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Rastatt)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis Anfang des 19. Jahrhunderts zur Herrschaft
Hessen-Darmstadt gehörenden Lichtenau bestand eine jüdische Gemeinde bis
1939/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. 1631
wird Jud Anstett am Ort genannt, der einen Handel eröffnete. 1790 gab es 12 jüdische
Haushaltungen in der Gemeinde. Schon im 17. und 18. Jahrhundert durften die Juden in
Lichtenau offene Kramläden für den Vertrieb u.a. von Tuchen, Leder, Kleider,
Wäsche, Schule und Eisenwaren betreiben.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 113 jüdische Einwohner (10,4 % von insgesamt 1.087 Einwohnern),
1867 214 (17,4 % von 1.240), höchste Zahl um
1871 mit 244 Personen, 1875 228 (17,6 % von 1.297), 1880 211 (16,2 % von
1.304), 1900 164 (14,4 % von 1.140), 1910 128 11,0 % von 1.165).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden
auf dem Friedhof in Kuppenheim, seit etwa
1830 meist in Freistett beigesetzt. Um 1891
werden bei einer Blattern-Epidemie auch einige jüdische Personen auf zwei Begräbnisstätten
in Lichtenau beigesetzt. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Die jüdischen Kinder erhielten
den Unterricht in den allgemeinen Fächern bereits seit Anfang des 19.
Jahrhundert (Bericht von 1809) gemeinsam mit den christlichen Kindern in der
christlichen Volksschule des Ortes. Der Religionsunterricht wurde ihnen durch
den jüdischen Lehrer erteilt. Dafür stand ein allerdings relativ kleiner Raum
im Wohnhaus des Lehrers ("Israelitisches Schulhaus") zur
Verfügung, den die Behörden immer wieder beanstandeten. Seit der Auflösung der Konfessionsschulen in Baden 1876 bestand
eine christlich-jüdische Gemeinschaftsschule, in der in den folgenden Jahrzehnten
auch ein jüdischer Hauptlehrer unterrichtete (s.u. Berichte über Lehrer
Lazarus Lehmann). Das rituelle Bad (ursprünglich im Untergeschoss des
jüdischen Schulhauses) wurde 1854/55 neu am Nordrand des
Lindenplatzes erstellt (1903 wurde das Badhaus nach Erstellung eines nochmals neuen
Badhauses hinter der Synagoge verkauft und später abgebrochen).
Seit 1827 gehörte die Gemeinde zum
Rabbinatsbezirk Bühl.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Ernst Kaufmann
(geb. 26.2.1892 in Lichtenau, gef. 13.7.1915),
Berthold Roos (geb. 14.12.1893 in Lichtenau, gef. 13.3.1916) und Siegwart Roos
(geb. 10.10.1897 in Lichtenau, gef. 23.10.1917). Außerdem ist gefallen:
Herbert Kaufmann (geb. 25.4.1888 in Lichtenau, vor 1914 in Achern wohnhaft, gef.
16.4.1888). Auf
der Gefallenengedenktafel des
Friedhofs Lichtenau finden sich die Namen von fünf jüdischen Gefallenen
des Ersten Weltkriegs aus Lichtenau. Die Namen stehen auch auf einem
Gefallenendenkmal für die jüdischen Gefallenen aus Lichtenau im
jüdischen Friedhof Freistett.
Um 1924, als noch 114 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten (9,9 %
von 1.150 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Leopold Roos und Michael
Kaufmann. Weiterhin war der inzwischen über 80jährige Lazarus Lehmann
Religionslehrer, Lehrer und Kantor der Gemeinde). Damals erteilte er den
Religionsunterricht noch 9 Kindern aus der Gemeinde. An jüdischen Vereinen gab
es die beiden Wohltätigkeitsvereine: den Männerverein (1932 unter
Leitung von Louis Roos mit 34 Mitgliedern) und den Frauenverein
(gegründet 1860, siehe Bericht zum 25jährigen Jubiläum unten; 1924/32 unter
Leitung der Frau von Leopold Roos mit 35 Mitgliedern). In den örtlichen
Vereinen wie Gesang-, Turn- oder Fußballverein gab es jeweils mehrere aktive
jüdische Vereinsmitgliedern (vgl. die Aktivitäten des Gesangvereines bei den
Jubiläen von Lehrer Lehmann, s.u.; Lehmann war zuletzt Ehrenmitglied des
Gesangvereins). 1932 waren die Gemeindevorsteher Leopold Roos (1. Vors.),
Leo Weil (2. Vors.) und Heinrich Durlacher (3. Vors.). Seit dem Tod von Lehrer
Lehmann war als Lehrer und Kantor Adolf Reutlinger angestellt.
Bis nach 1933 bestanden zahlreiche Handels- und Gewerbebetriebe am Ort
(Manufakturwarengeschäfte, Eisenwarenhandlung, Korbwarenhandlung,
Viehhandlungen u.a.m.), die jüdischen Einwohnern gehörten. Dabei handelte es
sich im einzelnen um:
Manufakturwarengeschäft Arthur Adler (Hauptstraße
49), Manufakturwarengeschäft Berta Cahn (Hauptstraße 27), Viehhandlung Löb
Cahn (Hauptstraße 33), Schuhgeschäft Heinrich Durlacher (Hauptstraße 32),
Schneiderei Ludwig Essinger (Wörtstraße 1), Seifengeschäft Joseph Hammel
(Kronenstraße 3), Viehhandlung Abraham Kaufmann (Hauptstraße 68),
Manufakturwarengeschäft Abraham Kaufmann (Hauptstraße 14), Vieh- und
Mehlhandlung Abraham Kaufmann (Mühlstraße 5, kriegszerstört), Mehl-,
Getreide- und Futtermittelhandlung Hedwig Kaufmann (Hauptstraße 40),
Viehhandlung Julius Kaufmann (Mühlenstraße 4), Viehhandlung Leopold Kaufmann
(Pfarrstraße 7), Viehhandlung Louis Kaufmann (Schmiestraße 1), Viehhandlung
Elias Roos (Hauptstraße 54), Viehhandlung Leopold und Alfred Roos (Pfarrstraße
2), Manufakturwarengeschäft Lippmann Roos (Hauptstraße 25), Viehhandlung
Michel Roos (Hauptstraße 37), Eisenwarenhandlung Nathan Roos (Hauptstraße 60),
Viehhandlung Samuel Roos (Hauptstraße 29), Viehhandlung und Kolonialwarengeschäft
Leo Weil (Pfarrstraße 3, abgebrochen).
1933 lebten noch 84 jüdische Personen in Lichtenau. Auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung ist
in der Folgezeit (bis zur Deportation 1940) der größere Teil von Ihnen von Lichtenau verzogen oder
ausgewandert. Etwa die Hälfte der jüdischen Einwohner konnte emigrieren,
hauptsächlich nach Frankreich, nach den USA und Palästina. 10 der jüdischen
Einwohner starben bis 1940 am Ort (dazu an Suizid der Kaufmann Emil Lehmann).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge
zerstört, die jüdischen Männer verhaftet und über Kehl in das KZ Dachau
verschleppt. Ernst Roos wurde am 1. Dezember 1938 auf dem SS-Schießplatz
Prittelbach bei Dachau erschossen; auch Michael Roos starb in Prittelbach.
Am 22. Oktober 1940 wurden aus Lichtenau 24 jüdische Einwohner nach Gurs
deportiert, von denen nur 7 überlebten, mindestens 16 umkamen (noch in
Südfrankreich oder nach einer weiteren Deportation in die Vernichtungslager
nach Polen).
Von den in Lichtenau geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; die Liste ist nicht
vollständig; die Recherche über die angegebenen Quellen schwierig, da es auch
im westfälischen Lichtenau eine jüdische Gemeinde gab):
Arthur Adler (1887), Karl Adler (1925), Paula Adler geb. Cahn (1895), Arthur
Durlacher (1923), Heinrich Durlacher (1887), Frieda Grumbacher geb. Roos (1873),
Selma Guggenheim geb. Kaufmann (1897), Babette Kaufmann (1868), Flora Kaufmann
geb. Bloch (1881), Frieda Kaufmann geb. Kaufmann (1896), Johanna Kaufmann (),
Klara Kaufmann (), Louis Kaufmann (1887), Paul Kaufmann, Seline Kaufmann (1898),
Emil Lehmann (1874), Richard Lehmann (1878), Alfred Roos (1884), Berthold Roos
(1920), Betty Roos (1884), Camilla Roos (), Ernst Roos (1874), Heinrich Roos
(1874), Hilde Roos geb. Roos (1889), Julius Roos (1882), Leo Roos, Louis
(Ludwig) Roos (1892), Marthe Roos (1926), Michael Roos (1865), Rosa Roos (1924),
Samuel Roos (1877), Sophie Roos geb. Roos (1869), Thekla Roos (1878), Nelly Weil
geb. Kaufmann (1893).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Über Lehrer Simon Rosenthal (ca. 1786 - 1863)
Von
1811 bis 1862 war - über 50 Jahre in Lichtenau - als Lehrer, Vorbeter und
Schochet Simon Rosenthal
tätig. Er starb am 14. März 1863 und wurde in Freistett
beigesetzt. Sein Grabstein ist erhalten (links) mit der Inschrift:
"Hier ruht Herr Simon Rosenthal aus Lichtenau, der mit seiner Melodie
dirigierte 50 Jahre lang, heiligte seine Arbeit, und im 77. Jahr seines
Daseins nahm ihn Gott am 23. Adar 5623" (= 14. März 1863).
(Quelle und Foto: Peter Strauss, Oakland CA., Nachkomme von Simon
Rosenthal) |
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und
Vorsängers (1855)
Anmerkung: Lehrer Simon Rosenthal ist vermutlich 1855 offiziell von seinen
Aufgaben zurückgetreten, daher wurde die Stelle neu ausgeschrieben. In welcher
Weise er in den folgenden Jahren - bis zu seinem Tod 1863 - seinen Aufgaben
weiter nachgekommen ist beziehungsweise ob die Stelle anderweitig besetzt wurde,
ist nicht bekannt. 1862 kam jedenfalls Lehrer Lazarus Lehmann nach Lichtenau
(siehe unten).
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 22. August 1855 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Die
Religionslehrer- und Vorsängerstelle bei der israelitischen
Gemeinde Lichtenau ist durch freiwilligen Rücktritt ihres
bisherigen Inhabers vakant geworden und soll in Bälde wieder besetzt
werden. Mit derselben ist ein fixer Gehalt von 225 fl. nebst freier
Wohnung und Beheizung des Schulzimmers, ferner der Schächterdienst
mit den davon abhängigen Gefällen verbunden. Schulgelder werden keine
bezahlt; auch sind keine andern Vorsänger Akzidenzien als bei Hochzeiten
und Beschneidungen zu gewärtigen; dagegen wird für Unterricht und
Leitung des gottesdienstlichen Choralgesangs ein besonderes jährliches Honorar
von 25 bis 40 fl. erteilt. Inländische Kandidaten werden eingeladen, ihre
Bewerbungen unter Beischließung ihrer Aufnahmeurkunden und Zeugnisse
durch die ihnen vorgesetzten Bezirksrabbinate bei der Bezirkssynagoge
Bühl innert 6 Wochen einzureichen."
|
Über Lehrer Lazarus Lehmann
Lehrer
Lazarus Lehmann war über mehrere Jahrzehnte die prägende Gestalt im Leben der
jüdischen Gemeinde Lichtenau. Er stammte aus Wenkheim,
wo er am 18.1.1841 geboren ist. 1862 kam er als Religionslehrer nach Lichtenau.
Nach Auflösung der Konfessionsschulen in Baden 1876 wurde der begabte Lehrer in
den badischen Schuldienst übernommen und war seit 1878 als Unterlehrer, seit
1879 als Hauptlehrer an der gemischten christlich-jüdischen Volksschule in
Lichtenau tätig. An dieser Volksschule unterrichtete er bis nach der Zeit des Ersten Weltkrieges. In der jüdischen Gemeinde war es bis zu seinem
Tod 1926, d.h. fast 65 Jahre lang als Vorbeter (Kantor), Seelsorger und Schochet
tätig. Seine Wohnung in Lichtenau war in Gebäude Hauptstraße 35a. Er starb am
30. September 1926 in Lichtenau (Foto des Grabsteines siehe Seite zum
jüdischen Friedhof Freistett).
Hauptlehrer Lehmann
spricht bei einer Versammlung der jüdischen Lehrer des Rabbinatsbezirkes Bühl
(1886)
Artikel
in "Die jüdische Presse" vom 9. Dezember 1886: "Bühl,
4. Dezember (Original-Korrespondenz). Jüngsten Sonntag versammelten sich
hier nach vorhergegangener Einladung durch den Bezirks-Rabbiner Herrn Dr.
Mayer sämtliche israelitischen Lehrer des Rabbinatsbezirks
Bühl zur Abhaltung der auf diesen Tag
anberaumten Konferenz. Der Herr Bezirks-Rabbiner hieß die Versammelten,
denen sich auch der derzeitige Bezirksälteste Herr Dr. M. Wertheimer
und Synagogenrat S. Weil dahier angeschlossen hatten, herzlich
willkommen und hob den Anwesenden in wenigen, aber geistreichen Worten den
Wert solcher Versammlungen für den Unterricht hervor. Hierauf erteilte
derselbe dem Hauptlehrer Jacob dahier das Wort zu seinem Referate
über den biblisch-geschichtlichen Religionsunterricht. ... In
der hieran anschließenden Diskussion, an welcher Hauptlehrer Lehmann
aus Lichtenau, Lehrer Levy aus
Rheinbischofsheim, Lehrer
Maiersohn aus Rastatt und andere sich
beteiligten, wurde dieser Vereinigung beigestimmt, aber auch hervorgehoben,
dass in den so genannten Religionsschulen, denen für den Religionsunterricht
mehr Zeit zur Verfügung steht, diese Unterrichtsgegenstände ausführlicher
behandelt werden können. Hierauf sprach Lehrer Pollaschek aus
Bodersweier über den Wert des
Pentateuchunterrichts und hob insbesondere die Schwierigkeit hervor, die dem
Lehrer hierbei dadurch bereitet wird, dass so manche Eltern diesem wichtigen
Unterrichtsgegenstand so wenig Sympathie entgegenbringen. Auch von den
anderen Lehrern, die an der hierauf folgenden Besprechung sich beteiligten,
wurde dieser Indifferentismus tief beklagt. Herr Bezirks-Rabbiner Dr. Mayer
legte jedoch in seiner Schlussrede den anwesenden Lehrern dringend ans Herz,
sich hierdurch nicht stören zu lassen und ihren Obliegenheiten umso
gewissenhafter nachzukommen. Im Allgemeinen glaubte der Vorsitzende den
Lehrern bezüglich des geschichtlichen Unterrichts und unter Bezugnahme auf
das Referat des Herrn Hauptlehrers E. Jakob den Wink geben zu sollen,
dass es nicht so wohl darauf ankomme, sich bei einzelnen unerheblichen
geschichtlichen Erzählungen aufzuhalten, als vielmehr durch lichtvolle
Rekapitulationen des Geschichtsstoffes denselben dem Gedächtnisse der Kinder
dauernd einzuprägen, mit anderen Worten dem Unterricht einen mehr intensiven
als extensiven Charakter zu verleihen. Nachdem hierauf die Tagesordnung für
die nächstjährige Konferenz festgestellt war, vereinigte man sich zu einem
gemeinschaftlichen Mittagessen, bei welchem neben guten Speisen und
Getränken auch der gemütliche Teil, Toaste, gesangliche und humoristische
Vorträge nicht fehlten. Erst am späten Abend trennte man sich, mit dem
Bewusstsein, einen genussreichen Tag verlebt zu haben." |
25-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer Lazarus Lehmann
(1887)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1887:
"Lichtenau (Baden). Am 8. Mai feierte der an der hiesigen
gemischten Volksschule angestellte Hauptlehrer Lehmann sein 25jähriges
Dienstjubiläum. Derselbe genießt sowohl bei seinen Glaubensgenossen, als
auch bei den anderen Konfessionen die höchste Achtung. An dem Festtage
brachte der Gesangverein bei Fackelzug ein Ständchen und hielt der
Dirigent derselben, einer christlicher Kollege des Herrn Lehmann, eine
Rede, in welcher er die Verdienst des Jubilars hervorhob, die er sich
durch seine 25jährige Tätigkeit in hiesiger Gemeinde
erworben." |
40-jähriges Ortsjubiläum von Hauptlehrer Lehmann (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1902: "Lichtenau
(Baden), 18. Juni (1902). Aus Anlass seines vierzugjährigen
Dienstjubiläums, wurde Herr Hauptlehrer Lehmann vom Großherzoglichen
Oberrat der Israeliten heute freudig überrascht durch Übersendung eines
über einen Meter hohen, prachtvoll eingerahmten Bildes unseres
Großherzogs, nebst einem Anerkennungsschreiben, unterzeichnet vom
Ministerialrat Becherer.
Am 8. Mai waren es 40 Jahre, seitdem Herr Lehmann ununterbrochen in
hiesiger Gemeinde wirkt und zwar zuerst seit 1862 als Religionslehrer,
1878 als Unterlehrer und seit 1879 als Hauptlehrer an der gemischten
Volksschule und hat derselbe sich während dieser Zeit durch seinen Fleiß
und Pflichttreue die Achtung und Liebe seiner Bekannten und Vorgesetzten
erworben; er ist seit einigen Monaten sogar erster Hauptlehrer. Obschon
Herr Lehmann in seiner Bescheidenheit von einer öffentlichen Feier nichts
wissen wollte, ließen es sich seine Bekannten und Freunde nicht nehmen,
diesen Tag zu feiern. Von ehemaligen Schülern aus Nah und Fern trafen
schriftliche und telegraphische Glückwünsche und Geschenke ein, sogar
ein besonders namhaftes von einem ehemaligen Schüler aus London.
Der christliche Gesangverein 'Sängerbund' brachte dem Jubilar abends ein
Ständchen und einen Fackelzug. Der israelitische Wohltätigkeitsverein
veranstaltete nachträglich Herrn Hauptlehrer Lehmann zu Ehren ein
Bankett, welches in glänzender Weise verlief und an welchem auch der Herr
Bürgermeister und Ratschreiber von hier bis zum frühen Morgen
teilnahmen.
Möge es dem Jubilar vergönnt sein, noch viele Jahre hier zum Glück und
Segen, gesund und rüstig so weiter zu wirken und auch sein 50jähriges
Dienstjubiläum hier zu feiern." |
Hauptlehrer Lazarus Lehmann sucht ein Poroches (Toraschreinvorhang, 1908)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1908: "Ein
seidensamtes, silbergesticktes, weißes Parochos für Rosch Haschana
ist zu fertigen.
Offerten nimmt Hauptlehrer Lehmann in Lichtenau (Baden)
entgegen, der auch nähere Auskünfte erteilt." |
Hauptlehrer Lazarus Lehmann erhält eine Auszeichnung (1912)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 17. Mai 1912:
"Lichtenau (Baden). Hauptlehrer Lazarus Lehmann erhielt das
Verdienstkreuz vom Zähringer Orden." |
Zum Tod von Hauptlehrer a.D. Lazarus Lehmann (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Oktober 1926: "Hauptlehrer
a.D. L. Lehmann - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -.
Lichtenau in Baden, 14. Oktober (1926). Am 30. September dieses Jahres, am
23. Tischri, entschließ eingangs Simchas Tora der Hauptlehrer a.D.
L. Lehmann in Lichtenau in Baden, im Alter von 86 Jahren. Mit ihm ist eine
wahrhaft seltene Persönlichkeit dahingegangen, die weit über den Kreis
der engen Heimat und des Badenerlandes bekannt und geschätzt war.
Dementsprechend gestaltete sich die Beisetzung zu einer großen
Trauerkundgebung, an der neben Kultus- und weltlichen Behörden, des
Gesangvereins und der Feuerwehr, viele ehemalige Schüler aus Nah und Fern
teilnahmen. Herr Bezirksrabbiner Dr. Zlocisti, Offenburg in Baden, rühmte
die Verdienste des Entschlafenen, der 41 Jahre als Lehrer an der
Elementarschule und über 65 Jahre als Religionslehrer und Kantor der
jüdischen Gemeinde segensreich gewirkt hatte und den 3 Generationen
seiner Schüler aufrichtig betrauern. Namen des Oberrats der badischen
Juden bedauerte Herr Dr. Marx, Karlsruhe, den Tod des vortrefflichen
Mannes, mit dem das Judentum einen seiner Besten verloren habe. Herr
Oberkantor Grünfeld, Baden-Baden, sprach im Namen der badischen Kantoren
und Lehrer, denen der Verstorbene leuchtendes Vorbild war. Herr Rabbiner
Dr. Mayer, Bühl, sprach als langjähriger Freund und Mitarbeiter des
Verstorbenen. Herr Josef Kaufmann, Kehl, brachte sein Beileid für die
früheren Schüler dar, Herr Bürgermeister Zimmermann für die politische
Gemeinde, Herr Junitsch namens des Gesangvereins, dessen Ehrenmitglied der
Verstorbene war. Es sprachen ferner Herr Leopold Roos als Vorsteher der
jüdischen Gemeinde, Herr Lehrer Hirschberg, Neufreistett als Kollege der
Nachbargemeinde. Herr Pfarrer Bühler von der evangelischen
Kirchengemeinde schilderte den Heimatgegangenen als Freund und
vorbildlichen Kollegen, dem er besonders durch gemeinsame soziale Arbeit
vieles zu verdanken habe. Er wünscht, dass die jüdische Gemeinde
Lichtenau stets solche Männer an ihrer Spitze habe. ein guter Jude, ein
wahrer Freund und Wohltäter, ein liebevoller Hatte und Vater ist mit ihm
dahingegangen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Über das 25-jährige Jubiläum des
Israelitischen Frauenvereins (1886)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1886: "Lichtenau
am Rhein. Im Jahre 1860 Schabbat Behar (Schabbat mit der
Toralesung Behar = 3. Mose 25,1 - 26,2; das war Schabbat, 19. Mai
1860) wurde in hiesiger Gemeinde, in Folge einer Predigt des seligen Bezirksrabbiner
Schott von Bühl, in welcher derselbe von Wohltätigkeit sprach und zur
Gründung von Wohltätigkeitsvereinen aufforderte, ein jüdischer
Frauenverein gegründet, welcher sich die Aufgabe stellte, kranke Frauen
hiesiger israelitischer Gemeinde zu unterstützen und wo Hilfe bei
dürftigen Mitgliedern nötig ist, sie zu leisten.
Am jüngsten Schabbat Behar (15. Mai 1886) stiftete dieser Verein auf
Antrag seines Vorstandes Löb Kaufmann und Schriftführers, Hauptlehrer
Lehmann und des Rechners Samuel Roos zu seinem 25-jährigen Bestehen ein
prachtvoll gesticktes Parochet (Toraschreinvorhang) in die hiesige
Synagoge.
Herr Bezirksrabbiner Dr. Mayer aus Bühl, der erst kürzlich seine Stelle
antrat und an diesem Sabbat zum erstenmal hier predigte, nahm Veranlassung
in seiner trefflichen Predigt, in welcher er zum Festhalten am Glauben und
Judentum ermahnte, über den religiösen Sinn der edlen Spenderin seine
Anerkennung auszusprechen. Das Parochet wurde von Herrn A. Schwab in
Strassburg im Elsass gefertigt und gereicht die pünktliche Arbeit und die
Ausführung des Ganzen, welche von Geschmack und reellem Kunstsinn zeugt,
Herrn Schwab zur Ehre." |
Auswirkungen der antisemitischen Hetze (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Februar 1894:
"Lichtenau (Baden), 29. Januar (1894). Wie weit es die hiesigen
'hohen' Herren mit ihren antisemitischen Hetzereien gebracht, beweist der
Mordanfall, den 2 junge Burschen am Samstagabend, am Kaisers Geburtstag,
auf einen Israeliten von etwa 60 Jahren machten. Der Angefallene trug 4
Wunden auf dem Kopfe davon. Der Anfall geschah auf der Brücke zwischen
Lichtenau und Ulm. Dass dieser Anfall geplant war, beweist der Umstand,
dass die Strolche dem Überfallenen eine Strecke nachgeschlichen waren.
Gendarmerie wurde sofort benachrichtigt; durch verschiedene Äußerungen
der Täter ist man denselben auf der Spur. - In derselben Nacht wurde in
Lichtenau einem Synagogenrat die kleine Türe am Hofgitter ausgehoben und
entwendet. Das also ist die Ernte, deren Saat die verschämten und
unverschämten Antisemiten ausgestreut haben." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Baruch Kaufmann (1894)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1894:
"Lichtenau (Baden). Am 13. April starb dahier unerwartet rasch der
allgemein geachtete Bürger H. Baruch Kaufmann. Derselbe war lange Zeit
Vorstand hiesiger israelitischer Gemeinde, war seit 18 Jahren bis zu
seinem Tode Mitglied des Gemeinderats und der Ortsschulkommission und
bekleidete längere Zeit das Amt eines Bezirksrats. - Bei dem am 22.
dieses Monats stattgehabten 25jährigen Stiftungsfeste der freiwilligen
Feuerwehr wurde unter anderen auch der hiesige israelitische Bürger
Samuel Roos IV, der 25 Jahre dem Corps angehörte, mit einem von Seiner
Königlichen Hoheit dem Großherzog gestifteten Ehrenzeichen und einem
Diplom ausgezeichnet." |
Goldene Hochzeit von Max Kaufmann und seiner Frau
(1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. November 1908:
"Lichtenau (Baden), 20. November (1908). Am Dienstag, 17. dieses
Monats, feierte das Max Kaufmann'sche Ehepaar in geistiger Frische das
Fest der goldenen Hochzeit in engstem Familienkreise. Das Jubelpaar wurde
von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog durch eine silberne
Denkmünze beehrt. Bezirksrabbiner Dr. Maier aus Bühl hielt im Hause der
Gefeierten nach dem Mincha-Gottesdienste eine zu Herzen gehende
Rede und überreichte dem goldenen Hochzeitspaare eine vom
Großherzoglichen Oberrate übersandte Mappe mit synagogalen Bildern nebst
einer Widmung. Hieran reihten sich die kurzen Ansprachen des
Schwiegersohns des Jubelpaars, Herrn Rechtsanwalt Veit aus Offenburg und
des Herrn Hauptlehrer Lehmann von hier. Möge den Gefeierten ein
gesegneter heiterer Lebensabend beschieden sein. Es ist dies die dritte
Goldene Hochzeit, die binnen eines ganz kurzen Zeitraumes in der hiesigen
israelitischen Gemeinde gefeiert wird." |
Drei jüdische Ehepaar aus Lichtenau feiern Goldene Hochzeit (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1908: Bühl
in Baden, 18. Oktober (1908). Im nahen Lichtenau mit ungefähr 30
jüdischen Familien, feierten respektive feiern innerhalb weniger Wochen 3
israelitische Ehepaare in voller Rüstigkeit das seltene Fest der goldenen
Hochzeit und zwar die Eheleute Moses Weil, Josef Kaufmann, und Marx
Kaufmann." |
Wiederwahl vom Emil Roos in den Gemeinderat (1913)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. November
1913: "Lichtenau. Emil Roos ist einstimmig in den Gemeinderat wiedergewählt
worden." |
Dr. med. Sally Friedrich Roos erhält das Eiserne Kreuz (1915)
Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23.
Juni 1916: "Mannheim. Dr. med. Sally Friedrich Roos - Lichtenau
und Feldzahnarzt Hermann Mansbach - Mannheim erhielten das Eiserne
Kreuz." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Lehrlingssuche der Eisenkurzwaren-, Werkzeug, Öfen-, Haus- und
Küchengerätehandlung Nathan Roos (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai 1900: "Lehrlings-Gesuch.
Für meine Eisenkurzwaren-, Werkzeug-, Ofen-, Haus- und
Küchengerätehandlung suche per sofort oder 1. Juli einen Lehrling und
einen Volontär. Kost und Logis im Hause. Samstags und Feiertage
geschlossen.
Nathan Roos, Lichtenau. Baden." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1900: "Lehrlings-Gesuch.
Für meine Eisenkurzwaren-, Werkzeug-, Ofen-, Haus- und
Küchengerätehandlung suche per 15. August oder 1. September einen
Lehrling und einen Volontär. Kost und Logis im Hause. Samstags und
Feiertage geschlossen.
Nathan Roos, Lichtenau, Baden." |
Anzeigen des Manufaktur- und Kurzwarengeschäftes Cahn (1900 / 1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juli 1900: "Suche
per sofort einen
Lehrling
mit guten Schulkenntnissen. Kost und
Wohnung im Hause. Samstag und Feiertage geschlossen.
B. L. Cahn Witwe,
Inhaber: Baruch Cahn,
Manufaktur- und Kurzwarengeschäft, Lichtenau,
Baden." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. Oktober 1902: "Suche per sofort einen
Lehrling
mit guten Schulkenntnissen. Kost und Wohnung im Hause. Samstage und
Feiertage geschlossen.
B. L. Cahn Witwe, Inhaber Baruch Cahn,
Manufaktur-, Aussteuer- und Kurzwarengeschäft Lichtenau
(Baden)." |
Anzeige von Babette Kaufmann (1912)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 22. November 1912: "Ärztlich geprüfte Israelitische
Wochenpflegerin nimmt noch Stellen an. Näheres durch
Frl. Babette Kaufmann Lichtenau (Baden)."
|
Verlobungsanzeige von Gertrud Sichel und Theo Weil
(1930)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juni
1930: "Statt Karten!
Gertrud Sichel - Theo Weil. Verlobte.
Kleinheubach - Main
- Lichtenau in Baden". |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Erste Berichte über jüdische
Gottesdienste in Lichtenau liegen aus den 1730er-Jahren vor. Im Haus des Marx
Kaufmann (vielleicht bereits das von ihm 1743 für 320 Gulden gekaufte
zweistockige Haus Ecke Landstraße und Mühlweg) trafen sich die jüdischen Männer
der drei Lichtenauer und der vier Rheinbischofsheimer
Familien unregelmäßig am Schabbat und an den Feiertagen. Kaufmann selbst übernahm
den Dienst des Vorsängers. Da die Juden hierzu keine herrschaftliche Erlaubnis
hatten, wurden die Teilnehmer dieser Versammlungen 1736 zur Verantwortung
gezogen. Sie meinten freilich, dass es sich bei ihrer Zusammenkunft nicht um
einen "ordentlichen Schulgang" gehandelt habe und sie sich auch keiner
Übertretung schuldig fühlten. Oberamtmann Bassy war unnachsichtig und belegte
Kaufmann mit einer hohen Strafe von 20 Gulden; die beiden Mitangeklagten hatten
je fünf Gulden zu bezahlen. Das Regierungskollegium in Buchsweiler (Bouxwiller,
Elsass) reduzierte wenig später die Strafe um die Hälfte. Hierauf baten die
Lichtenauer Juden um die offizielle Erlaubnis, in Zukunft solche Zusammenkünfte
in ihren Wohnstuben abhalten zu dürfen. Für die Konzession wurden 75
Reichstaler gefordert, die sie in den kommenden Jahren in Raten abzahlten.
1810 erbaute die größer werdende jüdische Gemeinde auf
einem Bauplatz hinter dem Gasthaus "Linde" eine Synagoge. Es
handelte sich um ein einfaches Gebäude mit 50 Plätzen für die Männer und 36
für die Frauen. Vor dem Bau der Synagoge war schon 1808 auf dem Grundstück des
heutigen Kindergartens in der Schmiedstrasse ein israelitisches Schulhaus
(gemeint: Haus mit der Wohnung des Lehrers, in dem sich auch ein Raum für die
Erteilung des Religionsunterrichtes befand) erstellt worden.
Um 1835 wurde unter Schulhaus ein rituelles Bad
eingerichtet, das 1854 bauliche und hygienische Mängel aufwies und daher 1855
durch ein Badhaus am Lindenplatz ersetzt wurde.
1856 wurde eine neue Synagogenordnung verabschiedet. In ihr war
u.a. geregelt:
§ 4: Der Gottesdienstanzeiger. Er soll monatlich festgelegt und an der Tafel
angezeigt werden.
§ 5: Jeweils eine Viertelstunde vor bzw. nach dem Gottesdienst sind die Türen
zu öffnen bzw. zu schließen.
§ 6: Kinder, die noch keinen Religionsunterricht besuchen, sollen nicht am
Gottesdienst teilnehmen.
§ 7: Es ist anständige Kleidung erwünscht.
§ 8: Die steuer- oder personalpflichtigen Gemeindeglieder sollen einen
schwarzen Hut aufsetzen.
§ 10: In der Synagoge ist alles Umhergehen verboten, desgleichen das Grüßen,
Schwätzen, Zwicken, Necken und Lachen. Wer Tabat kaut wird aus der Synagoge
verwiesen.
§ 11: Beim Küssen der Tora ist das laute Schmatzen zu vermeiden.
§ 14: Mitsingen nur mit dem Kinderchor.
§ 17: Das Gebet für den Landesherrn, sein erhabenes Haus und Vaterland muss
von jedermann stehend angehört werden.
§ 20: a. Die Synagogenordnung soll dem Bezirksamt in Kork zur Genehmigung
vorgelegt werden. b. Sichtvermerkt des Bezirksrabbiners von Bühl.
1862 wurde bei einer Ortsbereisung in Lichtenau durch die
zuständige Behörde festgestellt, dass die Lichtenauer Synagoge inzwischen sehr
baufällig und zu klein sei: "Dies (ist) namentlich bei dem Frauenplatze
der Fall, welcher so beengt im Raume ist, dass die Mädchen gar nicht in die
Synagoge kommen können. Mit Reparaturen ist wenig zu helfen". Das
Bezirksamt bat die israelitische Gemeinde, das Problem sorgfältig zu beraten
und empfahl den Neubau einer Synagoge. Eine hierzu einberufene
Gemeindeversammlung der israelitischen Gemeinde stimmte zwar einem Neubau grundsätzlich
zu, aber man bat um einen Aufschub von zwei Jahren, da im Moment das Geld fehle.
Nur eine Minderheit sprach sich für einen sofortigen Baubeginn aus. Im Herbst
1862 wurde zunächst einmal die Frage nach dem Standort einer neuen Synagoge
diskutiert. Freilich vollzog sich in der Gemeinde mit der Zeit ein
Stimmungswandel. Eine Gemeindeversammlung am 30. November 1862 führte zum
Ergebnis, keinen Neubau zu erstellen, da es auf absehbare Zeit an den
finanziellen Mitteln fehlen würde. Das Bezirksamt beugte sich dieser
eindeutigen Haltung der Gemeindemehrheit. Nach einer dreijährigen Jahren
Denkpause sprach sich die Gemeinde dafür 1865 aus, die alte Synagoge zu
erweitern. Inzwischen war auch ausreichendes Kapital angespart worden, um mit
den Baumaßnahmen zu beginnen.
Ein Bausachverständiger hatte einen Plan erarbeitet,
wonach die Synagoge mit relativ geringen Mitteln in einen würdigen Zustand
versetzt werden könne, der größeren Raumbedarf berücksichtige. Das Gebäude
solle beim Westteil durch Verschiebung des Giebels um sechs Fuß erweitert
werden. Dadurch könne man für die Männer statt der bisherigen 50 Plätze künftig
120 Plätze einrichten. Auch für die Schulkinder könne Platz eingerichtet
werden und für die Frauen würden 60 statt den bisherigen 36 Plätzen zur Verfügung
stehen. Nachdem eine weitere Gemeindeversammlung diesen Plan befürwortete,
konnte ein entsprechendes Baugesuch im September 1867 vom Bezirksamt genehmigt
werden. Im Juni 1868 wurden die von Bürgermeister Ludwig vom Nachbarort
Grauelsbaum geleiteten Umbaumaßnahmen abgeschlossen. Die Synagoge konnte neu
eingeweiht werden.
Bis 1938 war die Synagoge in Lichtenau Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens am Ort.
Beim Novemberpogrom 1938 sollte die
Synagoge angezündet werden, wegen der Brandgefahr für ein ein Nachbargebäude
und das Gasthaus Linde soll man davon abgelassen haben. Der Innenraum wurde
jedoch geplündert, die Kultgegenstände zerstört. Das Synagogengebäude wurde
am 27. Dezember 1940 abgebrochen, der Platz eingeebnet.
Das Grundstück wurde 1945 dem israelitischen Oberrat zurückgegeben.
Es kam an die jüdische Vermögensverwaltung JRSO und wurde von dieser 1953 an
die politische Gemeinde Lichtenau veräußert. Die Bedingung für den Verkauf an
die Kommune war, dass das Gelände nicht bebaut werden darf, was im Grundbuch
festgehalten wurde. Die Freifläche umfasst 6,81 ar. Es ist heute der Vorplatz
zu dem Grundstück der israelitischen Schule erbauten Kindergarten und einem
Wohnhaus. Am 13. April 1986 wurde ein Gedenkstein aufgestellt. Bei der
Gedenkfeier waren auch mehrere ehemalige jüdische Lichtenauer anwesend.
Dokumente zur Aufstellung des Gedenksteines 1986:
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Einladung im "Amtsblatt
der Stadt
Lichtenau'" vom 5. April 1986 |
Bericht im "Badischen
Tagblatt"
vom 11. April 1986 |
Bericht im "Acher- und
Bühler Bote"
vom 12. April 1986 |
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Ausführliche Berichte
über
die Einweihung des Mahnmales
im April 1986 |
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Oben: Artikel
"Mahnmal enthüllt - Gedenken an jüdische Mitbürger" von Knut
Schilling
im "Acher- und Bühler Bote" vom 14. April 1986 |
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Oben: Artikel:
"Versöhnung Hand gereicht mit 'Shalom Alaichem - Friede sei mit
Euch' - Stimmen ehemaliger
jüdischer Mitbürger von Lichtenau zur
Feierstunde für das Mahnmal am einstigen Platz der Synagoge |
Die Schmiedstrasse hieß seit dem Bau der Synagoge im 19.
Jahrhundert bis nach 1933 "Synagogenstrasse". Eine Rückbenennung nach 1945 ist
nicht erfolgt.
Fotos
Historische Fotos:
Historische Fotos sind nicht bekannt, eventuelle
Hinweise bitte an
den Webmaster, E-Mail-Adresse siehe Eingangsseite |
Pläne:
Ausschnitt aus einem Plan von
Lichtenau mit eingezeichnetem
Synagogengrundstück an der
Schmiedstraße |
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Zeichnungen von 1810
(Publikation zur Einweihung siehe oben;
Quelle: Badische Landesbibliothek) |
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Jüdisches Schulhaus
(links) und Synagoge |
Grundriss der Synagoge
(links das Schulhaus) |
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Pläne zum Umbau der
Synagoge (1868)
(Quelle: L. Uibel s. Lit. S. 493) |
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Südseite des
Synagogengebäudes |
Querschnitt des
Synagogengebäudes |
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Pläne für die Sitze in
der Synagoge
(Quelle: L. Uibel s. Lit. S. 492) |
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"Die
Männer-Stühle" im Erdgeschoss: 120
Plätze wurden eingerichtet;
links vorne
saßen vermutlich die Schulkinder |
"Die Weiberstühle"
auf der Empore:
für die Frauen wurden 60 Plätze
geschaffen |
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Aus der Geschichte -
Erinnerungen
an den Ersten Weltkrieg |
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Jüdische Kriegsteilnehmer aus
Lichtenau
zum jüdischen Neujahrsfest Rosch
HaSchana 1915 |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Dezember 2019:
Reunion der Familien Roos -
Engagement von Stadtarchivar Patrick Götz
Anmerkung: zu einem Treffen von 65 Nachfahren
der aus Lichtenau stammenden Familie Roos kam es an Thanksgiving im November
2019 in News York/USA. Der Lichtenauer Stadtarchivar Patrich Roos hat dazu
einen erheblichen Beitrag geleistet. Er stellte Ahnentafeln zusammen und
recherchierte Familienschicksale und brachte auf diese Weise die
verschiedenen Familienzweige der Nachkommen untereinander in Kontakt.
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Artikel
im Acher- und Bühler Boten vom 28. Dezember 2019: "'Lücke in
kollektiver Identität geschlossen. Nachfahren der aus Lichtenau
stammenden Familie freuen sich über Forschungsergebnisse..." (zum
Lesen Textabbildung links anklicken oder über eingestellte
pdf-Datei des
Artikels).
Weiterer Artikel im Acher- und Bühler Boten vom 28. Dezember 2019: "Ein
'Lichtenauer' Treffen in New York. Archivar Patrick Götz macht durch
intensive Recherche die Zusammenkunft zahlreicher Roos-Nachfahren
möglich..."
Artikel als pdf-Datei eingestellt.
Online findet sich ein etwas ausführlicherer Artikel (von Wilfried
Lienhard):
Link zum Artikel (Artikel gleichfalls
als
pdf-Datei eingestellt). |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 179-180. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 365-367. |
| Ludwig Lauppe: Burg, Stadt und Gericht Lichtenau. Eine
heimatgeschichtliche Rückschau. Hemsbach 1984 S. 160-164 bzw. 1998² S.
187ff. |
| Ludwig Uibel: Die israelitische Gemeinde in Lichtenau im 19. Jahrhundert, in:
Die Ortenau 82 2002 S. 487. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Lichtenau Baden. Jews
are mentioned as temporary residents in the 17th century, forming a permanent
settlement only from the early 18th. Local pressure confined the Jews to
moneylending and the used clothing trade. Jewish homes were vandalized in the
revolutionary disturbances of 1848 and Jews were again victimized by
antisemitism in the 1880s and 1890s. In the early 20th century, most Jews were
cattle traders or shopkeepers and ran auxiliary farms. The Jewish population
reached 244 in 1871 and then declined steadily to 84 (total 1,090) in 1933.
Forty-six Jews left at this time, 20 emigrating. On Kristallnacht (9-10
November 1938), the remaining men were taken to the Dachau concentration camp,
whre two were shot. The last 24 Jews were deported to the Gurs concentration
camp on 22 October 1940; eight others were deported after leaving Lichtenau. Of
the 32 deportees, 11 died in Auschwitz and seven survived the Holocaust.
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