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Oberaltertheim (Gemeinde
Altertheim, Kreis Würzburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Oberaltertheim (frühere Grafschaft Castell) bestand eine jüdische Gemeinde bis
1942. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. In Rechnungen der Gemeinde Oberaltertheim sind 1655
jüdische Personennamen genannt, doch könnte es sich auch um auswärtige Juden
gehandelt haben. Im Fürstlich Castell'schen Archiv finden sich Akten
und Urkunde zur Geschichte der Juden aus Unteraltertheim
(ab 1683) und Oberaltertheim (ab 1726). 1785 lebten bereits 12 jüdische
Familien am Ort.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt:
1815 67 jüdische Einwohner (12,9 % von insgesamt 520), 1867 65 (9,2 % von 703),
1890 90 (12,0 % von 751), 1892 92 (in 18 Familien), 1893 78 (in 19
Familien), 1894 84 (in 18 Familien), 1898 89 (in 20 Familien), 1899 90 (in 16
Familien), 1900 74 (9,8 % von 752), 1901 80 (in 17 Haushaltungen). Für eine Landgemeinde
ungewöhnlich, nahm die Zahl der jüdischen Einwohner noch bis um 1890 zu, um
erst danach langsam zurückzugehen. 1910 waren es noch 53 jüdische Einwohner
(6,7 % von insgesamt 795).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden für Oberaltertheim auf
12 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorständen (mit
neuem Familiennamen und Erwerbszweig) genannt: Salomon Simon Traubel (Vieh- und
Warenhandel, seit 1819 auch Handel mit ganzen Ellenwaren und Viehschlachten),
Pfeifer Isaak Rosenbaum (Vieh- und Warenhandel, seit 1819 auch Handel mit ganzen
Ellenwaren und Viehschlachten), Märla, Witwe von Isack Rosenbaum (Vieh- und
Warenhandel), Nathan Schlom Rosenbaum (Vieh- und Warenhandel), Hirsch Schlom
Rosenbaum (Schmuserei), Jacob Jandorf Waldauer (Schlächterei, Balghandel),
Simon Löw Strauß (Vieh- und Warenhandel, seit 1819 Ellenwarenhandel, seit 1823
Seifensieden und Lichterziehen), Mindel, Witwe von Schlom Rosenbaum
(Warenhandel), Pfeiffer Löw Grünbaum (Schlächterei und Warenhandel, seit 1819
Handel mit ganzen Ellenwaren und Spezerei sowie Viehhandel und Schlachten),
Jandoff Löw Grünbaum (Vieh- und Warenhandel), Jacob Eleasar Frei (Warenhandel,
seit 1817 Handel mit Ellenwaren und Spezereiwaren und kleinem Vieh- und
geringem Gewürzhandel), Josua Oscher Kahn (Viehhandel und Schlächterei),
Gumbel Schlom Rosenblum (Feldbau und Handel).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule) und ein
rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Wenkheim
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter/Kantor und
Schächter tätig war. Dabei hatten Oberaltertheim und Unteraltertheim
über eine längere Zeit denselben Lehrer. Genannt werden von den Lehrern um 1869:
H. Rosenfelder, um 1882/1894 Joseph Neumann (unterrichtete um 1893 auch in
Neubrunn), um 1898/1908 M. Rosenberger, um
1911 M. Katzmann. Die Religionsschule der Gemeinde besuchten um 1892 12 Kinder,
1893 11 Kinder, 1894 14 Kinder, 1898 20 Kinder, 1899 22 Kinder, 1901 16 Kinder.
Von den Gemeindevorstehern (Kultusvorständen) werden u.a. genannt: um
1868 Löb Traubel, um 1870 Abraham Frank (als "Kultuspfleger"), um 1890/1908
Abraham Grünbaum und J. Rosenbaum (um 1892/1893), um 1898/1901 Löb Strauß und J.
Rosenbaum (1898), um 1921 S. Kahn.
Von den jüdischen Vereinen werden genannt: der Wohltätigkeits- und
Beerdigungsverein Chewra Kadischa (1892 unter Leitung von H. Kahn) und
der Israelitische Frauenverein (in "Der Israelit" vom 16. Mai 1894 und
mehrfach in den kommenden Jahren in "Der Israelit" bei Spendensammlungen zu den
unterschiedlichsten Zwecken; 1892 unter Leitung von Frau Kahn, 1901 Frau von
Lehrer Rosenberger), vgl. unten Angaben zu 1932. Dazu gab es die 1892
genannte Frau Peßla-Strauß-Stiftung.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde David Neumann
(geb. 2.1.1885 in Künzelsau, vor 1914 in Oberaltertheim wohnhaft, gef.
13.10.1915) und Nathan Kahn (geb. 4.5.1880 in Oberaltertheim, vor 1914 in
Merchingen wohnhaft, gef. 13.10.1916).
Um 1925, als noch 34 jüdische Gemeindeglieder
gezählt wurden (4,25 % von insgesamt etwa 800 Einwohnern), waren die Vorsteher
der Gemeinde Bernhard Traubel und Salomon Schornstein. Den
Religionsunterricht der beiden schulpflichtigen jüdischen Kinder in der
Gemeinde erteilte Lehrer Heß aus Wenkheim. 1932 wurden noch 27 Gemeindeglieder
gezählt. Weiterhin war Bernhard Traubel Gemeindevorsteher. An jüdischen Vereinen,
die dem Bestattungswesen und der Wohlfahrtspflege dienten, bestanden ein
Israelitischer Frauenverein (1932 unter Leitung von Frau Sophie Traubel) und der
Israelitische Männerverein (1932 unter Leitung von Hermann Strauß). Im
Schuljahr 1931/32 waren fünf jüdische Kinder in Religion zu unterrichten. Die
Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Würzburg.
Anfang der 1930er-Jahre gab es noch folgende Gewerbebetriebe jüdischer
Familien: Metzgerei der Brüder Traubel; Viehgroßhandlung der Brüder Traubel
und der Brüder Strauß: Textilienhandlung Moritz Schiff, Viehhandlung Simon
Kahn, Gemischtwarenladen von Sarah Schornstein.
1933 lebten noch 22 jüdische Personen in Oberaltertheim. Im Frühjahr 1937
waren es noch 20 Personen. Eine dreiköpfige Familie war inzwischen verarmt und
unterstützungsbedürftig geworden. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge zerstört (s.u.); die Fenster und der Hausrat in
den jüdischen Häusern wurde zerschlagen. Zwischen 1936 und 1940 konnten 16 der
jüdischen Einwohner emigrieren: 16 in die USA, drei nach Kuba. Zwei der
jüdischen Einwohner verzogen in andere deutsche Orte. Im März 1939 mussten
die jüdischen Einwohner ihre Felder zu einem Bruchteil des Wertes verkaufen, im
September ihre Häuser aufgeben und in einem gemeinsamen "Judenhaus"
zusammenziehen. Im Februar 1942 lebten noch vier jüdische Personen in
Oberaltertheim, die am 24. April 1942 über Würzburg nach Izbica bei Lublin
(Polen) deportiert wurden. Die Ortsverwaltung ließ amtlich verlautbaren:
"Abgemeldet am 24. April 1942 nach Jerusalem. Weiterer Verbleib nicht
bekannt".
Von den in Oberaltertheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch Namen aus der Veröffentlichung von J.
Sporck-Pfitzer s.Lit.): Karoline (Lina) Blatt geb. Fein (1872), Kurt Blumenfeld (1920),
Simon Bravmann (1879), Jenny Dick geb. Bravmann
(1886), Jeanette Edelstein geb. Kahn (1874), Emma Elkan geb. Traubel (1892), Max
Fein (1880), Sara Forchheimer geb. Grünbaum (1873), Ricka Grünbaum geb. Strauss
(1879), Rosa Marx geb. Truk (1889), Karoline Mayer (1874),
Mira Schiff (1925), Moritz Schiff (1896), Marga Schornstein (1923),
Max Schornstein (1924), Sara Schornstein geb. Rosenbaum (1889), Emmi Strauß
geb. Fein (1888), Ludwig (Louis) Traubel (1895), Siegfried Traubel (1904), Berta
Weis geb. Weiss (1884).
Hinweis: die in einigen Opferlisten genannte Mina Maier geb. Strauss
(1891) ist mit ihrem aus Geroldshausen
stammenden Mann Jakob Maier 1941 in die USA emigrieren (vgl.
https://de.findagrave.com/memorial/208947788/mina-maier bzw. die Angaben auf
der Seite zu Geroldshausen).
Hinweis auf einen "virtuellen Friedhof" der aus Oberaltertheim stammenden
jüdischen Personen:
https://de.findagrave.com/virtual-cemetery/1851503?page=1#sr-109442204. Die
meisten der hier genannten Personen sind auf dem jüdischen Friedhof in Wenkheim
beigesetzt, andere nach der Emigration in den USA usw.
Berichte aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers / Vorbeters /
Schochet 1893 / 1896 / 1908
Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 9. Oktober 1893: "Vakanz. In den
kombinierten Gemeinden in Ober- und Unteraltertheim bei Würzburg erledigt
sich per 1. November 1893 die Religionslehrer-, Vorsänger und
Schochet-(Schächter-)Stelle. Fixer Gehalt 500 Mark, Nebenverdienst 700
Mark. Geeignete Bewerber wollen sich schleunigst an den Unterzeichneten
melden. Reiseentschädigung erhält nur der von den Gemeinden Gewählte.
Oberaltertheim, 4. Oktober 1893, Abraham Grünbaum, Kultusvorstand." |
|
Anzeige
in "Der Israelit" vom 20. April 1896: "Die israelitische
Kultusgemeinde Ober- und Unteraltertheim sucht einen geprüften
Religionslehrer, welcher zugleich Chasan (Vorbeter), Schochet uBodek
(Schächter und Fleischbeschauer) und Baal Tokea (Schofarbläser)
sein soll. Gehalt Fixum 600 Mk. und circa 7 - 800 Mk., Nebeneinkommen, nebst
freier Wohnung. Bewerber wollen baldigst ihre Zeugnisse einsenden an den
Vorstand
Löb Strauß, Oberaltertheim oder Lazarus Baarmann, Unteraltertheim.
Der Gewählte erhält Reisevergütung.
Die Vorstandschaft." |
|
Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 26. November 1908: "Vakanz.
Die
Religionslehrer-, Kantor- und Schochetstelle in den vereinigten Gemeinden
Ober- und Unteraltertheim ist baldigst zu besetzen. Fixum 700 Mark,
Nebenverdienst 7-800 Mark bei freier Wohnung. Seminaristisch gebildete Bewerber
belieben ihre Gesuche an den Unterzeichneten zu senden. Ausländer bleiben
unberücksichtigt. Reise wird dem Gewählten vergütet.
Oberaltertheim, 22. November 1908.
Abraham Grünbaum,
Kultusvorstand." |
Zum Tod von Lehrer H. Rosenfelder (1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1887: "Altertheim
bei Würzburg. Geliebt und geehrt, geachtet und hoch geschätzt von allen,
die ihn kannten, lebte und wirkte Herr H. Rosenfelder nahezu 40 Jahre als
Lehrer in unserer Gemeinde. Am Erew Schabbat Kodesch Paraschat Haasinu
(Freitag vor dem Schabbat mit der Toralesung Haasinu = 5. Mose
32,1-52; das war Freitag, 30. September 1887) wurde uns der 80jährige
Greis durch den Tod entrissen. Schon von Jugend auf dem Torastudium sich
weihend, besuchte er als Jüngling die Jeschiwa in Fürth, und
ausgerüstet mit Tora und Gottesfurcht suchte er mit allem Eifer
seine Kenntnisse weiter zu verbreiten; denn sein immerwährendes Streben
war (hebräisch und deutsch:) zu lernen und zu lehren.
Mit liebevoller Begeisterung suchte er seinen Schülern und Freunden die
wahre Gottesfurcht einzuprägen und mit Vergnügen war er bereit, durch Midraschim
(Auslegungen) und Maschalim (Gleichnisse) seine Zuhörer zu
fesseln, sie zur Glaubenstreue anzuregen und aufzumuntern. Er war seiner
Familie und allen Bekannten ein edles Vorbild echter Frömmigkeit. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Die kurze Amtszeit des Lehrers Joseph Wolfromm (1909)
Anmerkung: Lehrer Joseph Wolfromm (sein Name wurde unterschiedlich geschrieben) blieb
im Sommer 1909 nur wenige Wochen in der Gemeinde. Vermutlich war die
Volksschullehrerstelle in Hagenbach
attraktiver als die Religionslehrerstelle in Ober- und Unteraltertheim.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1909:
"Würzburg, 15. Juni (1909). Herr Lehrer Wolffromm, bislang in Völkersleier, wurde als Lehrer der vereinigten Kultusgemeinden Unter-
und Oberaltertheim gewählt. |
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. August 1909:
"Unteraltertheim, 30. Juli (1909). Herr Lehrer Joseph Wolframm in
Oberaltertheim wurde zum Volksschullehrer in Hagenbach
bei Germersheim (Rheinpfalz) ernannt. |
Max Fuchs, Sohn des Oberaltertheimer Lehrers Fuchs wird die Lehrerstelle an der
Simultanschule in Langen übertragen (1921)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Juli 1921: "Langen
(Hessen), 4. Juli (1921). Herr Max Fuchs, Sohn des Lehrers Fuchs, Oberaltertheim
bei Würzburg, der sich an der Universität Frankfurt den Titel Dipl.
Handelslehrer erworben hat, wurde an der Simultanschule der Stadt Langen
eine Lehrerstelle durch das Hessische Landesamt für das Bildungswesen
endgültig
übertragen." |
Wegzug des jüdischen Lehrers (1934)
Anmerkung: es ist unklar, welcher pensionierte
Lehrer weggezogen ist.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. September 1934: "Frankfurt
am Main, 28. August (1934). In Oberaltertheim, Rabbinatsbezirk
Würzburg, einer noch streng frommen Gemeinde, fehlt durch den Wegzug des
bisherigen Lehrers, der pensioniert ist, ein Mann zum Minjan. Da das Leben
dort sehr billig ist und eine Wohnung für eine Familie gegen ganz geringe
Vergütung freigestellt wird, so wäre die Gemeinde sehr glücklich, wenn
ein pensionierter Lehrer dorthin ziehen würde. Derselbe könnte in
Oberaltertheim und Unteraltertheim
sich noch kleine Verdienste durch Lehrtätigkeit usw. verschaffen.
Näheres bei der 'Freien Vereinigung' Frankfurt am Main,
Rechneigrabenstraße 10 zu erfahren." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Ergebnis einer Spendensammlung
(1869)
Mitteilung
in "Der Israelit" vom 17. Februar 1869: "Oberaltertheim: Durch Simon
Fein: Abraham Frank 48 kr., Simon Fein 48 kr., Herz Strauß 48 kr., Löb
Grünebaum I 48 kr., Jakob Strauß 4 fl., Simon Kahn 48 kr., Löb Grünebaum II
48 kr., Simon Traubel 48 kr., Löb Traubel 58 kr., Isak Rosenbaum 48 kr.,
Besla Strauß 1 fl., Löb Kahn 48 kr., Pfeufer Kahn 48 kr. (f. 4 W.). Summa 13
fl. 48 kr." |
Ergebnis einer Spendensammlung in
Unteraltertheim und Oberaltertheim (1886)
Mitteilung
in "Der Israelit" vom 15. Juli 1886: "Unteraltertheim. Durch Lehrer
Neumann: Aus der Synagogenbüchse 8,60, Salomon Neumann,
Külsheim, 1, Bertha Seemann
Neubrunn 1, Chalogeld von den Frauen aus
Külsheim: Lina Weisbacher 1,75, Merle
Strauß 2,10, Auguste Blum 2,40, Adelheid Hahn 1,30, Jette Brückheimer 1,60,
Sophie Brückheimer 1,50, Hannchen Hahn 1,16, Brendel Neumann 2, Marianne
Brückheimer 0,50, Malchen Hahn 1, Bertha Seemann,
Neubrunn, 2. - Oberaltertheim:
Beßla Strauß 5,65, Röß Strauß 3, Jette Bravmann 3, Mathilde Grünbaum 2,25,
Marianne Frank 3, Marianne Rosenbaum 2, Regina Kahn 1,75, Mina Kahn 1,50,
Jette Kahn 2, Klara Kahn 2, Sara Fein 3, Klara Grünbaum 2,18, Jeanette
Strauß 3, Ester Traubel 4,50 M. Zusammen 68,69 M." |
Berichte zu Personen
aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod der "Friedensfürstin" Beßla Strauß (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli 1890: "Nachruf.
(Hebräisch und deutsch:) 'Gefallen ist die Krone von unserem Haupte, wehe
uns, wir haben gesündigt'. Einen fast unersetzbaren Verlust erlitt vor 14
Tagen die Gemeinde Oberaltertheim. Beßla Strauß, die edle
Menschenfreundin, hauchte am Schabbat Kodesch Paraschat Chukat (=
am heiligen Schabbat mit der Toralesung Chukat, d.h. aus 4. Mose 19-22,1,
Datum: 28. Juni 1890) ihre reine Seele aus. Als eine würdige Tochter
Judas, die für wahre Religiosität - welche leider in heutiger Zeit sehr
selten zu treffen ist - erglüht war, ging daher ihr ganzes Streben auf
Ausübung von Wohltaten aus. Ergriff sie ja gerne jede Gelegenheit,
hilfsbedürftige Menschen nach Kräften zu unterstützen. War sie ja eine
Freundin der Armen und Kranken. Besonders in die Häuser der letzteren
konnte man sie zu jeglicher Zeit, früh oder spät, mit gefüllten Taschen
eilen sehen.
Nicht minder war sie auch eine Friedensfürstin. Nicht nur, dass sie in
ihrem eigenen Hause den Frieden als ein köstliches Kleinod wahrte,
sondern sie sorgte auch dafür, dass die Friedenspalme auch in fremden
Häusern in voller Pracht grünte und wo Uneinigkeit herrschte, da ruhte
sie nicht eher, bis der Frieden wieder hergestellt war.
Kein Wunder, dass an ihrer Bahre bittere Tränen der Wehmut vergossen
wurden. Ist ja durch ihren Tod der Schmuck obiger Gemeinde geraubt.
Wie sie sich nun auf Erden einen Schem tow (guten Namen), einen
vorzüglich guten Namen erworben, wodurch sie bei Allen, ohne Unterschied
des Glaubens und Standes in hoher Achtung stand, so möge sie sich auch
dessen beGan eden im Garten Eden, am Wohnorte der Gerechten und
Redlichen erfreuen und sich ergötzen an der Herrlichkeit des
allmächtigen Vaters. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens. Amen. Den Trauernden sende Gott Seinen himmlischen
Trost. B. |
Zum Tod von Regine Kahn (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juni 1908:
"Oberaltertheim, 22. Juni (1908). Am vergangenen Schabbat verschied
nach langem und schwerem Krankenlager Frau Regine Kahn und wurde am
Sonntag unter zahlreicher Beteiligung zu Grabe getragen. Als wackere Frau,
die von tiefinniger Religiosität durchdrungen, stets wahre Nächstenliebe
pflegte, war sie uns allen bekannt, was auch ihr Schwiegersohn, Lehrer
Gundaß (? Gundersheimer?) in Sennfeld
sowie Lehrer Rosenberger hier an der Bahre besonders
betonten." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Metzgermeister Jakob Bravmann (1889)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. Juni 1889: "Ein ordentlicher, kräftiger Junge, der die
Metzgerei gründlich erlernen will, wird sofort gesucht. Beste Behandlung
wird zugesichert. Samstag und Feiertage streng geschlossen. Näheres
bei
Jakob Bravmann, Metzger, Oberaltertheim bei
Würzburg." |
Verlobungsanzeige von Flora
Grünbaum (Oberaltertheim) und Max Kahn (Basel) (1924)
Anmerkung: Max Moise Kahn ist am 27.
Februar 1899 in Basel geboren, er starb ebd. am 4. April 1984.
https://www.geni.com/people/Max-Moise-Kahn/319227422280003728, Flora geb.
Grünbaum ist am 30. Januar 1900 in Oberaltertheim geboren. Fotos aus der Familie
(BA BASJ-Archiv/407):
https://digicopy.afz.ethz.ch/?&guid=3ff56d74923b41f9b2c4c16d825c212c (hier
auch Foto von der Hochzeit von Max Kahn und Flora Grünbaum am 20. April 1925 in
Basel sowie Foto von Flora Kahn-Grünbaum ca. 1930 in Basel sowie Foto von Flora
Kahn-Grünbaum mit Bruder Leopold Grünbaum in Basel ca. 1935).
Anzeige
in "Der Israelit" vom 25. Dezember 1924: "Statt Karten.
Flora Grünbaum - Max Kahn. Verlobte.
Oberaltertheim bei Würzburg - Basel
Hutgasse 1". |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Synagoge der jüdischen Gemeinde wurde 1727 auf dem
Anwesen "Am Schützengäßchen" eingerichtet. Bei einem Ortsbrand
am 28. Juli 1825
wurde die Synagoge zerstört. Daraufhin wurde 1826/27 eine neue Synagoge
erstellt. Im Gebäude befanden sich auch Räume für die Religionsschule. Der
Neubau kostete die Gemeinde 2.145 Gulden und 51 Kreuzer.In der
Synagoge wurde ein Toramantel aus dem Jahr 1775 aufbewahrt und ein seit 1827
geführtes Totengedenkbuch.
Von den besonderen Ereignissen aus der Geschichte der Synagoge beziehungsweise
des jüdischen Lebens der Gemeinde liegt ein ausführlicher Bericht zur
Einweihung einer neuen Torarolle am 10. Juni 1882 mit einem Fest der ganzen
Gemeinde und der feierlichen Prozession und Einbringung der Torarolle in die
Synagoge vor:
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juli 1882:
"Oberaltertheim (Unterfranken). Die veränderten Zeitverhältnisse,
welche einen größeren Zuzug nach den Städten und eine Entleerung der
Landgemeinden bewirken, lassen oft einen sehr wehmütigen Eindruck
zurück, indem wir häufig bemerken, wie ehemals blühende, mitunter
berühmte Gemeinden nunmehr auf ein kleines Häuflein oft bis zur Auflösung
zusammengeschmolzen sind, und selbst da, wo die Abnahme noch nicht in dem
Grade stattgefunden, die Aufgabe zur Erhaltung der nötigsten
Gemeinde-Institutionen wie Synagoge und Schule etc. immer schwieriger
wird. Es gehört daher gewiss zu den Seltenheiten, heute noch von
Synagogen-Einweihung, von einer Tora-Einweihung auf dem Lande in
dem früheren Stile zu hören. Dennoch bin ich in der angenehmen Lage,
Ihnen von einer solchen Tatsache aus hiesiger Gemeinde zu berichten und
dürfte die Art und Weise der Begehung auch fernere Kreise interessieren.
Die hiesige Gemeinde, respektive die Chewra (Wohltätigkeitsverein
in der Gemeinde), suchte sich der Pflicht "schreibe ihnen..."
dadurch zu entledigen, dass sie unter schweren Opfern ein schönes Sefer
(Torarolle) anfertigen ließ. |
Am
Schabbat Kodesch Paraschat Schelach Lecha (der Heilige Schabbat
mit der Toralesung Schelach Lecha, d.h. aus 4. Mose 13,1 - 15,40; Datum
10. Juni 1882) sollte dasselbe seiner
heiligen Bestimmung übergeben, damit aber auch ein Freudenfest ob des
gelungenen Werkes verbunden werden. Wochen vorher wurde gerüstet,
Einladungen an nah und fern gemacht, vor Allem aber unser Herr
Distriktsrabbiner, Nathan Bamberger in Würzburg, um Leitung der Feier und
seine Mitwirkung durch eine Predigt dringend ersucht. Nachdem von dieser
Seite bereitwillig Zusage erfolgt, wurde von Herrn Rabbiner das
Fest-Programm entworfen und festgestellt. Und nun entwickelte sich ein
Eifer und eine Tätigkeit in unserem kleinen Orte zur würdigen Begehung
der Feier, wie man sie bei ähnlichen Gelegenheiten gewiss nur selten
sieht. Alles befand sich im Vorgefühl einer göttlichen Freude und eines
höheren Festes, das sich durch die allgemeine Beteiligung bald zu einem
schönen Volksfeste gestalten sollte.
Ein sogenannter Binjan (Bau), von dem Sofer (der
Toraschreiber) Herrn Neumann aus Külsheim errichtet, zog durch seine
geschmack- und effektvolle Ausstattung die Bewunderung Aller auf sich und
in Scharen strömte man dahin, das seltene Kunstwerk zu betrachten. Der
Festtag nahte heran und zahlreiche Gäste stellten sich ein. Die
Jugend ließ es sich nicht nehmen, sich schon am Donnerstag in Tanz und
Musik zu erfreuen. Am Freitag Abend nach Beendigung der Synagoge
versammelte man sich zur Vorfeier bei dem neuen Sefer (Torarolle); hier
wurden mehrere jüdische Gesänge, besonderes das Scholem aleichem
im Chor vorgetragen, wobei auch der Herr Rabbiner, anknüpfend an den
letzteren Gesang, eine kurze passende Ansprache über das Lied an die
Versammlung richtete. Bis in die tiefe Nacht war man hier in gehobenster
Stimmung versammelt und gab sich der Bedeutung der Feier mit Herz und
Geist hin. Schabbat Morgen, nachdem das Schacharit-Gebet
(Morgengebet) frühzeitig verrichtet |
am
Sinai zu vergegenwärtigen habe und das naasä unischma "wir
wollen danach tun und gehorchen" (2. Mose 24,7) wiederholen müsse,
denn "die Lehre Gottes ist vollkommen", ihr Inhalt, den wir im
großen Ganzen in einen gesetzlichen, geschichtlichen und prophetischen
teilen können, ist gleich wichtig: "erquickt die Seele" wirkt
bei wahrer Beherzigung und Erkennung gleich wohltätig auf das ganze Wesen
des Menschen. Der gesetzliche Teil regelt unser Leben nach dem Willen
unseres Schöpfers, lehrt Liebe und Treue gegen Gott und unsere
Mitmenschen; der geschichtliche beweist uns ihre Wahrheit, zeigt uns
Ursache und Wirkung auf religiösem, moralischem Gebiete; lässt uns aus
Tatsachen die nützlichsten Lehren auf unser eigenes Leben ziehen; und der
prophetische gewährt uns die sichere Hoffnung auf eine schöne Zukunft,
auf die Anerkennung und Verbreitung der höchsten Wahrheiten, was sich
Alles in der verheißenen und noch zu erwartenden Messias-Zeit zu
erfüllen hat und erfüllen wird.
Zum Schlusse wurde tiefgefühlter Dank ausgesprochen, zunächst gegen den
Allvater für das Gelingen des schönen Werkes, sodann an die sämtlichen
Veranlasser und Mitwirkenden, die keine Opfer scheuten, das Fest in jeder
Beziehung zu einem schönen, gelungenen zu gestalten, endlich an die
verehrlichen Gäste aus nah und gern, ohne Unterschied des Glaubens, und
so endete mit einem Gebete für König und Vaterland die fast eine Stunde
dauernde Predigt.
Die Synagoge war von Zuhörern israelitischer und nichtisraelitischer
Konfession angefüllt und alle waren begeistert von den schönen, aus
tiefem Herzen und wahrer Überzeugung kommenden Worten unseres
verehrlichen Rabbiners. Es herrschte darüber nur eine Stimme. Nun wurden
noch einige Psalmen rezitiert, die Sidra vorgelesen und das Musaf-Gebet
verrichtet. Damit war die religiöse Feier beendet, wobei es bereits
Nachmittag geworden. Der übrige Tag wurde der gesellschaftlichen
Unterhaltung gewidmet.
Boch lange wird diese schöne Feier in Aller Gedächtnis bleiben, und mit
einem glücklichen Bewusstsein wird man sich dieser schönen Tage
religiöser Begeisterung erinnern.
|
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge zerschlagen, mehrere Torarollen wurden zerrissen.
Das Silbergerät und andere Ritualien waren bei Gemeindegliedern versteckt
worden. Das Synagogengebäude wurde von der jüdischen Gemeinde an die
Ortsverwaltung weit unter dem Wert (600 Reichsmark; der tatsächliche Wert war
auf 4.000 Reichsmarkt geschätzt worden) verkauft. Beim Aufräumen der Trümmer
im August 1939 fanden sich noch zwei vollständig erhaltene Torarollen und eine
Anzahl verkohlter Torarollen-Fragmente, die den noch am Ort befindlichen
jüdischen Einwohnern übergeben wurden. Die verbrannten Rollen sind mit anderen
unbenutzbar gewordenen Ritualien der Nachbargemeinde Unteraltertheim
im Garten eines jüdischen Hauses nach jüdischer Brauch beigesetzt worden.
Einen ebenfalls im Schutt gefundenen Kiddusch-Becher (Weinkelch) beschlagnahmten
die Behörden. Das Synagogengebäude wurde zu einem Feuerwehrhaus
umgebaut. In dieser Funktion wurde das Gebäude von 1939 bis Mitte 1990 zweckentfremdet.
1987 war eine Gedenktafel mit dem Text angebracht worden:
"Dieses Gebäude diente der jüdischen Kultusgemeinde OBERALTERTHEIM als
Synagoge, deren Inneneinrichtung in der Pogromnacht zertrümmert wurde. Die
Gemeinde Altertheim gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger. ZUR
ERINNERUNG UND MAHNUNG".
1989 wurde die Gedenktafel entfernt, im ersten Halbjahr 1990 wurde das
ehemalige Synagogengebäude auf Betreiben der Gemeinde Altertheim
abgerissen.
Adresse/Standort der Synagoge: Zaunlücke 2
(Ortsmitte)
Fotos
(Foto: Schwierz s.Lit. S. 99)
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Die ehemalige
Synagoge, als Feuerwehrhaus zweckentfremdet (1987/88); das
Gebäude wurde
1990 auf Betreiben der Gemeinde Altertheim abgebrochen. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 375-376. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 98-99. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 385-386.
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| Jutta Sporck-Pfitzer: Die ehemaligen jüdischen
Gemeinden im Landkreis Würzburg. Hg. vom Landkreis Würzburg. Würzburg
1988. S. 69-70.
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| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 165-166.
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Oberaltertheim Lower
Franconia. The community probably began in the first half of the 17th century. A
cemetery was consecrated in 1792 and a new synagogue was built in 1827. The
Jewish population was 90 in 1890 (total 751) and 22 in 1933. The synagogue was
wrecked on Kristallnacht (9-10 November 1938). In 1936-40, 16 Jews emigrated, 13
to the United States. The last four were deported to Izbica in the Lublin
district (Poland) via Wuerzburg on 24 April 1942.
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