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Pfeddersheim (Stadt Worms,
Rheinland-Pfalz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In der mittelalterlichen Stadt Pfeddersheim lebten bereits
vor 1444
Juden. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt durch Geldverleih.
Aus Pfeddersheim stammte möglicherweise Johannes Pauli (1455-1530), der sich
taufen ließ und eines der beliebtesten Volksbücher des 16. und 17. Jahrhunderts
schrieb (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Pauli_(Franziskaner)).
1470 wurden die
Pfeddersheimer Juden vertrieben.
Seit Mitte des 16. Jahrhunderts zogen wiederum einige
jüdische Personen zu. Seit 1648 lebten bis in die 1930er-Jahre kontinuierlich
jüdische Personen am Ort. Um 1650, vermutlich 1652
wurde von fünf jüdischen Männern aus Pfeddersheim die jüdische Gemeinde Mannheim
gegründet.
Die Zahl der Juden in Pfeddersheim blieb insgesamt gering: 1722 vier Familien, 1806 neun Familien, Höchstzahl um 1861
mit 75 Personen, 3,5 % der Gesamteinwohnerschaft), 1889/1901 10 Familien mit ca.
40 Personen (von insgesamt 3690 Einwohnern).
Anfang
des 19. Jahrhundert gehörten die in Pfeddersheim lebenden jüdischen Personen zur Wormser Gemeinde. Erst 1834 beantragten
die Pfeddersheimer Juden die Bildung einer eigenen Religionsgemeinde. 1832 wurde
ein Friedhof angelegt, 1843/44 eine Synagoge erbaut. Seitdem gehörten die in
Pfiffligheim lebenden jüdischen Einwohner zur Gemeinde in Pfeddersheim. In
der Anzeige von 1891 wird von der "Israelitischen Gemeinde
Pfeddersheim-Pfiffligheim" gesprochen.
Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl.
Ausschreibungen der Stelle unten). Als Lehrer werden genannt: um 1870 Simon
Brandeis (danach in Essenheim), um
1887/1888 L. Strauß, um 1889 ein Herr Schulanzer, um 1892 Herr Kowalski. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat in
Worms.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1889 J. Mandel, um 1895 Leo
Leopold.
Seit Ende
des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner am
Ort stark zurück, sodass die Gemeinde um 1920 aufgelöst werden musste: 1900
wurden noch 34, 1929 noch 15 jüdische Einwohner gezählt. Die jüdischen
Familien lebten von Handel und mehreren Gewerbebetrieben (Lebensmittelgeschäft,
Getreidehandlungen, Manufakturwarengeschäft). Nach Schließung der
Pfeddersheimer Synagoge gingen die Juden des Ortes abwechselnd nach Monsheim
oder nach Wachenheim zum Gottesdienst. Nach dem Handbuch der jüdischen
Gemeindeverwaltung gehörten die Pfeddersheimer Juden um 1925 offiziell zur
Gemeinde Osthofen.
Nach 1933 verzogen die meisten
Pfeddersheimer Juden vom Ort oder wanderten aus.
Von den in Pfeddersheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Anny Blank (1895), Auguste
Herzog (1864), Friederike Isenberg geb. Leopold (1889), Selma Jacob geb. Jacob
(1891), Samuel Kehr (1859), Bertel Mainzer (1902), Adolf Mandel (1875), Martha Weismann
(1903), Henriette Wiener geb. Fuld (1870).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1885 /
1887 / 1891 / 1901
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1885:
"Wir suchen einen Religionslehrer für unsere Gemeinde, welcher
gleichzeitig als Vorsänger und Schächter den Dienst versehen muss.
Gehalt 250 Mark, der Schächterdienst beträgt 350 Mark.
J. Mandel, Vorstand der israelitischen Gemeinde Pfeddersheim." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Dezember 1887:
"Die hiesige israelitische Gemeinde sucht zum sofortigen Eintritt
einen Religionslehrer, Vorsänger und Schochet. Fixierter Gehalt 350 Mark,
der Schächterdienst trägt 400 Mark ein. Pfeddersheim
(Rheinhessen).
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde: J. Mandel. Abraham Fuld". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juli 1891:
"Bekanntmachung! Die Stelle eines Lehrers und Schächters bei der
israelitischen Gemeinde Pfeddersheim, Kreis Worms, ist sofort zu
besetzen, womit ein Einkommen von circa 750 Mark, nebst freier Wohnung
verbunden ist. - Verheirateter wird vorgezogen.
Bewerber um diese Stelle
wollen sich unter Vorlage ihrer Zeugnisse an den Unterzeichneten wenden,
der nähere Auskunft gerne erteilt.
Pfeddersheim, 12. Juli 1891.
Der
Vorstand der israelitischen Gemeinde. J. Mandel." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1891:
"Bekanntmachung! Bei der israelitischen Gemeinde zu
Pfeddersheim-Pfiffligheim, Kreis Worms, ist die Stelle eines Lehrers,
Vorbeters und Schächters zu besetzen.
Bewerber um diese Stelle, womit ein
Diensteinkommen von ca. 750 Mark nebst freier Wohnung verbunden ist, -
welche seminaristisch gebildet sind oder eine Prüfung vor einer
kompetenten Behörde bestanden haben, wollen sich bei der unterzeichneten
Stelle anmelden.
Pfeddersheim, den 28. November 1891.
Für den israelitischen Vorstand: J.
Mandel" |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. April 1901:
"Die Stelle eines Lehrers und Schächters bei der
israelitischen Gemeinde Pfeddersheim Kreis Worms, ist per 15. Mai dieses
Jahres zu besetzten, womit ein fixes Einkommen von 400 Mark nebst freier
Wohnung verbunden ist. Verheiratete werden vorgezogen. Nebenverdienst für
Schächten ungefähr 350 Mark. Bewerber wollen sich unter Vorlage ihrer
Zeugnisse an den Unterzeichneten wenden, der nähere Auskunft gerne
erteilt. Pfeddersheim, 1. April.
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde: Leo
Leopold." |
Bildung eines Unterrichtsbezirks Monsheim - Hohen-Sülzen - Nieder-Flörsheim -
Wachenheim, Mölsheim - Pfeddersheim - Pfiffligheim (1904)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Februar 1904: "Worms. Das Großherzogliche Ministerium plant die definitive Anstellung
israelitischer Religionslehrer, welche ein den Volksschullehrern gleiches
Gehalt beziehen und dieselben Rechte genießen sollen, sobald sie wöchentlich
20 Stunden Religionsunterricht erteilen. Die nötigen Mittel sollen von
den Gemeinden, die zu dem betreffenden Bezirk gehören, aufgebracht
werden. An die Vorstände der israelitischen Gemeinden des Kreises Worms
ist bereits der ausgearbeitete Plan gesandt worden. Nach ihm sind die
Gemeinden in vier Unterrichtsbezirke eingeteilt und zwar: 1. Alsheim,
Gimbsheim, Eich und
Hamm; 2. Osthofen, Rhein-Dürkheim, Herrnsheim,
Abenheim und
Gundheim; 3. Hessloch, Monzernheim, Eppelsheim, Gundersheim und
Westhofen; 4. Monsheim,
Hohen-Sülzen, Nieder-Flörsheim,
Wachenheim, Mölsheim, Pfeddersheim
und Pfiffligheim. Die Gemeinden Heppenheim
a.d.W. und Offstein sollen der Gemeinde Worms zugeteilt werden. Bis
zum 1. Februar müssen die Gemeinden dem Kreisamte Worms Bericht erstattet
haben." |
Berichte aus dem Gemeindeleben
Schlechte Erfahrungen mit einem "durchreisenden Vorbeter" (1901)
Hinweis
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juli 1901: "Mitteilungen
aus den jüdischen Armenvereinen und für dieselben. (Sämtliche
jüdische Wanderbettelvereine und Kassen für Durchreisende sind gebeten,
uns Mitteilungen über Erfahrungen, die sie auf dem Gebiete ihrer
Tätigkeit machen, zukommen zu lassen.). Pfeddersheim, 18. Juli. Am 6.
dieses Monats engagierten wir für die hiesige israelitische Gemeinde
einen Chasan und Schochet, Abraham Jutkowitz aus Lodz. Derselbe war uns
von Herrn Kantor Kowalsky aus Bingen zugeschickt, dem er sich als der
betreffende junge Mann vorgestellt hatte, nach welchem er an Herrn Oskar
Lehmann in Mainz geschrieben hatte. (Uns nichts davon bekannt. Red. d.
'Israelit'). Es gab an, vordem drei Monate in Mülhausen im Elsass als
Hilfsschochet tätig gewesen zu sein. Außerdem habe Herr Lehmann für ihn
im 'Israelit' Folgendes annonciert:
Ein tüchtiger Chasan und Schochet, mit guten Referenzen, sucht für
die Saison Stellung in einem Badeorte. Offerten unter 5262 an die
Geschäftsstelle dieses Blattes.
Wir hatten also den Mann engagiert und nachdem er uns vorgab, er müsse
seine Sachen in Köln holen, 20 Mark Vorschuss gegeben. Bis Dienstag, den
3. dieses Monats, wollte er wieder zurück sein. Er ist aber bis jetzt
noch nicht wiedergekommen. Wir bitten Sie deshalb, die jüdischen
Gemeinden vor diesem Individuum zu warnen und eventuell nach demselben zu
fahnden. Es ist ein Mann von mittlerer Figur, hat dunkler Haar, rötlichen
Vollhart, trägt ein Pincenez und ist bekleidet mit graukariertem Rock und
West, nebst schwarzer Hose. Derselbe ist ungefähr 27 Jahre alt. Der
Vorstand der israelitischen Gemeinde: Leo Leopold." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zur Geschichte von Friederike geb. Leopold (1889-1942)
Exemplarisch für die Geschichte einer aus
Pfeddersheim stammenden und in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Frau sei
an Friederike (Friede) geb. Leopold erinnert: Sie ist am 21. Dezember 1889
in Pfeddersheim geboren und hat später den Lehrer Arnold Isenberg
geheiratet. Dieser ist am 28. August 1891 in Regenwald/Pommern geboren und
hatte am Lehrerseminar in Hannover studiert. Das Ehepaar Arnold lebte
zuletzt in Esslingen am Neckar, wo Arnold Isenberg noch 1939 an der
Israelitischen Schule des dortigen Waisenhauses "Wilhelmspflege"
unterrichtete. Nach der erzwungenen Schließung der
"Wilhelmspflege" verzog das Ehepaar am 28. Juni nach Rexingen.
Von dort sind die beiden am 26. April 1942 nach Izbica deportiert worden.
Beide wurden ermordet.
Quelle: Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Esslingen. 1994 S. 472. |
Zur Geschichte der Synagoge
Auch wenn die Pfeddersheimer jüdische Gemeinde erst 1834 gegründet wurde,
sind Gottesdienste bereits seit 1830 in einem jüdischen Privathaus (Haus David
Michel in der Leiselheimer Straße 18) abgehalten worden.
Im April 1834 konnte die
Gemeinde ein Anwesen mit Nebengebäuden erwerben, um hier eine Synagoge
einzurichten. Der Plan konnte jedoch aus verschiedenen Gründen nicht
verwirklicht werden. Im Oktober 1842 wurde eine Hofraithe mit Garten auf dem
Grundstück in der heutigen Kleinen Amtshofstraße 9 erworben und hier 1842/43
eine Synagoge mit Lehrerwohnung erbaut. Bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges
wurden in dem Gebäude Gottesdienste gefeiert, danach war die Zahl jüdischer
Gemeindeglieder so stark zurückgegangen, dass regelmäßige Gottesdienste nicht
mehr stattfinden konnten. 1921 wurde letztmals eine Trauung in der Synagoge
gefeiert.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Gebäude nicht geschändet oder
beschädigt. Im März 1941 ging es in Privatbesitz über. Es wurde als Stall und
Fruchtspeicher genutzt. dazu wurde eine Beton-Zwischendecke eingezogen. Um 1980
kam das Gebäude an das Weingut Streuber. Nun wurde das Gebäude hergerichtet
und zuletzt 2002/04 gründlich saniert. Der ehemalige Betsaal wird für kleinere
gesellschaftliche Veranstaltungen genutzt.
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 2.8.2005)
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Der Weg zur ehemaligen
Synagoge
ist ausgeschildert |
Hinweistafel
am Eingang |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge |
Im linken Gebäudeteil befand
sich die
Wohnung des Lehrers und Vorsängers |
Im rechten Teil
war der
Betsaal |
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Im Erdgeschoss: Alter Eingang
zum Betsaal |
Blick in den ehemaligen
Betsaal - eine
Zwischendecke ist auf Höhe der
Frauenempore eingezogen |
Auf Höhe der Frauenempore:
Blick
zur Eingangstüre für die Empore
vom Treppenhaus |
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Blick vom ehemaligen oberen
Zimmer
der Lehrerwohnung auf die zur
Frauenempore führende Treppe |
Die zur Frauenempore
führende
Treppe |
Eingang zur Frauenempore (von
der
ehemaligen Empore aus gesehen) |
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Originalteile |
Auf Höhe der Zwischendecke.
Am Boden
unter dem Rundfenster ist der obere Teil
des ehemaligen
Toraschreines zu sehen. |
Seit 1980 gehört die
ehemalige
Synagoge zum Weinhaus Streuber und
wird von dessen Inhaber
betreut |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
September 2008:
Kultur-Historischer Rundgang durch
Pfeddersheim |
Bericht in der "Wormser
Zeitung" vom 5. September 2008 (Link
zum Artikel):
"Bausteine der Ortshistorie - Kulturhistorischer Rundgang durch Pfeddersheim mit Weinprobe
woz. PFEDDERSHEIM "Für alle Zukunft erhalten!", lautete die Forderung des Hessischen Denkmalschutzgesetzes von 1902. Gemeint waren damit an die 20 Zeugnisse der Pfeddersheimer Stadtgeschichte, die bereits damals in großer Weitsicht als erhaltenswert eingestuft worden und nun Anlass für einen kultur-historischen Rundgang waren.
Im Hof der ehemaligen Synagoge begrüßte Michaela Langner, Vorsitzende der Pfeddersheimer CDU, zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger und freute sich, dass neben vielen Einheimischen auch Bürger aus Herrnsheim und Pfiffligheim den Weg in die Kleine Amthofstraße gefunden hatten..."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen.
1971 Bd. II,196-198. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 407-408 (mit weiteren Literaturangaben). |
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