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"Synagogen im Kreis Germersheim"
Germersheim (Kreisstadt,
Rheinland-Pfalz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Hinweise: weitere Informationen finden sich
in der Website des Vereins "Interkultur Germersheim e.V."
https://stolpersteine-germersheim.de
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In der früheren freien Reichsstadt Germersheim lebten Juden bereits im Mittelalter.
Am 26. April 1343 wurden nach einem Nürnberger Memorbuch "die Kranken, die
hier untergebracht waren" (Aussätzige?), und alle andern Juden verbrannt,
als Folge einer Ritualmordbeschuldigung in der Umgebung (siehe unten). Zu einer
weiteren Verfolgung kam es während der Pestzeit 1348/49. Danach werden
Juden in der Stadt erst wieder ab 1390 genannt. Während des Dreißigjährigen
Krieges lebten um 1635 drei jüdische Familien aus Germersheim in Speyer,
die dort während den Kriegswirren Schutz suchten.
Erst seit Anfang des 19. Jahrhundert entstand eine neue jüdische Gemeinde
mit 1804 7 Personen, 1821 21, 1823 28, 1832 30 Personen (in fünf Familien). Bis
zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der jüdischen Familien in der Stadt
auf 21 gestiegen (zusammen 93 Personen). Bis 1875 stieg die Zahl auf 134
Personen an, danach ging sie durch Aus- und Abwanderung zurück, sodass 1880/1887
nur noch 70, 1892/1895 noch 62 (in 15 Haushaltungen), 1898 54 (in 14
Haushaltungen), 1900 58 und 1932 noch 38 Einwohner der jüdischen Gemeinde angehörten.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule mit Lehrerwohnung. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). In den
1840er-Jahren war einige Zeit Lehrer Jacob Rosenbaum am Ort (siehe Bericht
unten). Um 1865 wird Benedikt Wolf, um 1870/1872 Carl Dreyfuß als Lehrer in
Germersheim genannt, um 1873/1877 Albert Kahn, um 1887/1889 D. Eichhold, um
1892/1900 F. Ehrmann (unterrichtete 1892 acht Kinder in Germersheim, dazu die
damals fünf jüdischen Kinder in Herxheim; 1893/1897 vier Kinder in Germersheim,
1898 fünf Kinder in Germersheim). Von 1900 bis 1902
war Lehrer am Ort Simon Strauß, der zuvor in Kirrweiler
tätig war und dann nach Erlenbach und
Busenberg wechselte, wo er noch bis 1935 geblieben ist. 1899 gab es noch sechs
schulpflichtige jüdische Kinder.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1877 J. Scharff, um
1887/1888 R. Cahn, um 1892 G. Cahn, A. Gutmann, S. Vollmar, um 1897 G. Kahn, S.
Dreifuß und S. Vollmar, um 1898 A. Gutmann, E. Kahn und S. Vollmar.
Um 1887/1888 war Scr.Rend. A. Kühn.
Von den jüdischen Vereinen werden genannt: um 1888 ein Israelitischer
Armenunterstützungsverein (1892/1897 unter Vorsitz von R. Cahn).
Die Germersheimer jüdische Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat
Landau.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Otto Cahn (geb.
21.4.1882 in Rülzheim, gest. an den Folgen der Kriegsverletzungen am
12.12.1920). Von den Kriegsteilnehmern wurde ausgezeichnet: u.a. Julius
Beyerdorfer, Vizefeldwebel d.R. im 17 Infanterieregiment Orff mit dem
Bayerischen Militärverdienstkreuz zweiter Klasse mit Schwertern.
Um
1925 machten die 32 jüdischen Einwohner gerade 1 % der Gesamteinwohnerschaft
aus. Dem Synagogenvorstand gehörten damals die Herren Noe Rosenbaum (bereits
seit 1904 Gemeindevorsteher, siehe unten Bericht von 1934 zu seinem 70.
Geburtstag), Ernst Kahn
und M. Schriesheimer an. Religionsunterricht wurde noch vier Kindern erteilt.
Zur Germersheimer Gemeinde gehörten auch die in Freisbach lebenden jüdischen
Einwohner (1925 3 Pers.). Anfang der 1930er-Jahre bildeten den Gemeindevorstand
Sigmund Dreifus, Julius Löb und Bertram Lehmann.
Durch die Verfolgungen in der NS-Zeit ging die Zahl der jüdischen
Einwohner in Germersheim weiter zurück (1936 13, 1938 11 Personen). Die letzten
sechs jüdischen Einwohner wurden im Oktober 1940 in das südfranzösische KZ Gurs deportiert.
Von den in Germersheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sophie Ebert geb. Freundlich (1872), Eugen Ehrmann (1895), Otto Ehrmann
(1898), Berta Feibelmann geb. Dreifuss (1870), Johanna Glaser
geb. Posner (1877), Adolf Guthmann (1857), Ferdinand Kahn (1866), Antonie (Antoinette, Antonia) Mohr (1889), Elisabeth
Mohr (1890), Otto Mohr (1896), Wilhelmine Mohr (1891), Arthur Rosenbaum (1900),
Fritz Rosenbaum (1895), Günther Rosenthal (1920), Ingeborg Rosenthal (1924), Augustine Töpfer (1895),
Adolf Ullmann (1877), Flora Weil geb. Scharff (1884).
Der in der Liste bislang genannte Maximilian Dreifus (1881) hat die
Verfolgungszeit überlebt (nähere Informationen auf der Seite zu Edenkoben).
Seit den 1990er-Jahren zogen wieder einige jüdische Familien aus den
GUS-Staaten nach Germersheim und konnten eine neue Gemeinde gründen.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Über den Judenpogrom 1343 in Wachenheim,
Lambsheim,
Neustadt und Germersheim (Artikel von 1900)
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Der Artikel von Dr. Hirsch
Hildesheimer wird nur teilweise - den Pogrom von 1343 betreffend -
abgeschrieben, ohne Fußnoten/Anmerkungen. Dazu bitte die Textabbildungen
oben anklicken. Der Verfasser (Sohn von Esriel Hildesheimer) war seit 1880
Dozent für jüdische Geschichte und Geographie am Rabbinerseminar in Berlin.
Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hirsch_Hildesheimer.
Artikel in "Dr. Bloch's österreichische Wochenschrift" vom 5. Januar 1900:
"Die Blutlüge. Von Dr. Hirsch Hildesheimer in Berlin.
Ludwig IV. der
Baier (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_IV._(HRR)) hat noch zweimal seine kaiserliche Autorität zum Schutze der von Blutanklagen
heimgesuchten Juden eingesetzt. In einem der beiden Fälle konnte
dies erst, nachdem, wie in Überlingen, die Raserei bereits zahlreiche Opfer
gefordert hatte, geschehen, um ferneren Morden Einhalt zu tun; im zweiten
gelang es seinem energischen Eingreifen, das drohende Urteil noch
rechtzeitig abzuwehren.
'Im Jahre 5103, am Sabbat den 24. Nissan (19.
April 1343) wurden die Mitglieder der Gemeinde
Wachenheim, in derselben
Woche die von Lambsheim, sowie die von
Neustadt bei Speyer und am Sabbat
Neumond Ijar (26. April) die Kranken, welche in Germersheim untergebracht
waren, mit allen dort anwesenden Gesunden verbrannt, so berichtet das
Nürnberger Memorbuch (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Memorbuch) über eine blutige Verfolgung, welche nicht auf die
genannten Städte der Rheinpfalz beschränkt geblieben zu sein scheint, sondern
sich auch auf Mosbach und andere Orte ausgedient hat. Über den Vorwand zu
diesen Gräueltaten erzählt der bereits erwähnte zeitgenössische Mönchs-Chronist Johann von Winterthur
(vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_von_Winterthur) wörtlich also:
'Im Jahre 1343 am Osterfeste ward bei Worms in einer Höhle im Walde ein
Einsiedler von wunderbarer Heiligkeit, wie der herrliche Ausgang seines
Lebens auf das Klarste gezeigt hat, von den Juden getötet, ja, wie das
Gerücht bezeugt, zerrissen, zerfleischt und von Glied zu Glied zerteilt. So ermordet fanden ihn die Leute jener Gegend und
begruben ihn unter
großer Teilnahme und Trauer. Als das Leiden desselben der Herzog von
Heidelberg (gemeint:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ruprecht_I._(Pfalz)) der Brudersohn des Kaisers Ludwig
(Ludwig IV. der Bayer s.o.), hörte, begann er, da er an
seinem Körper viele Jahre vorher einen Lupus mit grausamem Schmerz ausgehalten
hatte, zu ihm, zu dem er als einem heiligen Mann Zutrauen hegte, inständig zu beten, dass er ihm
seine langwierige Krankheit wegnehmen und die Gesundheit schenken möchte. Er
wurde sogleich erhört und erhielt das vollständige Wohlbefinden wieder. Dass dasselbe an ihm im vollsten Maße nur durch das Verdienst des
heiligen Mannes zustande gebracht war, fühlte er und verbrannte nun, von
einem sozusagen unaussprechlichen göttlichen Zorn entflammt, alle Juden
seines Gebietes. Dieser Einsiedler gewährte nach seinem Tode denen, die ihn
anriefen, verschiedene und vorzügliche Arten Heilungen und zog eine ungemein
große Menge Menschen aus den benachbarten und umliegenden Gegenden herbei.
Als aber der erwähnte Herzog gesehen, dass der genannte Einsiedler, namens
Ludwig, in so erstaunlichen Wundern zurückleuchte, so hätte er vom Kaiser,
den er darum anging, gerne die Erlaubnis ausgewirkt, die Juden im ganzen
Reiche Deutschlands martern zu dürfen'.
Mit diesem erbaulichen Bericht stimmt
die Darstellung des um die gleiche Zeit schreibenden Johannes, Abtes
des Zisterzienserklosters Viktring bei Klagenfurt (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stift_Viktring und
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_von_Viktring), darin überein, dass die
Beweiskraft der 'größten Wunder, in denen der Ermordete zu leuchten begann',
die 'Schuld' der Juden festgestellt und ihre Verbrennung zur Folge gehabt hat.
Von der wunderbaren Heilung des Heidelberger Herzogs und von seinem
Eingreifen überhaupt erwähnt dieser Chronist nicht das Geringste. Schon
dieses sein Schweigen über das wichtigste Detail, über die Stellungnahme des
Landesherren, macht die betreffende Angabe Johanns von Winterthur verdächtig
und die Rolle, welche der Pfalzgraf gespielt haben soll, ist mit dem, was
wir über seine geistigen Qualitäten und über seinen Charakter sonst
erfahren, so völlig unvereinbar und steht zumal mit den wohlwollenden
Gesinnungen, welche er von Anbeginn bis zum Schluss seiner mehr wie
50-jährigen Regierung den Juden gegenüber betätigte, in so krassem
Widerspruch, dass wir in der Darstellung des Barfüßermönchs von
Winterthur zweifellos eine jener zahlreichen Erdichtungen, welche er in
seiner kritiklosen Wundergläubigkeit nachschrieb, oder eine jener Personen-Verwechslungen, zu welcher die von ihm selbst
beklagte Gedächtnisschwäche
ihn verleitete, zu erblicken haben. Herzog von Heidelberg war im Jahre
1343 Ruprecht I., welcher seit dem Vertrag von Pavia (4. August
1329, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hausvertrag_von_Pavia) Mitregent seines Bruders Rudolf's
II. (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_II._(Pfalz)), durch die am 18.
Februar 1338 vollzogene Teilung der gemein-
|
samen Herrschaft die größere Hälfte der pfälzischen Lande mit der Hauptstadt
Heidelberg erhielt. Ruprecht I. hat sich aber allezeit als ein hochsinniger
Beschützer der Juden bewährt, und die bloße Tatsache, dass er zur Zeit des
'schwarzen Todes' (1349) den aus Speyer und Worms Geflüchteten in Heidelberg
und anderen Städten der Pfalz gastliche Aufnahme gewährte, ist ausreichender
Beweis, dass er unmöglich sechs Jahre zuvor so grausam gegen die Juden
seiner Herrschaft gewütet haben kann. Zudem erscheint es völlig
ausgeschlossen, dass Ruprecht I., ein Herrscher von so 'glänzenden
Regenteneigenschaften, an dessen Namen keine entehrenden Handlungen haftete'
derart skurrilen Wunderglaubens, und noch dazu des Wahnwitzes fähig gewesen
sein sollte, vom Kaiser 'die Erlaubnis, die Juden im ganzen Deutschland
martern zu dürfen', mordwütig zu erbitten. Kennzeichnet sich diese
Ungeheuerlichkeit als die Ausgeburt einer überhitzten Mönchs-Phantasie, so
steht andererseits dokumentarisch fest, dass Kaiser Ludwig IV. gerade aus
Anlass dieser Blutbeschuldigung sich der Juden jener Striche schützend
annahm. In einer Urkunde gegeben in
Mergentheim, 15. Mai 1343, belobte er die Stadtbehörden von Speyer für
den Schutz, den sie den in ihrer Mitte und in der Umgegend ansässigen Juden
zuteil werden ließen, und fordert sie auf, 'alle Juden, es sei auf dem
Lande, in der Stadt oder wo sie dessen nötig haben, wider Jedermann, wer er
sei oder wie er genannt wird, zu schirmen und nicht zu gestatten, dass sie
jemand angreift oder irgendwie beschwert'. Die Datierung der Urkunde, welche
wenige Wochen nach dem Geschehnis von 1343 erging, und die Tatsache, dass
dasselbe in der Diözese Speyer, zu der
Wachenheim, Lambsheim,
Neustadt und Germersheim
gehörten, sich zugetragen hat, lässt keinen Zweifel, dass die an die
angebliche Ermordung des Eremiten Ludwig geknüpfte Verfolgung das Eingreifen
des Kaisers veranlasst hat'.
|
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle der Lehrers, Vorbeters und Schächters 1891 / 1900
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1891:
"Die Stelle eines Religionslehrers an den hiesigen Schulen und
Vorbeters ist bis 1. April laufenden Jahres mit einem jungen Manne
zu besetzen. Gehalt 800 Mark, freie Wohnung und Schächtergebühren.
Gesuche sind zu richten an den Vorstand: Raphael Cahn. Germersheim
(Pfalz), 4. Februar 1891." |
Sehr schwer tat sich die Gemeinde 1900, da
über mehrere Monate Anzeigen erschienen, mit denen zum baldigen
Dienstantritt ein Lehrer gesucht wurde: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1900:
"Die israelitische Kultusgemeinde Germersheim sucht zu baldigem
Eintritt einen Kantor und Religionslehrer, der auch den Schächterdienst
zu besorgen hat. Gehalt 800 Mark per Jahr, nebst freier Dienstwohnung.
Nebenverdienst etwa 200 Mark jährlich, jedoch ohne Garantie. Es ist
Aussicht auf Nebenbeschäftigung in schriftlichen Arbeiten gegeben.
Geeignete Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Reisevergütung für persönliche Vorstellung und Umzugsgebühren werden
nicht gewährt.
Germersheim, 2. Mai (1900). Der Israelitische Kultusvorstand:
Gutmann." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1900:
"Die israelitische Kultusgemeinde Germersheim sucht zu baldigem
Eintritt einen Kantor und Religionslehrer, der auch den Schächterdienst
zu besorgen hat. Gehalt 800 Mark per Jahr, nebst freier Dienstwohnung.
Nebenverdienst etwa 200 Mark jährlich, jedoch ohne Garantie. Es ist
Aussicht auf Nebenbeschäftigung in schriftlichen Arbeiten gegeben.
Geeignete Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Reisevergütung für persönliche Vorstellung und Umzugsgebühren werden
nicht gewährt.
Germersheim, 22. August (1900). Der Israelitische Kultusvorstand:
Gutmann." |
Zum Tod des Lehrers Jacob Rosenbaum (1897)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Dezember 1897:
"Wiesenbronn, im Kislew. Wiederum hat der Tod eine weite
Lücke gerissen, nicht nur in eine Familie und in unsere Gemeinde, sondern
für das ganze Judentum wird der Verlust unersetzlich sein. Unser Lehrer
und Führer, der hier nahezu 34 Jahre seines Amtes mit großer Treue
waltete, Herr Jacob Rosenbaum weil nicht mehr unter uns. Nachdem er noch
am Sonntag unterrichtete, machte am Dienstag Nacht eine Herzlähmung
seinem edlen Leben, welches nur der Tora, Aboda (Gottesdienst) und Gemilus
Chasodim (Wohltätigkeit) gewidmet war, ein Ende. Mehr als 60 Jahre stand
er als Lehrer, Chasan und Schochet in den jüdischen Gemeinden Germersheim,
Klein-Ostheim, Gleusdorf, Rödelmaier
und zuletzt hier in einer Weise vor, die ihm überall die Achtung, Liebe
und Anhänglichkeit seiner Kultusmitglieder erwarb. Davon legte seine am
Eref Schabbos (Freitag) stattgehabte Beerdigung den sprechendsten Beweis
ab. Von nah und fern waren Freunde, Schüler und Kollegen herbeigeeilt, um
dem teueren Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Vor dem Trauerhause
gaben die Herren Lehrer Strauß - Kleinlangheim, Lehmann - Schonungen,
Eisenheimer - Großenbuseck,
Rosenbaum - Berolzheim (Sohn des
Verstorbenen) und der protestantische Lehrer Zemer - Wiesenbronn, den
Gefühlen des Schmerzes in ergreifenden Reden Ausdruck. Die ganze
Bevölkerung Wiesenbronns, ohne Unterschied des Konfession, gab dem von
Allen verehrten Dahingeschiedenen das Geleite. Auf dem Begräbnisplatze,
in dem eine Stunde entfernten Rödelsee, hatten sich zahlreiche Freunde
und Verehrer des Verlebten eingefunden und hier gaben Lehrer Frank -
Rödelsee und Kissinger - Frankenwinheim ein treffliches Lebensbild, des
als Jehudi, als Lehrer und als Mensch gleich groß dastehenden Mannes, der
uns ebenso unersetzlich als unvergesslich sein wird. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Gründung eines Israelitischen Lehrervereins in
Germersheim (1893)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1893:
"Germersheim. Am 1. Januar dieses Jahres versammelten sich mehrere
israelitische Religionslehrer behufs Gründung eines israelitischen
Religionslehrervereins. Der Zweck des Vereins soll sein, den
Hinterbliebenen der Religionslehrer, die nicht pensionsberechtigt sind,
Unterstützung zu gewähren. Als jährlicher Beitrag wurde vorerst 6 Mark
und, als Inserationsorgan der so sehr weit verbreitete 'Israelit'
bestimmt. Es ergeht deshalb an alle Religionslehrer, welche Lust haben dem
Verein beizutreten, die Bitte, ihre werte Adresse mittelst Postkarte dem
provisorischen Vorsitzenden, Herrn Lehrer Ferdinand Ehrmann in
Germersheim, Rheinpfalz, baldigst mitzuteilen.
Statuten werden auf Verlangen gratis zugeschickt." |
Zum Tod von Lehrer Heinrich Feibelmann (1911)
Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22.
Dezember 1911: "Germersheim. Nach langem schweren Leiden verschied -
erst 45 Jahre alt - Lehrer Heinrich Feibelmann, der Gründer des Vereins
israelitischer Lehrer und Kantoren der Pfalz." |
Einzelne Mitteilungen
Eine Besonderheit Ende des 19. Jahrhunderts: ein jüdischer Offizier
(1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1893:
"Aus Germersheim (Rheinpfalz) wird den 'Mitteilungen des Vereines zur
Abwehr des Antisemitismus' mitgeteilt, dass in der dortigen Garnison ein
jüdischer Offizier sich befindet. Derselbe ist Premierleutnant und Bataillonsadjutant." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Elias Dreifuß macht ein Vermächtnis an die israelitische Religionsgemeinde in
Bingen (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1891: "Aus
dem Großherzogtum Hessen. Das Großherzogliche Regierungsblatt
veröffentlicht die im Laufe des 1. Quartals bestätigten Stiftungen und
Vermächtnisse, worunter sich auch wieder 2 Stiftungen respektive
Geschenke von Juden finden.
1. Vermächtnis des Elias Dreifuß von Germersheim an die israelitische
Religionsgemeinde zu Bingen im Betrage von Mark 1.714,29.
2. Schenkung des Rudolf Bamberger zu Mainz an die Pensionsanstalt der
städtischen Musikkapelle zu Mainz im Betrage von Mark
3.000." |
70. Geburtstag von Gemeindevorsteher Noe Rosenbaum (1934)
Mitteilung
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Mai
1934: "Germersheim am Rhein (Pfalz). Am 21. Mai kann Herr Noe
Rosenbaum, seit 30 Jahren Vorstand der israelitischen Gemeinde
Germersheim, seinen 70. Geburtstag
feiern." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Samuel Vollmer sucht eine Haushälterin (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1900: "Haushälterin
gesucht. Zu zwei älteren Leuten (Mann und Frau) wird eine tüchtige
Person, die den Haushalt und die Küche vollkommen selbstständig besorgen
kann, zum möglichst sofortigen Eintritt gesucht. Offerten mit
Gehaltsansprüchen an
Samuel Vollmer,
Germersheim, Rheinpfalz." |
Sonstiges
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst wurden die Gottesdienste der Gemeinde in einer Betstube abgehalten.
Diese war bis 1838 (nach anderen Angaben bis 1863) im Haus des Benjamin Kahn.
Vermutlich um 1863 (nach anderen Angaben: Mitte des 19. Jahrhunderts) wurde im Erdgeschoss des Gebäudes Oberamtsstraße 12 eine
Synagoge eingerichtet. Dieses Gebäude wurde wahrscheinlich von der jüdischen
Gemeinde als Gemeindezentrum erbaut, in dem sich im Obergeschoss noch ein
Schulsaal und eine Lehrerwohnung befanden. Eine Schule war schon 1844
eingerichtet worden; das jüdische Schulhaus musste allerdings 1862 wegen
Baufälligkeit geschlossen werden.
Auf Grund der Aus- und Abwanderung der
jüdischen Einwohner wurde die Synagoge in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg
kaum mehr benutzt.
Nach 1933 gab es keine Gottesdienste mehr. Im März 1938
erfolgte der Verkauf des Synagogengebäudes durch den Verband der Pfälzischen Juden für
4.100 RM an Privatpersonen, die das Gebäude zu einem Wohnhaus umbauten, das bis
heute erhalten ist. Erinnerungen an die Zeit als Synagoge sind die erhaltenen
Rundbogenfenster und das Rundbogenportal, ebenso kleine Davidsterne, die in die
Dachgauben eingeschnitzt wurden.
1989 wurde am gegenüberliegenden Stadthaus eine Gedenktafel
angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Oberamtsstraße 12 (früher
Hauptstraße 39)
Fotos
(Quelle: obere Zeile: Sammlung Hahn; zweite Fotozeile: Bernhard
Kukatzki, Aufnahmen Ende August 2012)
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
März
2021 / Februar 2022:
Verlegung von "Stolpersteinen" in Germersheim geplant
Anmerkung: zum Verein Interkultur
www.verein-interkultur.de
Kontakt über Klaus Jung E-Mail:
klaus@verein-interkultur.eu bzw.
vorstand@verein-interkultur.eu
Spendenkonto - Stichwort Stolpersteine: IBAN DE 57 5485 1440 0020 0552 08. |
Artikel
von Thomas Fehr in der "Rhein-Pfalz"
(Lokalausgabe) vom 8. März 2021 "Über die Erinnerung stolpern.
Die Initiative des Vereins Interkultur, mit 'Stolpersteinen' an die
jüdischen Bürger Germersheim zu erinnern, die unter der Nazi-Diktatur
getötet wurden oder fliehen mussten, nimmt Fahrt auf.
Interkultur-Vorsitzender Klaus Jung nannte bereits einen Zeitpunkt für die
Verlegung der ersten Stolpersteine: Februar 2022..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken
Link zum Artikel |
Stand September
2021: Die Verlegung ist für den 6. Februar 2022 geplant. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 277. |
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis
heute. Hg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in
Landau. Dahn 2005. S. 75-76. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 165-166 (mit weiteren Literaturangaben). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Germersheim Palatinate. Jews were present in
the free city of Germersheim in the Middle Ages. On 26 April 1343, they were
burned at the stake following a blood libel. The community was again destroyed
in the Black Death persecutions of 1348-39. Jews were once more present in 1390
but from then until the early 19th century there is no information about Jews in
the city. In 1804, the Jewish population was seven, growing to 28 in 1840 and 93
in 1848. Of the 21 family heads in the latter year, 13 were merchants, five
farmers, and three artisans. In 1875, the Jewish population was 134 (total
6,455). A synagogue was consecrated in 1838; a women's society was founded in
1846; and a new mikwe was opened in 1848. The synagogue was completely
renovated in 1863 and a teacher's apartment and a classrom for a Jewish
elementary school were sent up in the upper story (the school closed in 1887).
The existence of an organ in the synagogue in the early 20th century indicated
the Reform tendencies of the congregation. A relief organization operated in
1909. The Jewish population dropped to 58 in 1900 and 38 in 1932. Seven Jews
remained in 1939. These were deported to the Gurs concentration camp on 22
October 1940, five perishing there. During the Nazi era, the Germans took over
the synagogue, which became a private residence after the war.
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