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"Synagogen im Kreis Marburg-Biedenkopf
Niederklein (Stadt
Stadtallendorf, Kreis Marburg-Biedenkopf)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Niederklein bestand - in meist enger Verbindung mit
Schweinsberg (im 19. Jahrhundert Synagogengemeinde Schweinsberg-Niederklein)
- eine jüdische
Gemeinde bis 1938/40. Erstmals lassen sich im 17. Jahrhunderts jüdische
Einwohner in Niederklein nachweisen.
1659 wird in einer "Kellereirechnung" von Amöneburg der Jude
Daniel in Niederklein genannt. Er war bis zu seinem Tod in Niederklein; 1692 wird
seine Witwe genannt, die 1694 ins benachbarte Schweinsberg
zog. 1697 brannte der Ort ab; in den
Rechnungsunterlagen wird nun der seit 1696 in Niederklein wohnhafte Jude Raphael
genannt. Er hatte
vorübergehend kein Schutzgeld zu bezahlen, da er "ganz verbrandt ist wie
die anderen Niederkleiner Unterthanen". 1706 verzog er nach Buchenau. Für
ihn wurde 1707 der Jude Hahne (auch Haine oder Hohne) am Ort aufgenommen.
Nach seinem Tod um 1728/29 folgte sein Sohn Salomon Hahne auf der Stelle. Dieser
war der Stammvater der späteren Familie Stern. Seit 1708 war auch kurzzeitig
ein Jude Zachor am Ort, seit 1710 ein Raphael (bis 1725).
Im ganzen 18. Jahrhundert blieb es bei nur ein bis zwei jüdische Familien am
Ort (in den 1760er-Jahren Hahne Salomon und Mayer Hahne; für letzten ab 1777
Mendel Israel, Stammvater der Familie Nussbaum). Die Familien gehörten zur
jüdischen Gemeinde in Schweinsberg.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1802 16 jüdische Einwohner (von insgesamt 728 Einwohnern), 1832 fünf jüdische Familien, 1852 sieben Familien, 1861 63 jüdische
Einwohner (6,4 % von insgesamt 980), 1871 51 (5,9 % von 864), 1885 45 (5,2 % von
858), 1895 40 (4,2 % von 964, in sieben Familien), 1905 32 (3,7 % von 877). Die
jüdischen Familiennamen am Ort waren Stern (1808 Isaak und Moses Stern), Nußbaum
(1808 Salomon Nussbaum) und Blumenthal (1808 Koppel Blumenthal), in der Zeit
nach dem Ersten Weltkrieg durch Einheirat in die Familie Stern auch Krämer.
Die
Familienvorsteher verdienten den Lebensunterhalt insbesondere durch Viehhandel (auch
Schafhandel) und Manufakturwarenhandel. 1858 werden als jüdische
Familienvorstände genannt (mit Erwerbszweig): Salomon Stern
(Viehhändler/Großhändler und Metzger - besucht mit 50 bis 100 Stück Vieh die
Märkte), Hanne Stern (Krämer), Isaak Blumenthal (Spezereien- und
Eisenhändler), Leser Stern (Metzgerei und Nothandel), Witwe von Aaron Stern
(Metzgerei), Heinemann Nussbaum (Viehhändler), Joseph Nussbaum (Spezereiwaren),
Israelstern (Nothändler, Viehhändler).
Maier Stern eröffnete ein
Manufakturwarengeschäft (vgl. Anzeige von 1901 unten). Um 1900 gab es einen jüdischen Gastwirt, doch
verzog die Familie wenig später nach Frankfurt und eröffnete dort ein
Zigarrengeschäft.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule und
ein rituelles Bad (1825 im Haus von Isaak Stern, ehem. Haus Nr. 57 1/2). Die Toten der Gemeinde wurden zunächst im jüdischen
Friedhof in Hatzbach,
nach 1918 im Friedhof in Stadtallendorf
beigesetzt (erste Beisetzung aus Niederklein im Dezember 1920). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war
zeitweise im 19. Jahrhundert ein jüdischer Lehrer am Ort. Um 1825 ist ein
solcher vorauszusetzen (siehe Bericht unten, falls bei dem genannten Lehrer von
Moses Haas nicht der Schweinsberger Lehrer gemeint war, der vermutlich bereits
damals regelmäßig in Niederklein unterrichtete). Ansonsten wurde der
Religionsunterricht in Niederklein durch den Religionslehrer aus Schweinsberg
erteilt: So unterrichtete 1835 Lehrer Salomon Stern am Montag, Mittwoch und
Freitag in Niederklein, am Sonntag, Dienstag und Donnerstag in Schweinsberg.
Letzter gemeinsamer Lehrer von Schweinsberg und Niederklein war Lehrer
Rothschild (bis 1884). Danach wurde der Schulverband zwischen Schweinsberg und
Niederklein aufgelöst und der Unterricht durch andere auswärtige Lehrer (schon
damals aus Kirchhain?) erteilt. Die Gemeinde gehörte zum
Rabbinatsbezirk Oberhessen mit Sitz in Marburg.
Um 1924, als zur Gemeinde noch elf Personen gehörten (1,2 % von insgesamt
957 Einwohnern, in drei Familien), war Gemeindevorsteher Maier Stern II (als
Nachfolger seines 1922 verstorbenen Onkels Maier Stern I; Hinweis: der
Vater von Maier Stern II war Isaac Stern, ein Bruder von Maier Stern I). Auch 1932
wird Maier Stern als Gemeindevorsteher genannt, wobei es sich nun um Maier
Stern II gehandelt haben wird. Inzwischen wurde Religionsunterricht nicht mehr
regelmäßig erteilt. Auch in Schweinsberg gab es keinen jüdischen Lehrer mehr.
Zuletzt erteilte der Kirchhainer Lehrer
Markus Rapp auch in Niederklein den Religionsunterricht (er war Lehrer in
Kirchhain von 1912 bis 1937).
1933 lebten noch dreizehn jüdische Personen in Niederklein. In
den folgenden Jahren sind nur einzelne von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (Hugo Stern mit Frau und
drei Kindern in die USA, gleichfalls die Kinder von Hermann Krämer und Maier
Stern II).
Nach dem Buch von Barbara Händler und Ulrich Schütt (s. Lit.) wurde von der in
der Obergasse lebenden Familie Krämer Hermann Krämer im Mai 1941 zur
Zwangsarbeit in das Arbeitslager Breitenau verschleppt, von dort im Juli 1941 in das KZ Buchenwald.
Er wurde am 11. März 1942 in der Todesanstalt Bernsburg an der Saale ermordet. Abraham Krämer (Vater von Hermann Krämer) verstarb in Mardorf
und wurde im jüdischen Friedhof
Rauisch-Holzhausen beigesetzt (Angabe von Harald Dörr vom 26.2.2016).
Dina Krämers Weg in den Tod verlief über das Ghetto Riga
nach Auschwitz. Die Kinder Renate und Walter Krämer wurden 1941 nach Mardorf umgesiedelt und von dort
nach Riga deportiert (von hier in verschiedene Lager verbracht und im März 1945
von den Russen aus dem Lager Rieben befreit); Walter Krämer kam im Juli 1945 nach Niederklein
zurück und ist von hier in
die USA ausgewandert; Renate Krämer konnte später mit der Aktion von Graf
Bernadette von Schweden in die USA auswandern. Sie lebte
2016 noch in Levittown, USA und ist am 20. Mai 2023 im Alter von 98 Jahren
verstorben (Angaben von Harald Dörr vom 26.2.2016 und 27.06.2023). Von der in der
Schweinsberger Straße lebenden Familie Maier Stern II konnten
die beiden Söhne Ernst und Julius in die USA emigrieren, vgl. unten den Brief
von Julius Stern). Maier Stern starb im Juli 1939 angeblich
an Suizid im Gerichtsgefängnis in Marburg,
seine Frau Paula und seine Schwester Emma wurden in das Ghetto
Theresienstadt deportiert bzw. nach Riga und sind
umgekommen.
Von den in Niederklein geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Dina Krämer geb.
Stern (1888), Hermann Krämer (1890), Friederike Nußbaum geb. Nußbaum (1893),
Johanna Sonn geb. Nussbaum (1860), Emma Stern (1879), Julchen Stern geb. Stern (1880), Maier Stern II (1871), Paula
(Paulina) Stern geb. Rosenbaum (1874).
Hinweis: im Buch von Barbara Händler-Lachmann und Ulrich Schütt (siehe
Literatur) finden sich insgesamt 28 Kurzbiographien zu jüdischen Personen aus
Niederklein. Detaillierte Genealogien der jüdischen Familien bei Alfred
Schneider.
Zur Biographie der am 20.05.2023 verstorbenen Renate Hirsch geb. Krämer vgl.
https://spurenimvest.de/2021/07/08/kraemer-renate/.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Um 1825 war ein Lehrer in der Gemeinde tätig
Aus einer Biographie zu Rabbiner Moses Haas
aus Mardorf (Quelle: J.
Hahn: Die Freudentaler Rabbiner): "Moses Haas ist 1811 in dem kurhessischen Ort
Mardorf bei Marburg geboren. Er besuchte die dort bestehende israelitische Schule. Da seine Eltern ihn schon früh unter den elf Geschwistern für das Studium der jüdischen Theologie bestimmt hatten, erhielt er neben der Schule Privatunterricht in rabbinischen Bibelkommentaren. Seit seinem 14. Lebensjahr ließ er sich bei einem jüdischen Lehrer im benachbarten Ort
Niederklein in der Kenntnis der talmudischen Schriften und der hebräischen Grammatik ausbilden. Beim katholischen Pfarrer in
Niederklein besuchte er dazu hin zweieinhalb Jahre lang die von diesem für einige Knaben angebotenen Lehrstunden zur Vorbereitung für den Besuch des Gymnasiums. Anschließend wurde er für ein Jahr Schüler einer Jeschiwa in Fulda, danach für fünf Jahre Schüler des Beth Hamidrasch von Rabbinatsverweser Löb Ellinger in Mainz." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufaktur-Warengeschäftes M. Stern I.
(1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1901: "Für
mein an Samstagen und Feiertagen geschlossenes Manufaktur-Warengeschäft
suche ich per Ostern einen Lehrling aus achtbarer Familie, unter
günstigen Bedingungen.
M. Stern I., Niederklein, Bezirk Kassel." |
Dokument nach 1945
Brief von Julius Stern nach Niederklein (1963)
Anmerkung: Julius Stern schrieb am 30. September 1963 nachstehenden Brief an
die Gemeinde Niederklein und hoffte damals auf eine Reaktion von Seiten der
Gemeinde. Stern war einer der beiden Söhne von Pauline und Maier Stern II. Sein
Vater starb angeblich durch Suizid im Gerichtsgefängnis Marburg 1939, seine Mutter
ist im Ghetto Theresienstadt am 8. September 1942 umgekommen. Die Familie Stern
mit dem damaligen Dorfnamen Eißicks lebte in der Schweinsberger Straße. Julius
Stern und sein Bruder Ernst waren vor 1936 in die USA emigriert. Der 1936
offenbar unbeantwortete Brief von Julius Stern aus Los Angeles lag danach im
Archiv der Gemeinde Niederklein, später im Stadtarchiv Stadtallendorf. Eine
Antwort auf den Brief von Julius Stern wurde erst im Mai 2014 bei einem Besuch
von Tom und Jill Stern-Treuhaft übergeben. Letzterer ist ein Enkel des Onkels
von Julius Stern und lebt in Toledo in Ohio. Das Ehepaar hat damals Niederklein besucht.
Julius Stern ist im Jahr 1976 in den USA verstorben. Der Brief wurde verfasst
von Mitgliedern des Ortsbeirates, Stadtverordneten und Niederkleiner Bürgern,
die einen Arbeitskreis gebildet
hatten.
Der
Brief wurde veröffentlicht in Alfred Schneider: Die jüdischen Familien im ehemaligen Kreise Kirchhain. Beiträge zur Geschichte und Genealogie der jüdischen Familien im Ostteil des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf in Hessen. Hrsg.: Museum Amöneburg.
2006: "Sehr geehrte Bürger von dem Jüngsten bis zum Ältesten von
Niederklein!
Nach vielen Jahren, in denen ich öfters glaubte, von Euch, den meisten
von Euch zu hören, schreibe ich zu Euch.
Viele Menschen in Niederklein können sich nicht mehr an mich erinnern,
besonders die Jugend, aber viele erinnern sich an meine l(ie)b(en) Eltern,
Maier (und) Pauline Stern, welche einst mit anderen Juden in Eurer
Gemeinde lebten und Opfer des 3ten Reiches wurden. Immer wieder wurden
Stimmen laut, die fordern, man muss einen endgültigen Schlussstrich unter
die NS-Vergangenheit ziehen. Doch den Ruf nach einer solchen
Generalamnestie kann und darf die Welt, und besonders die Erben dieser
Tat, niemals billigen.
Nach all den Grausamkeiten, die während der dunklen zwölf Jahre verübt
wurden, muss die Erinnerung daran wachgehalten werden, sowohl im Andenken
an die Millionen Ermordeten als auch zur Warnung vor einer
Wiederaufrichtung jeglicher Diktatur; das ist eine staatsbürgerliche wie
auch besonders menschliche Verantwortung, für die es unbeirrt von konjunkturellen
Einflüssen mit aller Entschiedenheit einzutreten gilt und die auch
ständig unter Beweis gestellt werden muss. Denn zuviel ist die allgemeine
Tendenz, die in dem Satz zusammengefasst wird: 'Das wollen wir nicht mehr
hören'. Hier liegt die Pflicht zu einer allgemeinen Umerziehung, (und)
die Frage aufgeworden werden muss, ob man nicht wenigstens die Schüler
heranziehen sollte, um die mit der Vergangenheit zu bekännen (bekennen);
und so ist mein Brief nicht zuletzt für die Jugend von Niederklein.
Die Erfahrungen von Tod und Schrecken sind so groß, als dass sie sich
einfach verdrängen, vergessen ließen. Der Eichmann-Prozess hat noch
einmal die Erinnerung an die von Grauen und Leid erfüllte Geschichte der
europäischen Juden wachgerufen; nie werden die Deutschen genug tun
können, um diese Schuld zu bezahlen; aber ich glaube, der böse Geist
kann in Deutschland ausgetrieben werden durch eine Aktion von Sühne, so
doch einen Beweis des Anerkennens der furchtbaren Schuld zu geben ist die
Pflicht aller.
In vielen Teilen von Deutschland werden Stimmen hörbar, die das
furchtbare Schweigen brechen und durch Sühnezeichnen in verschiedenen
Wegen versuchen, in kleinen Wegen ein Denkmal zu bauen für die einstigen
Mitbürger der Städte und Dörfer. Auch ich hoffe, dass meine lieben
Eltern im Tode geehrt werden - von den Bürgern von Niederklein.
Mit besten Grüßen an Euch alle Julius Stern, 6612 Woodman
Ave, Van Nuys, Cal.
NB.: Eine Copy dieses Briefes schickte ich heute zu den Zeitungen in Los
Angeles." . |
Links:
Antwortschreiben an die Nachkommen von Julius Stern von 2014 (Dokument
erhalten von Harald Dörr, Marburg).
Dazu Presseartikel in der
"Oberhessischen Presse" (kostenpflichtig):
vom 14.2.2014: "Brief eines Exil-Juden aufgetaucht. Antwort nach
50 Jahren. Als Julius Stern am 30. September 1963 an die damalige
Gemeinde Niederklein schrieb, hoffte er auf eine Reaktion. Stern war einer
der Niederkleiner Juden, die der Ermordung durch die Nazis entgingen.
Niederkleines Ortsbeirat greift den historischen Brief nun
auf..." Link
zum Artikel
vom 26.5.2014: "Niederklein. Beim Besuch stehen Tränen in den
Augen. Es waren beeindruckende und emotionale Momente, als nach mehr
als fünf Jahrzehnten das Antwortschreiben der Niederkleiner Gemeinde an
die Nachkommen von Julius Stern übergeben wurde..." Link
zum Artikel |
Ende August 2016 wurde ein Gedenkstein
für die aus Niederklein umgekommenen jüdischen Personen im Pfarrgarten
aufgestellt.
Artikel in der "Oberhessischen Presse" vom 1. September 2016: "Ein
Gedenkstein gegen das Vergessen. Bis zu 64 Mitglieder zählte einst
die jüdische Gemeinde von Niederklein vor dem Holocaust. An dieser
erinnert jetzt ein Gedenkstein..." (Link
zum Artikel)
Der Gedenkstein enthält die Inschrift: "In stillem Gedenken an alle
entrechteten, vertriebenen und verstorbenen jüdischen Mitbürger
Niederkleins. 1933-1945". |
Zur Geschichte der Synagoge
Niederklein bildete zunächst mit Schweinsberg
eine Synagogengemeinde. So besuchten die Niederkleiner Juden vermutlich bis
Anfang des 19. Jahrhunderts die Gottesdienste in Schweinsberg.
Spätestens 1835 gab es jedoch ein eigenes Schul- und Synagogengebäude
in Niederklein, in dem der Religionsunterricht (durch den Lehrer aus Schweinsberg)
dreimal in der Woche erteilt wurde. Dass auch Gottesdienste in Niederklein
abgehalten wurden, erfährt man gleichfalls 1835, da sich am 30. Oktober 1835
der Allendorfer Isaak Stern über den Kreisvorsteher Koppel Blumenthal
beschwerte. Dieser hätte ihn wegen Störung des Gottesdienstes in der
Niederkleiner "Sinagoge" mit einer Strafe von 1/2 Pfund Wachszahlung
belegt. Die Synagoge/Schule befand sich in einem an das Wohnhaus von Moses Stern
nach Norden hin angebaute Hinterhaus.
Auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen Einwohner wurde das
Synagogengebäude bereits vor 1910 geschlossen und an den Bäcker
Heinrich Josef Krämer verkauft. Die Kultgegenstände wurden nach Kirchhain
verbracht. Nach dem Ersten Weltkrieg besuchten die jüdischen Einwohner
Niederkleins die Synagoge in Schweinsberg.
In den Erinnerungen der 1925 in Niederklein geborenen Renate Hirsch geb. Krämer
(gest. 2023) steht: "Our temple (sc. in Niederklein) was so small and hidden, that we
could not use it for quite a time, due to our shrinking congregation. We walked
to Schweinsberg on Saturdays for services. No one at that time had a camera to
take pictures" (Information/Zitat erhalten von Harald Dörr, Marburg am
15.8.2016).
Das Synagogen-/Schulgebäude wurde um 1950 abgebrochen, das Grundstück
neu bebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Hauptstraße
27
Fotos
Zur Synagoge
liegen noch keine Fotos vor; über Hinweise oder Zusendungen freut
sich
der Webmaster der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Nach Anlage des Friedhofes
in Stadtallendorf wurden die Toten der
Gemeinde Niederklein auf dem
dortigen
Friedhof beigesetzt |
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Grabstein für Mendel Nußbaum
aus Niederklein
7.5.1853-20.2.1922 |
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Familienfoto Familie
Krämer in Niederklein
(erhalten von Renate Hirsch geb. Krämer über Harald
Dörr) |
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Hinweis auf eine Quelle: Memoirs
of Walter Kraemer, born in Niederklein 1927, regarding his experiences in
Kassel, Riga, the Riga Ghetto, Kaiserwald, Strasdendorf and more
(eingestellt in der Website von Yad Vashem, Jerusalem). |
Auf dem Foto sind zu sehen:
Dina Krämer geb. Stern
(Mutter ganz links), Hermann Krämer (Vater ganz
rechts),
Renate Krämer (oben rechts), Ilse Krämer (oben links)
und
Walter Krämer (Mitte unten) |
|
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Niederklein |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Niederklein sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,659 Trauregister der Juden von Niederklein
1823 - 1845, 1864 - 1872, darin auch ein Hinweis auf die Vernichtung der
Geburts-, Trau- und Sterberegister der jüdischen Gemeinden Schweinsberg
und Niederklein durch einen Brand im Oktober 1872 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4982966
|
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 137-138. |
| Keine Abschnitte zu Niederklein in Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994 und dies.: Neubearbeitung der
beiden Bände 2007. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.
160. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 522-523. |
| Barbara Händler-Lachmann / Ulrich Schütt:
"unbekannt verzogen" oder "weggemacht". Schicksale der
Juden im alten Landkreis Marburg 1933-1945. Marburg 1992. |
| Barbara Händler-Lachmann / Harald Händler
/Ulrich Schütt: 'Purim, Purim, ihr liebe Leut, wißt ihr was Purim
bedeut?' - Jüdisches Leben im Landkreis Marburg im 20. Jahrhundert. Marburg
1995. |
| Alfred Schneider: Die jüdischen Familien im
ehemaligen Kreise Kirchhain. Beiträge zur Geschichte und Genealogie der
jüdischen Familien im Ostteil des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf
in Hessen. Hrsg.: Museum Amöneburg. 2006. |
| Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultus
108: Von der Ausgrenzung zur Deportation in Marburg und im Landkreis
Marburg-Biedenkopf. Gedenkbuch (hrsg. von Klaus-Peter Friedrich im Auftrag
der Geschichtswerkstatt Marburg). Marburg 2017. 544 S. ISBN
978-3-942487-10-8.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Niederklein
(now part of Stadtallendorf) Hesse-Nassau. Numbering 63 (6 % of the total) in
1861, the community dwindled to 11 in 1933. Eight Jews emigrated to the United
States; three perished in Nazi death camps.
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