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Niederaula mit
Hattenbach (Kreis Hersfeld-Rotenburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Niederaula bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1942. Es war eine der größten jüdischen Gemeinden im
ehemaligen Kreis Hersfeld. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts
zurück. Erstmals werden 1503 Juden am Ort genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1835 72 jüdische Einwohner, 1861 97 (8,0 % von insgesamt 1.208),
1871 98 (8,8 % von 1.112), 1885 145 (13,7 % von 1.060), 1895 132 (12,9 % von
1.026, in etwa 28 Familien), 1905 114 (10,6 % von 1.073). Zur jüdischen
Gemeinde in Niederaula gehörten auch die in Hattenbach lebenden
jüdischen Personen (1835 6, 1861 19, 1905 15). Auch die in Bad
Hersfeld im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugezogenen
jüdischen Personen gehörten zunächst (bis 1877/78) zur Gemeinde in
Niederaula; zuletzt waren dies 18 Familien. Unter den jüdischen
Haushaltsvorständen gab es in Niederaula viele Pferdehändler, Metzger und
Handelsleute; im 19. Jahrhundert auch mehrere Handwerker.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule beziehungsweise von 1868 bis 1933 eine israelitische
Elementar-/Volksschule, ein
rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
fungierte. An jüdischen Lehrern sind bekannt: bis zu seinem Tod im
Januar 1874 Moses Fleischhacker
(1868 11 Schüler an der Elementarschule; Grab auf dem Friedhof
der Gemeinde), 1874 bis 1880 Salomon Aschenbrand
(1876: 28 Schüler), 1881 bis 1886 Gabriel Oppenheim, 1886 bis 1931 (45 Jahre
lang) Jakob Gans aus Rotenburg (um 1890 Höchstzahl von 50, 1912 20, 1930 9
Schüler), 1932/33 Sally Weinberg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Daniel Apt (geb.
27.1.1872 in Niederaula, gef. 4.7.1916), Markus Jakob (geb. 4.6.1891 in
Niederaula, gef. 1.2.1915), Moses Levi (geb. 28.4.1887 in Niederaula, gef.
28.9.1916), Friedrich Lilienfeld (geb. 27.9.1888 in Niederaula, gef. 2.7.1915),
Gefreiter Isaak Lilienfeld (geb. 24.10.1890 in Niederaula, vor 1914 in Brilon
wohnhaft, gef. 9.3.1916), Heli Oppenheim (geb. 22.6.1887 in Niederaula, vor 1914
in Rahden, Westfalen wohnhaft, gef. 7.9.1914), Joseph Oppenheim (geb. 7.6.1882
in Niederaula, vor 1914 in Düsseldorf wohnhaft, gef. 21.10.1919 in
Gefangenschaft), Menko Oppenheim (geb. 19.7.1885 in Niederaula, gef. 18.5.1917). Ihre Namen stehen auf einer Gedenktafel im
jüdischen Friedhof der Gemeinde. Außerdem ist gefallen: David Aschenbrand
(geb. 15.3.1876 in Niederaula als Sohn des damaligen Lehrers Salomon
Aschenbrand; David war vor 1914 in Rimbach
wohnhaft, gef. 16.10.1914).
Um 1924, als noch 110 jüdische Personen am Ort gezählt wurden (9,2 %
von insgesamt etwa 1.200 Einwohnern), war Vorsteher der Gemeinde Salomon Levi.
Als Lehrer, Kantor und Schochet war der bereits genannte Jakob Gans angestellt. Er unterrichtete damals
12 Kinder an der israelitischen Volksschule. An jüdischen Vereinen bestanden
die Chewra Gemillut chassodim (1924 unter Leitung von Salomon Levi, 14
Mitglieder), die Chewra Bachurim (1924 unter Leitung von J. Goldmann, 18
Mitglieder), die Chewra Noschim (Frauenverein, 1924 unter Leitung von Minna Steigerwald, 31
Mitglieder; Bericht zum 40jährigen Bestehen 1929 siehe unten), die Agudoh Jugendgruppe (1924 unter Leitung von Rahel Gans), die
Chewra Tifereth Beth Haknesset (Synagogenverschönerungs-Verein,
gegründet 1897, 1924 unter Leitung von Hermann Apt I, 26 Mitglieder, zum
25jährigen Bestehen 1922 siehe Bericht unten).
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: 100 Personen, 7,8 % von insgesamt 1.310
Einwohnern; im Juni 1933 waren noch 76 jüdische Personen am Ort gemeldet) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Die jüdische
Elementarschule wurde 1933 aufgelöst, worauf Lehrer Sally Weinberg die Gemeinde
verließ, um darauf eine Stelle in Mönchengladbach anzutreten. Den jüdischen Kinder aus Niederaula,
die weiter eine jüdische Schule besuchen wollten beziehungsweise in der
Folgezeit keine allgemeine Schule mehr besuchen wollten, mussten nun die
jüdische Schule in Bad Hersfeld
besuchen. 1936, als
die Gemeinde das 100jährige Bestehen ihrer Synagoge mit einer stillen Feier
begehen konnte, lebten noch 51 jüdische Personen am Ort. 1938
gab es noch elf jüdische Geschäfts- und Handelsleute in Niederaula; zum 1.
Oktober 1938 wurden noch 41 jüdische Einwohner gezählt. Der bereits für 1924
genannte Gemeindevorsteher Salomon Levi (Gastwirt) hatte dieses Amt bis zur Auflösung
der Gemeinde 1942 inne.
Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge völlig verwüstet, in den Wohnungen von fünf
jüdischen Familien wurden die Fenster eingeworfen, Läden heruntergerissen und
Türen beschädigt. Bei den Aktionen sprang ein siebenjähriges jüdisches Kind
aus dem Fenster eines oberen Stockwerkes und hat sich schwer verletzt. Drei
jüdische Männer (Samuel Oppenheim, Benjamin Apt und Hans Blumenthal) wurden in
das KZ Buchenwald verschleppt. Die Deportationen setzen am 5. Februar 1941 ein,
als zunächst 15 jüdische Personen nach Frankfurt verbracht wurden. Am 1. April
1942 wurden sieben Personen "nach dem Osten abgeschoben", d.h. in ein
Vernichtungslager deportiert.
Mit der Deportation der letzten beiden jüdischen Einwohner Niederaulas
(Karoline und Salomon Levi) im Juni 1942 endete die Geschichte der jüdischen Gemeinde in
Niederaula.
Von den in Niederaula geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Benjamin (Benno) Apt (1882, Niederaula), Benjamin
Apt (1884, später Eldagsen), Berta Apt
geb. Rosenberg (1884), Betty Apt geb. Gumpert (1876), Gertrud Apt (1928), Hermann
Apt (1874, Niederaula), Hermann Apt (1894, später Hüsten und Köln), Jakob Abt
(1869), Jakob Apt (1892, später Arnsberg), Thesy (Tessy-Jettchen) Apt geb. Sommer
(1899), Adolf Aschenbrand (1867), Josef Aschenbrand (1865), Siegfried Bär
(1925), Jenny Berger geb.
Lewi (1903), Hans Hermann Blumenthal (1910), Joel Blumenthal (1938), Rosa
Blumenthal geb. Steigerwald (1905), Johanna (Hannchen) Daniel (1874), Bertha Frank geb. Aschenbrand (1874), Lehrer Jakob Gans (1866) und
sein Sohn Nathan Gans (1893), Betty Goldmeier geb. Oppenheim (1904), Malchen
Goldmeier geb. Levi (1871), Bertha (Bertel) Grünewald geb. Nussbaum (1895),
Bertha Guth geb. Weillmeier (1907), Rosa Hahn geb. Nussbaum (1884), Sara Hess geb.
Rothschild (1865), Jette (Jettchen) Hirsch geb. Oppenheim (1876), Hannchen Kahnmann
geb. Rothschild (1869), Käthe Katz geb. Oppenheim (1908), Mathilde Katz geb.
Apt (1878), Minna Katzenberg geb. Plaut (1875), Hetta Krimke geb. Oppenheim
(1880), Ida Gretchen (Gütche) Lehmann geb. Levi (1880), Betti Levi geb. Kadden
(1896), Jettchen Levi geb. Plaut (1869), Karoline Levi geb. Oppenheim (1877),
Marga Levi (1927), Mathilde Levi (1885), Salomon Levi (1871), Samuel Levi
(1892), Thekla Levi geb. Nussbaum (1882), Lina Meiberg geb. Jacob (1869), Regina
Moses geb. Schamberg (1876), Israel Nussbaum (1886), Moses Max Nussbaum (1891), Siegmund Nussbaum (1883), Siegmund Nussbaum (1883), Grete Oppenheim
geb. Rüssmann (1922), Gustav Oppenheim (1875, später Düsseldorf), Gustav
Oppenheim (1877, Niederaula), Hedwig Oppenheim (1879), Käthe Oppenheim (), Max
Oppenheim (1906), Max Oppenheim (1940),
Paula (Pauline) Oppenheim geb. Schaumberg (1891), Rosa Oppenheim geb.
Rosenbaum (1882), Ruth Oppenheim (1921), Samuel (Sally) Oppenheim (1882), Selmar
Oppenheim (1873), Therese Oppenheim geb. Adler (1878), Hermann Plaut (1909),
Martin Moses Poli (1898), Cäcilie (Cilly) Reis geb. Nussbaum (1885), Grete Rüssmann geb. Oppenheim (1922),
Hans Schaff (1930), Martin Schaff (1928), Mathilde Scharff geb. Nussbaum (1893),
Helene Schaumberg geb. Plaut (1890), Klara Schwab geb. Levi (1872), Jenny
Seligmann (1878), Minna Steigerwald geb. Seligmann (1873), Rosa (Röschen) Strauss geb.
Levy (1882), Jette Wahl geb. Schaumberg (1880), Paula Weißbach geb. Nussbaum
(1887).
Von den in Hattenbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Fanny Berger geb. Seligmann (1869), Malchen
Goldmeier geb. Levi (1871), Kallmann Levi (1878), Julius
Seligmann (1887), Minna Steigerwald geb. Seligmann (1873), Aron Wertheim (1884),
Berta Wiesenberg geb. Levi (1875).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der Lehrer und
der jüdischen Schule
Jahresversammlung der jüdischen Lehrer Hessens in
Bebra mit Erinnerung an den verstorbenen Lehrer Fleischhacker (1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. August 1874: "Kassel, 10. August (1874). [Jahresversammlung
der jüdischen Lehrer Hessens zu Bebra]. In dem am Kreuzungspunkt
zweier Eisenbahnen günstig gelegenen Bebra fand am 12. Juli dieses
Jahres die jährliche Konferenz der jüdischen Lehrer Hessens unter
Leitung des Seminarlehrers Dr. Stein aus Kassel statt. Nachdem der
Vorsitzende die Anwesenden, etwa dreißig an der Zahl, begrüßt und die
Namen derjenigen, die ihre Abwesenheit entschuldigt, verlesen hatte,
gedachte derselbe der seit der vorigen Jahresversammlung verstorbenen
Lehrer Lewisohn - Langenselbold,
Fleischhacker - Niederaula und Plaut - Neustadt.
Er hob namentlich die Verdienste Lewisohns hervor, wie derselbe als
tüchtiger Lehrer von anerkannter Wirksamkeit dagestanden; wie es nicht
leicht eine Frage von erziehlicher oder unterrichtlichter Bedeutung
gegeben, die nciht von ihm in Versammlungen und Konferenzen mitberaten
worden sei; und wie sich die allgemeine Teilnahme an dem herben Geschick
seiner Familie in so erhebender Weisekundgegeben. Auch auch die beiden
anderen Verblichenen seien Freunde der öffentlichen Sache und Förderer
der gemeinschaftlichen Bestrebungen gewesen. Die Versammlung ehrte ihr
Andenken durch Erheben von den Sitzen...
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Ausschreibungen der Stelle des Lehrers, Vorbeters und
Schochets 1874
Die Ausschreibung erfolgte nach dem Tod von Lehrer Moses
Fleischhacker im Januar 1874
Anzeige
in "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. April 1874:
"Die Stelle eines Elementarlehrers, verbunden mit dem Kantor- und
Schächtdienst in der israelitischen Gemeinde zu Niederaula ist
sofort zu besetzen. Jährlicher Gehalt: 200 Taler. Nebeneinkommen: 120
Taler.
Bewerber haben ihre Gesuche und Zeugnisse an die unterzeichnete Stelle zu
richten.
Fulda, am 23. März 1874. Vorsteheramt der Israeliten
daselbst." |
Lehrer Aschenbrand wechselt von Schmalkalden nach
Niederaula (1874)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Juli 1874:
"Baruch Haschem - Gott sei Dank - Zur gefälligen
Beachtung! Hiermit erlaube ich mir, allen meinen Freunden, Bekannten
und Verwandten die Nachricht zu geben, dass ich durch Reskript
Königlicher Regierung zu Kassel vom 1. Juli dieses Jahres an nach
Niederaula (Kreis Hersfeld) versetzt bin. Alle Korrespondenzen bitte ich,
mir von jenem Datum an nach dort zu adressieren.
Schmalkalden, am
9. Juni 1874. Aschenbrand, israelitischer Religions- und
Elementarlehrer." |
Todesanzeige für die Frau von Lehrer Aschenbrand (Schmalkalden
1873)
Anmerkung: Wenige Monate, bevor Lehrer Aschenbrand von Schmalkalden
nach Niederaula wechselte, war seine Frau gestorben, ein Grund für die in
folgenden Jahren eintretende Verarmung und Not des Lehrers.
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. November
1873: "Zu beachtende Todesanzeige. Am 1. dieses Monats, am Mittag
des Jom Kippur verschied selig in Gott nach vierwöchigem Krankenlager
am Nervenfieber, meine geliebte Frau, Fanny geb. Bergfeld, Mutter von 8
noch kleinen Kindern, von denen das älteste 12 1/2 Jahre, das jüngste 6
Monate alt ist.
Teilnehmenden Freunden, Verwandten und Bekannten dies zur Nachricht, mit
Bitte um stille Teilnahme an meinem unermesslichen Verluste, und in der
sehr traurigen Lage, in welche ich leider Gottes gekommen.
Gott der Allmächtige möge ganz Israel vor solchen Schickungen
behüten.
Schmalkalden (in Thüringen), im Oktober 1873. S. Aschenbrand,
Lehrer." |
Aufruf für Spenden für die Lehrerfamilie Aschenbrand (1881)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. November 1881:
"Aufruf!
Der seitherige Lehrer Salomon Aschenbrand hat im Juni
vorigen Jahres die hiesige Lehrerstelle niederlegen müssen und ist seit
der Zeit außer Stand, seine zahlreiche - 13 Personen zählende - Familie
zu ernähren. Die Bedürfnisse für dieselbe sind täglich gar groß, nehmen aber mit dem bevorstehenden Winter noch stark zu. Die hiesige
Gemeinde und Umgegend hat die Familie des Aschenbrand schon seit Jahren
unterstützt, ist jedoch nicht in der Lage, der Not derselben dauernd
abzuhelfen, da sich leider gar zu viele Bedürftige an deren Mitleid
wenden.
Wir appellieren deshalb an den bekannten Wohltätigkeitssinn unserer
Glaubensgenossen in Nah und Fern und bitten um Gaben für diese sehr arme
und bedürftige Familie, mit dem Bemerken, dass die eingehenden Gelder von
dem Unterzeichneten nach bestem Gewissen verwaltet werden. Gaben werden
entgegengekommen von Seiner Ehrwürden dem Herrn Provinzial-Rabbinen Dr.
Cahn in Fulda, der Expedition dieses Blattes und den Unterzeichneten, die
deren Empfang so Gott will in diesem Blatte bescheinigen werden.
Niederaula, am 23. Oktober 1881. Der Lehrer: Gabriel Oppenheim (früher in
Schermbeck). Der Synagogen-Älteste: H. Plaut."
|
Tatsächlich hatte sich Lehrer Aschenbrand
bereits Anfang 1880 mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit gewandt: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Januar 1880: "Zur
gefälligen Beachtung und Beherzigung! Ich habe 12 Kinder im Alter von 19
Jahren bis zu 5 Monaten abwärts (7 Knaben und 5 Mädchen). Gestatte mir
hiermit die flehentliche Anfrage, ob nicht mehrere meiner Kinder, welche
sämtlich gesund und gut erzogen sind, in Familien oder Anstalten gegen
geringe Vergütung Aufnahme finden können. Das Königliche
Bürgermeisteramt zu Niederaula wird über die Wahrheit dieser Angabe gern
Auskunft erteilen.
Niederaula (Regierungsbezirk Kassel), am 8. Oktober 1880. Salomon
Aschenbrand, israelitischer Lehrer außer Dienst." |
Lehrer Jakob Gans: Artikel über "Die sexuellen Stellen im
Pentateuch-Unterricht" (1908)
Der
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. März 1908 erschienene
Artikel wird nicht abgeschrieben, da er keinen direkten Bezug zur
jüdischen Geschichte in Niederaula enthält; bei Interesse bitte den Text
direkt einsehen. |
Jakob Gans ist Vorsitzender des Jeschurun
Unterstützungsvereines - Aufruf zur Überweisung des Mitgliedsbeitrages in der
Inflationszeit (1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober 1923:
"Niederaula, 10. Oktober (1923). An die Mitglieder des Jeschurun
Unterstützungsvereins für Lehrer, Lehrerwitwen und Waisen! Der
Monatsbeitrag für Oktober beträgt 2 Millionen, gleich einem Briefporto.
Sofortige Überweisung: Postscheckkonto 82 653 Frankfurt am Main an J.
Spiro, Fulda. J. Gans, Vorsitzender". |
40-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer Jakob Gans in
Niederaula (1926)
Anmerkung: Lehrer Jakob Gans ist am 2. September 1866 in Rotenburg an
der Fulda geboren als Sohn von Isak Ganz und der Sara geb. Oppenheim. Er war
verheirat mit Ester geb. Ehrenreich. Er wurde von Frankfurt aus 1943 nach
Theresienstadt deportiert, wo er umgekommen ist.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1926:
"Niederaula, 19. September (1926). Dicht gedrängt strömten dieser
Tage feierlich gekleidete Männer und Frauen der hiesigen Synagoge zu.
Angehörige aller Konfessionen, Vertreter der Staats- und Schulbehörden,
Geistliche, zahlreiche Lehrer, viele Freunde und ehemalige Schüler des
Lehrers Jakob Gans versammelte sich zu dessen Jubiläum und 58. Geburtstag
- eine stattliche Versammlung, die bewies, welch hoher Wertschätzung der
Jubilar sich allgemein erfreut. Feierlicher Chorgesang leitete
stimmungsvoll die Feier ein. Die jüdische Gemeinde dankte durch den Gemeindeältesten,
Herrn Levi, ihrem Lehrer für seine 40jährige erfolgreiche Tätigkeit in
der hiesigen Schule und Gemeinde, für seinen klugen Rat und seine Hilfe,
besonders in den harten Kriegsjahren. In weihevoller Festpredigt sprach
Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn - Fulda von der hohen Bedeutung des
israelitischen Lehrers als Kultusbeamten und würdigte die Verdienste des
Jubilars und dessen Vorbild für die sittliche Lebensführung in der
jüdischen Gemeinde. Für 40jährige erfolgreiche und oft von der Behörde
anerkannte Lehrertätigkeit dankte Schulrat Wendling - Hersfeld; Landrat
Kirchbaum - Hersfeld brachte zum Ausdruck, dass er sich von der
vielseitigen Arbeit und hohen kulturellen Bedeutung des Lehrers in seiner
Gemeinde habe überzeugen können. Einen ergreifenden Ausdruck für die
Wirkung dieser Erzieherpersönlichkeit auf die Generationen fanden die
ehemaligen Schüler durch die Worte des Lehrers Levi - Groß-Krotzenburg
und durch die Gründung einer Jakob-Gans-Stiftung für arme,
erholungsbedürftige israelitische Kinder. Neben Pfarrer Heppe, hier,
sprachen noch Vertreter der Lehrerschaft, so Lehrer Holzhauer für den
Kreis- und Bezirkslehrerverein, Lehrer Schaumberg - Neukirchen für die Israelitische
Lehrerkonferenz Hessens, Lehrer a.D. Speier - Fulda für den
Unterstützungsverein Jeschurun, Lehrer A. Hirschberg - Frankfurt am Main
für den Bund gesetzestreuer Lehrer in Deutschland. In tiefer
Ergriffenheit und ergreifend dankte Herr Gans für die ihm in Wort und Tat
zuteil gewordene Ehrung. Nach einem Schlussgesang versammelten sich die
Gäste im Saale der Gastwirtschaft Levi, woselbst ihnen durch die Gemeinde
Kaffee und Kuchen gespendet wurde. Heitere Reden würzten das Mahl." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1926:
"Niederaula. Der 2. September bildet ein Ruhmesblatt in der
Geschichte unserer Gemeinde. Galt es doch einen Mann zu ehren, der durch
jahrelange pflichttreue und erfolgreiche Tätigkeit sich ein Denkmal
gesetzt, dauernder als in Erz gegossen, bleibender als in Stein gehauen.
Unser allverehrter Lehrer, Herr Jacob Gans, feierte unter allgemeiner
Teilnahme sein 40jähriges Amtsjubiläum, das sich zu einer
eindrucksvollen Feier, zu einem wahren Kiddusch Haschem (Heiligung
Gottes) gestaltete. Um 2.30 Uhr versammelten sich sämtliche
Gemeindemitglieder und zahlreiche Festgäste in dem im Lichterglanze
strahlenden und im Blumenschmucke prangenden Gotteshause. Beim Eintritt
des Jubilars sang ein Chor Baruch Haba. Herr Salomon Levi richtete
als Vorsteher unserer Gemeinde an die Festversammlung Worte der
Begrüßung. Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn - Fulda umriss in einer
Rede, die von herrlichen Worten der Tora gewürzt war, die Gestalt
eines echten jüdischen Lehrers und wies darauf hin, wie der Jubilar stets
bestrebt war, diese Idealgestalt zur Wirklichkeit werden zu lassen. Herr
Schulrat Wendelin sprach Herrn Gans im Namen der Schulbehörde Danke und
Anerkennung aus, ebenso Herr Landrat Kirchbaum als Vertreter der
Staatsbehörde. Es folgt Herr Lehrer Levi - Höchst, der im Namen der
ehemaligen Schüler dem verehrten Lehrer in wohl gelungener Rede den Kranz
unvergängliche Dankbarkeit zu Füßen legte. Die früheren Schüler des
Jubilars glaubten ihren Lehrer am besten dadurch zu ehren, dass sie an
seinem Ehrentage eine 'Lehrer-Jacob-Gans-Stiftung' ins Leben riefen, deren
Erträgnisse zur Unterstützung erholungsbedürftiger Gemeindekinder
dienen soll. Der Ortsgeistliche, Herr Pfarrer Heppe, dankte Herrn Gans
für sein stets vorbildliches selbstloses Wirken in der Ortsgemeinde. Herr
Lehrer Schaumberg - Neukirchen sprach im Auftrage der hessischen
jüdischen Lehrerkonferenz, Herr Holzhauer - Mengshausen für den
Bezirkslehrerverein Niederaula, Herr Hirschberg - Frankfurt am Main für
den Bund gesetzestreuer jüdischer Lehrer Deutschlands und Herr Spiro -
Fulda für den 'Jeschurun'. Voll tiefer Ergriffenheit und ergreifend
dankte Herr Ganz für die ihm zuteil gewordene Ehrung. Die Gemeinde hatte
sämtliche Gäste zu Kaffee und Kirchen in den Saal der Gastwirtschaft
Levi eingeladen. Heitere Toaste würzten das Mahl. Nur zu schnell schlug
die Trennungsstunde. Mögen die allseitig zum Ausdruck gebrachten
Wünsche, dass es dem Jubilar durch die Gnade Gottes beschieden sein
möge, noch recht lange segens- und erfolgreich zu wirken, mit Erfüllung
gekrönt werden." |
Lehrer Jakob Gans tritt in den Ruhestand
(1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1931: "Niederaula,
5. Oktober (1931). Am 1. Oktober trat Herr Lehrer Jakob Gans nach
vollendeter 45-jähriger Dienstzeit in den Ruhestand. Fast diese ganze
Zeit war er an der hiesigen jüdischen Volksschule tätig. Zwei
Generationen hat er für das Leben herangebildet. Im Lehrervereinsleben
stand er an führender Stelle. Er ist Vorsitzender des Vereins 'Jeschurun',
gehört dem geschäftsführenden Ausschuss der Israelitischen Lehrerkonferenz
Hessens und dem Ausschuss des Verbands der jüdischen Lehrervereine im
Deutschen Reiche an. Sowohl die Gemeinde, als seine Schüler und Kollegen
werden an diesem Tage dankbar ihres Lehrers und Führers gedenken. Wir
wünschen ihm einen gesegneten Lebensabend." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1931: "Niederaula.
Am 30. September (1931) hatten sich in der Synagoge dahier Herr
Provinzialrabbiner Dr. Cahn, Fulda, Herr Schulrat Wendling, Hersfeld, Herr
Pfarrer Heppe, der Bürgermeister, der Bezirksverein Niederaula des
hessischen Volksschullehrer-Vereins, sowie viele jüdische Kollegen
versammelt zur Abschiedsfeier für Kollegen Gans, der am gleichen Tage in
den Ruhestand trat. Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn - sein Licht
leuchte - knüpfte an die Worte des von Herrn Sonn - Fulda geleiteten
Chores an und zeigte, was Gans in mehr als 45-jähriger Tätigkeit in
seiner Gemeinde Niederaula geleistet. Im eigenen Namen und im Namen des
Vorsteheramtes der Israeliten in Fulda sprach er dem bewährten Lehrer und
Führer der Gemeinde Niederaula Dank und Anerkennung aus und ehrte
ihn durch Verleihung des Chower-Titels. Schulrat Wendling feierte
den 'Lehrer' und überbrachte ein Dankschreiben der Regierung zu Kassel.
Auch Grüße des in Urlaub weilenden Landrats übermittelte er. Für die
Gemeinde sprach Synagogenältester Levy dem scheidenden Lehrer den Dank
der Gemeinde aus. Für den Bezirksverein Niederaula sprach Kollege Hoos,
für die israelitische Lehrerkonferenz Hessens, sowie für den Preußen-
und Reichsverband Schaumberg-Neukirchen, für 'Jeschurun' und 'Bund'
Oppenheim, Rhina, für die Nachbargemeinde Breidenbach Katz - Breidenbach.
Nachdem noch ein Vetreter der ältesten Schüler und ein Knabe der
Oberklasse ihrem Lehrer (ihre Wünsche) gesagt hatten, ergriff Gans
das Wort; jedem einzelnen Redner dankend, betonte er, das ihm seine
Anerkennung gebühre, da er ja immer nur getan, was seine - was jedes
jüdischen Lehrers - Pflicht sei. Seine Rede klang in dem Wunsch aus, dass
ihm wieder ein Nachfolger werden möchte, da die Wiederbesetzung der Stelle
infolge der Sparmaßnahmen der Regierung gefährdet sei. Dann folgten wir
der Einladung der Familie Gans zu einer Tasse Kaffee in die Suckoh
(Laubhütte), während die nichtjüdischen Herren im Hause bewirtet
wurden. - Gemeinde, Jeschurun und viele andere ehrten Herrn Ganz durch
sinnige Geschenke. Möge ihm noch ein langer, gesegneter Ruhestand im
Kreise seiner Familie vergönnt sein. (Alles Gutes) bis 120 Jahre.
O.-Rh. (vermutlich: Lehrer Oppenheim, Rhina)." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen
und Waldeck" vom 25. September 1931:
Bericht wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe oben. |
Wiederbesetzung der Lehrerstelle mit Lehrer Sally Weinberg (auf 1. Januar
1932)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1931: "Niederaula,
7. Dezember (1931). Nach langwierigen Verhandlungen ist es endlich
gelungen, die Genehmigung des Ministeriums zur Wiederbesetzung unserer
Volksschullehrerstelle, die seit der Pensionierung unseres verehrten
Lehrer Gans frei war, zu erlangen. Die Regierung hat vom 1. Januar 1932 ab
Herrn Lehrer Weinberg von Flieden nach
Niederaula versetzt. Lehrer Weinberg hat vor kurzem sein zweites
Lehrerexamen besonders gut bestanden." |
Lehrer Sally Weinberg verlässt nach der Auflösung der jüdischen Volksschule
die Gemeinde (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Dezember 1933: "Niederaula,
27. November (1933). Nachdem die hiesige Volksschule, die etwa 100 Jahre
bestanden hat, aufgelöst ist, hat Herr Lehrer Weinberg, der fast 2 Jahre
segensreich hier wirkte, die Gemeinde verlassen, um eine Stelle an der
privaten Volksschule in Mönchengladbach anzutreten. Die Gemeinde, die ihn
schätzen gelernt hat, bedauert seinen Weggang sehr. Schüler und Gemeinde
veranstalteten am vergangenen Schabbat-Abend zu seinem Abschied im
Saale Levi eine gemütliche Feier, bei der ernste und heitere Vorträge
abwechselten." |
Tod der Frau von Lehrer Gans - Ester Gans geb.
Ehrenreich (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Oktober 1935:
"Niederaula, 17. September (1935). Heute fand unter großer
Beteiligung die Beerdigung der Gattin unseres verehrten Lehrers, Frau Gans
geb. Ehrenreich statt. Herr Rabbiner Dr. Cahn schilderte am Grabe die
edlen Tugenden der Heingegangenen, die sie als Tochter einer durch
Torawissen und Frömmigkeit ausgezeichneten Familie erkennen ließen, und
die sie befähigten, ihrem Hause gemeinsam mit ihrem Gatten ein
vorbildliches jüdisches Gepräge zu geben. Herr Lehrer Gans zeichnete in
seinen erschütternden Abschiedsworten die Treue und Liebe seiner Gattin
zu den Kindern und den Geist echten Gemilus Chesed (Wohltätigkeit) auch
für die Fernstehenden, der sie auszeichnete. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Lehrer Gans zieht nach 50-jährigem Dienst in
Niederaula nach Frankfurt (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1935:
"Niederaula, 10. Dezember (1935). Dieser Tage hat Herr Lehrer Gans
nach 50jährigem Wirken am hiesigen Platze seinen Wohnsitz nach Frankfurt
verlegt. Er hat während dieser Zeit als Lehrer und Mittelpunkt der
Gemeinde in treuer Pflichterfüllung segensvoll gewirkt und sich die Liebe
und Verehrung der Gemeinde errungen. Diese sieht ihn nur mit schmerzlichem
Bedauern scheiden. An seiner Seite wirkte seit 25 Jahren der Synagogenälteste
Salomon Levi, der ebenfalls das Wohl der Gemeinde stets nach Kräften
förderte. Vom Beginn des neuen Schuljahres ab werden die hiesigen Kinder
der Hersfelder Israelitischen Volksschule laut Verfügung der Behörde
überwiesen. Rabbi Mosche Diamant - das Gedenken an den Gerechten ist
zum Segen. Nitra, 8. Dezember." |
Todesanzeigen für den in Theresienstadt umgekommenen
Lehrer Jakob Gans und Nathan Gans (1944)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 10. März 1944: "Erst
jetzt erreichte uns die traurige Nachricht, dass unsere lieben Jacob
und Nathan Gans
(früher Niederaula und Frankfurt am Main) in Theresienstadt verschieden
sind.
Josef Erlebacher und Frau Rachel geb. Gans 255 Fort Washington
Avenue, N:Y. City.
Sally Gans und Frau Resel Japhet, 89 Arlosoroff Str., Haifa, Pal.
Isaak Rosenberg und Frau Bella geb. Gans, General Gouvernement Polen und
Enkelkinder.
In Theresienstadt verschied unser geehrter und beliebter Lehrer
Jakob Gans
früher Lehrer der Jüdischen Gemeinde Niederaula, im 78.
Lebensjahre.
Wir alle, die wir ihn von Jugend auf kannten, betrauern den Verlust eines
wertvollen Menschen, der uns Lehrer und Erzieher und der Gemeinde
Niederaula Vorbeter und Seelsorger war. Zusammen mit seinen
Hinterbliebenen wird es unsere Pflicht sein, Jakob Ganz in dauernder
'Erinnerung zu behalten.
Die ehemaligen Schüler und Mitglieder der jüdischen Gemeinde
Niederaula." |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Antisemiten haben (noch) keine Chance am Ort (1883)
Artikel in der Zeitschrift "Jeschurun" 1883 S. 709:
"Niederaula, 23. September (1883). Ein Versuch, in unserem
friedlichen Orte eine kleine Judenhetze in Szene zu setzen, scheiterte an
dem gesunden Sinne unserer mittleren Bevölkerung. Die betreffenden
Hersfelder Herren, welche hier ihre Sporen verdienen wollten, wurden ganz
eindringlich belehrt heimgeschickt." |
25-jähriges Jubiläum des
Synagogen-Verschönerungsvereines (1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1922:
"Niederaula, 25. Februar (1922). Heute am Schabbat Schekalim
(Schabbat am 25. Februar 1922 mit der Toralesung Schekalim 2. Mose
30,11-16) feierte der hiesige Synagogen-Verschönerungsverein sein
25jähriges Bestehen. Schon Freitagabend fand in der Synagoge, die in
feierliches Tannengrün gehüllt war, festlicher Gottesdienst statt.
Schabbos morgen nach Rausch Hachaudesch-Verkündigung (nach Monatsbeginn)
gedachte unser Herr Lehrer Gans in schönen kurzen Worten der Bedeutung
des Tages. Nach Sabbatausgang versammelten sich die Mitglieder und
geladenen Gäste des Vereins zu einer Chewra-(Vereins-)Sude bei Herrn
Gastwirt Levi. Zunächst erstattete Herr Hermann Apt einen
Rechenschaftsbericht über die verflossenen 25 Jahre und gedachte der
Mitglieder, die im Laufe der Jahre besonders durch den Krieg dem Verein
entrissen worden waren, worauf sich zum Zeichen des Gedenkens die
Anwesenden von ihren Plätzen erhoben. Sodann sprach Herr Andorn über die
Entstehung des Vereins, welcher anlässlich eines freudigen Ereignisses in
seinem Hause durch Herrn Salomon Levi ins Leben gerufen wurde und feierte
diesen nebst dem Vorstand in humorvoller Weise. Zum Schlusse sprach Herr Gans,
überbrachte die Glückwünsche der anderen Chewros (Vereine), dem Wunsche
und der Hoffnung Ausdruck gebend, dass der Verein noch recht lange bestehe
und weiter Gutes vollbringe. Durch Versteigerung des Benschens und weitere
Sammlungen, wurden über 600 Mark für wohltätige Zwecke aufgebracht.
Eine Nachfeier am Sonntagabend mit Theater und Abendunterhaltung bildeten
den Schluss der Veranstaltung, bei welcher Alt und Jung auf seine Kosten
kam." |
Umstrittenes "Volksstück" zur Einweihung
einer Jugendherberge (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 3. Juni 1927: |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. Juli 1927: |
40-jähriges Jubiläum des Israelitischen Frauenvereins (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1929:
"Niederaula, 14. Juni. Am Lag Baomer feierte im Saale der
Gastwirtschaft Levi der Israelitische Frauen-Verein das Jubiläum seiner
40jährigen Bestehens. Nach einer Begrüßungsansprache durch die Vorsitzende
des Frauenvereins, Frau Lottchen Andorn, sprach Frau Ros Deutsch einen
Prolog, dem Darbietungen einiger Schülerinnen und die Festrede des
Lehrers Gans folgten. Während der folgenden Kaffeetafel trugen Frau Paula
Oppenheim, Frau Selma Speier und Frau Rosa Deutsch durch Vorträge zur
Erhöhung der fröhlichen Stimmung bei, die den Verein und seine Gäste
noch lange zusammen hielt". |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Goldene Hochzeit von Joseph Oppenheim I und Fanni geb.
Stoll (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1928: "Niederaula,
19. August (1928). Ihre goldene Hochzeit feiern am 29. August das Ehepaar
Joseph Oppenheim I und Fanni geb. Stoll. Das Ehepaar erfreut sich noch
großer Rüstigkeit. Herr Oppenheim fungiert noch zeitweise als
stellvertretender Vorsänger." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 24. August 1928:
Ähnliche Mitteilung wie im "Israelit" siehe oben. |
Silberne Hochzeit von David Jakob und Fanny geb. Katz (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Oktober 1928: "Niederaula,
15. Oktober (1928). Am 21. Oktober feiern Herr David Jakob und Ehefrau
Fanny geb. Katz das Fest der silbernen Hochzeit. Aus diesem Anlass spenden
sie der Gemeinde eine neue Torarolle, welche, von Herrn Färber in
Frankfurt geliefert, an diesem Tage mit entsprechender Feierlichkeit
übergeben wird." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 26. Oktober 1928: "Niederaula. In äußerst
rüstiger Weise feierte am vergangenen Sonntag das Ehepaar David Jakob nebst
seiner Gemahlin Fanny geb. Katz, das Fest der silbernen Hochzeit.
Aus diesem Anlass stiftete das Jubiläumspaar der hiesigen
Synagogengemeinde eine 'Sefer Thora' (Torarolle), deren feierliche Weihe
und Übergabe am Silberhochzeitstage erfolgte. Mögen dem glücklichen
Paare auch weiterhin frohe und segensreiche Tage beschieden sein, um auch
das Fest der 'Goldenen' in gesunder und frischer Weise dereinst begehen zu
können." |
Zum Tod von Isaak Goldmeier (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Juli 1930:
"Niederaula, 27. Juli (1930). Am vergangenen Sonntag, dem 24.
Tammus (= 20. Juli 1930) starb im Krankenhaus in Fulda Herr Isaak
Goldmeier von hier im 59. Lebensjahre. Erschüttert trauern an seinem
Grabe die Familie, seine Freunde und die hiesige Gemeinde. Denn er war
Mittelpunkt seiner ganzen Familie und seiner Freunde, wie er, ohne ein Amt
in der Gemeinde zu besitzen, Mittelpunkt und eine der Hauptstützen der
Gemeinde war. Ein selbstloser, treuer, besonnener Berater und Helfer in
der Not, auf dessen Rat man stets gern höre, von echter Gottesfurcht
beseelt und stets zu Werken von Gerechtigkeit und Wohltätigkeit
bereit. Sein Haus war durchreisenden Armen stets gastlich geöffnet. auch
sie haben viel an ihm verloren. Als Parnas (Vorsteher) der Chewrat
Bachurim (Männerverein) hat er jahrzehntelang diese eifrig gefördert
und wohl absichtlich in dieser keinen Lehrvortrag versäumt, wie er auch
stets ein regelmäßiger Besucher in Schul war. Von einer allgemeinen
Wertschützung zeugte die große Beteiligung auch Andersgläubiger bei
seiner Beerdigung. Herr Lehrer Gans zeichnete am Grabe in bewegten
Worten ein Lebensbild des Verstorbenen, während Herr Lehrer Levi aus
Höchst am Main als Verwandter dem Schmerze der Familie um den mit einem guten
Herzen ausgezeichneten Manne innigen Ausdruck verlieh. Sein
Hinscheiden hat in Familie und Gemeinde eine schwer ausfüllbare Lücke
gerissen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 1. August 1930: "Niederaula. Hier starb Herr
Isaak Goldmeier im 59. Lebensjahre. Familie, Gemeinde und die
Wohltätigkeits- und Lernvereine, denen er vorstand, sind durch sein
Hinscheiden in tiefe Trauer versetzt. Unter großer Beteiligung wurde er Dienstag
bestattet. Lehrer Gans und als Verwandter Lehrer Levi aus Höchst
am Main widmeten warm empfundene Nachrufe." |
Zum Tod von Dorette Seligmann geb. Löwenstein (ursprünglich aus Hattenbach,
1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1931: "Niederaula,
10. Oktober. Am Hoschana-Rabba-Abend (2. Oktober 1931) verschied
hier im gesegneten Alter von 87 Jahren Frau Dorette Seligmann geb.
Löwenstein. Mit ihr ist eine Frau dahingegangen, die ihr Haus, früher in
Hattenbach, später hier, zu einem Abrahams-Haus zu machen
verstanden hatte, in dem weitestgehende Gastlichkeit waltete und
Wohltätigkeit in schönster Weise geübt wurde. Von inniger Frömmigkeit
getragen, ertrug sie im festesten Gottvertrauen die Beschwerden des
Alters mit Heiterkeit. Jahrzehntelang genoss sie als Vorsitzende der Chewra
Naschim (Frauenverein) das Vertrauen ihrer Mitschwestern. Bis zu ihrem
Lebensende war ihr Geist klar geblieben und ließ sie an allen
Geschehnissen des Tages lebhaften Anteil nehmen. Am Simchat-Tora
(4. Oktober 1931), ihrem 87. Geburtstage, haben wir sie in stillem Schmerz
zu Grabe getragen. Das Andenken an die Gerechte ist zum Segen." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 16. Oktober 1931:"Niederaula. Im 87.
Lebensjahr verschied Frau Dorette Seligmann geb. Loewenstein.
Jahrzehntelang widmete sie sich als Vorstehende mit großem Interesse den
Aufgaben der Frauenvereinigung. Von innigster Frömmigkeit beseelt, war
sie eine Wohltäterin der Armen. An ihrem 87. Geburtstage, am Simchas
Thora, wurde sie zur letzten Ruhe
gebettet." |
25-jähriges Jubiläum von Salomon Levi als
Synagogenältester und Vorstand der Chewra Bachurim (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Februar 1936:
"Niederaula, 3. Februar (1936). Am Schabat Paraschat Jitro
(Schabbat mit der Toralesung Jitro = 2. Mose 18,1-20,23) - 15. Februar -
feiert Herr Salomon Levi sein 25jähriges Jubiläum als Synagogenältester
und Vorstand der Chewra Bachurim. Er hat es verstanden, in den
schweren Kriegs- und Nachkriegszeiten das Schifflein der Gemeinde friedlich
und ruhig mit sicherer Hand zu leiten. Möge er - bis 120
- noch das Glück haben, unter göttlichem Beistand auch jetzt in der für
eine kleine Gemeinde besonders schweren zeit die Gemeinde und ihre
Institutionen zu erhalten." |
Hinweis auf den aus Niederaula stammenden Lehrer Jacob Apt (1869-1942
)
Jacob Apt ist als zweites von sechs Kindern des Viehhändlers Wolf Apt und
seiner Frau Röschen geb. Ballin am 9. Juli 1869 in Niederaula geboren. Er war
seit 1893 Lehrer und Kantor der jüdischen Gemeinde Pattensen. Seit 1893 war er
verheiratet mit Rieckchen geb. Cohen aus dem ostfriesischen Wittmund. Bis zu
seiner Zurruhesetzung 1930 blieb er Lehrer und Kantor in Pattensen. Seit diesem
Jahr wohnte er in Hannover, kam aber weiterhin regelmäßig als Lehrer und
Schochet (nach dem Handbuch der Gemeindeverwaltung 1932) nach Pattensen. Am 23.
Juli 1942 wurde er von Hannover aus in das Ghetto Theresienstadt deportiert,
wenig später in das Vernichtungslager Maly Trostinec, wo er ermordet
wurde.
Postkarte
aus der Familie von
Victor Cohen aus
Saarbrücken an Jacob Apt
in Pattensen (1924)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim / Ries) |
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Die
Karte mit Grüßen zum (jüdischen) Neujahr wurde am 28. September 1924
aus der Familie von Victor Cohen (Saarbrücken)
verschickt, der sich nach dem rückseitigen Text damals zur Kur (?) in Bad Nauheim
befand (gestorben am 21. Juli 1925 und beigesetzt im jüdischen
Friedhof Saarbrücken, Dokumentation
Steinheim-Institut). Die Bemerkung auf der Rückseite, " Victor bleibt noch 8 Tage,
er fühlt sich ganz wohl, wenn es nur standhält ", lässt vermuten, dass er gesundheitliche
Probleme hatte. Der Empfänger der Karte war der oben genannte Lehrer Jacob
Apt in Pattensen. Er war ein Schwager von Victor Cohen. Seine Frau Rieckchen
geb. Cohen war eine
Schwester von Victor Cohen. Der letzte Gruß auf der Vorderseite in Sütterlin-Schrift zeichnet eine Trude. Victor Cohen hatte
eine Tochter mit Namen Trude.
Link: auf der Website www.juden-in-pattensen.de
eine Seite
zum "Lebensweg von Jacob Apt". |
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Lehrer
Jacob Apt tritt in den Ruhestand (1930 in Pattensen) |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1930: "Pattensen
(Leine), 12. August (1930). Der 12. Juli war ein Ehrentag für unseren
bisherigen Lehrer Jacob Apt und seine Gattin. Nach 37-jähriger
reichgesegneter Tätigkeit tritt Herr Apt als Volksschullehrer in den
Ruhestand. Die Gemeinde ehrte ihren scheidenden Lehrer und Führer in
erhebender Weise. Der Oberschulrat bei der Regierung zu Hannover, sowie
der Kreisschulrat, hatten Herrn Apt den Dank der Regierung sowie ihre
persönlichen Wünsche für die Zukunft ausgesprochen. Möge es Herrn Apt vergönnt
sein, noch lange Jahre in Gesundheit und Wohlergehen im wohlverdienten
Ruhestande zu verbringen." |
Hinweis auf den aus Hattenbach
stammenden Lehrer Kalmann Levi
Quelle: Seite
https://frankfurt.de/de-de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtgeschichte/stolpersteine/stolpersteine-in-hoechst/familien/levi-rosa-und-kalmann-und-frank-else.
Kalmann Levi (geb. 1878) war Lehrer, Kantor in
(Frankfurt) - Höchst am Main und
stammte aus Hattenbach. Er war verheiratet mit Rosa Levi aus Altena. Sie lebten
von 1909 bis 19. November 1938 in der Leverkuserstraße 9 in Höchst und hatten
drei Töchter: Betty, geb. 18. Februar 1906, Else und Lotti, geb. 1919. Mit ihnen
zusammen lebte auch der Vater von Rosa Levi, Moses Friesem, der als
Gemeindeältester der Jüdischen Gemeinde tätig war. Kalman Levi war Kantor und
Schächter der Gemeinde sowie seit 1904 Religionslehrer am Gymnasium und Lyzeum.
Rosa Levi leitete die israelitische Frauenvereinigung. Texte zu Lehrer Kalmann
Levi in der Seite zu Höchst.
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Anzeige der Färberei A. Plaut Söhne (1875)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. August 1875:
"In unserer Färberei kann ein Lehrling, jüdischer
Konfession, zu den besten Bedingungen Aufnahme finden.
Auch findet ein Färbergehilfe vom Oktober dieses Jahres an
dauernde Beschäftigung.
Sabbat und Feiertage ist das Geschäft geschlossen.
Niederaula, Regierungsbezirk Kassel. A. Plaut Söhne." |
Anzeige des Manufakturwarengeschäftes von Jacob
Nussbaum (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1890:
"Für mein Schabbat und Feiertag streng geschlossenes
Manufakturwaren-Geschäft suche einen mit der Landkundschaft vertrauten Commis,
sowie einen Lehrling. Offerten mit Zeugnissen, jedoch ohne Marken,
an Jacob Nußbaum, Niederaula (Regierungsbezirk
Kassel)." |
Anzeige des Tuch-, Manufaktur-, Modewaren und Nähmaschinengeschäftes Louis
Steigerwald (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juni 1901: "Suche
einen tüchtigen jungen Mann für Laden und kleine Landtouren, der
mit der Tuch-, Manufaktur-, Modewaren- und Nähmaschinenbranche
vollständig vertraut ist. Gehalt nach Übereinkunft. Samstags und
israelitische Feiertage streng geschlossen. Die den Kreis Hersfeld
schon länger bereits haben, erhalten den Vorzug.
Louis Steigerwald,
Tuch-, Manufaktur-, Modewaren und Nähemaschinen,
Niederaula, Kreis Hersfeld." |
Anzeige von Witwe Rös'chen Jacob (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1903:
"Für meinen 17-jährigen Sohn, der 1 1/2 Jahre in einem
Landesprodukten-, Eisen- und Fettwarengeschäft als Lehrling war, seine
Lehrzeit wegen eines Beinbruchs unterbrechen musste, suche, nachdem
derselbe vollständig wieder geheilt, anderweit als Lehrling
Stellung.
Witwe Rös'chen Jacob, Niederaula." |
Verlobungsanzeige für Therese Japhet und Sally Gans
(1920)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 16. April
1920:
"Therese Japhet - Sally Gans. Verlobte.
Frankfurt am Main, Fichtestraße 18. Niederaula - Frankfurt
am Main.
Zu Hause 17. und 18. April." |
Verlobungsanzeige für Bella Gans und Isaak Rosenberg (1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Oktober 1922: Statt
Karten -
Gott sei gepriesen - Bella Gans - Isaak Rosenberg. Verlobte.
Simchat Tora 5683 (15. Oktober 1922).
Niederaula / Frankfurt am Main - Rosenthal / Frankfurt am Main. Empfang:
21. und 22. Oktober, Fichtestraße 18 p." |
Verlobungsanzeige von Klärchen Baruch und Max Apt
(1928)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. Mai 1928:
"Klärchen Baruch - Max Apt.
Verlobte.
Kassel - Niederaula Kreis Hersfeld. Mai
1928". |
Zur Geschichte der Synagoge
1806 wird erstmals eine "Judenschul"
beziehungsweise Synagoge in Niederaula genannt. Es handelte sich vermutlich um
einen Betsaal in einem der jüdischen Häuser.
1836 wurde eine neue Synagoge erstellt. Dazu konnte die jüdische
Gemeinde das Backhaus des Ortes erwerben und dies zu einer Synagoge umbauen.
Erstellt wurde ein zweigeschossiger Bau auf rechteckigem Grundriss mit einem Satteldach, in dem sich
neben dem Betsaal auch die Lehrerwohnung und die Schule befanden. Die Synagoge
hatte etwa 60 Sitzplätze. Am 11./12. November 1836 (Schabbat Paraschat
Toledot) konnte die Synagoge eingeweiht werden. Hundert Jahre später erschienen
anlässlich des 100jährigen Bestehens der Synagoge zwei Artikel in der
Zeitschrift "Der Israelit":
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1936:
"Niederaula, 10. November (1936). Am Schabbos Paraschat Toledot
(= Samstag, 14. November 1936) sind es 100 Jahre, dass die hiesige
Synagoge eingeweiht wurde. Der Ernst der Zeit verursacht, dass man von
jeder Feier absieht. Wie sehr man hier auch vor hundert Jahren sparen
musste, ergibt sich daraus, dass die Synagoge aus einem von der
Dorfgemeinde erworbenen Backhaus zu einer Synagoge umgebaut wurde, wobei
die Mitglieder selbst Hand anlegen mussten und das Baumaterial von weit
her zum Teil auf der Schulter herbeitrugen. Die Gemeinde, die zu den
ältesten in Hessen gehört, denn schon im Jahre 1503 wohnten hier Juden
unter dem Schutze des Abtes in Hersfeld, zählte 1885 bei etwa 200 Seelen
53 Schüler und ist jetzt auf 51 Seelen und 4 Schüler zusammen
geschmolzen. Jk." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1936:
"Frankfurt am Main. Die Synagoge in Niederaula (Hessen) besteht 100
Jahre. Die jüdische Gemeinde, die zu den ältesten in Hessen gehört,
geht auf das Jahr 1503 zurück. Sie zählt jetzt 51 Seelen." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch
SA-Leute geschändet und völlig demoliert. U.a. wurden auch die Torarollen aus
dem Toraschrein gerissen und auf die Straße geworfen. Die Inneneinrichtung
wurde völlig verwüstet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Synagogengebäude als
Unterkunft für Kriegsgefangene zweckentfremdet. Nach dem Krieg waren einfache
Wohnungen und von 1952 bis 1956 die katholische Kirche eingerichtet.
Das Synagogengebäude wurde 1973 abgebrochen.
Die Diskussion um die Anbringung eines Gedenksteines für die jüdische Gemeinde
gestaltete sich in Niederaula sehr schwierig. 1989 ließ der damalige Pfarrer
Brauer von der evangelischen Kirchengemeinde in eigener Verantwortung eine
Gedenktafel für die ehemalige jüdische Gemeinde in Niederaula in der
evangelische Kirche aufhängen, weil in den Diskussionen, die dem Gedenken zum
9. November 1988 folgten, sich die Gemeinde-Gremien in Niederaula nicht
verständigen konnten, ob an der Stelle der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel
oder ein Gedenkstein angebracht werden soll.
Es dauerte 17 weitere Jahre, bis es zur Aufstellung eines Gedenksteines für die
ehemalige Synagoge kam. 65 Jahre nach der letzten Deportation von zwei Juden aus
Niederaula (Karoline und Salomon Levi) wurde der Gedenkstein am 5. September
2007 enthüllt.
Adresse/Standort der Synagoge: unweit der Kirche;
Bahnhofstraße 13
Fotos
(Quelle: obere Fotozeile und mittlere Zeile links aus
Altaras 1988 S. 42; die übrigen Fotos aus dem Artikel Osthessen-News.de
vom 5.9.2007)
Historische Aufnahme
aus
den 1930er-Jahren |
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Die
nahe der Kirche stehende Synagoge in Niederaula |
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Die ehemalige
Synagoge als Kirche und Wohnhaus in den 1960er-Jahren |
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Die ehemalige
Synagoge als katholische Kirche / Wohnhaus in den 1950er/1960er-Jahren |
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Abriss der ehemaligen
Synagoge
im März 1973
(Aus der Sammlung
des Landesgeschichtlichen Informationssystems Hessen LAGIS mit
Quellenangabe: Fotosammlung Hans und
Katharina Hartwig, Niederaula Bild
Nr. 1411) |
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Die Einweihung
des Gedenksteines am 5. September 2007
(Bilder vorläufig aus www.osthessen-news.de
eingestellt)) |
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Enthüllung
des Gedenksteines |
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Gedenkstein am
Synagogenstandort
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 14.9.2008) |
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Zur Orientierung vergleiche
die obigen
Ansichten aus den 1950er-Jahren |
Der Gedenkstein steht hinter
dem
Schild der Bushaltestelle |
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Der Gedenkstein |
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Gedenkstein mit
der Inschrift "Zur Erinnerung an die bis 1942 in Niederaula lebenden
Juden.
Hier stand bis 1973 die Mitte des 19. Jahrhunderst erbaute Synagoge
der jüdischen Gemeinde
Niederaula. Dieser Gedenkstein soll an das
Schicksal der ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen
und Mitbürger
erinnern." |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2010:
Rundgang auf den Spuren der jüdischen Geschichte
in Niederaula |
Artikel in den "Osthessen-News"
vom 11. Juli 2010 (Artikel):
"'Legalisierter Raub' - Orte jüdischer Geschichte und jüdischen Lebens
NIEDERAULA. Am Sonntag, 13. Juni, um 14:30 Uhr lädt Heidi Rößing alle Interessierten zu einem Rundgang zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Niederaula ein, die bis 1933 zu den größten Gemeinden im damaligen Kreis Hersfeld zählte. Treffpunkt ist der Eingang der Evangelischen Kirche.
Unweit der Kirche stand die Synagoge, der Mittelpunkt jüdischen Lebens. Hier waren auch die Schule und die
Mikwe untergebracht. Im größeren Umkreis lebten die meisten Juden des Dorfes. Gleich neben der Synagoge stand das Lehrerwohnhaus. Als Jakob Gans 1886 seinen Dienst als Lehrer an der israelitischen Elementarschule antrat, hatte er neben dem Amt als Vorbeter und Vorsänger auch den Schächterdienst zu versehen und 50 Kinder zu unterrichten..."
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 131-132. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 155. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 41-42. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 42. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 64-65. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 520-522. |
| Johann Heinrich Kumpf: Wohl die älteste Person des
Deutschen Reichs stammte aus Momart. Zur Geschichte der jüdischen Familien
Bergfeld in Momart und Michelstadt, May in Roßdorf sowie Aschenbrand in
Niederaula, Rimbach und Frankfurt am Mein. In: "gelurt". Odenwälder
Jahrbuch für Kultur und Geschichte 2022. Hrsg. vom Kreisarchiv des
Odenwaldkreises. Erbach/Odw. 2022. S. 99-116.
Online zugänglich (pdf-Datei). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Niederaula
Hesse-Nassau. Established in 1735, the community dedicated a synagogue in 1836
and ran an elementary school from 1868 to 1933. The community numbered 145 (14 %
of the total) in 1885 and 100 (8 %) in 1925-33. Nazi persecution forced many
Jews to leave before Kristallnacht (9-10 November 1938), when the
synagogue and Jewish property were vandalized. By 1941, 34 Jews had emigrated,
nine were deported in 1942."
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|