In Pfungstadt - einem bereits auf mittelalterliche Zeiten zurückgehenden
regionalen Verwaltungs- und Gerichtssitz - bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Die
erste Erwähnung jüdischer Ortsbewohner ist von 1571. Einige frühere
hebräische Häuserinschriften dürften in diese Zeit zu datieren sein (an den
schon einige Zeit abgebrochenen Häusern Mittelgasse 1, 1616 erbaut und Bornstraße
12 oder das "Juddehäusche" genannte "Haus zum Lamm").
Im 17./18. Jahrhundert hatte die jüdische Gemeinde bereits eigene
Einrichtungen, darunter einen eigenen Friedhof: Gemeinderechnungen von Grasverkäufen
nennen seit 1720 die Flur "Am alten Judenkirchhof". Später wurden die
Toten der jüdischen Gemeinde zumeist in Alsbach
beigesetzt, einzelne in Dieburg.
Der Standort des alten Friedhofes ist nicht mehr bekannt. Als erster
Gemeindevorsteher wird eine Jude namens Wolf genannt. Die jüdischen Familien
lebten im 18. Jahrhundert hauptsächlich vom Viehhandel. Eine erste Zahl ist von
1770 bekannt: damals waren 12 jüdische Familien in Pfungstadt wohnhaft.
1796 bis 1801 werden in einem Viehhandelsprotokollbuch die jüdischen Viehhändler
Aaron, Herz und Löb genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1828: 122 (4,3 % der Gesamteinwohnerschaft von 2.799 Personen), 1861
234, 1871: 260 (5,9 % von insgesamt 4.412 Personen, 1900: 174, 1910: 91 jüdische
Einwohner. Seit den 1870er-Jahren ist die Zahl durch Aus- und Abwanderung
stark zurückgegangen. Bereits 1833 hatten 18 jüdische Familien eigenen
Haus- und Grundbesitz; die Häuser blieben meist über mehrere Generationen in jüdischem
Familienbesitz. Durch die Industrialisierung und die Entwicklung Pfungstadt vom
Bauerndorf zum Industriestädtchen kamen einige jüdische Unternehmerfamilien
nach Pfungstadt, die Unternehmen am Ort gründeten oder übernahmen (Zündholzfabrik
Siepmann, zuvor Walger; Zigarrenfabrik Freund, Ziegelei Katzmann, zuvor Scherrer
u.a.m.).
Ein Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule und ein rituelles Bad. Von den Lehrern werden unter anderem
genannt: Moses Weigersheimer (Bericht zu seinem Tod 1927 in Schweinfurt siehe
unten). Zudem war von 1857 bis 1907 am Ort ein in ganz
Deutschland bekanntes und im orthodoxen Judentum sehr geschätztes Israelitisches
Lehr- und Erziehungsinstitut vorhanden.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Julius Jeidel
(geb. 24.10.1896 in Pfungstadt, gef. 3.4.1918) und Unteroffizier Joseph Wolf
(geb. 10.12.1891 in Eschollbrücken, gef. 24.4.1918).
In den 1920er-Jahren (und bis nach 1933) gehörten jüdischen Familien in
Pfungstadt nach zahlreiche Gewerbebetriebe am Ort: drei Textilhandlungen,
zwei Holzhandlungen, zwei Schuhwarenhandlungen, zwei Metzgereien, eine Möbelhandlung,
ein Kolonialwarengeschäft, eine Viehhandlung, Handlung für Öle und Fette, ein
Kaufhaus u.a.m.
Um 1925, als zur jüdischen Gemeinde in Pfungstadt noch 76 Personen gehörten
(1,9 % von insgesamt etwa 7.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der
Gemeinde: Moritz (Moses) Mainzer, Leopold Rothschild und David Herz. Als Kantor
und Schochet war Leo (Leib) Zuckermann tätig. als Lehrer für die damals 10
schulpflichtigen jüdischen Kinder war M. Simon angestellt. An jüdischen
Vereinen bestanden: der Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa (Leitung
Julius Levi, 22 Mitglieder) und der Jüdische Frauenverein (Leitung Eva Herz, 22
Mitglieder; 1932 Leitung: Frau von Abraham Rothschild). Zur jüdischen Gemeinde
in Pfungstadt gehörten damals auch die in Eschollbrücken und Hahn
lebenden jüdischen Einwohner (elf beziehungsweise vier Personen). 1932
waren die Vorsteher der Gemeinde weiterhin die oben genannten, bereits um 1925
genannten Personen. Der jüdische Lehrer Simon erteilte im Schuljahr 1931/32
acht Kindern der Gemeinde Religionsunterricht.
Nach 1933 ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder (1933: 73 Personen)
auf Grund der zunehmenden Entrechtung, des wirtschaftlichen Boykotts und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Insgesamt 49 jüdische
Einwohner verließen die Stadt, teilweise nach Frankfurt und Darmstadt. Als
letzten gelang Toni und Ludwig Herz (Borngasse/Ecke Kirchstraße), Lina und
Abraham Mayer sowie Leopold Rothschild im März 1941 die Auswanderung nach
Uruguay. Die noch verbliebenen jüdischen Einwohner wurden am 18. März 1942 und
am 28. September 1942 von der Gestapo abgeholt und über das Sammellager in der
Darmstädter Liebig-Oberrealschule in Vernichtungslager des Ostens verschleppt.
Von den in Pfungstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften
jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den
Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den
Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hans Daniel Barnass
(1907), Jonas (Julius) Blum (1877), Rosa Blum geb. Rothschild (1895), Emil
Fiebermann (1869), Julius Fleischmann (1884), Selma Fleischmann geb. Loeb
(1889), Mathilde Fröhling (1895), Fanny Goldschmidt geb. Wolff (1849), Selma
Hirsch geb. Meyer (1900), Auguste Jeidel (1880), Joseph Jeidel (1874), Jenny
(Jettchen) Jeidel (1885), Klara Jourdan geb. Blum (1874), Rosa Jourdan geb. Blum
(1867), Settchen Jülich geb. Rothschild (1859), Golda Lerer geb. Kalinski
(1897), Helma (Helene) Katz (1922), Golda Lerer geb. Kalinski (1887), Martin
Lerer (1937), Paul Lerer (1936), Sally )Salomon) Lerer (1900), Agathe
Levi(1904), Else (Elsa) Levi (1905), Meier Levi (1869), Bella Levy geb. Löb
(1883), David Loeb (1876), Hugo Luss (1877), Therese Maier geb. Löb (1876),
Isaak Meyer (1859), Bertha Plaut geb. Mainzer (1880), Simon Rapp (1893), Rosa
Rindsberg geb. Mannheimer (1897), Alfred Rothschild (1927), Benno Rothschild
(1929), Bertha Rothschild geb. Bernheim (1901), David Rothschild (1893),
Jakobine Rothschild geb. Meyer (1863), Jenny Rothschild (1898), Lotte Johanna
(Jette) Rothschild (1926), Martha (Mattel) Rothschild (1941!), Meta Rothschild
geb. Levi (1897), Minna Rothschild geb. Jeidel (1894), Ida Schanzer geb. Meyer
(1885), Julius Schöller (1887), Selma Seligmann geb. Loeb (1889), Emma (Ester)
Simon geb. Rhein (1887), Moritz Simon (1878), Toni Simon geb. Loeb (1891),
Bella Speier-Hollstein geb. Wolf (1893), Henriette Stein geb. Isaac (1872),
Bienchen Stern geb. Plaut (1869), Max Strauß (1905), Baruch Wolff (1889), Josef
Wolff (1889), Malchen Wolff geb. Wolf (1868), Rosa Wolff geb. Isaac (1868).
Von den in Eschollbrücken geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben
nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem
und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Agathe Landsberg geb.
Wolf (1887), Günter Abraham Landsberg (1927), Margot Landsberg (1922), Alfons Lorch
(1890), Arthur Lorch (1882), Eugen Lorch (1885), Rudolf Güther Lorch (1893), Sessi Lorch geb. Keller (1874),
Siegfried Löwenstein (1893), Auguste Wetzler geb. Tannenbaum (1893), Moses Wolf
(1878, "Stolperstein" in Wertheim,
Nebenrittergasse 3), Samuel Wolf (1880).
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1865:
"Die Stelle eines Religionslehrers und Vorbeters in der hiesigen
Gemeinde ist vakant. Qualifizierte Bewerber, die zugleich auch Schochet
sind, wollen ihre Zeugnisse bald franko an den Unterzeichneten einsenden.
Gehalt, inklusive Nebenverdiensten, 5-600 Gulden nebst freier Wohnung. Der
Vorstand der israelitischen Gemeinde Pfungstadt."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1882:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schochet
soll per 1. Mai 1883 anderweitig besetzt werden, fixer Gehalt 600-700 Mark
nebst freier Wohnung und Garten. Schechita ca. 400-500 Mark. Sonstige
Nebeneinkünfte einige Hundert Mark. Streng religiöse Bewerber wollen
sich unter Einsendung ihrer Zeugnisse in Abschrift an den unterzeichneten
Vorstand wenden. Joseph Jeidel, Jonas Wolff I, Max Herz,
Pfungstadt."
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1887:
"Die israelitische Religionsgemeinde zu Pfungstadt sucht einen
deutschen Lehrer, Kantor und Schochet, letzteres muss von einem orthodoxen
Rabbiner bezeugt sein. Gehalt mit freier Wohnung, inklusive
Nebenverdienste, ca. 1.400 Mark. Der Vorstand der israelitischen Gemeinde Pfungstadt.
Max Herz. Jonas Mainzer."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Oktober 1904:
"Die Stelle eines Religions-Lehrers, Vorbeters und Schochet,
verbunden mit einem Fixum von 800 Mark, ferner 100 Mark Wohnungsvergütung
bis zum Neubau der Amtswohnung und ca. 500 Mark Nebeneinkunft aus
Schechita etc. soll, da unser seitheriger Beamter einen Ruf nach
Schweinfurt angenommen, alsbald besetzt werden. Im Fall könnte die
Übernahme des Religionsunterrichts in einer Nachbar-Gemeinde das
Einkommen um ca. 400 Mark erhöhen. Nur streng religiöse, seminaristisch
geprüftem Bewerber wollen Zeugnisabschriften senden an den Vorstand:
Jeidel. Pfungstadt bei Darmstadt."
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21.
Oktober 1904: "Pfungstadt bei Darmstadt. Religionslehrer,
Schächter und Vorbeter per bald. Einkommen ca. Mark 1800."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Oktober 1907:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Kantors und Schochet in unserer
Gemeinde, verbunden mit 900 Mark Fixum, freie Wohnung und ca. 400 Mark
Schechita und sonstige Neben-Einkünfte soll anderweitig besetzt werden.
Streng religiöse, seminaristisch geprüfte Bewerber, wollen sich unter
Einsendung von Zeugnis-Abschriften wenden an den Vorstand der
Israelitischen Religionsgemeinde, Pfungstadt."
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Dezember 1876: "Würzburg.
Durch verschiedene Blätter hat die Nachricht die Runde gemacht, dass eine
hiesige jüdische Familie, aus 5 Personen bestehend, zum Katholizismus übergegangen
sei. Um verschiedenen Anfragen und diesbezüglichen Deutungen zu
entsprechen, sehe ich mich veranlasst, den Namen öffentlich bekannt zu
geben, es ist dies der Lehrer Morgenstern, früher in Pfungstadt. Bereits
vor 2 Jahren war man darüber nicht in Zweifel und wurde derselbe von der
hiesigen Gemeinde wegen seiner großen Dürftigkeit vielfach unterstützt,
bis er sich endlich soweit vergaß, diesen Schritt zu begehen. – Für
die dahier erledigte Vorsängerstelle liegen sehr viele Meldungen vor, und
werde Ihnen über die Wahl seinerzeit berichten."
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1925: "Schweinfurt,
20. Kislew. Unsere Gemeinde ist in tiefe Trauer versetzt worden. Nach längerem
Leiden ist am letzten Schabbos unser allverehrter Kultusbeamter, Lehrer
Moses Weigersheimer, im Alter von 48 Jahren uns entrissen worden. Geliebt
und verehrt von seiner Gemeinde, wie von seinen Fachgenossen, die in ihm
einen erprobten Berater und Führer sahen, hat er durch sein tägliches
eifriges und gewissenhaftes Toralernen sich frühzeitig den Chober-Titel
und ein reiches Wissen, das Tora mit
einem respektvollen Umgang umschloss, erworben, sodass er den
Durchschnitt seiner Berufskollegen weit überragte. Seine im Verein für jüdische
Geschichte und Literatur gehaltenen wissenschaftlichen Vorträge, gediegen
im Inhalt, anmutig in der Form, fanden stets den größten Beifall. Als
Lehrer wirkte er in Goßmannsdorf und in
Pfungstadt und nachdem er hier
sein Amt als Schochet übernommen hatte, in den Nachbargemeinden
Gochsheim(für: Hochsheim),
Schonungen(für: Schemmingen), Niederwerrn und nach der Erkrankung des früheren Lehrers
dahier auch hier zwei Jahre. Das Amt des Schochet betrachtete er in wahrer
Gottesfurcht als ‚Gottesdienst’
und gar viele Jünglinge, Lehramtsgenossen, hat er mit großer
Geschicklichkeit und Gründlichkeit für dieses Amt ausgebildet. Als Vorbeter
wirkte er durch seinen von tiefem Verständnis zeugenden Vortrag und die
Palme erwarb er sich durch seine korrekte Lesung
der Tora. Von unermüdlichem Fleiß, unnachsichtiger Strenge gegen
sich selber, von wohltuender Menschenfreundlichkeit und Höflichkeit,
hatte er frühzeitig die Herzen aller Mitglieder der Gemeinde sich
erobert, zumal die echte Bescheidenheit, das Merkzeichen wahrer
Gottesfurcht, seiner Persönlichkeit das Gepräge gab. So kam denn auch
heute bei der Beerdigung die tiefe Sympathie, die Verehrung und Liebe zu
vollem Ausdruck. Aus allen Reden, des Rabbiners, des Kultusvorstandes, des
Lehrervertreters, der beiden Schwäger, Lehrer Morgenroth und Schloß
wurde die hohe Wertschätzung und Liebe für den Verblichenen herausgehört.
Wie sehr aber Weigersheimer in seiner schlichten Art für die Heiligung
Gottes gesorgt hatte, das sprach der Meister der Fleischerinnung in
einfachen, bewegten Worten aus, indem er den Verblichenen vom Standpunkte
der Christen aus als einen Menschenfreund schilderte, der in seiner
Liebestätigkeit keinen Unterschied der Konfession kannte, wie er denn zum
Beispiel nach dem Kriege einem alten, am Hungertuch nagenden christlichen
Ehepaare aufhalf und durch sein Eingreifen den Verkauf seines Häuschens
verhindert. Die Mitglieder der Verwaltung trugen den Sarg selbst zum
Grabe. Das Bitten und Beten aller Beteiligten ging dahin, dass Gott der
Witwe und der verwaisten Tochter Trost und Beistand gewähren möge, und
die Überzeugung und Empfindung aller war und ist es, dass wir eine Perle
in die Erde betteten, gleich groß an Werk als Jehudi und Mensch, als
Lehrer und Beamter. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens."
Über den letzten jüdischen Kantor und Schochet Leo
(Leib) Zuckermann (Quelle: Abschied ohne Wiederkehr s. Lit. S. 110-112)
Leib Zuckermann ist am 10. Mai 1878 in
Danilowitz (Polen) geboren. Er war verheiratet mit der am 10. November
1876 im lettischen Dünaburg geborenen Rosa geb. Saffra. Die beiden kamen
am 7. Februar 1918 vom mittelfränkischen Hüttenbach nach
Pfungstadt.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Januar 1892: "Die hiesige
Religionsgemeinde beabsichtigt eine Torarolle
schreiben zu lassen. Reflektanten wollen unter Beifügung einer
Probeschrift, Preisangabe machen.
Pfungstadt, 3. Januar 1892. Der Vorstand der israelitischen
Religionsgemeinde. Wolf."
Gründung einer "Mädchengruppe" in der
jüdischen Gemeinde (1913)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. November 1913: "Pfungstadt.
Hier hat sich eine Mädchengruppe gebildet. Leiterin: Frau Mainzer."
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. September 1912: "Pfungstadt.
Letzter Schabbos starb hier nach langem, selten schwerem Leiden der
Kaufmann Hirsch Jeidel im Alter von 59 Jahren. Eine anspruchslose, gerade,
rechtschaffene Persönlichkeit, ein guter Jehudi, ein treubesorgter,
hingebungsvoller Gatte, Vater und Bruder und, solange das Glück ihm die
Eltern beschied, ein edler und aufopferungsvoller Sohn ist mit dem
Verblichenen dahingegangen. Die für den kleinen Platz sehr große Beteiligung an seiner
Beerdigung legte Zeugnis ab für die allseitige Beliebtheit und Verehrung,
die sich der Verstorbene bei seinen Gemeindemitgliedern sowohl als auch
bei seinen christlichen Mitbürgern erworben hat. Am Grabe gab der älteste
Bruder, der Vorsteher der Gemeinde, Herr Josef Jeidel, dem Schmerze der
Familie Ausdruck. Er sprach ferner von dem seltenen Gemiluth-Chesed (=
Wohltätigkeit), das die Gemeindemitglieder ohne Ausnahme in den letzten
Tagen und Wochen schwersten und bittersten Leidens an dem Dahingegangenen
geübt; wie sie jederzeit, Tag und Nacht keine Opfer an Zeit und Überwindung
gescheut haben, um dem sterbenden Gemeindebruder den harten Todeskampf zu
erleichtern. ‚Ein erhabenes und nachahmungswürdiges Beispiel echt- und
altjüdischer Nächstenliebe."
Zwei Handwerker werden wegen eines Erpressungsversuches
des jüdischen Kaufmannes Mainzer in Pfungstadt verurteilt (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. März 1934:
"Darmstadt, 12. Februar (1934). Vor dem Darmstädter
Schöffengericht hatten sich zwei 19-jährige Handwerker unter der Anklage
der versuchten Erpressung zu verantworten. Sie hatten im Juli 1933 dem
jüdischen Kaufmann Mainzer in Pfungstadt einen anonymen Brief
geschrieben und von ihm die Ablieferung von 1.000 Mark verlangt,
'widrigenfalls er seines Lebens nicht mehr sicher' sei. In einem zweiten
Fall hatten sie ihm Ermordung und Inbrandsetzung seines Anwesens
angedroht. Der Polizei, bei der der Kaufmann Anzeige erstattete, gelang
es, die beiden Burschen festzunehmen. Während der Staatsanwalt Bestrafung
wegen versuchter Erpressung beantragte, wurden beide wegen versuchter
Nötigung zu je einem Monat Gefängnis mit Bewährungsfrist
verurteilt. In der Verhandlung behaupteten die Angeklagten, es sei ihnen gar nicht
auf das Geld angekommen, man habe nur eine Einschüchterung
versucht."
Über den aus Pfungstadt stammenden Rabbiner Dr. Zacharias Wolff
(1840/41 - 1915)
Rabbiner Dr. Zacharias Wolff
ist 1840/41 in
Pfungstadt geboren und am 15. Juni 1915 in Straßburg gestorben. Er war
zeitweise Direktor der israelitischen Bürgerschule in Biblis,
seit 1882 Direktor der Rabbinervorbereitungsschule in Colmar, später als
Rabbiner im Elsass tätig, zuletzt seit 1900 in Bischheim
(siehe dort weitere Berichte).
Der aus Pfungstadt stammende Rabbiner Jonas H. Löb
wird Rabbiner in Samter (1877) Anmerkung: Rabbiner Dr. Jonas Zwi Hermann Löb (geb. 1849
in Pfungstadt als Sohn von Abraham Josef Löb, gest. 1911 in Berlin): war 1878
bis 1884 Rabbiner in Samter (Bezirk Posen), 1884 bis 1893 Rabbiner in Rawitsch,
Posen; 1894 bis 1911 Landrabbiner in Emden.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1877:
"Berlin, 10. Dezember (1877). Herr Dr. Jonas H. Löb aus Pfungstadt
bei Darmstadt, Hörer des unter der Leitung des Herrn Rabbiner Dr.
Hildesheimer stehenden Rabbiner-Seminars, wurde mit großen
Stimmenmehrheit als Rabbiner nach Samter (Provinz Posen)
berufen."
Über den aus Pfungstadt stammenden Neurologen Oskar
Kohnstamm
(1871 in Pfungstadt - 1917 in Frankfurt)
Oskar Kohnstamm ist1871 in
Pfungstadt geboren als Sohn von Moritz (Moses) Kohnstamm (1820 - 1898) und
seiner Frau Pauline Wilhelmine geb. St. Goar (1840 - 1914) und 1917 in
Frankfurt gestorben. Er war als Neurologe und Psychiater tätig und verfasste
Schriften zur Kunsttheorie. Seit 1904/05 betrieb er in
Königstein ein Sanatorium
("Sanatorium Konstamm").
Weitere Informationen siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Kohnstamm
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. November 1893: "Die
Exportbierbrauerei Justus Hildebrand in Pfungstadt, welche in Berlin, Jüdenstraße
38/39, eine Filiale unterhält, hat zu den wiederholten Auszeichnungen auf
allen größeren Ausstellungen auch auf der nunmehr geschlossenen
Weltausstellung in Chicago einen ‚Ernsten Preis’ erhalten. Die erste
von der Brauerei in Chicago eingelaufene Biersendung ist bei dem Brande in
der Deutschen Abteilung mit vernichtet worden."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1893: "Danksagung! Für
die vielen Beweise herzlicher Teilnahme und inniger Liebe während der
Krankheit und beim Tode unserer teueren, unvergesslichen Gattin, Tochter
und Schwester – seligen Andenkens -, Frau Klara Katzenstein geb.
Stein, sagen wir allen lieben Freunden aus Nah und Fern, insbesondere
auch den wohllöblichen Mitgliedern der israelitischen Kultusgemeinde Würzburg
und der verehrlichen, aufopferungsbereiten Familie Oster, den Verwaltern
des israelitischen Spitals daselbst, tief gefühltesten Dank. Nathan Katzenstein, Pfungstadt. Familie Stein, Nordheim
v.d. Rhön."
Anzeige von Bella Katzmann (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1900:
"Suche zum 1. September für meinen Haushalt, bestehend aus zwei
erwachsenen Personen, ein israelitisches
Mädchen,
nicht unter 20
Jahren, welches einfach bürgerlich zu kochen versteht, und alle
Hausarbeit übernimmt. Lohn 50 Mark vierteljährlich. Offerten mit
Zeugnisabschriften sind zu richten an
Frau Bella Katzmann,
Pfungstadt bei Darmstadt."
Anzeige von L. Blum (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. September 1902:
"Tüchtige
Putzarbeiterin für Mittel und billige -Genre, die selbständig
arbeitet, per Ende Oktober gesucht. Gefällige Offerten mit
Gehaltsansprüche, bei freier Station und Zeugnisabschriften. Samstags
geschlossen.
L. Blum, Pfungstadt."
Verlobung von Agate Jeidel und Hermann Loeb
(1920)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. März 1920: "Die Verlobung ihrer
Kinder Agate und Hermann beehren sich anzuzeigen Frau Joseph Jeidel –
Joh. geb. Fink (Pfungstadt) – Frau Dr. Jonas Loeb – Jenny geb. Loeb
– Hamburg, Hansastr. 57. März 1920 - Agate Jeidel – Hermann Loeb – Verlobte Pfungstadt in Hessen, Eberstädterstr. 26 –
Frankfurt am Main, Grünestr. 42."
Anmerkung:
bei beiden Verlobten lebten offenbar nur noch die Mütter, die ihren Namen
traditionell dennoch zunächst nach ihrem verstorbenen Ehemann angegeben
haben.
Todesanzeige für Tilly Jeidel (1924)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1924: "Am Montag, 10.
November, verschied nach langem schweren Leiden meine gute Tochter, unsere
liebe Schwester und Schwägerin Tilly Jeidel im Alter von 39
Jahren. Im Namen der Hinterbliebenen: Adolf Jeidel.
Pfungstadt, im November 1924 – Marcheschwan 5865."
Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de
Kennkarten
für Personen, die in Eschollbrücken
bzw. Pfungstadt geboren sind
Kennkarte (Mainz 1939
für Samuel Wolf (geb. 11. März
1880 in Eschollbrücken), wohnhaft in Heddesheim und Mainz;
am 30. September 1942 ab Darmstadt vermutlich nach
Treblinka deportiert, umgekommen
Kennkarte (Dieburg 1939)
für Lina Frank
geb. Wolff (geb. 27. Januar 1894
in Pfungstadt),
Zunächst (18. Jahrhundert) war ein Betsaal oder eine kleinere
Synagoge vorhanden. 1820 kauften die jüdische Gemeinde von Christoph
Klöppinger und Johannes Steinmetz das Anwesen in der heutigen Hillgasse 8, zu dem ein
"Neu Haus", Schweineställe und ein Garten gehörte. Das neue Haus wurde in der Folgezeit zu einer Synagoge
umgebaut. Mehrere Anbauten und Reparaturen waren in den
folgenden Jahrzehnten notwendig: 1836/38 erhielt das Synagogengebäude
einen Anbau, in dem das Treppenhaus untergebracht wurde. Wenig später wurde ein
einstöckiger Nebenbau umgebaut. Darin konnten Schule, Lehrerwohnung und
das rituelle Bad eingerichtet werden. 1844 wurden Synagoge und Treppenbau
umfassend renoviert; einige Jahre später ist auch das Schulgebäude völlig
renoviert und wiederum umgebaut worden.
1922 erfolgte eine erneute gründliche Außen- und Innenrenovierung der
Synagoge. Die Wiedereinweihung war am 25./26. August 1922 durch Rabbiner Dr. Max
aus Darmstadt. Auch eine Gedenktafel für die im Ersten Weltkrieg aus Pfungstadt
gefallenen jüdischen Soldaten wurde zu diesem Anlass in der Synagoge
angebracht.
Wiedereinweihung der Synagoge am 25./26. August 1922
und Anbringung einer Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. September 1922: "Pfungstadt,
27. August (1922). Nicht so zahlreich sind eben in unserer hastenden,
vornehmlich dem Gelde und dem Besitz gewidmeten Zeit die Stunden, in denen
wir, entrückt der Erdenschwere und den Geschehnissen des Tages, nur dem
Erhabenen und Göttlichen leben. Solche Weihestunden erlebte die Jüdische
Gemeinde Pfungstadt vergangenen Schabbat Paraschat Schofetim
(Schabbat mit der Toralesung Schofetim = 5. Mose 16,18 - 21,9, das
war am 26. August 1922) von seinem Eintritt bis zu seinem Ausgang. Es galt
die Einweihung einer Synagoge festlich zu begehen. Der Initiative
des 1. Vorsitzenden, des Herrn Moritz Mainzer, gelang es unter Mithilfe
einiger amerikanischer Freunde, ehemaliger Pfungstädter Söhne und
einiger Gemeindemitglieder die Mittel aufzubringen, die altehrwürdige
Synagoge von außen und innen zu renovieren und sie in des Wortes wahrster
Bedeutung in neuem Glanze erstrahlen zu lassen. Architekt und Handwerker
gaben ihr Bestes und schufen im Innern ein harmonisch farbensattes,
wahrhaft künstlerisches Werk. Am Freitag Abend versammelte sich die
Gemeinde und auswärtige Gäste unter Führung ihres verehrten Raw, des
Herrn Rabbiner Dr. Marx, Darmstadt, der den Festsabbath inmitten der
Gemeinde verbrachte, im Betsaal zum Mincha-Gebet. Hierauf wurden
die Torarollen in festlichem Zuge in das in hellem Lichte
erstrahlende altneue Gotteshaus und unter den Klängen eines Liedes zu den
Almemor getragen. Sodann gab der 1. Vorsitzende, Herr Moritz Mainzer in
bewegten Worten den Gefühlen der Stunde Ausdruck. Er dankte den
hochherzigen Spendern, dem Architekten Herrn Grund, sowie allen, die zum
Gelingen des schönen Werkes beigetragen haben, und gab der Hoffnung
Ausdruck, dass das schöne Gotteshaus anspornend und aneifernd auf die
Gemeinde wirke, und somit zum Ausgangspunkt neuen echt jüdischen Lebens
werde. Herr David Hertz dankte dem 1. Vorsitzenden für den rastlosen
Eifer, mit der er das Werk geplant und gefördert und in unermüdlicher
Hingabe bis zum glücklichen Ende geführt hat. Dann erklangen die Worte
des Herrn Rabbiner durch den festlichen Raum. Herrliche Toraworte gaben
der heiligen Stunde die Weihe. Mächtig und dröhnend, begeistert und
begeisternd drangen sie an Ohr und Herz der Hörer; mahnend und warnend,
eingedenk zu sein der Tradition der Jahrhunderte alten Gemeinde, in deren
Mitte viele Große in Israel lebten und wirkten. Dann ertönte das Gebet,
zum Empfange der Sabbatbraut Lecha Dodi Likrat Kala. Herr Leopold
Rothschild trug es, unterstützt von einem aus Gemeindemitgliedern
gebildeten Chor, mit prächtiger Stimme vor. Das Maariw-Gebet, von Herrn
Lehrer Zuckermann schön vorgetragen, beschloss den Abend. Am Schabbat-Morgen
nach dem Musaf-Gebet fand in der Synagoge unter Beteiligung von
Vertretern der Behörden und der Geistlichkeit die feierliche Enthüllung
der mit reichem Blumenschmuck umgebenen von den Gemeindemitgliedern
gestifteten Ehrentafeln für die im Kriege gefallenen Söhne der Gemeinde
statt. Herr Leopold Rothschild, der im Namen des Vorstandes den
Gedenkstein seiner Bestimmung übergab, widmete einige Worte dem
Gedächtnis der gefallenen Helden, die ihr Leben im Dienste des
Vaterlandes und der Gemeinde hingaben. Und wieder sprach Herr Rabbiner Dr.
Marx und weihte den Stein in tiefergreifender, erschütternder Rede. Das Aw
HaRachamim von Herrn Lehrer Zuckermann und Gesänge des Chors
beschlossen die Feier. Noch einmal nach dem Mincha-Gebet
versammelte sich die ganze Gemeinde, Männer und Frauen in der Synagoge,
um einem Vortrage des Herrn Rabbiners zu lauschen. Und dann kam die
Abschiedsstunde dieses festlichen Sabbats, der allen Teilnehmern
unvergesslich bleiben wird. Mögen die Hoffnungen, die der rührige Parnes
(Gemeindevorsteher) an die Aufrichtung der Gottesstätte geknüpft, sich
in reichem Maße erfüllen, mögen Alt und Jung, besonders die Kinder, die
den Ereignisse des Tages mit leuchtenden Augen gefolgt, eingedenk der
heiligen Stunden bleiben zum Segen von Gemeinde und ganz Israel."
Nach dieser festlichen Wiedereinweihung 1922 war die Synagoge
nur noch 16 weitere Jahre Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens in
Pfungstadt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge durch
Nationalsozialisten zerstört. 1939 musste der letzte Gemeindevorsteher das
Gebäude für 6.000 RM an den Ortsbauernführer verkaufen. Danach wurde das Gebäude
von der
Landwirtschaftlichen Absatzgenossenschaft genutzt und als Fruchtspeicher
zweckentfremdet.
Nach 1945 ging es in Privatbesitz über und wurde zum
Wohn- und Lagerhaus umgebaut. 1992 übernahm auf Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung die Stadt die ehemalige Synagoge. Das Gebäude wurde
ab 1999 umfassend renoviert. Teile der Inneneinrichtung waren noch erhalten und konnten
rekonstruiert werden, insbesondere die mit intensiv ultramarin blauer Farbe
bemalte Muldendecke, die mit goldenen Sternen besät und von einem
ornamentierten und bunten Fries eingefasst ist.
Im ehemaligen Schulhaus wurde 1999 das Stadtarchiv
untergebracht. Die Eröffnung des im Stadtzentrum gelegenen "Kulturhauses
Ehemalige Synagoge" als Begegnungs- und Gedenkstätte jüdischer Kultur
in der Region erfolgte im Mai 2001.
Im Jahr 2001 wurde der Arbeitskreis
ehemalige Synagoge Pfungstadt e.V. gegründet, dessen Ziel es ist, an jüdisches
Leben in Pfungstadt zu erinnern, die Geschichte der ehemaligen jüdischen
Gemeinde aufzuarbeiten, aber auch durch Veranstaltungen, Ausstellungen,
Exkursionen für Toleranz und Völkerverständigung einzutreten.
Adresse/Standort der Synagoge: Kulturhaus
Ehemalige Synagoge Pfungstadt, Hillgasse 8, 64319 Pfungstadt Träger der Einrichtung: Magistrat der Stadt Pfungstadt, Kirchstraße
12–14, 64319 Pfungstadt Besichtigung über Stadtarchiv: Stephanie Goethals, Stadtarchiv
Pfungstadt, Hillgasse 8, 64319 Pfungstadt, Telefon: 06157 /988-1125, Fax
06157/988-1300 E-Mail Arbeitskreis Ehemalige Synagoge Pfungstadt e.V.: Vorsitzende Renate
Dreesen, Adam-Schwinn-Straße 49, 64319 Pfungstadt, Telefon: (06157) 84470, E-Mail,
Internet.
Links: Jüdische Hausinschrift
/ Hausschild mit Darstellung eines springenden Lammes
am früheren "Juddehäusche"
Mittelgasse 1 (17. Jahrhundert): Die Inschrift bedeutet "
Herr zum
Lamm" (Quelle: Arnsberg Fotos s. Lit. S. 178)
Die ehemalige
Synagoge vor der Restaurierung in den 1970er-Jahren
Außenansicht
(Quelle: Arnsberg Fotos s. Lit. S. 178)
Der "Sternenhimmel"
über dem Betsaal
(Foto: Andrea Frenzel, Quelle: Arbeitskreis)
Innenansicht vor der
Restaurierung
(Quelle: Arbeitskreis)
Die ehemalige
Synagoge im Frühjahr 2006 (Fotos: Hahn, Aufnahmedatum
18.6.2006)
Außenansichten,
rechts der Anbau von 1836/38 mit dem Treppenhaus
Westliche Fassade
Nordseite - heutiger
Eingangsbereich
Südseite
"Wir gedenken der
jüdischen Gemeinde
Pfungstadts, der Verfolgung und Ermordung
ihrer
Mitglieder während der Zeit des
Nationalsozialismus 1933-45".
Konzert in der ehemaligen Synagoge in Pfungstadt am 20. Januar 2013
Film, eingestellt bei YouTube - es sind auf YouTube weitere Filme zu diesem
Konzert eingestellt.
November 2009:
Bericht über den jüdischen
Wehrmachtsangehörigen Max Wolf aus Pfungstadt
Artikel von Silke Rummel in der "Frankfurter Rundschau" vom 4.
November 2009 (Artikel):
"Unglaubliche Lebensgeschichte aus Pfungstadt - Ein Jude in der Wehrmacht.
Es ist eine Geschichte, die Stoff für einen Hollywood-Streifen abgeben könnte. Der Plot: Max Wolf, Mutter offenbar Jüdin, Vater Arier, aber nicht näher bekannt, überlebt Judenverfolgung und Zweiten Weltkrieg, indem er seine Papiere fälscht und in der deutschen Wehrmacht untertaucht.
"Eigentlich ist die Geschichte von Max Wolf so unglaublich, dass ich immer Angst habe, dass ich das nicht belegen kann", sagt Stephanie Goethals, Stadtarchivarin von Pfungstadt.
Bei ihren Recherchen zu den in Pfungstadt lebenden Juden war sie auf Max Wolf
gestoßen..."
Hinweis: Die Geschichte von Max Wolf ist
in dem Buch "Abschied ohne Wiederkehr" (siehe Literatur) von
2007 beschrieben.
Oktober 2010:Über die Geschichte der Pfungstädter Synagoge
und ihre Nutzung bis zur Gegenwart
Artikel von Meike Mittmeyer in "echo-online.de" vom 2. Oktober
2010 (Artikel):
"Eine Synagoge, die keine mehr ist
Geschichte: Wie das heutige Pfungstädter Kulturhaus die Pogromnacht 1938 äußerlich fast unbeschädigt überstand.
PFUNGSTADT. Gotteshäuser haben meist eine bewegte Geschichte und stehen fast immer hoch aufragend im Mittelpunkt. Deshalb wollen wir in einer losen Folge hören, was sie zu erzählen haben und darüber berichten..."
September 2012:
"Tag des offenen Denkmals" in
Pfungstadt am 9. September 2012
Ärgerlich! Der "Tag des offenen Denkmals" in Pfungstadt
war groß angekündigt - allerdings empfing die Besucher dann u.a. an der
ehemaligen Synagoge eine Hinweistafel mit dem Text:
"Tag des offenen Denkmals 9. September 2012.
Aus organisatorischen Gründen muss die Führung durch die Stadtmitte und
die Besichtigung des Dachstuhls im historischen Rathaus um 15 Uhr und in
der Synagoge um 16 Uhr leider ausfallen".
November 2017:
Erinnerung an die Geschichte der
ehemaligen Synagoge in Pfungstadt
Artikel von Janka Holitzka in "echo-online.de"
vom 4. November 2017: "Bei den Novemberpogromen wurden alle Synagogen im
Landkreis zerstört - doch einiges hat der Zeit getrotzt
Wo keine Menschen mehr erzählen können, müssen Dokumente übernehmen, Dinge,
oder auch Orte. Synagogen zum Beispiel. Weil sie uns bis heute viel zeigen:
dass jüdische Kultur so alltäglich war. Meist haben nicht alleine die Nazis
Synagogen verschwinden lassen - im Kreis sind deren Reste noch bis in die
1980er abgerissen worden.
DARMSTADT-DIEBURG - Grell leuchtendes Blau breitet sich aus, sobald man
den Blick hebt. Unzählige Sterne funkeln da auf dem Ultramarin - fast, als
wäre nichts gewesen. 'Ist das nicht atemberaubend?', fragt Renate Dreesen
und blickt nach oben, als hätte sie diese Decke nicht schon zigmal gesehen.
'Viele Synagogen haben einen Sternenhimmel', sagt sie dann und senkt die
sonst so fröhliche Stimme: 'Aber nur die Pfungstädter hat dieses Blau." Und
im Landkreis steht nur die Synagoge in Pfungstadt heute noch. Denn
natürlich ist etwas gewesen: die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November
1938. Die Nacht, in der die Nazis das Funkeln so vieler Sternenhimmeldecken
ausgelöscht haben; die Nacht, in der die Diskriminierung der Juden in deren
systematische Verfolgung umschlug, die im Holocaust endete. Auch im
Landkreis haben die Nazis alle 16 Synagogen geschändet, die im November 1938
noch als Gotteshäuser genutzt worden sind. Und wenn man heute, 79 Jahre
später, durch die Straßen geht, wird einem bitter bewusst: Oft haben sie ihr
Ziel erreicht. Die Synagogen sind verschwunden. Fast spurlos. Aber eben nur
fast. "Hier spürt man was", findet Renate Dreesen, als sie die Stufen zur
Frauenempore der Pfungstädter Synagoge hinauf steigt, dem Sternenhimmelfries
noch ein bisschen näher. Dreesen hat 2001 den Arbeitskreis Ehemalige
Synagoge Pfungstadt gegründet, der seither das frühere Gotteshaus in der
Hillstraße mit Leben füllt. Erinnert. Mahnt. Dann bleibt sie stehen: "Der
Holocaust ist nicht erst Auschwitz. Er hat hier angefangen. Deswegen sind
solche Orte für uns heute so wichtig." Wichtig? Lange Zeit wäre Renate
Dreesen mit diesem Satz wohl ziemlich alleine gewesen. Denn die Synagogen
verschwanden nicht 1938, fast nirgendwo im Landkreis. Nur in
Ober-Ramstadt und
Groß-Bieberau wurden sie in der
Pogromnacht niedergebrannt, ihre Ruinen kurz darauf abgerissen. Die anderen
Gotteshäuser wurden "arisiert" - genutzt, als Scheune, als Lager, als
Wohnhaus. Und ihre verlebten Reste dann irgendwann abgebrochen, bis noch in
die 70er und 80er hinein, wie in
Groß-Zimmern bei der Ortskernsanierung, in
Dieburg, als eine Sparkasse entstand,
oder in Groß-Umstadt, wo die
Synagoge abgebaut und in den Hessenpark nach Neu-Anspach gebracht wurde. Da
steht sie nun - aber am richtigen Platz scheint sie nicht so wirklich zu
sein. "Die Synagoge hat zwar bei uns eine tolle Funktion", sagt die
wissenschaftliche Leiterin des Hessenparks, Dr. Petra Naumann, sie zeige
schließlich 230 000 Gästen pro Jahr eine Ausstellung zum jüdischen Leben.
Und trotzdem, das merkt die Volkskundlerin kritisch an, würde man das
Gebäude heute, anders als in den 1980ern, an seinem Originalstandort lassen,
statt ein Museum anderswo draus zu machen. "Es spricht Bände, wie damals mit
der Geschichte umgegangen worden ist", findet Naumann.
Der Pfungstädter Synagoge ging es erst mal nicht anders. Auch sie war
Scheune, später Wohngebäude. Doch ihr Dornröschenschlaf hat lang genug
gedauert, bis übers Gedenken in Deutschland anders gedacht wurde. 1992 hat
die Stadt den Wert dieses besonderen Ortes erkannt, die ehemalige Synagoge
übernommen und umfassend als Kulturhaus renoviert...".
Link zum Artikel
November 2017:
Ärger um die ehemalige Synagoge wegen
problematischer Nutzungen
Artikel von Janka Holitzka in "echo-online.de"
vom 16. November 2017: "Pfungstadt. Ärger um ehemalige Synagoge
PFUNGSTADT - Pfungstadt hat ein Kulturhaus. Es steht an der Hillgasse 8. Und es ist ein historischer Ort: Bis zur Pogromnacht 1938 nämlich war das eine Synagoge. 53 Jahre später kaufte die Stadt das Gebäude, sanierte es und eröffnete es 2001 als
'Kulturhaus ehemalige Synagoge'. Und genau darin schwelt ein Konflikt, der gerade für Ärger zwischen Bürgermeister Patrick Koch (SPD) und der Vorsitzenden des Arbeitskreises Ehemalige Synagoge, Renate Dreesen, sorgt.
Denn wofür soll ein solcher Ort eigentlich genutzt werden? Für Renate Dreesen ist da inzwischen eine Grenze erreicht. Im Oktober hat die Stadt die Kinderbetreuung während eines Deutschkurses für Flüchtlinge dort untergebracht. Und, für die Pfungstädterin noch schlimmer, messianische Juden mieten die frühere Synagoge regelmäßig. Die Bewegung zelebriert jüdische Bräuche, glaubt aber an Jesus als ihren Messias und gilt damit theologisch als christlich.
Messianische Juden stehen innerhalb der Jüdischen Gemeinschaft in der Kritik, Juden zu missionieren. Für Dreesen ein Dorn im Auge, dass ihnen da die Synagoge überlassen wird. Deswegen hat sie Bürgermeister Koch einen Brief geschrieben, in dem sie ihre
'Sorge um den Erinnerungsort' formuliert. 'Angesichts der Geschichte dieses Gebäudes ist ein angemessener und respektvoller Umgang
unabdingbar', schreibt die Vorsitzende des Synagogenvereins, der mit rund 40 Mitgliedern Gedenkveranstaltungen, Vorträge oder Konzerte in der Synagoge organisiert. 'Es ist ein Kulturhaus. Eine ehemalige Synagoge - keine geweihte Synagoge', wehrt sich Bürgermeister Koch. Natürlich gebe es Grenzen bei der Vermietung,
'keiner würde darin eine satanische Feier genehmigen'. Aber weder bei der Kinderbetreuung noch beim Gebetskreis messianischer Juden werde der Raum unwürdig genutzt. Zumal der Rathauschef vor einem ganz anderen Problem steht:
'Das Kulturhaus ist extrem untergenutzt. Es ist eine unserer Problem-Immobilien in
Pfungstadt.' Natürlich könne man einen solchen Ort 'nicht nur durch die betriebswirtschaftliche Brille
sehen.' Aber: Den Steuerzahler kostet die ehemalige Synagoge rund 33.000 Euro im Jahr. Dem gegenüber standen 2016 Einnahmen von gerade einmal 659,26 Euro. In dem Jahr gab es 32 Anmietungen, darunter zwei Ausstellungen über mehrere Tage.
'Nur mit Erinnerungsarbeit trägt sich das Gebäude nicht. Wir wollen deswegen keine großen Hürden errichten. Auch Privatpersonen können das Gebäude mieten, zum Beispiel für Geburtstage oder
Trauungen', sagt Koch. Eine Nutzungsordnung für die frühere Synagoge, die klar festschreibt, was geht und was nicht, gibt es bislang in Pfungstadt nicht. Die Sachbearbeiter im Rathaus entscheiden das
'mit gesundem Menschenverstand. Wie bei allen anderen städtischen Gebäuden
auch.'
Renate Dreesen will an diesem Prozedere etwas ändern. Sie ruft derzeit ein Kuratorium ins Leben, das den Synagogenverein bei der Erinnerungsarbeit unterstützen und eine öffentliche Debatte darüber anstoßen soll - auch, wie die ehemalige Synagoge genutzt wird. Angeschrieben hat Dreesen dafür unter anderem Vertreter aus der Landespolitik und Wissenschaft, Historiker und eine Auschwitz-Überlebende.
Auch Daniel Neumann, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Darmstadt und Geschäftsführer des Landesverbands Hessen, hat Dreesen für das Kuratorium kontaktiert. Er hat schon häufiger beim Umgang mit früheren Synagogen beraten. Doch auch für ihn ist die Frage, welche Nutzung in Pfungstadt angemessen ist, nicht leicht zu beantworten, sagte er im Gespräch mit dem ECHO:
'Der ureigene Zweck des Ortes unserer Vorfahren lässt sich nicht mehr herstellen. Trotzdem hat er eine Würde. Ich halte es für sinnvoll, eine gesellschaftliche Debatte mit verschiedenen Beteiligten anzustoßen, was in der ehemaligen Synagoge passieren
soll', so Neumann. Rathauschef Koch ist für eine solche Debatte offen, sagt er.
'Wir müssen uns nur darüber klar sein, dass jede Einschränkung noch weiter auf die Wirtschaftlichkeit drückt. Und das müssen dann eben auch die Gremien der Stadt
diskutieren.'"
Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 198-201.
ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 178-179.
Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 132.
dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 113-115.
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 43-44.
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 280-283.
J. Friedrich Battenberg (Hg.): Pfungstadt - Vom
fränkischen Mühlendorf zur modernen Stadt. Pfungstadt 1985.
Jürgen Rainer Wolf: Geschichte der Juden in
Pfungstadt, in: Archiv für hessische Geschichte, NF, 1986, S. 41-63.
Valentin Liebig: Juden in
Pfungstadt. Anfang, Aufstieg und Untergang einer jüdischen Gemeinde. 3.
Aufl. Pfungstadt 1993.
Stadtarchiv Pfungstadt (Hrsg. -
mit Beiträgen von Stephanie Goethals, Manfred Heinrich, Carsten
Jeserigk,
Angela Jobs, Monica Kingreen, Wolfgang Roth und Sonja Wegner):
Abschied ohne Wiederkehr. Jüdisches Leben in Pfungstadt. 2007. u.a. von Monica Kingreen: Die Opfer des Holocaust aus Pfungstadt und Eschollbrücken. Biografische
Skizzen, S. 191-206.
Pfungstadt
Hesse. Established in the 18th century, the community built a synagogue in 1820.
During the 19th century Pfungstadt became an industrial town attracting affluent
Jews and the community grew to 260 (6 % of the total) in 1871. After a struggle
between Liberals and traditionalists, it affiliated with the Orthodox rabbinate
of Darmstadt in 1895. The religious high school founded by David Joel in 1857
gained an international reputation. Chaim Weizmann taught there when he was a
student at Darmstadt's Polytechnic in 1892. Jews were prominent in trade and
industry under the Weimar Republic, when they numbered 77 (1 % of the total),
but many left (20 emigrating) after the Nazis came to power in 1933. On Kristallnacht
(9-10 November 1938) the synagogue's interior was destroyed and Jewish property
vandalized. The last 18 Jews were deported in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge