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Langendiebach (Gemeinde
Erlensee, Main-Kinzig-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Langendiebach bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Bereits im 14. Jahrhundert könnten jüdische Personen in Langendiebach
gelebt haben. Urkundliche Hinweise gibt es jedoch erst seit Ende des 17.
Jahrhunderts (im Fürstlich Ysenburgischen Archiv in Birstein). 1682
lebten vier Juden / jüdische Familien am Ort. 1728 wurde nach einem Kirchenbuch
der evangelischen Kirchengemeinde Langendiebach ein Waisenkind namens Moses
getauft, der "hinterbliebene Sohn eines dahier gewesenen Schutzjuden
Salomon".
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1835 96 jüdische Einwohner, 1861 100 (7,2 % von insgesamt 1.390
Einwohnern), 1871 59 (4,5 % von 1.776), 1895 66 (3,5 % von 1.873), 1905 57 (2,7
% von 2.116). Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Viehhandel.
Einzelne waren als Metzger tätig. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
gab es auch jüdische Hausierer, einer war als Fellaufkäufer tätig. In der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffneten mehrere der jüdischen
Familienvorstände Handlungen und Läden am Ort. Bis Anfang der 1930er-Jahre gab es ein
Lebensmittelgeschäft und ein Textilgeschäft (Familie Kahn) in jüdischem
Besitz. Die meisten jüdischen Familien lebten in eigenen Häusern entlang der Hauptstraße.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule und ein rituelles Bad (in der Hintergasse, jetzt August-Bebel-Straße 23). Die Toten der Gemeinde wurden auf dem
jüdischen
Friedhof in Rückingen,
teilweise auch auf dem jüdischen Friedhof in
Langenselbold. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich
als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibung der Stelle von 1903
unten). Von 1860 bis 1900 wirkte in Langendiebach Lehrer Katzenstein, später
Lehrer Gans. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk
Hanau.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Sally Marx (geb.
7.10.1892 in Langendiebach, gef. 6.10.1915). Bereits im Kriege 1870/71 hatten
mehrere jüdische Einwohner Langendiebachs teilgenommen; ihre Namen wurden auf der
Gedenktafel in der evangelischen Kirche sowie auf dem früheren Kriegerdenkmal
verzeichnet.
Die jüdischen Familien waren im allgemeinen Leben des Ortes, vor allem auch im
Vereinsleben weitestgehend integriert. Lehrer Katzenstein gehörte zu den
Gründern des bis heute bestehenden Gesangvereins "Liederkranz" im Jahr 1864. Die Brüder
Kaufmann waren Mitglieder im Gesangverein "Sängerlust". Der
Textilkaufmann Kahn war Mitglied im Arbeitergesangverein und Förderer des
Theaterspiels der Jugend. Als Fußballspieler tat sich Edwin Löwenstein
hervor.
Um 1924, als zur Gemeinde noch 38 Personen gehörten (1,6 % von insgesamt
2.465 Einwohnern), war Gemeindevorsteher Salomon Strauß. 1932 war
Gemeindevorsteher Siegmund Stiefel (wohnhaft Schützenstraße). Schriftführer
und Schatzmeister war Jakob Kahn (Wilhelmstraße / Friedrich-Ebert-Straße 15). Als Lehrer und Schochet
kam Leo Sonnenberg aus Wachenbuchen regelmäßig in die Gemeinde. Er hatte im
Schuljahr 1931/32 noch fünf jüdischen Kindern den Religionsunterricht zu
erteilen. Den Vorbeterdienst besorgte schon seit vielen Jahren ehrenamtlich
Siegmund Stiebel (siehe Bericht von 1935 unten).
1933 wurden noch 36 jüdische Personen in Langendiebach gezählt (1,4 % von insgesamt
2.660 Einwohnern). In
den folgenden Jahren ist ein Teil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Von den 22 Personen, die
auswandern konnten, ist eine Familie mit vier Personen nach Südamerika, 15
Personen in die USA beziehungsweise nach Kanada. Wenige Personen starben noch
in Langendiebach. Letzter Gemeindevorsteher war Jakob Kahn. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört (siehe unten). 1939 wurden noch 12
jüdische Einwohner gezählt. 1941/42 sind die letzten elf jüdischen Einwohner
aus Langendiebach in Vernichtungslager des Ostens beziehungsweise in das Ghetto
Theresienstadt deportiert worden.
Von den in Langendiebach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Johanna (Hannchen)
Hagner geb. Reis (1878), Frieda Hahn geb. Stiefel (1874), Paula Hain geb. Marx
(1895), Jettchen Hirsch geb. Kaufmann (1863), Irma Kahn (1911), Jakob Kahn
(1882), Johanna Kahn (1872), Adolf Kaufmann (1879), Fanny (Nanny) Kaufmann geb.
Neuhaus (1888), Helmut Kaufmann (1919), Johanna Kaufmann (1882), Karl Kaufmann
(1893), Max (Marx) Kaufmann (1876), Robert Kaufmann (1892), Betty (Betti)
Lilienfeld geb. Kaufmann (1874), Jenny Marx geb. Bing (1863), Marcus Marx
(1882), Ester Nadel geb. Reiss (1875), Gustav Reis (1881), Isack Reis (1867),
Emanuel Reiss (1865), Hedwig Seiferheld geb. Kaufmann (1873), Karoline Simon
geb. Moritz (1881), Arnold Strauß (1891), Klothilde Strauss
(1892).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1903
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Januar 1903:
"Die
Synagogen-Gemeinde Langendiebach beabsichtigt die vakante Lehrer-,
Vorsänger- und Schächterstelle alsbald wieder zu besetzen. Das mit der
Stelle verbundene Einkommen beträgt Mark 600 nebst einem Zuschuss von
Mark 100 bei freier Wohnung, eventuell Mark 120 Wohnungsgeldzuschuss,
sowie Mark 250 aus der Schächtfunktion. Bewerber wollen ihre
Gesuche, mit Zeugnisabschriften versehen, bis zum 1. Februar anher
einsenden.
Hanau, 19. Januar (1903).
Das Vorsteheramt der Israeliten. Dr.
Bamberger." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April 1903:
"Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle
in Langendiebach, verbunden mit der Religionslehrer- und
Schächterstelle in der Gemeinde Rückingen-Niederrodenbach mit dem Wohnsitz
in Langendiebach, soll alsbald wieder besetzt werden. das Gehalt
beträgt in Langendiebach Mark 600, wozu noch eine widerrufliche Zulage
von Mark 100 und freie Wohnung beziehungsweise an deren Stelle eine
Entschädigung von Mark 120 hinzukommt und in Rückingen-Niederrodenbach
Mark 300, die Nebeneinkünfte aus dem Schächterdienst zusammen mindestens
Mark 500. Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnissen bis zum 30. April
hierher einsenden. Hanau, den 6. April 1903.
Das Vorsteheramt der Israeliten: Dr. Bamberger." |
Lehrer Honas Gans kommt aus Wächtersbach nach Langendiebach
(1903)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. August
1903: "Personalien. Die seit einem Jahre unbesetzt gewesene
Lehrerstelle in Langendiebach wird in Kürze durch Herrn Lehrer Gans,
bisher in Wächtersbach, wieder
besetzt werden." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des langjährigen Vorstehers und Vorbeters im
Ehrenamt Siegmund Stiebel (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juli 1935:
"Langendiebach, 7. Juli (1935). Am Erew Schabbos Korach (Freitag vor
dem Schabbat mit der Toralesung Korach, d.i. 4. Mose 16,1 - 18,32,
das war Schabbat, 6. Juli 1935) trugen wir den jahrelangen Vorsteher und
Vorbeter im Ehrenamt der Israelitischen Kultusgemeinde, Siegmund
Stiebel zu Grabe. Die große Beteiligung bei der Beerdigung legte
beredtes Zeugnis von seiner Wertschätzung und Beliebtheit ab.
Provinzialrabbiner Dr. Gradenwitz, Hanau, zeichnete vor allem in
seinem ehrenden Nachruf den Verstorbenen als einen Mann der Wahrheit und
Gerechtigkeit. Kreisvorsteher Sichel, Hanau rühmte die große
Friedensliebe des Verblichenen und der Vorsitzende des Reichsbundes
jüdisches Frontsoldaten - Hanau, Schwab, sprach gute Worte von dem
treuen Kampfgenossen. Zuletzt stattete Lehrer Sonneberg, Wachenbuchen,
als Vertreter der Kultusgemeinde den Dank der nun verwaisten Kehiloh ab
und hob hauptsächlich seine große Frömmigkeit hervor. - Seine Kinder,
die in seinem Sinne wirken, seine Angehörigen und Freunde werden ihm
stets ein ehrendes Andenken bewahren. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Metzgerei und Wurstfabrik Willy Hain
(1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Februar 1928:
"Streng Koscher - Streng Koscher.
Empfehle
Ia Rindswürstchen Pfr. Mark 1.20 Ia Landwurst Pfd.
Mk. 2.00
Ia Krakauer Wurst Pfd. Mk. 2.20 Ia Cervelatwurst Pfd. Mk.
2.20
Willy Hain Metzgerei und Wurstfabrik Langendiebach bei
Hanau
Die Schechita steht unter Aufsicht Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Dr. Hirschfeld,
Giessen." |
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Stellungnahme von
Provinzialrabbiner Dr. L. Hirschfeld zur obigen Anzeige (1928) |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1928: "Langendiebach
bei Hanau, 20. Februar. Herr Provinzialrabbiner Dr. K. Hirschfeld,
Gießen schreibt uns: Herr Metzger Willy Hain in Langendiebach bei Hanau
empfiehlt in der letzten Nummer des 'Israelit' von ihm hergestellte
Wurstwaren mit der Bemerkung, dass die Schechita unter meiner Aufsicht
stehe. Ich erkläre, dass ich weder mit der Israelitischen Gemeinde
Langendiebach, noch mit dem Metzger Hain irgendwelche amtlichen
Beziehungen habe." |
Sonstiges
Verstorben nach der Auswanderung / Emigration in den
USA:
Grabstein in New York für Adolph Rosenberg aus Langendiebach
(1866-1947)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
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Grabstein für
"Abraham Bar Mordechai HaKohen
Adolph Rosenberg
Born in Langendiebach
June 22, 1866
Died June 3, 1947". |
Zur Geschichte der Synagoge
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts besuchten die
Langendiebacher Juden vermutlich noch die Synagoge in Rückingen.
1747 bekamen sie die Erlaubnis der Grafen von Ysenburg-Büdingen zur
Einrichtung oder zum Bau einer eigenen Synagoge. Ob es sich bei diesem Gebäude
das bis nach 1933 als Synagoge genutzte Gebäude handelt, ist nicht bekannt. Bei
der zuletzt benutzten Synagoge handelte es sich um ein einstöckiges Wohnhaus,
in dem außer dem Betsaal auch die Lehrerwohnung und ein Schulraum eingerichtet
waren. Im Betraum hatte es etwa 21 Männer- und 10 Frauenplätze.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge durch SA-Trupps geschändet. Die Inneneinrichtung und die
Kultgegenstände wurden auf offener Straße verbrannt. Das Gebäude selbst blieb
erhalten, da in ihm eine nichtjüdische Familie lebte, wurde
jedoch in den 1950er-Jahren abgebrochen, um an seiner Stelle den Neubau der
Konsumgenossenschaft erbauten zu können.
1961 wurde am Grundstück der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel enthüllt.
Über der Abbildung einer Menora stehen die Worte "Höre, Israel, der Herr,
unser Gott, ist ein einiger Herr" (5. Mose 6,4) und der Hinweis, dass an
diesem Platz früher die Synagoge stand. Veranlasst wurde die Anbringung der
Tafel von der Ortsgemeinde und der Evangelischen Kirchengemeinde in
Langendiebach. Bei der Feier waren auch die zur ehemaligen Filialgemeinde
Rückingen gehörenden Brüder Lilienfeld anwesend, die die Zeit im Ghetto Theresienstadt überlebt
hatten.
Adresse/Standort der Synagoge: Ecke
Ringstraße / Friedrich-Ebert-Straße (= ehemalige Wilhelmstraße)
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 2.3.2010)
Die Gedenktafel für
die
ehemalige Synagoge |
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Blick auf die
Gedenktafel, links Blick
entlang der Friedrich-Ebert-Straße |
Die Gedenktafel
(Text s.o.) |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 471-473. |
| Keine Artikel zu Langendiebach bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994 und dies.: Neubearbeitung der
beiden Bände 2007². |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S.
202-203. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 491-492. |
| Reihe:
Geschichtsblätter aus Erlensee. Heft 2: "Sie lebten mitten unter
uns". Aus der Geschichte der Juden aus Langendiebach und Rückingen.
Erschien im November 2008. Autoren: Werner Borngräber, Edwin Hirchenhain,
Werner Sönning. Herausgeber: Geschichtsverein Erlensee e.V. Preis
3,00 € zuzüglich Porto. Informationen siehe Seite
des Geschichtsvereins Erlensee. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Langendiebach
(now part of Erlensee) Hesse-Nassau. Jews lived there from the 17th century and
the Jewish community numbered 100 (7 % of the total) in 1861. On Kristallnacht
(9-10 November 1938) the synagogue was destroyed; 21 Jews emigrated by 1939 and
11 were deported in 1942.
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