Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Unterfranken"
Untermerzbach (Kreis
Haßberge)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Untermerzbach bestand eine jüdische Gemeinde bis
1929. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Zumindest
eine der beiden jüdischen Familien, die 1660 aus
Ebern vertrieben wurden, ließ sich in Untermerzbach nieder. Zwischen
1685 und 1762 gibt es Nachweise für Besucher der Leipziger Messe aus Merzbach.
Einige Bedeutung hatte Untermerzbach im 18. und bis zur Mitte des 19. Jahrhundert:
1718 war Chaim ben
Mosche Rabbiner der "Medina (Bezirk) Grabfeld" und der
"Medina Würzburg". Rabbinatssitz war in Untermerzbach.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1814 121 jüdische Einwohner (21,8 % von insgesamt 555 Einwohnern),
1837 122 (23,0 % von 530), 1867 44 (7,9 % von 557), 1871 32 (5,6 % von 575),
1880 20 (3,4 % von 587), 1900 12 (2,5 % von 486), 1910 5 (1,0 % von 502), 1925 7
(1,3 % von 550). Vermutlich bereits um 1900 wurde die jüdische Gemeinde
Untermerzbach aufgelöst; die hier noch lebenden jüdischen Einwohner der
Gemeinde in Memmelsdorf zugeteilt.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.) mit
Räumen für den Religionsunterricht, die Lehrerwohnung und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war zeitweise ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. Zeitweise war der jüdische Lehrer in Untermerzbach auch für den
Unterricht der jüdischen Kinder in
Gleusdorf zuständig. Seit 1874, nachdem die Zahl der jüdischen Einwohner stark
zurückgegangen war, wurde die Gemeinde vom Lehrer aus Memmelsdorf aus betreut.
Zweimal in der Woche kam dieser nach Untermerzbach, um den jüdischen Kindern
den Religionsunterricht zu erteilen.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Karl Goldstein (geb.
7.1.1875 in Untermerzbach, vor 1914 in Rexingen wohnhaft, gest. 13.10.1918 in
Gefangenschaft).
In den 1920er-Jahren kam es bereits 1923 zu antijüdischen Ausschreitungen im
Amtsbezirk Ebern, in deren Verlauf den beiden jüdischen Familien des Ortes bei
einem bewaffneten Überall aller Besitz geraubt worden. 1933 lebten noch
sechs jüdische Personen in Untermerzbach. Zu ihnen gehörte eine vierköpfige
Familie, die am 18. Januar 1937 nach Argentinien emigrieren konnte. Die letzte
jüdische Einwohnerin der Gemeinde wurde am 11. Juni 1942 in das jüdische
Altersheim nach Schweinfurt verbracht und von dort am 10. September 1942 in das
Ghetto Theresienstadt.
Von den in Untermerzbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jeanette Frank geb. Blumenthal (1875),
Fanny Kahn geb. Grünfelder (1861), Herrmann
Mayer (geb. ?), Karoline Mayer (geb. ?), Rosa Mayer (), Amalie Rör geb. Daniel
(1884), Henny Rör (1920), Jonas Rör (1877).
Seit Mai 2014 erinnert in Memmelsdorf
und Untermerzbach (mit Umgebung) ein "Lehrpfad zur Geschichte des
Fränkischen Landjudentums" an die frühere jüdische Geschichte des
Ortes. Der Lehrpfad führt von der ehemaligen Synagoge in Memmelsdorf zum
ehemaligen Bahnhofsgelände in Memmelsdorf und weiter nach Wüstenwelsberg,
Gereuth, Obermerzbach und Untermerzbach zurück nach Memmelsdorf. Auf der
Strecke liegen das Schloss des Schutzherrn der Memmelsdorfer Juden in Gereuth,
der jüdische Friedhof in Untermerzbach, das Schloss Untermerzbach, der
sogenannte Judenhof in Untermerzbach, die Synagoge in Memmelsdorf sowie der
jüdische Friedhof in Memmelsdorf und die so genannten Rückertsteine.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Elementarlehrers,
Vorsängers und Schächters 1884 / 1889
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1884: "Die hiesige
israelitische Elementar-Schulverweserstelle mit Vorsänger- und Schächterstelle
wird hiermit zur Bewerbung ausgeschrieben.
Die Stelle trägt nebst freier Wohnung und freier Beheizung: a) von der
Kultusgemeinde inklusive Staatszuschusses Mark 600, b) Zur Ausübung der
Schächterfunktion Mark 300, c) weitere Nebenverdienste circa Mark 200,
d) für wöchentlich 2maligen Religionsunterricht in dem ¼ Stunde
entfernten Untermerzbach Mark 120.
Außerdem steht einem tüchtigen Lehrer noch eine weitere Zulage aus
Privatmitteln zu Gebote. Gesuche sind bis zum 15. September dieses Jahres
an den unterzeichneten Vorstand einzusenden.
Memmelsdorf (Amts-Ebern), den 23. August 1884. Ab. Nordheimer,
Kultus-Vorstand".
|
|
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1889: "die hiesige
israelitische Elementar- und Schulverweserstelle mit Vorsänger- und Schächterstelle
wird hiermit zur Bewerbung ausgeschrieben.
Die Stelle trägt nebst freier Wohnung und Heizung: a) Von der Kultusgemeinde inklusive Staatszuschusses 600
Mark, b. für die Ausübung der Schächterfunktion hier und Merzbach ca.
300 Mark, c. weitere Nebenverdienste ca. 200 Mark, d. für wöchentlich
2maligen Religionsunterricht in dem ¼ Stunde entfernten Untermerzbach 120
Mark, außerdem steht einem tüchtigen Lehrer noch eine weitere Zulage aus
Privatmitteln zu Gebote.
Gesuche sind bis zum 1. Juli dieses Jahres an den unterzeichneten Vorstand
einzureichen.
Memmelsdorf (Amt Ebern). J. Langstädter, Kultusvorstand." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Nachruf auf den aus Untermerzbach stammenden Rabbiner Moses Cohen, 1828-1843
Bezirksrabbiner in Kaiserslautern
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1843:
"Nekrolog. Am 14ten dieses Monats entschlummerte nach kurzem
Krankenlager unser geliebter Bezirksrabbiner Moses Cohen zu
Kaiserslautern. Geboren im Jahre 1785 zu Merzbach in Unterfranken, bezog
er in seinem fünfzehnten Jahre die damals noch blühende jüdische
Hochschule in Fürth, und nachdem er zwei Jahre da zugebracht, setzte er
seine Studien neun Jahre in Prag weiter fort. Als im Jahre 1828 das
Bezirksrabbinat zu Kaiserslautern gegründet wurde, berief man ihn zu
diesem Amte, bei welchem er als Geistlicher und als ein wahrer Priester
(Cohen) des Ewigen fünfzehn volle Jahre hindurch wirkte. Der Verblichene
gehörte zu den selteneren, ausgezeichneten Persönlichkeiten. Außer
seinen theologischen und linguistischen Kenntnissen hatte er sich noch
besonders in Mathematik und Geschichte hervorgetan. Alle seine heilsamen
Verbesserungen, die er namentlich beim Schul- und Synagogenwesen ins Leben
rief, suchte er nicht durch Gewalt, sondern langsam auf dem Wege der Liebe
und Besserung durchzuführen.
Noch nie habe ich einen größeren Leichenzug erblickt. Den
Glaubensgenossen des Verewigten, die aus allen Orten in und außer des
ausgebreiteten Bezirkes herbeigeströmt waren, hatten sich die
christlichen Bewohner der Stadt Kaiserslautern in Masse angeschlossen: die
Beamten, die Geistlichen der verschiedenen Konfessionen, die Lehrer der
Volksschulen, die Zöglinge des Seminars und der Gewerbeschule, sie alle
waren herbeigekommen, um dem Verblichenen die letzte Ehre zu erweisen. Vor
der Stadt machte der Zug Halt, und nachdem die Seminaristen einige
Trauerkantaten abgesungen hatten, bewegte sich der Leichenwagen nach dem
zwei Stunden von da entfernten Begräbnisplatze. Der Dahingeschiedene
hatte, wie der hiezu berufene Leichenredner, Bezirksrabbiner Dr. Grünebaum aus
Landau treffend bemerkte, keinen Feind, ja nicht einmal
einen Gegner. Ihn beweinen eine trostlose Witwe mit fünf Kindern, sein tiefgetrübter Bruder, der
Bezirksrabbiner (Aron) Merz aus Dürkheim an der
Haardt, sowie sämtliche Gemeinden des Bezirks Kaiserslautern. Möge sein
Andenken noch recht lange unter uns weilen! Möge aber auch der Geist des
Friedens, der Liebe und der erleuchteten Frömmigkeit, die ihn beseelt,
über uns walten, ihm zum Ruhme und uns zum Segen!
Otterberg, im Mai 1843. L. Straus, der junge." |
Zum Tod des aus Untermerzbach stammenden Rabbiner Aron Merz, 1826 bis 1864
Rabbiner des Synagogenbezirks Frankenthal (1864)
Anmerkung: Rabbiner Aron Merz (geb. 1795 in Untermerzbach,
Unterfranken, gest. 31. März 1864 in Bad Dürkheim): studierte an der Jeschiwa
in Fürth, danach an der Universität in Erlangen; war seit 1826 Rabbiner des
Synagogenbezirks Frankenthal mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße und seit
1829 in Bad Dürkheim.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. April 1864:
"Lambsheim (Pfalz), 5. April. In der Nacht vom 30. zum 31. März
verschied der hochwürdige Rabbiner des Synagogenbezirks Frankenthal, Aron
Merz, in einem Alter von 69 Jahren. Fast dreißig Jahre hindurch fungierte
derselbe in rastloser Tätigkeit und in ungeheuchelter Frömmigkeit als
Seelsorger in genanntem Bezirke. Glaubensgenossen aus allen Gemeinen des
Sprengels, eine große Menge der achtbarsten Bürger, sämtliche Lehrer
aller Konfessionen der Stadt Dürkheim
sowie alle israelitischen Lehrer seines Rabbinatsbezirks, welche dem Sarge
des Verblichenen folgten, bezeugten die ungeteilte Achtung, welche der
Verblichene sich erworben. Einen besonders ergreifenden Eindruck machten
einige sehr gut vorgetragene Trauergesänge am Hause und vor der Stadt,
sowie auch das Geläute der Glocken während des Zuges. Die Herren
Rabbiner Dr. Grünebaum aus Landau und
Seligmann aus Kirchheimbolanden
hoben in anerkennender und höchst würdiger Weise die Verdienste des
Heimgegangenen hervor." |
Anzeigen
Verkauf von Torarollen 1889
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1889:
"Angebot. Die hiesige Gemeinde beabsichtigt, drei schön geschriebene
und gut erhaltene Torarollen und einige solche, welche (für den
Synagogengottesdienst:) unbrauchbar sind, zu verkaufen.
Untermerzbach. M. Goldstein, Kultus-Vorstand." |
Anzeige von Carl Goldstein (1905)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. Juni 1905:
"Bäcker, in Frankfurt u.a. Städten schon gearbeitet, sucht
wieder Stelle, am liebsten in Frankfurt am Main selbst. Offerten an Carl
Goldstein, Untermerzbach, Unterfranken." |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; Anmerkungen zu den
Karten gleichfalls von Peter Karl Müller)
Feldpostkarten des
im Ersten Weltkrieg gefallenen Karl Goldstein (1915/16; gefallen
1918) |
Es handelt sich um 2 Feldpostkarten, die Karl Goldstein aus dem Felde
oder wie er in seiner ersten Karte schreibt, aus dem "Feindesland" in seine Heimat
geschrieben hat. Der in der zweiten Karte geäußerte Wunsch, nach
Hause zu kommen, hat sich für Karl Goldstein nicht erfüllt. Er starb am 13.10.1918 in Gefangenschaft.. |
Karte
vom März 1915 |
|
|
Die Karte oben trägt das Datum vom 28.3.1915 (Poststempel 31.3.1915),
ist adressiert an eine Familie Apotheker Ratinger
in Untermerzbach und trägt rückseitig einen kurzen Gruß folgenden Wortlautes "Ihnen Allen aus Feindesland ein schöner
Sonntagsgruß. Ihr Karl Goldstein". |
|
|
|
Karte
vom Februar 1916 |
|
|
Die zweite Karte ist elf Monate später geschrieben am 28. Februar 1916 (Poststempel 29.2.1916) und ist adressiert an
Frau Apotheker C. Gerner in Untermerzbach mit folgendem Text "In Bereitschaft - 28.Febr. 1916. - Sehr geehrte Frau Apotheker!
Besten Dank für Ihre liebenswürdige Karte nebst den guten Wünschen. Ich bin seit einiger Zeit wieder bei meiner Kompanie.
Urlaub gibt bei uns vorläufig nicht. Die Hauptsache bleibt ja wenn man nach dem Kriege wohl nach Hause kommt.
Mit besten Grüßen für Ihre werten Angehörigen und besonders für Sie
bin ich Ihr Karl Goldstein " |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Synagoge wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts erbaut.
Nachdem die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder gegen Ende des 19.
Jahrhunderts stark zurückgegangen war, konnten auf Grund der fehlenden Zehnzahl
der jüdischen Männer (Minjan) nicht mehr regelmäßig
Gottesdienste abgehalten werden.
Dennoch behielt man die Synagoge bei. Erst 1930 wurde sie verkauft und danach
einige Zeit als Getreidespeicher verwendet. Schließlich wurde das Gebäude zu
einem bis heute bestehenden Wohnhaus (mit Ferienwohnungen) umgebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Judenhof 1
Fotos
Foto von 2004
(Foto: Jürgen Hanke, Kronach,
aus: www.synagogen.info) |
|
|
|
Die ehemalige Synagoge in
Untermerzbach |
|
|
|
|
Das Synagogengebäude im
Juli 2014
(Fotos: Jürgen Hanke, Kronach) |
|
|
|
|
|
|
|
|
Das Synagogengebäude
und der "Judenhof" im Mai 2020
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 31.5.2020) |
|
|
|
Die ehemalige Synagoge
wird zur Zeit
außen renoviert |
Rechts des Gebäudes im
Vordergrund:
das ehemalige Synagogengebäude |
|
|
|
|
|
|
Im Judenhof |
Im Judenhof |
Straßenschild "Judenhof"
|
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2014:
Themenweg zur Erinnerung an die jüdische
Geschichte |
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 417. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 120-121. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 526-527.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Untermerzbach Lower
Franconia. Jews from Untermerzbach frequented the Leipzig fairs in 1685-1762 and
constituted an important community with a cemetery and public school in the
first half of the 19th century and a peak population of 122 in 1837 (total 530).
The last two families there suffered violence in the 1920s. Six Jews were living
in Untermerzbach in 1933 and one family emigrated to Argentina in 1937.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|