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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Willstätt (Ortenaukreis)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Willstätt
In Willstätt bestand zu keiner Zeit eine selbständige
jüdische Gemeinde. Jedoch haben sich schon im 17. Jahrhundert einzelne
jüdische Personen / Familien am Ort niedergelassen. Erwähnungen gibt es
seit 1619, namentlich 1625 die Juden Abraham, Isaak der Ältere, Isaak der
Jüngere und Jakob, um 1635 Isaak und Moses Mayer. Weitere jüdische Personen
werden in Offenburger Ratsprotokollen genannt. Es handelte sich bei ihnen vor
allem um Viehhändler. Seit 1627 bemühten sich - in der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges - die Willstätter Juden um eine Aufnahme in Offenburg, die ihnen auch
für einige Zeit genehmigt wurde. 1680 wurden die in Offenburg lebenden
Juden ausgewiesen. Zeitweise kamen einige von ihnen nach Willstätt zurück, von
dort zogen mehrere Familien in die 1715 neu gegründete Stadt Karlsruhe, darunter
die Familie des Rabbiners Ephraim um 1720. Als Erinnerung an die Zeit der
jüdischen Ansiedlung in Willstätt gab es vor allem in Karlsruhe einige
jüdische Familien mit dem Familiennamen Willstätter.
Unter den bekannten Vertretern mit dem jüdischen Familiennamen "Willstätter"
sind zu nennen:
- Leopold Willstätter (1851 Karlsruhe - 1902 Brunnen. Kanton
Schwyz CH): Bankier, Teilhaber des Bankhauses Veit L. Homburger und Mitglied im
Aufsichtsrat zahlreicher Karlsruher und auswärtiger Firmen. Weitere
Informationen
https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Willstätter
- Richard Martin Willstätter (1872 Karlsruhe - 1942 in Muralto,
Kanton Tessin CH), deutscher Chemiker (Nobelpreis für Chemie 1915): wuchs in
Karlsruhe und Nürnberg in einer jüdischen Großkaufmannsfamilie auf; war seit
1903 verheiratet mit Sophie geb. Leser aus Heidelberg (gest. 1908), mit der er
zwei Kinder hatte: Ludwig (geb. 1904, gest. 1915) und Margarete (geb. 1905, war
auch Physikerin, gest. 1964 in Winnebago Ill./USA). Willstätter ist 1939 in die
Schweiz geflohen. Weitere Informationen
https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Willstätter.
Drei Angehörige von "Willstätter"-Familien sind in der NS-Zeit umgekommen:
Elisabeth Rosenfeld geb. Willstätter (geb. 1897 in
Karlsruhe als Tochter des
Fabrikdirektors Emil Willstätter und seiner Frau Recha, wohnte in Karlsruhe und
Stuttgart, ermordet 1944 in Auschwitz).
Elise (Elisa) Willstätter geb. Main (geb. 1856 in
Müllheim/Baden, wohnte in
Lörrach, umgekommen nach Deportation 1941 im Internierungslager Gurs).
Gustav Willstätter (geb. 1885 Lörrach, wohnte in Lörrach, ermordet 1943 in
Auschwitz).
Im 19./20. Jahrhundert (Zeitraum 1825 bis 1933) kam es in Willstätt nicht
zur Niederlassung jüdischer Personen. Bei den Volkszählungen 1880 und 1885
wurden je zwei jüdische Personen in Willstätt registriert, doch kann es sich
dabei auch um Personen gehandelt haben, die bei den Volkszählung zufällig
ortsanwesend waren.
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
August 2020:
Buch zur jüdischen Geschichte
in Willstätt ist erschienen
|
Artikel von Nina Saam
in "Baden online.de" vom 8. August 2020:
"Die Geschichte der Juden in Willstätt
Der Willstätter Gemeindearchivar Martin Ruch hat in einem Büchlein alle
Hinweise auf jüdisches Leben in der Gemeinde gesammelt – ein interessanter
Querschnitt durch die Geschichte des Ortes.
In der einschlägigen Literatur sind jüdische Gemeinden in
Bodersweier,
Freistett und
Lichtenau vermerkt, Hinweise auf eine
Willstätter Gemeinde finden sich nicht. Es gibt aber einen berühmten
jüdischen Träger des Ortsnamens: Der Chemie-Nobelpreisträger Richard
Willstätter, dessen Vorfahren aus Willstätt stammten. Willstätts
Gemeindearchivar Martin Ruch, ein gebürtiger Offenburger, der sich eingehend
mit der Geschichte der Juden seiner Heimatstadt beschäftigt hat, stieß bei
seinen Recherchen immer wieder auf jüdische Namen aus Willstätt. 'In alten
Ratsprotokollen habe ich zum Beispiel einen 'Abraham Jude aus Willstätt'
gefunden, dann einen 'Kostel Levi Jud aus Willstätt', erzählt er. 'Das hat
mich stutzig gemacht.' Ruch sammelte die Hinweise auf Willstätter Juden, die
sich in den alten Protokollen fanden, und hat sie nun in einem kleinen
Bändchen zusammengefasst.
Anfang des 17. Jahrhunderts gab es einige jüdische Viehhändler in
Willstätt, die zum Teil gegen ein Schirmgeld in Offenburg Handel treiben
durften. Willstätt war damals ein wichtiger Punkt an der Handelsstraße. 1632
wurde Willstätt im 30-jährigen Krieg in Schutt und Asche gelegt. Während die
anderen Einwohner sich eher in Richtung Schwarzwald orientierten, wandten
sich die Willstätter Juden schutzsuchend an die stark befestigte katholische
Reichsstadt Offenburg. Gegen Zahlung eines Schirmgeldes durften sie sich in
der Stadt niederlassen, wie Martin Ruch herausfand. In den alten Protokollen
ist beispielsweise vermerkt, dass den Willstätter Juden Jacob und Jäckhlin 'sampt
ihrem Gesind schutz und schürm zugesagt' wurde, dass sie aber mit den
Bürgern 'kein wunderliche contracten treiben' dürfen. Unbeschwert war ihr
Leben in Offenburg aber nicht. So berichten die Quellen von antisemitischen
Angriffen. Auch einigen Offenburger Zünften waren die Neuankömmlinge, die
vor allem mit Handel und Geldverleih ihre Brötchen verdienten, ein Dorn im
Auge. Auf ihr Bestreben hin setzte die Stadt Offenburg schließlich 1680 per
Ratsdekret die 'Abschaffung der Juden' fest. Nur wenige Willstätter Juden
kehrten in ihr Dorf zurück. Einige von ihnen gingen nach Karlsruhe, in die
neu gegründete Residenz des Markgrafen Karl-Wilhelm. 'Er hat ihnen Steuer-,
Religions- und Gewerbefreiheit versprochen', so Martin Ruch. 'Willstätter'
wurde so zu einem häufigen jüdischen Namen in Karlsruhe. Auch der Rabbiner
Ephraim zog 1720 von Willstätt in die neue Residenzstadt. Seine Nachfahren
erhoben Mitte des 18. Jahrhunderts, als das Tragen bürgerlicher Nachnamen
zur Pflicht erhoben wurde, ihre Herkunft zu ihrem Namen. Einer davon ist
Richard Willstätter, der 1915 den Nobelpreis für Chemie bekam. Seine Enkelin
Carol Bruch hat vor einigen Jahren Willstätt besucht und auch das Vorwort zu
Martin Ruchs Büchlein verfasst. In den Jahren danach hat Ruch nur vereinzelt
Hinweise auf jüdisches Leben gefunden, die er detailliert auflistet. Während
des Nazi-Regimes lebten keine Juden mehr in Willstätt. Mehr noch: Den
Bürgern war jeglicher Kontakt mit ihnen verboten. So ist in einem Schreiben
des Bürgermeisteramtes zu lesen, dass ein Willstätter Grundbuchbeamter, der
einen jüdischen Kinderarzt in Offenburg aufgesucht hat, 'eindringlich auf
die Folgen eines weiteren Verkehrs mit Juden' hingewiesen wurde. "
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Otto Kähni: Geschichte der Offenburger
Judengemeinde, in: Die Ortenau 49 (1969) S. 80-114; zu den Willstätter Juden
S. 85. |
| Joachim Hahn: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer
Geschichte in Baden-Württemberg. 1988 S. 417. |
|
Martin Ruch: Geschichte der Juden von Willstätt im Hanauerland. 88 S.
ISBN 9783751953573. Books on Demand 2020.
Link zum Verlag
https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/-/art/martin-ruch-geschichte-der-juden-von-willstaett-im-hanauerland/hnum/10169376
Klappentext: Im 17. Jahrhundert gab es in Willstätt eine kleine
jüdische Landgemeinde. Der 30-jährige Krieg ließ sie Schutz suchen in der
benachbarten Reichsstadt Offenburg. 1680 jedoch verlangten die Zünfte ihre
Ausweisung. Sie kehrten nicht mehr nach Willstätt zurück. Einige nahmen das
Angebot an, in der neugegründeten Residenz Karlsruhe zu wohnen, darunter
auch die Vorfahren des Chemie-Nobelpreisträgers von 1915, Dr. Richard
Willstätter. In einer Autobiographie schilderte Willstätter sein Leben,
seinen Kampf gegen Antisemitismus, seine Flucht 1939 in die Schweiz.
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