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Miehlen (VG
Nastätten, Rhein-Lahn-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Miehlen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/39.
Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden
1780 jüdische Personen am Ort genannt (weitere 1782-83 und 1786; erste
Namen: Eli von Miehlen, später Leopold Mayer). Die Zahl der jüdischen Einwohner stieg
im 19. Jahrhundert von 43 (1843), 45 (1864, 3,1 % der Gesamteinwohnerschaft) auf
eine Höchstzahl vom 63 im Jahr 1872, um danach durch Ab- und Auswanderung
wieder zurückzugehen. 1885 waren es 42, 1895 39 jüdische Einwohner am Ort.
Eine vorübergehend neue Blütezeit gab es um 1905/1910, als wieder 61
beziehungsweise 64 jüdische
Einwohner gezählt wurden.
Die jüdischen Familien lebten im 18./19. Jahrhundert überwiegend in sehr
einfachen, teilweise armseligen Verhältnissen. Ende des 18. Jahrhunderts
konnten einzelne Familien immer wieder nicht das geforderte Schutzfeld
aufbringen: dem Eli von Miehlen und später Leopold Mayer wurde auf jeweils
sechs Jahre das Schutzgeld erlassen. 1850 wurde ein Stiftungsverein zur
Unterstützung Notleidender gegründet (1932 war Vorsteher des Stiftungsvereines
Nathan Hermann, damals gehörten dem Verein 10 Mitglieder an). 1872
(s.u.) werden die jüdischen Familien der Gemeinde nach Angabe ihres damaligen
Vorstehers David Strauß als "streng religiös, aber leider
unbemittelt" bezeichnet. Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts trugen
die jüdischen Familien mit ihren Handlungen und Gewerbebetrieben
wesentlich zur wirtschaftlichen Belebung des Ortes bei. Jüdischen Familien
gehörten Manufaktur- und Kurzwarengeschäfte, eine Metzgerei, ein Kaufhaus
(Inh. Emil, dann Alfred Friedberg), eine Vieh- Getreide- und
Futtermittelhandlung (Inh. Emil Strauß), eine Sattler- und Polsterei u.a.m.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), einen
Friedhof, eine Religionsschule sowie ein rituelles Bad. Die Gemeinde war dem Rabbinatsbezirk in Bad
Ems zugeteilt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde wurde
Anfang des 19. Jahrhunderts - gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden Fachbach und
Nievern - ein Religionslehrer angestellt. Später hatte man einen gemeinsamen
Lehrer mit Ruppertshofen (siehe
Ausschreibung unten von 1875) oder auch mit der jüdischen Gemeinde in Nastätten.
Dabei werden als Lehrer genannt: um 1892/96 Lehrer Bastanski, der aus
Ruppertshofen regelmäßig nach Miehlen kam und dort damals vier Kinder
unterrichtete; Lehrer Gustav Mannheimer, der von 1875 bis nach 1925 in
Nastätten, Miehlen und Holzhausen unterrichtete.
Im Ersten Weltkrieg
fielen aus der jüdischen Gemeinde Max Strauß (geb. 21.4.1884 in Miehlen, gef.
30.12.1914), David Strauß (gef. 28.11.1916) und Theodor Strauß (geb. 2.11.1900 in Miehlen, gef. 7.7.1918).
Um 1925, als zur jüdischen Gemeinde 50 Personen gehörten (3,6 % der
Gesamteinwohnerzahl von etwa 1.400 Personen), waren die Vorsteher der Gemeinde
B. Strauß und Jakob Strauß. 1932 waren die Gemeindevorsteher Hermann
Strauß (1. Vorsitzender), Bernhard Friedberger (2. Vorsitzender) und Emil
Strauß. Als Lehrer kam Gustav Mannheimer aus Nastätten nach Miehlen.
Nach 1933 ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder (1933: ca. 45 Personen) auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 1933/34 wurden bereits die
Fensterscheiben der Familie Friedberg eingeschlagen, auf das Haus des
Viehhändlers Nathan Hermann wurden Schüsse abgegeben. Bei Familie Emil Strauß
wurde ein großer Stein durch ein geschlossenes Fenster geworfen sowie ein
Sprengkörper in das Haus von Walter Ehrmann. Solche Aktionen setzten sich bis
1938 fort. Zu brutalen Überfällen der jüdischen Wohnungen kam es beim Novemberpogrom
1938, als die Inneneinrichtungen der jüdischen Wohnungen und noch
bestehenden Geschäfte zerstört und teilweise aus den Fenstern auf die Straße
geworfen wurden. Mehrere
jüdische Einwohner wurden bei den Aktionen verletzt. Anfang 1939 wurden
zunächst noch acht jüdische Einwohner gezählt. Am 18. Oktober 1939 verzog das letzte
jüdische Ehepaar in das jüdische Altenheim nach Frankfurt am Main.
Von den in
Miehlen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Paula Dertinger geb.
Hermann (1899), Bernhard Friedberg (1876), Thekla Friedberg geb.
Hammel (1871), Jettchen Gamiel geb. Friedberg (1870), Edith Goldschmidt (1929), Selma Goldschmidt geb. Ackermann (1900), Erna Grünewald geb.
Friedberg (1903), Bertha Hermann geb. Herz (1882), Antonie (Henriette) Heymann
geb. Strauss (1897), Ida Hirschbrandt geb. Strauss (1901), Clara Löwenstein
geb. Strauss (1898), Mina Mannheimer (1870), Ida Reiss geb.
Hermann (1875), Amalie Strauss geb. Stern (1867), Berle Strauss (1859 oder 1865), Dina Strauss (1895), Gertrud
Strauss (1867), Henoch H. Strauß (1871), Hermann (Chaim) Strauss (1869), Inge Straus (1934), Irma
(Judith) Strauss geb. Fleischmann (1899), Jakob Strauss (1863), Julius Strauss
(1903), Rosa Strauss (1898), Rosine Strauss (1874), Salomon Strauss
(1891), Sybilla Strauss geb. Rolef (1864).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers für Ruppertshofen und die
Filialschulen in Miehlen und Niederbachheim 1873 / 1875
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. August 1873: "Die
israelitische Kultusgemeinde zu
Ruppertshofen, wozu auch die Filialschule zu Miehlen etc.
gehört, sucht alsbald einen Religionslehrer zu akquirieren, dessen
fixe Besoldung jährlich 200 Thaler beträgt und stellt
demselben auch eine kostenfreie Wohnung. Bewerber um diese Stelle
haben sich an den israelitischen Kultusvorsteher Herrn Hecht in
Ruppertshofen, Amts Nastätten zu wenden." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Dezember 1875:
"Die israelitische Kultusgemeinde zu Ruppertshofen, wozu auch die
Filialschulen zu Miehlen und Niederbachheim gehören, sucht alsbald
einen Religionslehrer, der zugleich Vorbeter sein muss, zu akquirieren,
dessen fixe Besoldung jährlich 600 Reichsmark beträgt, und stellt
demselben eine kostenfreie Wohnung. Bewerber um die Stelle haben sich an
den israelitischen Kultusvorsteher Herrn Max Landsberg in Ruppertshofen,
Amts Nastätten, Provinz Nassau zu wenden." |
50jähriges Ortsjubiläum von Lehrer
und Kantor Gustav Mannheimer (1925, Lehrer in Nastätten, Holzhausen und Miehlen
seit 1875)
Anmerkung: In
Nastätten kam es 1938 (am 10. und 16.
November 1938) zu schweren Ausschreitungen und gewalttätigen Aktionen gegen die
jüdischen Familien. Mehrere Personen, auch einige der jüdischen Frauen, wurden
misshandelt. Der inzwischen 82-jährige jüdische Lehrer Gustav Mannheimer wurde
durch örtliche Nationalsozialisten eine Treppe hinuntergestoßen, sodass er mit
dem Kopf auf die Steinstufen des Hauseingangs aufschlug. Man ließ ihn mit der
blutenden Wunde am Hinterkopf liegen. Ein halbes Jahr später, am 14. März 1939
verstarb er in Nastätten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. November 1925: "Nastätten,
18. November. Am Schabbat Paraschat Lech Lecha (Samstag, 31. Oktober
1925) war es 50 Jahre, dass Lehrer und Kantor Mannheimer sein Amt in
unserer Gemeinde und in den Gemeinden Holzhausen und Miehlen
angetreten hat. Aus Anlass dieses seltenen Jubiläums hat unsere Gemeinde
einen Festgottesdienst veranstaltet, zu welchem Herr Bezirksrabbiner Dr.
Weingarten aus Bad Ems erschienen
war, um die Festrede zu halten. Im Anschluss an den Wochenabschnitt rühmte
er die Pflichttreue des im Amt erkrankten Beamten, der seinen heiligen Beruf
immer treu und gewissenhaft erfüllt hat. Der Vorstand der Gemeinde sowie
zahlreiche Gemeindemitglieder ehrten den Jubilar durch reiche Geschenke, und
auch viele Bürger ließen es sich nicht nehmen, ihre Glückwünsche schriftlich
und mündlich zu übermitteln. Die ganze Feier zeugt von der Beliebtheit, die
Herr Lehrer Mannheimer im Laufe der Jahre sich in allen Kreisen der
Bevölkerung erworben hat." |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Spendenliste 1865
Anmerkung: Die jüdischen Gemeinden sammelten aus den unterschiedlichsten
Anlässen Spenden, hier "zur Linderung der Hungersnot in Palästina". Die
Ergebnisse der Spendensammlungen wurden in jüdischen Periodika bekanntgegeben.
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1865: "Spenden zur
Linderung der Hungersnot in Palästina. Von auswärtigen Gemeinden.
Durch Kultusvorstand Alexander Leopold in Miehlen, Amt Nastätten, gesammelt:
Witwe Heilbronn 33 kr., Isak Mühlheimer 1 fl. 45 kr., Hirsch Straus 17 1/2
kr., Simon Rosental 26 1/4 kr., Elisas Straus 35 kr., Löb Heilbronn 54 kr.,
Mayer Heilbronn 35 kr., Alexander Leopold 1 fl., Juda Straus 35 kr., Nathan
Löwenthal von Marienfels 1 fl., Samuel Straus 35 kr., David Straus 36 kr.,
Aon Friedberg 52 1/2 kr., Betti Rosenthal 17 1/2 kr., zusammen 10 fl. 1 2/4
kr." |
Kurzbeschreibungen der Gemeinde
(1892 / 1896)
Kurze
Angaben zur jüdischen Gemeinde Miehlen in "Statistisches Jahrbuch des
Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes" von 1892 S. 37: "Miehlen 54
Seelen (11 Familien). (Vorsteher) S. Hermann, J. Hermann, S. Rosenthal. -
Bastanski (Lehrer) in Ruppertshofen - Religionsschule (4 Kinder). -
Geisig 20 Seelen." |
|
Kurze
Angaben zur jüdischen Gemeinde Miehlen in "Statistisches Jahrbuches des
Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes" von 1896 S. 46: "Miehlen
54 Seelen (11 Familien). (Vorsteher) S. Hermann, J. Hermann, S. Rosenthal. -
Religionsunterricht erteilt Bastanski (Lehrer) in Ruppertshofen. -
Religionsschule (5 Kinder)." |
Bitte um Spenden für einen
verarmten Familienvater (1914)
Anzeige
in der "Neuen jüdischen Presse" vom 3. April 1914: "Ein Familienvater, der
ohne sein Verschulden in große Not geraten ist, bittet edle Glaubensgenossen
um gütige Spenden, damit er in die Lage versetzt wird, von neuem an die
Arbeit zu gehen. Wer hier sein mildes Herz und seine wohltätige Hand öffnet,
tut ein gutes Werk und trägt dazu bei, dass eine ehrbare, fleißige und
religiöse Familie nicht zu Grunde geht, sondern dem tätigen Leben erhalten
bleibt.
Bezirks Rabbiner Dr. Weingarten in
Bad Ems,
Kulturvorsteher Emil Friedberg in Miehlen Kreis Sankt
Goarshausen." |
Eine jüdische Jugendgruppe wurde
gegründet (1933)
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 12. Januar 1933: "Nastätten. Am
Jahresende wurde eine 'Jüdische Jugendgruppe' gegründet, die bereits
30 Mitglieder aus Nastätten,
Miehlen und Holzhausen
zählt. Ihre Aufgabe ist die Pflege jüdischen Wissens. Bei der eigentlichen
Gründungsfeier am 14. Januar wird Bezirksrabbiner Dr. Laupheimer, auf
dessen Anregung der Verein ins Leben gerufen wurde, einen Vortrag halten." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Mitteilungen anlässlich
der im Kriegseinsatz gefallenen jüdischen Soldaten aus Miehlen
Mitteilung
in "Rechenschaftsbericht des Vereins 'Gumpertzsches Siechenhaus' und der
'Minka von Goldschmidt-Rothschild-Stiftung" (Frankfurt) von 1917 S. 72:
"Beiträge für Jahrzeits-Stiftungen.
Januar 1917. Herr Hermann Strauß in Miehlen bei Nastätten, zum ehrenden
Gedächtnis seines am 28. November 1916 an der Somme gefallenen, einzigen
Sohnes David Strauß Mark.- 75.-." |
|
Mitteilung
in "Rechenschaftsbericht des Vereins 'Gumpertzsches Siechenhaus' und der
'Minka von Goldschmidt-Rothschild-Stiftung' (Frankfurt) von 1918 S. 108":
"29. August (1918): Geschwister Strauß in Miehlen bei Nastätten, für
den seligen Herrn Theodor Strauß, geboren am 2. Oktober 1900,
gestorben im Heeresdienst am 7. Juli 1918 im Hannövrisch-Minden* (spenden
für den Verein): Mark 150.-"
* Hannoversch-Münden. |
|
Mitteilung
im "Israelitischen Familienblatt" vom 29. Januar 1920: "Theodor Strauss,
geboren zu Miehlen bei Nassau als Sohn des Kaufmanns Strauss. Seit
26. Mai 1918 bei den Pionieren, starb er am 4. Juni 1918 an der Grippe im
Lazarett." |
Über den "Landesverrat" von Viehhändlern aus Nassau und Miehlen - eine
antisemitische Verleumdung (1924)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17.
Juli 1924: "Ein misslungener Verleumdungsfeldzug. Der
'Landesverrat' der Limburger Viehhändler. Am 25. August und 7.
September vorigen Jahres brachten die 'Frankfurter Nachrichten' unter der
Überschrift 'Unwürdiges Verhalten' und 'Französische
Vergeltungsmaßnahmen' größere Notizen, nach denen vier jüdische
Viehhändler, Sally Landau, Sally Heilbronn, Salomon Hofmann aus
Nassau an
der Lahn und Emil Strauß aus Miehlen im Taunus wegen Benutzung des
Regiezuges auf der Strecke nach Limburg am Bahnhof Eschhofen wegen ihres
undeutschen Verhaltens verprügelt worden und darauf nach Limburg
zurückgelaufen seien, um die französische Besatzungsbehörde mobil zu
machen. Das Verhalten dieser vier Viehhändler habe angeblich zur
Besetzung des Lahntales geführt. Diese Pressenotiz, deren Unrichtigkeit
für jeden, der die Viehhändler und die Verhältnisse kannte, auf der
Hand lag, hatte sich wie ein Lauffeuer durch beinahe sämtliche deutsche
Zeitungen verbreitet und war insbesondere von den völkischen Zeitungen in
gehässigster Weise gegen die 'jüdischen Landesverräter' ausgeschlachtet
worden. Den Viehhändlern selbst waren Drohbriefe aller Art zugegangen,
sodass sie in ständiger Beunruhigung lebten. Die Aufnahme der
pressegesetzlichen Berichtigung, die sofort in die Wege geleitet worden
war, haben die '
Frankfurter Nachrichten' ohne Angabe von Gründen abgelehnt; einer ihrer
Redakteure ist deshalb auch verurteilt worden. In dem gegen die beiden
verantwortlichen Redakteure Hecht und Weinschenk angestrengten Prozess hat
sich auch nicht der Schatten eines Beweises für die Behauptungen der
Zeitung ergeben. Die Angeklagten mussten vor dem Amtsgericht Frankfurt
zugeben, dass sie die fragliche Notiz auf Grund einer Information der
Frankfurter Eisenbahndirektion gebracht hätten, dass aber weder die
Eisenbahndirektion in der Lage ist, den Beweis der Wahrheit für ihren
Inhalt zu erbringen, noch dass sie selbst irgendwelche Anhaltspunkte
hätten, die die Information der Eisenbahndirektion bestätigen würden.
Die Redakteure haben die Erklärung unter dem Ausdruck des Bedauerns
abgegeben, die Kosten der beiden gegen die erhobenen Privatklagen übernommen
und sich mit der Veröffentlichung des Vergleiches in zwei Zeitungen
einverstanden erklärt." |
|
Mitteilung
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 17. Juli 1924: "Bekanntmachung.
In der Privatklagesache des
1. Sally Landau in Nassau an der Lahn,
2. Sally Heilbronn in Nassau an der
Lahn,
3. Salomon Hofmann in Nassau an der
Lahn, 4. Emil Strauss in Miehlen im Taunus, Privatkläger,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Marx in Frankfurt am Main, gegen
1. H. Weinschenk in Frankfurt am Main, 2. Richard Hecht in
Frankfurt am Main, beide verantwortliche Redakteure der 'Frankfurter
Nachrichten' in Frankfurt am Main, wurde in der öffentlichen Sitzung des
Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Juni 1924 folgender Vergleich
geschlossen.
1. Die Privatbeklagten erklären: am 25.8. und 7.9.1923 veröffentlichten wir
auf Grund von amtlichen Informationen der Frankfurter Eisenbahndirektion
Notizen über die angebliche Verprügelung von vier Händlern auf dem Bahnhof
Eschhofen. Die Viehhändler Sally Landau, Sally Heilbronn, Salomon Hofmann
aus Nassau an der Lahn und Strauss aus
Miehlen im Taunus sollten angeblich wegen Benützung der Regiezüge
verprügelt worden, nach Limburg zurückgelaufen sein und die französische
Besatzungsbehörde mobil gemacht haben. Draufhin sollten angeblich gegen den
Ort Eschhofen Sanktionen verhängt worden sein. Da sich ergeben hat, dass
die Eisenbahndirektion offenbar nicht in der Lage ist, den Beweis der
Wahrheit für diese Behauptungen zu erbringen, bedauern wir, damals den
amtlichen Mitteilungen über diese Angelegenheit Raum gegeben zu haben und
erklären, dass sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass die
Behauptungen der Eisenbahndirektion zutreffend sind.
2. Der Vergleich wird in der für amtliche Bekanntmachungen üblichen Weise
innerhalb 14 Tagen auf Kosten der Privatbeklagten in den 'Frankfurter
Nachrichten' und in der 'C.V.-Zeitung' veröffentlicht.
3. Die Privatbeklagten übernehmen die Kosten der beiden Verfahren.
4. Die Privatkläger ziehen Privatklage und Strafantrag zurück.
Als Vertreter der Privatkläger gebe ich dies auf Grund der im Vergleich
ausgesprochenen Befugnis hiermit öffentlich bekannt.
Frankfurt am Main, 4. Juli 1924. Marx, Rechtsanwalt." |
|
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 31. Juli 1924 (ähnlich wie im
"Israelit" siehe oben: "Der Landesverrat der Limburger Viehhändler.
Am 25. August und 7. September vorigen Jahres brachten die 'Frankfurter
Nachrichten' unter der Überschrift 'Unwürdiges Verhalten' und
'Französische Vergeltungsmaßnahmen' Notizen, nach denen vier jüdische
Viehhändler, Sally Landau, Sally Heilbronn, Salomon Hofmann aus
Nassau an der Lahn und Emil Strauss aus
Miehlen im Taunus wegen Benutzung des Regiezuges auf der Strecke nach
Limburg am Bahnhof Eschhofen wegen ihres undeutschen Verhaltens verprügelt
worden und darauf nach Limburg zurück gelaufen seien, um die
französische Besatzungsbehörde mobil zu machen. Das Verhalten dieser vier
Händler habe angeblich zur Besetzung des Lahntales geführt. Diese
Pressenotiz, deren Unrichtigkeit für jeden, der die vier Händler und die
Verhältnisse kannte, auf der Hand lag, hatte sich durch viele Zeitungen
verbreitet und war natürlich von der Völkischen Presse in gehässigster Weise
gegen die jüdischen Landesverräter ausgeschlachtet worden. Den Viehhändlern
selbst waren Drohbriefe aller Art zugegangen, sodass sie in ständiger
Beunruhigung lebten. Die Aufnahme der pressegesetzlichen Berichtigung, die
sofort in die Wege geleitet worden war, haben die 'Frankfurter Nachrichten'
ohne Angabe von Gründen abgelehnt; einer ihrer Redakteure ist deshalb
auch verurteilt worden. In dem daraufhin gegen die beiden
verantwortlichen Redakteure Hecht und Weinschenk angestrengten Prozess
hat sich auch nicht der Schatten eines Beweises für die Behauptunge
der Zeitung ergeben. Die Angeklagten mussten vor dem Amtsgericht Frankfurt
zugeben, dass sie die fragliche Notiz auf Grund einer Information der
Frankfurter Eisenbahndirektion (!) gebracht hätten, dass aber weder
die Eisenbahndirektion in der Lage ist, den Beweis der Wahrheit für ihren
Inhalt zu erbringen, noch dass sie selbst irgendwelche Anhaltspunkte hätten,
die die Information der Eisenbahndirektion bestätigen würden. Die Redakteure
haben die Erklärung unter dem Ausdruck des Bedauerns abgegeben, die Kosten
der beiden gegen die erhobenen Privatklagen übernommen und sich mit der
Veröffentlichung des Vergleichs in zwei Zeitungen einverstanden erklärt. -
Hoffentlich wird nun auch alles geschehen, um die seltsame Information der
Eisenbahndirektion zu ergründen. Welcher völkische Beamte hat den gemeinen
Schwindel in die Welt gesetzt? Wird er zu Rechenschaft gezogen werden?
U.A.w.g. (= Um Antwort wird gebeten)." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Manufaktur- und
Kolonialwarengeschäftes - Herren- und Damen-Konfektion Emil Friedberg (1911)
Anzeige
im "Israelitische Familienblatt" vom 12. Januar 1911: "Lehrling
mit guter Schulbildung gesucht. Kost und Logis ist im Hause. Schabbat und
Jontof (= Feiertag) streng geschlossen.
Emil Friedberg, Manufaktur- und Kolonialwaren, Herren- und
Damen-Konfektion,
Miehlen, Regierungsbezirk Wiesbaden. " |
Verlobungsanzeige von Elly Straus
aus Miehlen und Gustav Reutlinger aus Kirchheim/Teck (1929)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 21. Juni 1929:
"Statt Karten!
Elly Strauß - Gustav Reutlinger
Verlobte.
Miehlen (Taunus)
Kirchheim Teck. " |
Heiratsanzeige von Moscheh Helmut
Brünn aus Allenstein und Herta geb. Friedberg aus Miehlen (1936)
Anzeige
in der "Jüdischen Rundschau" vom 20. Oktober 1936:
"Wir haben geheiratet. Moscheh Helmut Brünn Herta Brünn geb.
Friedberg
Allenstein (Ostpreußen) - Miehlen (Taunus)." |
Todesanzeige für Ida Friedberg geb.
Hammel (1937)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 6. Januar 1938: "Unsere liebe Mutter,
Großmutter, Schwester und Tante
Ida Friedberg geb. Hammel
ist am 25. Dezember im 60. Lebensjahr nach schwerem, mit großer Geduld
ertragenem Leiden von uns gegangen. Im Namen der Hinterbliebenen Alfred
Friedberg
Miehlen (Taunus) den 27. Dezember 1937." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst richteten die jüdischen Familien einen Betsaal
beziehungsweise eine Synagoge in einem der jüdischen Häuser ein. Seit 1817
war dieser Betsaal im Wohnhaus des Mayer Heilbronn. Auch die jüdischen
Einwohner aus Geisig besuchten (erstmals genannt
1842, Bau einer eigenen Synagoge in Geisig 1895) die Synagoge in Miehlen,
was offiziell jedoch erst 1869 genehmigt wurde. Im Juli
1872 wurde das Haus der Familie Heilbronn samt dem Betsaal bei einem großen
Brand des Ortes zerstört. Bei diesem Brand waren 60 Häuser zerstört worden.
Die jüdische Gemeinde bemühte sich zur Neueinrichtung eines Betsaales um eine
staatliche Beihilfe, die jedoch nicht gewährt wurde. Doch wurde eine Kollekte
zum Bau einer Synagoge gestattet, den die jüdischen Familien Miehlens
unmöglich aus eigenen Mitteln hätten durchführen können. Unter anderen über
Aufrufe in jüdischen Zeitschriften wurde um Spenden zum Neubau gebeten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober 1872: "Aufruf!
Vergangenen 17. Tamus (= 23. Juli 1872) äscherte eine große Feuersbrunst in
dem Flecken Mielen bei Nastätten 60 Gebäude ein, worunter auch mehrere
Häuser jüdischer Familien waren. Auch das Beit HaKnesset (Synagoge) wurde ein
Raub der Flammen, die Sifrei HaTora (Torarollen) konnten nur mit Lebensgefahr
gerettet werden. In dem Flecken sind gottlob alle noch streng religiös, aber
leider unbemittelt; die Notwendigkeit eines neuen Beit HaKnesset (Synagoge) ist
eine dringende, da wegen großer Wohnungsnot die Abhaltung des Gottesdienstes
gestört ist. Vertrauend auf die Mildtätigkeit unserer Glaubensbrüder bitten
wir um Hilfe in dieser großen Not und wir hoffen, dass es uns bald gegönnt
sein wird, für das Wohl der edlen Menschenfreunde zum Allmächtigen in dem
neuen Beit HaKnesset andächtig beten zu können. Die Spenden wolle man gütigst
an den israelitischen Kultusvorstand David Strauß in Mielen bei Nastätten
gelangen lassen." |
Der Spendenaufruf hatte offenbar einigen Erfolg. In den folgenden
Ausgaben der Zeitschrift "Der Israelit" konnte immer wieder von
eingegangenen Spenden "zum Wiederaufbau der Synagoge in Mielen"
berichtet werden:
|
|
Zeitschrift "Der Israelit
" vom
25. September 1872: "Synagogenbau
Mielen bei Nastätten:
J.Z. Zweibrücken
3 fl. - Ungenannter in Hanau 2 fl. - "
|
Zeitschrift "Der
Israelit" vom 25. September 1872 (Beilage): "Zum Wiederaufbau
der Synagoge in
Mielen bei Nastätten: Gottschalk Jakoby in Belgard 5 Thlr.
- Samuel Henle Jude in Lehrensteinsfeld 2 fl.
42 kr. - Jakob L. in L. 5
fl. - 'Achtzehnten Nachem' 1 fl. 45 kr. - Durch Vorsteher Trier in Höchst
von
J.H. Herzfeld 1 fl. 45 kr., Koppel Hermann 30 kr., ein Ungen. 3 fl.,
Herz Löw II. 30 kr.,
Lehrer Muhr 30 kr., zus. 5 fl. 15 kr. - " |
Auf Grund der eingegangenen Spenden sowie relativ
großer Beiträge drei der jüdischen Familien der Gemeinde (Aron Friedberg,
Samuel Strauss und Moritz Strauss) konnte 1873 das Grundstück eines
abgebrannten Hauses an der Hauptstraße erworben werden. Vermutlich noch im
selben Jahr 1873 wurde die Synagoge eingeweiht. Im ihrem Bereich befand sich
auch ein rituelles Bad. Beim Synagogenbau handelte es sich um ein für das
Dorf repräsentatives Gebäude mit zwei großen Rundbogen- und einem darüber
befindlichen Rundfenster zur Hauptstraße.
Über 60 Jahre war die Synagoge in Miehlen gottesdienstliches Zentrum der
jüdischen Gemeinde des Ortes. In der NS-Zeit war das Gebäude bereits im September
1935 Ziel eines Anschlages von Nationalsozialisten: das Gebäude wurde
aufgebrochen und im Inneren teilweise verwüstet. Beim Novemberpogrom 1938
wurden Fenster und Türen der Synagoge eingeschlagen, die Inneneinrichtung
demoliert, die Ritualien gestohlen und schließlich das Gebäude durch öffnen
der Wasserleitung unter Wasser gesetzt. Während des Krieges stand es leer und
ungenutzt.
Nach 1945 fand das Synagogengebäude keine angemessene
neue Verwendung. Nach Klärung des Restitutionsverfahrens wurde das Gebäude
1950 verkauft und schließlich 1964 anlässlich der Erweiterung des
Nachbarhauses abgebrochen.
Adresse/Standort der Synagoge: Hauptstraße / bei
Ecke Marktplatz
Fotos
(Neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum
18.8.2006)
Historische Aufnahme
(aus dem Archiv Helmut Steeg
in Nastätten) |
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Die Erläuterungen rechts nach
Angaben
von Michael Wallau, Miehlen
vom 22.10.2013 |
Das Foto ist nach
Angaben von Helmut Steeg (Synagogen Rheinland-Pfalz s.Lit. S. 272)
wahrscheinlich aus den 1920er-Jahren. Zwar wird teilweise auch eine
Datierung auf die Zeit nach dem Novemberpogrom 1938 vorgenommen, da eines
der Fenster der ehemaligen Synagoge Beschädigungen zeigen könnte (Ausschnitt rechts).
Von älteren Ortsbewohnern wird jedoch darauf darauf hingewiesen, dass es
1938 schon lange keine Telegraphenmaste mehr gab und der Bach in den
1920er-Jahren eingemauert und kanalisiert wurde. Bei der scheinbaren
Beschädigung des linken Fensters handelt es sich wohl eher um eine
Spiegelung der gegenüberliegenden Gaststätte. |
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Abbruch der Synagoge
1964
(Fotos erhalten von Michael Wallau) |
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Neuere Fotos des
Synagogenstandortes |
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Dieselbe Ansicht
wie oben: Das Wohnhaus rechts ist über den Synagogenstandort erweitert.
Hinweistafel: "Hier stand bis 1945 das Wohn- und Geschäftshaus der
Familie Friedberg. Jüdische Miehlener wurden Opfer der nationalsozialistischen
Verfolg. Ihre 1873 erbaute Synagoge in der Hauptstraße wurde im November
1938 verwüstet. Der Friedhof am Ehrlichsberg erinnert heute noch an die
ausgelöschte jüdische Gemeinde von Miehlen". |
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Unweit des
Synagogenstandortes: Marktplatz mit Darstellungen aus der Geschichte
von Miehlen auf dem Brunnen.
Die Darstellung von 1889 zeigt auch die
Synagoge (Ausschnitt rechts: hinter der Kutsche) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Jüdische Gemeinden in Hessen. 1971
Bd. 2 S. 89-90.
|
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 272 (mit weiteren Literaturangaben).
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| Brigitte Meier-Hussing: Jüdisches Leben in
Nastätten und Miehlen in der Zeit von 1933-1945. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 7. Jahrgang, Ausgabe 1/1997 Heft Nr. 13 S. 19-23.
Online
zugänglich (pdf-Datei). |
| Michael Wallau: "Wie schön sind deine Zelte, Jaakow,
deine Wohnungen, Jisrael!" Die Synagoge in Miehlen 1873-1938/1964. In: Der
Miehlener Kirchturm. Hrsg. von der Evangelischen Kirchengemeinde im Dekanat
Nassauer Land. 2.2022 S.8-9.
Online zugänglich (pdf-Datei). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Miehlen Hesse-Nassau. Jews
lived there from 1780, numbering 63 (4 % of the total) in 1871 and 47 in 1924.
The interior of the synagogue built in 1873 was destroyed by SA troops in
September 1935. Most Jews left before November 1938, some emigrating to
Palestine.
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