen übertragen (1921)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juli 1921: "Langen
(Hessen), 4. Juli (1921). Herr Max Fuchs, Sohn des Lehrers Fuchs, Oberaltertheim
bei Würzburg, der sich an der Universität Frankfurt den Titel Dipl.
Handelslehrer erworben hat, wurde an der Simultanschule der Stadt Langen
eine Lehrerstelle durch das Hessische Landesamt für das Bildungswesen entgültig
übertragen." |
Lehrer Max Fuchs wird nach Wiesbaden berufen (1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1922:
"Langen, 4. April (1922). Herr Max Fuchs, Lehrer an der
Simultanschule zu Langen, wurde an die öffentliche höhere Handelsschule
der Stadt Wiesbaden berufen. Er wurde vorerst auf ein Jahr vom Hessischen
Landesamt für das Bildungswesen beurlaubt." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
70. Geburtstag von Isaak Markus (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Oktober 1934:
"Langen in Hessen, 10. Januar (1934). Herr Isaak Markus
in Langen begeht am 29. Januar seinen 70. Geburtstag. Herr Markus war
lange Jahre zweiter Vorsteher der Gemeinde und amtierte auch als
Ehrenvorbeter an den hohen Feiertagen. Wir wünschen ihm weiteres
tatfrohes Leben bis 120 Jahre." |
Anzeigen jüdischer
Gewerbebetriebe
Anzeige der Seifenfabrik von Max Wolf in Langen (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juli 1890: "Koscher
- flüssige Seite. Toilettenseife. Die Koscher-Seifenfabrik
in Langen (Hessen) empfiehlt ihre unter einem von Seiner Ehrwürden Herrn
Rabbiner Dr. Marx in Darmstadt bestellten Schomer hergestellte Koscher-Seife,
als Ia. Kernseife, Harzkernseife, Haushaltungs-, Putz- und
Schmierseife.
Zu haben in jeder jüdischen Kolonialwarenhandlung Deutschlands und der
Schweiz. Hochachtend Max Wolf". |
Anzeige des Manufaktur-, Kurzwaren- und
Herrenkonfektionsgeschäftes Leopold Bauer Nachf.
(1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1902:
"Für mein Manufaktur-, Kurzwaren- und Herrenkonfektionsgeschäft
suche per sofort einen Lehrling mit guter Schulbildung. Freie
Station im Haus.
Leopold Bauer Nachfolger. Langen bei Frankfurt am
Main." |
Zur Geschichte der Synagoge
In der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts wurden die Gottesdienst in einem gemieteten Betsaal
abgehalten. 1852 erwarb die jüdische Gemeinde ein Gebäude in der
Borngasse 10 (unweit des damaligen Ludwigsplatzes, heute
Wilhelm-Leuschner-Platz), in dem ein Betsaal eingerichtet wurde. Um 1880
wurde dieses Gebäude ausgebaut, da die Räume für die gewachsene Zahl der
Gemeindeglieder zu klein waren. 1901 konnte die jüdische Gemeinde einen
Bauplatz in der Dieburger Straße 25 erwerben und auf diesem 1901/02 eine
Synagoge erbauen.
Über die Einweihung der Synagoge durch Rabbiner Dr. Lehmann Marx aus
Darmstadt im September 1902 liegt folgender Bericht vor:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September 1902:
"Langen, 10. September (1902) (Synagogen-Einweihung). Hierselbst fand
dieser Tage die feierliche Einweihung der neuen Synagoge statt, mit deren
Bau man vor Jahresfrist begonnen hatte. Das Gebäude steht an der Dieburgerstraße
(nicht: Dillenburger Straße), am Südostausgange des Städtchens, es ist in roten
Backsteinen errichtet und macht auf den Beschauer einen guten Eindruck.
Die Kosten zu dem Bau inklusive des Bauplatzes beliefen sich auf ca.
20.000 Mark, eine Summe, die die Gemeinde aus eigenen Mitteln aufbrachte.
Architekt war Herr Friedrich Munz - Langen. Eine israelitische Gemeinde
bestand in Langen schon vor dem Jahre 1853. Dem Gottesdienste der
Israeliten diente bisher ein unscheinbares Gebäude, unweit des
Ludwigsplatzes. Hier versammelten sich um die zweite Nachmittagsstunde die
Teilnehmer an der Einweihungsfeierlichkeit. Im alten Gotteshaus fand ein
Abschiedsgottesdienst statt. Nach dem Gebet und einem Chorgesang wurden
die Torarollen ausgehoben und an die Träger übergeben. Sodann schritt
man in gemeinsamem Festzuge nach der neuen Synagoge. Voran das verstärkte
Musikkorps der Feuerwehrkapelle, ihm folge der Synagogenchor mit dem
Dirigenten, Herrn Eisenberger an der Spitze. Hieran schlossen sich eine
Anzahl in Weiß gekleidete Ehrendamen, mit der Trägerin des Schlüssels
der neuen Synagoge in der Mitte. Hinter ihnen schritten Rabbiner Dr.
Marx-Darmstadt, der in vollem Ornate war, und Kantor Heilmann. Unter den
Staats- und städtischen Behörden bemerkte man den Kreisrat von
Offenbach, Herrn von Hombergk, und den Bürgermeister von Langen, Herrn
Metzger. Die schon genannten Baumeister und Bauleute bildeten im Zuge die
Fortsetzung. Der Vorstand der israelitischen Gemeinde, die Herren Schloß,
Metzger, Herz-Strauß, Simon und Wolff, schritt vor den sich beteiligenden
Vereinen her, welche sich wie folgt anschlossen: Bürgerverein,
Schützenverein, Kirchengesangverein, Verschönerungsverein, Gesangverein
'Eintracht', Gesangverein 'Frohsinn'. Gesangverein 'Liederkranz',
Militärverein, Veteranenverein, Turngemeinde, Turngesellschaft,
Turnverein, Turnverein 'Vorwärts', Radfahrerverein, Lehrerkollegien der
Volks- und Bürgerschule, katholischer und evangelischer Kirchenvorstand,
Gemeindemitglieder und Gäste beschlossen den Zug, der, vor der neuen
Synagoge angelangt, zunächst Halt machte. Fräulein Rosa Wolff
überreichte dem Rabbiner den Schlüssel mit einer Ansprache in poetischer
Form. Herr Dr. Marx öffnete nun die Eingangspforte, indem er auf
hebräisch die Worte sprach: 'Öffne sich nun die Pforte, auf dass ein
Volk einziehe, das die Treue bewahrt. Wie Gott uns im alten Hause
geschützt hat, so möge er uns von nun an bis in Ewigkeit schützen.' Der
Festgottesdienst wurde durch mehrere Gesänge des Kantors mit dem Chor
eingeleitet. Die Festpredigt, verknüpft mit einem Gebet für den
Landesfürsten, hielt nunmehr Herr Dr. Marx. Er sprach den
Beitragszeichnern, Bauleuten und der Stadtgemeinde Langen in erster Reihe
den Dank für ihr Entgegenkommen und für ihre Verdienste um die
Errichtung des Gotteshauses aus. Im weiteren segnete er das Gebäude ein
und wie auf dessen Bedeutung, Bestimmung und Zweck hin. War der Umzug der
Torarollen schon vor der Predigt geschehen, so stellte man jetzt die
Rollen in die heilige Lade, die am Ende der Feierlichkeit geschlossen
wurde.
Die Synagoge ist im Innern weiß gemalt, die Decke mit goldenen Sternen
verziert, sie besitzt eine Galerie, zu der ein besonderer Aufgang führt.
Ein prachtvolles Gärtchen umringt das ganze Gebäude und trägt zu dessen
Verschönerung viel bei". |
Die Synagoge hatte 80 Männer- und 36
Frauenplätze.
1927 waren es 25 Jahre, seitdem die
Synagoge eingeweiht wurde. Aus diesem Anlass ließ die jüdische Gemeinde den
Bau renovieren. Dabei wurden bauliche Veränderungen im Innenraum vorgenommen,
zumal die Gemeinde die Loslösung vom orthodoxen Rabbinatsbezirk in Darmstadt
und den Übertritt zum liberalen Verband beschlossen hatte. Auch eine Ausmalung
der Synagoge wurde in Auftrag gegeben. Der Trierer Maler Max Lazarus (1892-1962)
erhielt diesen Auftrag. Er hatte zuvor bereits die Synagogen u.a. in Merzig
und Neumagen ausgemalt. In Langen hat
Lazarus in expressionistischer Großflächigkeit die Längswände des Ostteils
mit dem siebenarmigen Leuchter, der auf einem Unterbau steht und von
halbkreisförmigen Wolkenbändern hinterfangen wird, bemalt. Die Ostwand über
dem Toraschrein wurde mit dem gestirnten Himmel, einem umspannenden Regenbogen-
beziehungsweise einer Wolkenband unter Einbeziehung des östlichen Rundfensters
als gleichsam aufgehende Sonne geschmückt, deren Straßen in einem
Halbkreisbogen die Zwickel füllen. Die Flachdecke über dem Ostteil der
Synagoge zierte ein Davidsstern auf dunklem Grund (Beschreibung nach Harold
Hammer-Schenk s.Lit.). Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Synagoge wurde
auch eine Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus der
Gemeinde anberacht.
Einweihung einer Gedenktafel für die Gefallenen
anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Synagoge (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. November 1927: "Langen (Hessen). Am
Samstag, den 22. Oktober, fand gelegentlich des 25-järhiegn Bestehens der
Synagoge die Einweihung einer Gedenktafel für die aus dem Weltkriege
nicht heimgekehrten Söhne der Gemeinde statt. Den Höhepunkt des Tages
bildete die an den sabbatlichen Morgengottesdienst sich anschließende
religiöse Feier in der renovierten und festlich geschmückten Synagoge. Rabbiner
Dr. Italiener aus Darmstadt hielt die Weiherede. Im Namen des
evangelischen Kirchenvorstandes überbrachte der erste Pfarrer Weber, im
Namen der politischen Gemeinde Bürgermeister Zimmer die Glückwünsche.
Das sehr herzlich gehaltene Glückwunschschreiben des katholischen
Geistlichen sowie des Landesverbandes der Israelitischen
Religionsgemeinden Hessens wurden zur Vorlesung gebracht. Umrahmt wurde
die Feier von Gesängen des Kantors E. Hauser
(Darmstadt)." |
Bereits im Sommer 1935 kam es zu Anschlägen auf die Synagoge in
Langen. In einer Mitteilung der Stadt vom 14. August 1935 an das Kreisamt
Offenbach heißt es: "In der Nacht von Freitag auf Samstag in der
vergangenen Woche wurden an der Synagoge mit Farbe Totenköpfe und dergleichen
angebracht und das Schloß der Eingangstür vollkommen verkeilt. Die Juden
mussten deshalb bis jetzt aus der Synagoge bleiben. Die Öffnung der Tür ist
bis jetzt noch nicht erfolgt, da sich die Langener Geschäftsleute weigern, eine
Reparatur an derselben vorzunehmen. Der Jude Schloß hat heute bei dem
Unterzeichneten um Hilfe nachgesucht, die jedoch aus weltanschaulichen Gründen abgelehnt
werden musste. Wir geben dem Kreisamt hiervon Kenntnis. - gez. (Barth)."
Am 22. November 1935 schrieb - von Frankfurt aus - ein Holländer an den
Bürgermeister in Langen: "... Ich bin bei einer Rundfahrt durch
Deutschland auch durch Ihr Dorf gekommen. Ich habe entrüstet gesehen, dass die
Kirche der Israeliten von Bubenhänden mit der Einschrift - Tod den Semiten -
verschmiert worden ist. Ich habe Mitleid mit der Obrigkeit für ihre Feigheit,
dass die Einschrift nicht abgewischt wird, was wir in meinem Vaterland nicht
denken können, dass ein Gotteshaus besudelt wird und die Obrigkeit straft nicht
dafür. Ich habe von der Kirche mit der Einschrift einen Film genommen für die
Zeitung in meinem Lande zu veröffentlichen."
Auf Grund dieser Zuschrift beauftragte der Bürgermeister mit Brief vom 23.
November 1935 die Israelitische Religionsgemeinde, mit Frist bis Montag, 23.
November 1935, abends 7 Uhr, die Inschrift an der Synagoge zu entfernen,
andernfalls würde Strafanzeige erfolgen."
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA- und SS-Trupps am
Vormittag des 10. November 1938 geschändet
und durch Brandstiftung zerstört.
1946 wurde am Platz der ehemaligen Synagoge ein Erinnerungsmal aus
Steinen der zerstörten Synagoge erstellt. Auf einem Denkmal ist die Kuppel der
früheren Synagoge mit dem Davidstern abgebildet. Es war eine der ersten
Gedenkstätten für die Opfer des Holocaust in Hessen. Die Inschrift
lautet: "In Langen lebten seit dem 17. Jahrhundert jüdische Einwohner. Im
Jahre 1933 zählte die jüdische Gemeinde 77 Mitglieder. Während der
Nazigewaltherrschaft von 1933 bis 1945 wurden diese Menschen gedemütigt,
entrechtet, vertrieben, misshandelt und ermordet. Ihr Schicksal wird nicht
vergessen. Aus den Trümmern der an dieser Stelle von den Nazischergen
zerstörten Synagoge wurde im Jahre 1946 dieses Mahnmal errichtet. Heilig ist
uns die Erinnerung an die Opfer ohne Zahl."
Adresse/Standort der Synagoge: Dieburger
Straße 25
Fotos
(Quellen: Fotozeilen eins bis drei mit Darstellungen/Rekonstruktionen der Innenansicht:
Stadt Langen; vierte Reihe aus: Harold
Hammer-Schenk Bd. II Abb. 480-481; fünfte Fotozeile links: Paul Arnsberg
Bilder S. 132; Farbige Aufnahmen zur Gedenkstätte und
zur Mikwe: www.zum.de (direkter
Link Foto Gedenkstätte, direkter
Link Foto Mikwe 1, direkter
Link Foto Mikwe 2)
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Oktober 2009:
"Stolperstein"-Verlegung in Langen - weitere
Informationen über www.stolpersteine-langen.de
|
Artikel von Denis Düttmann in der "Offenbach-Post" vom 6.
Oktober 2009 (Artikel
bei op-online.de)
Stolpersteine für weitere 17 jüdische Opfer des Nationalsozialismus -
Gegen das Vergessen.
Langen - Sie waren Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen – Langener Bürger wie Julius Strauß, Jonas Schloß und Ilse Sichel. Nach der Machtergreifung 1933 erklärten die Nationalsozialisten sie zu Feinden des deutschen Volkes: Zunächst wurden ihre Geschäfte boykottiert und ihr Vermögen eingezogen, wer nicht rechtzeitig fliehen konnte, den deportierte die SS in Konzentrationslager, wo sie ermordet wurden.
Bei der fünften Verlegeaktion erhalten nun 17 weitere Langener Juden einen Stolperstein. Die mit einer beschrifteten Messingplatte versehenen Steine werden vor ihren ehemaligen Wohnhäusern in den Bürgersteig eingelassen und sollen an das Schicksal der Opfer des nationalsozialistischen Terrors erinnern. Die Idee dazu stammt von dem Kölner Künstler Gunter Demnig, der mit der Aktion ein Stück Geschichte in das alltägliche Leben zurück- und die Opfer des Nazi-Regimes aus der Anonymität herausholen möchte..."
|
|
Oktober 2009:
Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Langen |
Artikel von Achim Ritz in der
"Frankfurter Rundschau" (fr-online.de; Artikel):
"Langen. Wiederaufbau am Computer.
Die Stadt Langen lässt die im November 1938 während der Nazi-Zeit von den Bürgern zerstörte Synagoge wieder auferstehen.
Nicht real, sondern virtuell in Form eines computer-animierten Drei-D-Films wird der religiöse Mittelpunkt der einstigen jüdischen Gemeinde wieder lebendig.
Damit steht Langen nach Darstellung des Projektleiters der für den Film zuständigen
Firma Architectura
Virtualis, Marc Grellert, als Vorbild in einer Reihe mit Großstädten wie Leipzig, München, Dortmund oder Berlin, die ebenfalls Filme über die ehemaligen Synagogen haben herstellen lassen. "Doch Langen hat technisch die beste Animation", sagt
Grellert..." |
Die Synagoge. Das Haus in der Dieburger Straße wurde 1902 eröffnet. Nach Darstellung des Stadtarchivars Herbert Bauch gehörten früher 70 Langener zu der jüdischen Gemeinde.
Schon vor der Zerstörung der Synagoge am 10. November 1938 wurden Hakenkreuze und Sprüche gegen Juden an die Hauswand gemalt.
Der virtuelle Rundgang durch die Synagogen wird am Sonntag, 8. November um 14.45 Uhr im UT-Kino in der Rheinstraße erstmals gezeigt.
Danach läuft der Film "Der Junge mit dem gestreiften Pyjama". Es geht um die Freundschaft eines arischen und eines jüdischen Jungen in den 40er Jahren.
(aim) |
Link: die virtuelle
Rekonstruktion der Synagoge in Langen in der Website von www.architecura-virtualis.de
pdf-Datei über die
virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Langen |
|
Artikel von Frank Mahn vom 1. November 2009
in der "Offenbach-Post" - op-online.de (Artikel):
"Kleines Meisterwerk: 3-D-Animation über ehemalige Langener
Synagoge
Langen ‐ Er ist ein kleines Meisterwerk, der 3-D-Animationsfilm über die ehemalige Synagoge an der Dieburger Straße.
Langen steht damit in einer Reihe mit Großstädten wie Berlin, Leipzig, Dortmund oder München, die ihre von Nazis zerstörten jüdischen Gotteshäuser von der Darmstädter Firma Architectura Virtualis virtuell rekonstruieren ließen. Projektleiter Dr. Marc Grellert sprach bei der Präsentation vor der Presse von
'unserer bislang besten Umsetzung', die sich stetig entwickelnden technischen Möglichkeiten machen’s möglich. Etwa 25 Synagogen in der ganzen Republik hat seine Firma am Computer bislang zum
'Leben erweckt'. Der rote Sandsteinbau an der Dieburger Straße war 1902 eingeweiht worden. Zerstört wurde das Gotteshaus der etwa 70 Mitglieder zählenden Gemeinde am Vormittag des 10. November 1938, einen Tag später als die meisten anderen Synagogen in Deutschland, die der nationalsozialistischen Gewalt zum Opfer fielen..." |
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April 2014:
Die "Stolpersteine" werden geputzt -
die Stolperstein-Initiative Langen ist weiter aktiv |
Artikel von Daniel Ucht in op-online.de vom
17. April 2014: "Opfern der NS-Gräuel nachgespürt.
Langen - Mit 85 verlegten Stolpersteinen lässt sich die Arbeit der Stolperstein-Initiative Langen in den vergangenen acht Jahren als äußerst bemerkenswert bezeichnen..."
Link
zum Artikel |
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August 2014:
Letzte Verlegung von "Stolpersteinen"
in Langen - Verlegung einer "Stolperschwelle" |
Artikel in der "Frankfurter Neuen
Presse" vom 8. August 2014: "Stolperstein-Initiative beendet
ihre Arbeit.
Am Freitag, 15. August, ist es so weit: Um 15 Uhr wird der Künstler Gunter Demnig die letzten Stolpersteine in Langen verlegen. Auch eine Stolperschwelle wird angebracht werden.
Langen. Am Nachmittag des 15. August werden in Langen vor dem Langener Rathaus und in der Karlstraße Stolpersteine verlegt. Außerdem wird vor dem Alten Rathaus eine Stolperstelle zum Gedenken errichtet. Der Stein erinnert an Albert Kuntz, ein politisches Opfer der Nazis, dessen Leidensweg in der Langener Stadt begann. Im Alten Rathaus wurde er nach seiner Verhaftung 1933 von den Nazis
'verhört' und anschließend im Langener Gefängnis inhaftiert. Lange elf Jahre widerstand er den Repressalien der Nazis in verschiedenen Konzentrationslagern (KZ) bevor sie ihn im Januar 1945, kurz vor der Befreiung, im KZ Buchenwald ermordeten..."
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Weiterer Artikel von Holger Borchard in der
"Offenbacher Post" vom 13. August 2014: "Schlussakt
einer traurigen Aufarbeitung...".
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Weiterer Artikel von Nicole Jost in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 18. August 2014: "Eine Stolperschwelle zur
Mahnung.
Während der NS-Herrschaft wurden in Deutschland 360 000 Menschen zwangssterilisiert. Vor dem alten Rathaus wird nun auch dieser Opfer des Nazi-Terrors gedacht.
Langen. Es ist ein schöner Schlussstein, den Gunter Demnig am Freitagnachmittag vor dem alten Rathaus in Langen setzt: Senkrecht zu den Treppenstufen erinnert eine ganze Stolperschwelle an die Opfer des Nationalsozialismus in Langen. Es sind jene Menschen, von denen die Nazis sagten, sie dürfen keine Kinder bekommen und ihnen eine Zwangssterilisation aufgezwungen haben. Mit diesem großen Messingstein will die Stolpersteininitiative in Langen auch diesen Menschen gedenken.
'Zwischen 1934 und 1945 wurden in Deutschland 360 000 Menschen zwangssterilisiert. Diese Zwangssterilisation von kranken oder missliebigen Menschen war für das nationalsozialistische Regime ein Instrument zur Umsetzung ihrer Wahnidee einer
'Reinigung des deutschen Volkskörpers', erklärte Rainer Elsinger von der Initiative Stolpersteine. In Langen waren 24 Frauen und 18 Männer von dieser grausamen Methode betroffen – für sie ist die glänzende Messingplatte vor dem alten Rathaus eingelassen..."
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Oktober/November 2014:
Veranstaltungen zum Gedenken an
den Novemberpogrom 1938 |
Artikel von in op-online.de vom 27. Oktober
2014: "Veranstaltungen im Gedenken an Pogrom-Opfer. Auf den Spuren
jüdischen Lebens
Langen - Auch nach 76 Jahren ist noch schwer zu fassen, was in der Nacht
vom 9. auf den 10. November 1938 geschah: Überall im Land entlud sich der
nationalsozialistische Terror an den Juden – auch in Langen. Ihre Geschäfte
wurden zerstört, die Synagoge an der Dieburger Straße ging in Flammen auf
und es gab zahlreiche gewalttätige Übergriffe. Im Gedenken an die Pogrome
gibt es in der Stadt wieder mehrere Veranstaltungen.
Am Sonntag, 2. November, begibt sich der Historiker und ehemalige
Stadtarchivar Herbert Bauch ab 14 Uhr zusammen mit Interessierten auf die
Spuren jüdischen Lebens in Langen. Unter anderem führt er auf den sonst nur
eingeschränkt zugänglichen jüdischen Friedhof sowie zur Mahn- und
Gedenkstätte der ehemaligen Mikwe. Interessant dabei: Bis 1902 besaß Langens
jüdische Gemeinde keine eigene Synagoge. Zuvor konnte sie jedoch die
Errichtung einer eigenen Begräbnisstätte
realisieren. Der jüdischen Bevölkerung war es nämlich nicht gestattet, ihre
Toten auf dem christlichen Friedhof beizusetzen. Mit Beginn der NS-Diktatur
setzten Schikanen und Verfolgungen gegen die jüdische Bevölkerung ein. Im
November 1938 brannte die Synagoge ab. Die wenigen noch heute im Stadtbild
vorhandenen Spuren jüdischen Lebens werden bei der Exkursion sichtbar
gemacht. Die Teilnahmegebühr beträgt fünf Euro. Anmeldungen gehen an die
Volkshochschule: s910460, E-Mail:
vhs@langen.de.
Am Donnerstag, 6. November, führt die Historikerin Dr. Heidi Fogel
durch das Neu-Isenburger
Bertha-Pappenheim-Haus. Die deutsch-jüdische Frauenrechtlerin betrieb es als
Schutz- und Erziehungsheim für jüdische Frauen. Die Führung und ein
anschließender Film über Bertha Pappenheim dauern von 17 bis 19 Uhr. Die
Veranstaltung ist eine Kooperation der Frauenbüros von Langen und Isenburg.
Die Teilnahme kostet 3 €. Anmeldung im Frauenbüro Langen unter Tel.: 203-160
oder per E-Mail an
frauenbuero@langen.de.
Für Sonntag, 9. November, lädt die Stadtkirchengemeinde zu einem
Gedenkgottesdienst an die Reichspogromnacht ein. Er beginnt um 10 Uhr in der
Stadtkirche. Am gleichen Tag legen Magistratsmitglieder gegen 11.30 Uhr
einen Kranz an der Mahn- und Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge an der
Dieburger Straße 23 nieder. Die Veranstaltung wird von Dreieich-Gymnasiasten
mitgestaltet.
Zum Abschluss zeigt das Lichtburg Cinema, Bahnstraße 73b, am Montag, 10.
November, den Dokumentarfilm 'Das Weiterleben der Ruth Klüger'. Er
handelt von der österreichisch-amerikanischen Autorin, die zwar dem
Holocaust entkam, dessen Schatten sie aber in jeder Station ihres Daseins
verfolgte. Die Vorführung in Kooperation mit dem Frauenbüro beginnt um 20.30
Uhr. Der Eintritt kostet vier Euro. Ein Faltblatt zur Veranstaltungsreihe
gibt es im Rathaus, im Alten Amtsgericht, in der Haltestelle, der
Stadtbücherei und den Buchhandlungen. Ein Pdf-Dokument ist abrufbar unter
www.vhs-langen.de."
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April 2015:
Putzaktion für die "Stolpersteine" |
Artikel von Leo Postl in der "Frankfurter
Neuen Presse" vom 29. April 2015: "Stolpersteine in Langen. Putzaktion
gegen das Vergessen
Die Stolpersteine sollen an die jüdischen Mitbürger in Langen erinnern, die
dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Jetzt wurden die Steine wieder
aufpoliert.
Die Passanten am Langener Lutherplatz wunderten sich über eine Gruppe von
Menschen, die dort mit Putzeimern, Putzmittel, Lappen und Wasserflaschen
stand. Es waren Freiwillige, die zum Stolperstein-putzen angetreten waren.
'Wir haben vor ein paar Jahren diese schön glänzenden Stolpersteine verlegt,
jetzt sind diese durch die Witterungseinflüsse etwas blind geworden, also
verschaffen wir ihnen wieder ihr altes Aussehen', sagte der Initiator der
Stolperstein-Putzaktion, Herbert Walther. Unter den freiwilligen
Putzfreunden waren beispielsweise Renate und Max Goldbach, die immer in
vorderster Front stehen, wenn es um ehrenamtliches Engagement geht. Auch
Reiner Elsinger schwang gerne den Putzlappen. Für Anne Gebhardt war es
ohnehin eine Selbstverständlichkeit, mit dabei zu sein. Herbert Walther
hatte mit einer gewissen Anzahl von Putzwilligen gerechnet und deshalb schon
mal einen Arbeitsplan erstellt, um möglichst alle verlegten Stolpersteine
reinigen zu können. Anne Kühl und Martina Hofmann-Becker hatte er die
Bahnstraße zugeteilt. 'Wenn man mit dem Putzen vertraut ist und das richtige
Mittel hat, ist das alles recht schnell erledigt', meinte das flinke
Damen-Team. Aber auch die anderen hatten ein fleißiges Händchen, so dass
alles schneller als erwartet ablief. 'Manche Leute wundern sich und
entdecken erst jetzt richtig die Stolpersteine, weil wir hier auf den Knien
liegen', beschrieb Martina Hofmann-Becker ihre Beobachtungen. Somit hatte
die Putzaktion gleich einen doppelten Erfolg."
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April 2016:
Putzaktion für die
"Stolpersteine"
Artikel von Nicole Jost in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 4. Mai 2016:
"Frühjahrsputz in Langen. Erinnerungen dürfen nicht verblassen
Stolpersteine erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus. Fleißige
Ehrenamtliche putzen sie, um dem Vergessen zu trotzen..."
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Oktober 2018:
Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an jüdisches Leben in Langen
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Artikel in op-online.de vom 4. Oktober 2019:
"Evangelische Reihe 'Erinnerungen an jüdisches Leben in Langen' wird
fortgesetzt
Historischer Gang zur ehemaligen Synagoge
Langen - Am 9. November jährt sich zum 80. Mal jene Schreckensnacht, in
der 1400 Synagogen in Deutschland zerstört wurden. Auch die Langener
Synagoge ging in Flammen auf. Im Vorfeld des besonderen Gedenktags lädt die
Evangelische Gemeinde im Rahmen ihrer Reihe 'Erinnerungen an jüdisches Leben
in Langen' zum historischen Gang zur ehemaligen Synagoge ein. Termin ist der
morgige Freitag, 5. Oktober. Gerade mal 36 Jahre alt war das jüdische
Gebetshaus in Langen, als es in der Pogromnacht 1938 in Brand gesteckt wurde
– mit Rücksicht auf die Gefühle der lokalen SS-Schergen übernahmen das die
Feuerwehrleute aus Sprendlingen. Löschfahrzeuge zum Schutz der
Nachbargebäude hatten sie gleich mitgebracht. 'Im Vorfeld der Erinnerung an
diesen Tag der Schande, an dem der Zivilisationsbruch des sogenannten
Dritten Reichs auch in Langen endgültige Wirklichkeit geworden war, soll dem
Geschehen durch einen historischen Gang nachgespürt werden', lädt das
evangelische Organisationsteam um Friederike Geppert und Martina
Hofmann-Becker ein. 'Mit großer Festfreude lud die damalige israelitische
Gemeinde 1902 alle Langener zur feierlichen Einweihung der neu erbauten
Synagoge in der Dieburger Straße ein', erinnert Geppert. 'Die Bevölkerung
wurde zum Schmücken der Straßen aufgerufen.' Ein feierlicher Zug setzte sich
in Bewegung, als die Thora-Rollen vom damaligen Betsaal in der Borngasse zur
neu erbauten Synagoge in der Dieburger Straße getragen wurden. 'Man kann
sich das vielleicht noch besser vorstellen, wenn wir diesen Weg vom
ehemaligen Betsaal einmal nachgehen', ergänzt Hofmann-Becker. 'Vor der
Borngasse werden Jugendliche die feierlichen Reden und Bekanntmachungen in
der Langener Zeitung verlesen, die damals zu diesem Ereignis einluden.'
Treffpunkt ist morgen um 16 Uhr in der Stadtkirche. Dort soll zunächst der
kurze 3D-Film über die Synagoge gezeigt werden, den die Stadt Langen vor
einigen Jahren anfertigen ließ. Gemeinsam geht es sodann in die Borngasse,
wo Texte verlesen und Blumen verteilt werden. Als historischer Gang setzt
sich der Zug dann in Richtung Dieburger Straße in Bewegung. Der
ehrenamtliche Stadtarchivar Heribert Gött wird die Teilnehmer an der
Gedenkstätte der Synagoge empfangen und Näheres zu deren Geschichte
erläutern. Die Erinnerung an das jüdische Leben in Langen knüpft mit dem
historischen Gang zur Synagoge an den Besuch des jüdischen Friedhofs vor
einer Woche an. Zum Abschluss der Reihe laden die Organisatorinnen für
Freitag, 19. Oktober, 16 Uhr, zum Gespräch in das Katharina-von-Bora-Haus,
Westendstraße 70 ein. (hob)."
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Oktober 2019:
Buch zur jüdischen Geschichte in
Langen wurde publiziert |
Artikel von Jonas Nonnenmann in der
"Frankfurter Rundschau" vom 31. Oktober 2019: "Langen. Buchvorstellung
über jüdisches Leben in Langen.
Drei Historiker haben die Zeit zwischen 1704 und 1938 erforscht und ihre
Ergebnisse als Buch veröffentlicht.
Drei Historiker aus Langen haben laut einer Mitteilung der Stadt das
jüdische Leben in der Stadt zwischen dem Ende des 17. Jahrhunderts und 1938
erforscht; das Ergebnis ist ihr Buch 'Vergessene Nachbarn – Juden in Langen
1704 bis 1938'. Gabriele Klein, Gerda Werner und Herbert Walter stellen ihre
Recherche in einer Lesung am kommenden Freitag, 8. November, um 19 Uhr im
Museum 'Altes Rathaus', Wilhelm-Leuschner-Platz 3, vor. Der Eintritt ist
frei.
Das Buch. Das Buch 'Vergessene Nachbarn – Juden in Langen 1704 bis
1938' gibt es über den Verlag Books on Demand für 15,99 Euro. Die
Publikation wird von der 'Initiative Stolpersteine für Langen' unterstützt.
Sie zeigt laut Ankündigung der Stadt, wie jüdische Männer und Frauen über
Jahrhunderte die Stadtgeschichte bereichert haben und wie tief sie in der
Gesellschaft vor Ort verwurzelt waren. Die Autoren beschreiben ihr Leben und
berichten, was aus ihnen geworden ist. 1678 wurde laut Stadt mit Mose von
Langen urkundlich der erste Jude in der Stadt erwähnt. 1933 lebten zwischen
Spitzem Turm und Bahnhof 24 Familien mit 77 Mitgliedern, nur 34 überlebten
den Holocaust. Seit 1876 besitzen die Langener Juden einen eigenen Friedhof
und seit 1902 eine Synagoge, die unter großer Anteilnahme der Bevölkerung
eingeweiht worden sei. 1903 gründete der Jude Bernhard Kahn mit Freunden den
1.FC Langen 1903. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933
wurden Juden auch in Langen schikaniert, verfolgt und ermordet. Die ersten
Opfer in Langen waren Georg und Karl Simon, die mit ihrer Mutter ein
Schuhgeschäft führten."
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Juli 2020:
Spende für die
Synagogengedenkstätte |
Artikel in op-online.de vom 20. Juli 2020:
"Gönner möchte anonym bleiben. Langener Bürger spendet für die
Gedenkstätte: 5000 Euro für die Synagoge
Ein Langener Bürger hat 5000 Euro für die Gedenkstätte ehemalige Synagoge an
der Dieburger Straße gespendet.
Langen – Mit dem Geld des Gönners, der anonym bleiben möchte, wurde eine
junge Eiche gepflanzt. Ihr Vorgängerbaum war 2019 dem großen Sturm zum Opfer
gefallen. Außerdem konnte dank der Spende die Tür zum rituellen jüdischen
Tauchbad, genannt Mikwe, mit einer Lochblechplatte versehen werden. Dadurch
sollte nun kein Laub mehr in den Raum hinein wehen und diesen verschmutzen.
Darüber hinaus befestigte die Stadt auch den Übergang zum Nachbarhaus und
gestaltete die Begrenzung an der Rückseite der Synagoge mit alten
Sandsteinblöcken neu. Bereits im vergangenen Jahr war eine zweite Schautafel
auf der Straßenseite angebracht worden, damit interessierte Bürgerinnen und
Bürger nicht erst das Grundstück betreten müssen, um etwas über die Historie
des Hauses zu erfahren. Seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts sind
Juden in Langen urkundlich nachweisbar. Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm
die jüdische Bevölkerung stetig zu. Sie feierte ihre Gottesdienste bis in
die 1850er Jahre in einem angemieteten Raum in der Obergasse, später in
einem eigenen Gebäude in der Borngasse. Wegen räumlicher Enge erwarb die
jüdische Gemeinde schließlich das Grundstück an der Dieburger Straße und
errichtete dort eine Synagoge im neoromanischen Baustil samt eigener Mikwe.
Am 10. November 1938 setzten Nazis das Gotteshaus in Brand und zerstörten es
völlig. Am einstigen Standort der Synagoge errichtete die Stadt nach dem
Krieg aus den noch vorhandenen Reststeinen ein Mahnmal. (msc)"
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 467-470. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 132. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 276-278. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 224-226. |
| Gerd J. Grein: 'Reichskristallnacht' 1938; eine
Dokumentation. Langen 1978. |
| ders.: Geschichte der jüdischen Gemeinde zu Langen und
ihrer Synagoge (Dokumentation). Langen 1978. |
| Harold Hammer-Schenk: Synagogen in Deutschland.
Geschichte einer Baugattung im 19. und 20. Jahrhundert. Teil I S. 526, Teil.
II Abbildungen 480 und 481. |
|
Marion
Imperatori: Als die Kinder in Langen samstags zur Synagoge gingen.
Eine Zeitreise in die Vergangenheit. Materialien für die pädagogische
Arbeit. Hrsg. vom Fritz-Bauer-Institut Frankfurt am Main 2009. Studien- und
Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust.
Pädagogische Materialien Nr. 9. ISBN 978-3-932883-23-1 Zu bestellen
bei info@karl-marx-buchhandlung.de
|
|
Gabriele
Klein / Gerda Werner / Herbert Walter: Vergessene
Nachbarn - Juden in Langen 1704 bis 1738. Verlag Books on Demand 2019. 15,99
€. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Langen, Hesse.
Founded by petty traders in the 17th century, the community grew from 60 (2 % of
the total) in 1861 to 102 in 1910. After Worldwar I, its allegiance changed from
the Orthodox to the Liberal rabbinate of Darmstadt. In May 1935, after the
synagogue was desecrated by hooligans, the community proclaimed a fast day. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), local Nazis burnd down the synagogue and a courageous
Social Democrat rescued the 19 remaining Jews from the mob. Of the 53 Jews
living there in 1933, 25 emigrated and the rest left before 1939. A memorial to
the synagogue was erected by Langen's town council in 1947.
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