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Heppenheim an der Wiese
(Stadt
Worms) mit Offstein (Kreis Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Heppenheim an der Wiese konnten sich Juden vermutlich seit
Anfang des 18.
Jahrhunderts niederlassen. 1722 waren zwei jüdische Familien am Ort,
1743 eine
Familie. Sie besuchten zunächst die Synagogen in Grünstadt und
Horchheim.
Auch in Offstein lebten bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts jüdische
Personen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: im Jahr 1800 15, 1824 21, 1830 28, 1855 59, 1861 72, 1890 57 jüdische Personen am Ort. Gemeinsam mit den in
Offstein lebenden
Juden bildete man nun eine Gemeinde, hier lebten 1824 8, 1855 14, 1905 13 jüdische
Einwohner. Die jüdischen Familien
- die Familiennamen waren Bamberger, Salomon, Tryfuß, Klein, Goldschmidt und
Gutmann - lebten vom Handel mit Vieh, Düngemittel,
Textilien und Gemüse. Auch war eine jüdische Metzgerei vorhanden. Einigen
jüdischen Familien gehörten Einzelhandelsgeschäfte am Ort (Bettzeug, Stoffe,
Kurz- und Tabakwaren). Durch Aus- und Abwanderung ging die Zahl der jüdischen Einwohner seit der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark zurück, sodass 1900 nur noch
44 jüdische Einwohner gezählt wurden.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter tätig war (vgl. Ausschreibung der Stelle
von 1887).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Ludwig Klein (geb.
31.10.1881 in Heppenheim a.d.W., gef. 29.1.1918).
Um 1924, als noch 28 jüdische Einwohner (in 11 Familien; 1,75 % von
insgesamt etwa 1.600 Einwohnern) gezählt wurden, waren die Vorsteher der
Gemeinde Moritz Klein II und Ludwig Salomon. Die Gemeinde gehörte zum
Bezirksrabbinat in Worms.
1933 wurden noch 30 jüdischen Einwohner gezählt. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts entschloss
sich ein Teil zur Auswanderung, andere
verzogen innerhalb von Deutschland. Sechs Personen aus der Familie Salomon
emigrierten nach Paraguay (1934 und 1936), ebenso die Familie Bamberger mit drei
Personen. Von der Familie Goldschmidt verzogen drei Personen nach Mannheim, eine
wanderte nach Palästina aus (1935). Erich Gutmann (geb. 1904) verzog 1936 nach
Hannover, von hier aus nach England. Mehrere wurden deportiert und ermordet (u.a.
Isaak Tryfuß, geb. 1864).
Aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers und
Vorbeters (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1887:
"Die
israelitische Gemeinde Heppenheim a.d. Wiese bei Worms sucht einen jungen
unverheirateten Mann als
Vorbeter und Religionslehrer.
Reflektanten wollen
sich an den dortigen Vorstand wenden." |
Heppenheim a.d.W. und Offstein werden dem Unterrichtsbezirks Worms zugeteilt (1904)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Februar 1904: "Worms. Das Großherzogliche Ministerium plant die definitive Anstellung
israelitischer Religionslehrer, welche ein den Volksschullehrern gleiches
Gehalt beziehen und dieselben Rechte genießen sollen, sobald sie wöchentlich
20 Stunden Religionsunterricht erteilen. Die nötigen Mittel sollen von
den Gemeinden, die zu dem betreffenden Bezirk gehören, aufgebracht
werden. An die Vorstände der israelitischen Gemeinden des Kreises Worms
ist bereits der ausgearbeitete Plan gesandt worden. Nach ihm sind die
Gemeinden in vier Unterrichtsbezirke eingeteilt und zwar: 1. Alsheim,
Gimbsheim, Eich und
Hamm; 2. Osthofen, Rhein-Dürkheim, Herrnsheim,
Abenheim und
Gundheim; 3. Hessloch, Monzernheim, Eppelsheim, Gundersheim und
Westhofen; 4. Monsheim,
Hohen-Sülzen, Nieder-Flörsheim,
Wachenheim, Mölsheim, Pfeddersheim
und Pfiffligheim. Die Gemeinden Heppenheim
a.d.W. und Offstein sollen der Gemeinde Worms zugeteilt werden. Bis
zum 1. Februar müssen die Gemeinden dem Kreisamte Worms Bericht erstattet
haben." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Salomon Klein (1892)
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1892:
"Heppenheim a.W. Am 12. Adar (= 11. März 1892) starb dahier im Alter
von 71 Jahren Herr Salomon Klein, ein wahrer, frommer Mann, die Zierde
unserer Gemeinde und die Krone unserer Synagoge. Friedliebend und
wohltätig war er bei allen Ortsangehörigen, Juden wie Christen, sehr
angesehen. An seinem Leichenbegängnisse beteiligten sich außer
zahlreichen Glaubensgenossen aus Nah und Fern der Bürgermeister, der
Gemeinderat und der Turnverein. Herr Rabbiner Dr. Stein-Worms hielt die
Trauerrede, in welcher die Tugenden des Verstorbenen gebührend
geschildert wurden." |
Goldene Hochzeit von Moritz Salomon I. und Helene geb. Klein (1908)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. Dezember
1908: "In Heppenheim a.d. Wiese feierten Moritz Salomon I. und Frau
Helene geb. Klein die goldene Hochzeit." |
Zum Arzt Dr. Ernst Tryfus
(geb. 1897 in Heppenheim/Wiese als Sohn von Isaak Tryfus, der nach der
Deportation ermordet wurde, und Mathilde geb. Salomon, gest. 1941: ab 1921 Arzt
in Worms, 1935 nach Jerusalem emigriert) vgl.
http://www.wormserjuden.de/Biographien/Tryfus.html.
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge war in Heppenheim lange nicht vorhanden.
Man traf sich zu Gottesdienst und Gebet in Privathäusern, vor dem Bau der
Synagoge zuletzt im Anwesen
Wormser Landstraße 24. Dieses gehörte Frau Jakob Männchen. Ein Mietvertrag
mit der jüdischen Gemeinde regelte 1907 die Überlassung eines Raums im
Seitengebäude ihres Anwesens. Dennoch bestand der Wunsch nach dem Bau einer
Synagoge. Die damaligen Vorstandsmitglieder Moritz Klein, Salomon Mayer und
David Salomon bemühten sich um eine neue Lösung.
Seit 1908 stand die zuletzt von der evangelischen Kirche genutzte,
ehemalige (1847 erbaute) Synagoge der jüdischen Gemeinde in Horchheim leer. Das
Gebäude wurde zum Verkauf angeboten. 1911 gelang es der jüdischen
Gemeinde in Heppenheim, die frühere Synagoge für 2.000 Mark zu erwerben. Das
Gebäude wurde abgebrochen, das gesamte brauchbare Material nach Heppenheim
gebracht. Als Bauplatz hatte man einen zuvor der Mathilde Tryfuß gehörigen
Acker erwerben können (Obere Grabenstraße / Dorfgrabenstraße 103, Flur I, Nr.
136).
Die feierliche Einweihung der Synagoge war am 17./18. November 1911. Über
die Feier liegt nachstehender Pressebericht vor (Wormser Zeitung vom 20.
November 1911):
"Heppenheim a.d.W., 18. Nov. Endlich ging der Wunsch der hiesigen isr. Gemeindemitglieder, ein eigenes Gotteshaus zu besitzen, in Erfüllung. Heute wurde die neuerbaute Synagoge ihrer Bestimmung übergeben. Es ist ein schmuckes, niedliches Gotteshaus, das als Gebäude für sich bereits eine nicht uninteressante Vergangenheit hat. Es wurde als Synagoge im Jahre 1847 in
Horchheim erbaut. Als aber die isr. Gemeinde teils durch Wegzug, teils durch Aussterben der älteren Mitglieder sich auflöste, ging die Synagoge in den Besitz der evg. Kirchengemeinde Horchheim über, die diese als Kirche benutzte, worin noch bis vor kurzem Gottesdienst abgehalten wurde. Da nun die evangel. Gemeinde eine neue Kirche besitzt, kaufte die israel. Gemeinde Heppenheim a.d.W. die ursprüngliche Synagoge, um sie niederzureißen und das brauchbare Material zum Bau einer neuen Synagoge in ihrem Ort zu verwenden. Diese steht nun in früherer Größe und in gleicher Bauart in Heppenheim. Schon am Freitag fanden sich Herr Rabbiner Dr. Holzer, Herr Lehrer und Kantor Agulnik aus Worms und noch andere Gäste ein. Am Freitag Abend fand eine gemütliche Zusammenkunft im Kurgarten statt, um ein doppeltes Fest zu feiern. Mit der Vorfeier der Synagogenweihe sollte die Feier der silbernen Hochzeit des Hrn. Tryfuß u. Frau verbunden werden. Herr Rabbiner Dr. Holzer hob ein einer Ansprache den biederen schlichten Sinn der Jubilare, besonders aber die Selbstlosigkeit des Hrn. Tryfuß hervor, der sich in den Dienst der israel. Gemeinde in uneigennütziger Weise stellte. Im Auftrage der isr. Gemeinde Heppenheims überreichte Hr. Dr. Holzer dem Jubilar als Anerkennung eine goldene Kette. Hr.
Tr. dankte tiefgerührt für die erwiesene Aufmerksamkeit. Hr. Agulnik wies auf den Opfersinn der kleinen Gemeinde, die Einigkeit und Einmütigkeit der Gemeindemitglieder hin, wodurch es möglich war, den schon
lange gehegten Wunsch in die Tat umzusetzen. Er wünsche das Fortbestehen des einträchtigen Sinnes innerhalb der Gemeinde. Das eigentliche Fest fand Samstag morgen statt, zu dem der Herr Bürgermeister des Ortes mit sämtlichen Herren Gemeinderäten, die Herren Geistlichen von Heppenheim, Horchheim und Offstein, die Herren Lehrer des Ortes und viele andere Gäste erschienen waren. Herr Rabbiner Dr. Holzer weihte in formvollendeter Predigt das neue Gotteshaus ein. Auch Herr Tryfuß hielt eine zu Herzen gehende Ansprache und dankte allen die zur Verherrlichung des heutigen Tages beigetragen haben. Als Einleitung trug Hr. Agulnik das Lied 'Gott Deine Güte reicht so weit' von Beethoven vor. In liebenswürdiger Weise wirkte eine erlesene Schar des Synagogenchorvereins Worms unter ihrem Organisten Hrn. Hohmeier bei der Feier mit. Durch ihren vorzüglichen Gesang und durch den des Hrn. Agulnik wurden der Frühgottesdienst und die Feier sehr gehoben. Herrlich brachten die Sänger zwei Lieder: 'Die Himmel rühmen' u. den 'Segen' zu Gehör. Die ganze Feier übte auf die Anwesenden ersichtlich einen tiefen Eindruck aus." |
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Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. Dezember
1911: "Heppenheim a.d.W. Unsere neue Synagoge ist eingeweiht
worden. Rabbiner Dr. Holzer - Worms hielt die Festrede." |
Die Synagoge wurde - wie in Horchheim - als Massivbau
mit rechteckigem Grundriss erstellt und trug ein Satteldach. In der südlichen
Längsmauer gab es drei hohe Fenster. Das Eingangsportal war auf der
Westseite.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt und wenig
später abgebrochen. Das Grundstück ging in Privateigentum
über und ist neu überbaut. Eine Gedenk- oder Hinweistafel ist nicht
vorhanden.
Adresse/Standort der Synagoge: Grundstück Dorfgrabenstraße 103
(ehemalige Grabenstraße, Ecke Zeppelinstraße); am Platz des heutigen
Ladengeschäftes der Metzgerei Braun.
Fotos
(Quelle: Zeichnung links: Synagogen in Rheinland-Platz s.
Lit.
S. 406)
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Die Horchheimer Synagoge, die
1908
abgebrochen und in Heppenheim aufgebaut
wurde (Zeichnung E. Heuser
nach Angaben
von N. Schmitt, Horchheim) |
Historische Karte von
Heppenheim an der Wiese
mit der Synagoge |
Ausschnitt
aus der Karte links |
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Historische Karte von 1915
mit
der Synagoge |
Ausschnitt aus
Karte links |
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Das Synagogengrundstück
mit
der gegenwärtigen Bebauung
(Foto: Michael Ohmsen;
Aufnahme: September 2010;
Foto in hoher Auflösung über den Link) |
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Die ehemalige Synagoge stand
im
Bereich des Ladengeschäftes links |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 351-352. |
| Werner Kropp: Der Judenfriedhof in Worms-Heppenheim. In: Der Wormsgau d.
17 1998 S. 178ff.
Aufsatz als pdf-Datei zugänglich: hier
anklicken |
| ders.: Die Heppenheimer Synagoge. Online
zugänglich. Als pdf-Datei: hier
anklicken |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 187-188. |
| Kurzer Artikel von Werner Kropp zum jüdischen
Friedhof in Heppenheim: "Jüdischer Friedhof unter
Schutz": hier
anklicken (pdf-Datei). |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 405-406 (mit weiteren Literaturangaben). |
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