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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Plochingen (Kreis
Esslingen)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Plochingen
In Plochingen bestand zu keiner Zeit eine jüdische
Gemeinde. Nur im 19./20. Jahrhundert sind einzelne jüdische Familien/Personen
vorübergehend am Ort nachweisbar. Sie gehörten nach der offiziellen Zuteilung
zur jüdischen Gemeinde in Esslingen.
Familie Konz: Der bekannte (nichtjüdische) Otto Konz war
Wasserbauingenieur und gilt als Schöpfer des Neckarkanals: siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Konz
Otto Konz ist am 24. Mai 1875 in Tübingen geboren und war seit dem 8. Juli 1903
verheiratet mit der aus einer Cannstatter jüdischen Familie stammenden
Antonie geb. Weißenburger. Sie ist am 11. August 1880 in Cannstatt geboren.
Nach der Heirat zog das Paar nach Plochingen, um eine Wohnung in einem Neubau
Ecke Bismarckstraße/Moltkestraße zu beziehen (Friedrichshöhe). Konz war in
Plochingen mit der Aufsicht über den Neubau der Neckarbrücke und der Neuanlage
der Straßen unterhalb des Kirchberges sowie mit einer teilweisen Verlegung des
Neckarverlaufes beauftragt. In Plochingen wurde der Sohn Fritz Konz
geboren (geb. 30. April 1904). Im Mai 1912 zog Konz mit seiner Familie nach
Cannstatt. Über seine verschiedenen Beauftragungen und Projekt siehe den o.g.
Wikipedia-Artikel.
Auf Grund seiner "nichtarischen" Frau hatte Konz ab 1933 immer größere
Schwierigkeiten, wurde u.a. in verschiedenen Veröffentlichungen des Gauamts für
Technik verunglimpft. Unter diesem Druck beantragte er im Mai 1937 in Berlin die
Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Der Antrag wurde zum 1. April 1938
genehmigt, doch war Konz auch während der Kriegszeit (bis 1942/43) mit der
Arbeit an laufenden Bauprojekten beschäftigt. 1945 wurde er von den Amerikanern
gebeten, neue Aufgaben in der Leitung sämtlicher Wasserstraßen in allen vier
Besatzungszonen zu übernehmen, was er jedoch angesichts seines Alters ablehnte.
Otto Konz starb am 15. Juni 1965 in Stuttgart, seine Frau ebenda am 2. März
1966. Die Gräber sind im Waldfriedhof in Stuttgart-Degerloch. Leider hat Otto
Konz nicht mehr den Abschluss seines Lebensprojektes, die Einweihung des
Plochinger Hafens (1968) und damit die Vollendung des Neckarkanals erlebt. In
Plochingen ist die Otto-Konz-Brücke nach ihm benannt.
Familie Bing: Der jüdische Kaufmann und Textilvertreter Moritz Bing
und seine katholische Frau Amalie (auch Emilie) geb. Fritschy
waren nach ihrer Eheschließung am 23. Dezember 1910 in Frankfurt am Main nach
Plochingen gezogen. Sie wohnten von 1910 bis 1924 im Haus Johanniterstraße 10
(1. Stock).
Moritz Bing ist am 21. Mai 1883 in
Kronberg im Taunus geboren als Sohn des später in Frankfurt tätigen Emanuel
Bing (geb. 1851 Bornheim) und seiner Frau Sofie geb. Hahn (geb. 1857
Berwangen - 1924 Frankfurt). Moritz hatte
noch vier Brüder: Julius (geb. 14. Dezember 1878, nennt sich seit 1938/39
Jonathan), Joseph (geb. 22. Juni 1880, gest. 1916 in
Weilmünster), Fritz Leo (geb. 8. März
1889). Siegfried (geb. 8. März 1886 in Kronberg, umgekommen mit Frau Rosa geb.
Dach und Tochter Helga 1942 nach Deportation im Ghetto Lodz). Die Familie Bing
lebte bereits mehrere Generationen in Kronberg (1846 wird Meyer Bing genannt).
Amalie Bing geb. Fritschy ist am 14. Dezember 1884 in
St. Louis (damals St. Ludwig) im Elsass
geboren als Tochter des Metzgermeisters Jakob Fritschy und seiner Frau Elise
geborene Guggenhäusler (?). Moritz Bing zählte nach seinem Zuzug nach Plochingen
zur jüdischen Gemeinde Esslingen. 1922
wurde die Familie in die württembergische Staatsangehörigkeit aufgenommen.
Moritz Bing war in seiner Plochinger Zeit ein begeisterter Sänger im
Gesangverein "Frohsinn".
In Plochingen ist das einzige Kind der Eheleute, die Tochter Ilse Amalie
am 27. August 1911 geboren, die wie ihre Mutter katholisch aufgewachsen ist.
Moritz Bing war zunächst in Plochingen als Vertreter verschiedener Textilfirmen
tätig. Im September 1923 eröffnete er mit dem Prokuristen Wilhelm Dangel die
Firma M. Bing & Co.. Mit dem Wegzug der Familie Bing am 1. Januar 1924 nach
Freiburg im Breisgau ging die Familie
Firma ganz auf Moritz Bing über und wurde an den neuen Wohnsitz verlegt, wo er
insbesondere als Provisionsreisender für die Armblattfabrik Firma Herfen in
Wangen/Allgäu tätig war.
Die Tochter Ilse studierte ab ab 1931 in Bonn, 1932 in Kiel und danach in Basel
Medizin und wurde 1938 in Bern zum Doktor der Medizin promoviert (Arbeit über
"Tuberkulose und Gelenkrheumatismus", siehe
https://aleph.unibas.ch/F/?local_base=DSV01&con_lng=GER&func=find-b&find_code=SYS&request=005234555).
Nach 1933 Uhr war Moritz Bing in seiner Reisetätigkeit immer stärker
eingeschränkt; 1938 musste er sie ganz einstellen und die Familie zog im
Dezember dieses Jahres nach St. Louis, in den Geburtsort von Amalie Bing. Im
September 1939 wurde die Familie aus dem Elsass nach Lectoure im Departement
Gers (Südfrankreich) evakuiert. Moritz Bing wurde dort verhaftet und in ein
Internierungslager nach Catus im Departement Lot verbracht, wo er bis
Weihnachten 1939 war. Im Mai 1940 wurde er nochmals festgenommen und nach St.
Cyprian bei Perpignan im Departement Pyrénées orientales verbracht. Am 11. Juli
1940 wurde er unter der Bedingung, sich wöchentlich bei der Polizei zu melden,
entlassen. Im Oktober 1943 flüchtete er nach Lyon, wo er sich zwei Wochen
versteckte, bis ihm schließlich die Flucht in die Schweiz gelang. Er hielt sich
ohne eine Erwerbsmöglichkeit bis zu seiner Rückkehr ins Elsass im Juli 1945 in
Basel auf. Sein Wohnsitz war dann wieder St.
Louis (22 Rue de Bale), wo er am 30. Dezember 1966 und seine Frau Amalie am 27.
November 1979 verstarben. Die Tochter Dr. Ilse Bing war einige Zeit in England
als Kinderärztin tätig, ist aber bereits am 6. Januar 1972 in Basel verstorben.
Genealogische Informationen zu Moritz Bing
https://www.geni.com/people/Moritz-Bing/6000000086248690846
Familie Weyl: Ende der 1920er-Jahre lebte für wenige Jahre ein jüdisches
Ehepaar in Plochingen, das in der Esslinger jüdischen Gemeinde eingetragenes
Mitglied war. Die Adressliste der jüdischen Gemeinde von 1929/30 erwähnt den
Fabrikanten Max Weyl in der Alten Bahnhofstraße in Plochingen (heute Anfang der
Esslinger Straße im Bereich des Union-Theaters). Max Julius Weyl ist am 2. Mai
1897 in Bocholt geboren und hat Ilse geb. Archenhold geheiratet, die am 19. März
1903 geboren ist. Das Ehepaar ist am 10. Oktober 1927 nach Esslingen gezogen,
danach nach Plochingen und von dort am 15. März 1930 wieder weggezogen. Unklar ist, wo Max Weyl als Fabrikant tätig war. Im Bereich der
Alten Bahnhofstraße in Plochingen gab es von 1918 bis 1935 eine ab Oktober 1918
eine Filiale der Ludwigsburger Holzspielzeugfabrik O. und M. Haußer
(Ludwigsburg), doch gibt es keinen Nachweis für eine Beziehung zwischen Weyl und
dieser Fabrik.
Über die Eltern von Max Julius Weyl ist bekannt: Sein Vater hieß Salomon Weyl
(Fabrikant, geb. 2. Dezember 1859 in Coesfeld, gest. 28. Januar 1923 in Bonn); seine Mutter Aurelia (Aurelie) Weyl geb. Stern
ist am 14. August 1875 in Holzminden als Tochter von Joel Stern und Johanna geb.
Klestadt geboren und war seit 1896 (in Bocholt) mit Max Julius Weyl verheiratet,
Sie lebte zuletzt in Bocholt, Bahnhofstraße 16 und wurde am
31. Juli 1942 ab Münster mit dem Transport XI/1, č.
889 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 29. August 1942
umgekommen ist. Zur Erinnerung an Aurelia Weyl liegt in Bocholt, Bahnhofstraße
16 ein "Stolpersteine", siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bocholt.
Max Julius Weyl und seine Frau Ilse konnten in der NS-Zeit in die USA emigrieren.
Die beiden wohnten 1949 in Kew Gardens, New York. Er starb am 13. Februar 1964, Ilse am 21. April 1966. Ihre Gräber sind im Maple
Grove Cemetery, Kew Gardens, Queens County, New York, USA. Siehe:
https://de.findagrave.com/memorial/195810872/max-j.-weyl
Anmerkung: Max Julius Weyl steht in keinem Zusammenhang mit der Plochinger
Mühlstein-Fabrikantenfamilie Gustav und Walter Weyl, die evangelisch war.
Genealogische Informationen zu Familie Weyl-Stern siehe über
https://www.geni.com/people/Aurelie-Weyl/6000000017957098371. .
Anfang 1945 war Plochingen eine der letzten Stationen der Odysee des
jüdischen Ehepaares Max und Ines Krakauer
(weitere Seite): vom 16. Januar bis 1. Februar 1945 war das Ehepaar versteckt
bei Familie Bopp in der Esslinger Straße. siehe
Artikel
in der Eßlinger Zeitung vom 9.1.2020 (als pdf-Datei eingestellt) .
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim /
Ries)
Brief
des Schultheißenamtes Jebenhausen
an das Schultheißenamt Plochingen
bezüglich einer Einforderung einer Schuld
(1837) |
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In dem abgebildeten Brief geht es um eine noch ausstehende Schuld des
zwischenzeitlich verstorbenen Bäckers Maurer aus Plochingen (vermutlich
Johann Georg Maurer, geb. 1783 in Plochingen, gest. 2. Dezember 1836 in
Plochingen) an Isaak Ottenheimer von Jebenhausen. Dieser geht den damals wahrscheinlich
üblichen Weg über die Schultheißenämter, um eine Begleichung der noch offen stehenden Schuld zu erreichen bzw. zumindest seinen
Anspruch noch geltend zu machen. Der Brief datiert vom 30. Januar 1837,
beziehungsweise (Briefumschlag) vom 14. Februar 1837.
Zur Familie von Isak Ottenheimer:
Isak Ottenheimer (geb. 1770, gest. 1852) war verheiratet mit Sara Weil aus
Wallerstein (geb. 1773, gest.
1827).
Das Paar hatte 6 Kinder:
1. Salomon, geboren 1799, nach Amerika ausgewandert, gestorben in Paris am 22. Februar
1877.
2. Maier
3. Leopold, geboren 1806, nach Amerika ausgewandert.
4. Jüttle, geboren 1809, nach Amerika ausgewandert.
5. Heinrich, geboren 1810, nach Amerika ausgewandert.
6. Moses, geboren 1811, nach Amerika ausgewandert.
Quelle: Die Geschichte der Juden von Jebenhausen und Göppingen, von Dr. Aron Tänzer, 1927.
S. 353. |
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Fotos
Otto Konz und seine
Frau Antonie geb. Weißenburger
(Quelle: Reiner s. Lit. Bd. I, S. 53) |
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Das Foto entstand 1903
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Kaufmann Moritz Bing
und seine Tochter Ilse
(Foto: privat) |
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Das Foto entstand in der
Zeit des Ersten Weltkrieges |
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Gräber von Max und Ilse Weyl
(Quelle:
https://de.findagrave.com/memorial/195810872/max-j.-weyl)
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Esslingen.
Geschichte, Quellen und Dokumentation. (Esslinger Studien. Schriftenreihe
Band 14). Sigmaringen 1994. S. 359. |
| Manfred Reiner: Plochingen und der Neckar.
Plochinger Wegspuren Bd. 1. Plochingen 1993. Darin S. 52-55: Die Plochinger
Jahre des Otto Konz. |
| ders.: Plochingen im "Tausendjährigen Reich". Teil 1:
Weimarer Jahre - Hitlers Reich bis Kriegsbeginn 1920-1939. Plochingen 2002.
Darin Jüdisches Leben in Plochingen S. 126-133. |
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