Zu den Kapiteln
Schlagworte
2. 1 Burg
Die castrum-Belege vor 1275 sind auf das Römerkastell (I 2) zu beziehen (Schwarz I, S. 148 Anm. 6). Innerhalb seiner Mauern um 1275/79 unter Erzbischof Sifrid von Köln im Zusammenhang mit der ersten mittelalterlichen Stadtbefestigung (II 2) Bau einer Burg (REK III 2805, NrhUB II 718 und 730), die vor 1303 zerstört (quondam castrum) worden ist (LAV NRW R Siegburg 149, UB Siegburg 1206). Um 1350 Neubau einer steynen Burch mit drey steinen Turmen und zwei Toren durch jüliche Pfandherren (LAV NRW R Jülich 483, Kk II 1510, Steinfeld Akt 33/1; III 1 Gerichtsherrschaft). Dieser zweite Bau wurde nach der Einlösung von 1367 (III 1 Gerichtsherrschaft) abgebrochen und durch einen dritten Bau, der 1369 unter Kuno von Falkenstein begonnen (LAV NRW R Kk Kart 2) und durch Erzbischof Friedrich von Saarwerden vollendet wurde, ersetzt (LAV NRW R Jülich 474 und 484 sowie JB I 4 = Ergänzung und Korrektur zu Schwarz I, S. 340 f). Aus dieser über regelmäßigem Rechteckgrundriss mit vier Türmen errichteten, im Südwesten im Zuge der zweiten Stadtbefestigung (II 2) stehenden Anlage ist der heutige Bau (mit Einbauten des 19. Jahrhunderts) erwachsen
2. 2 Vorstädtische Siedlung, Siedlungsentwicklung, Befestigung
Die Siedlungsentwicklung ist eng verknüpft mit der Geschichte der drei Zülpicher Pfarrkirchen St. Peter, St. Marien und St. Martin (IV 1–4). Zumindest eine Kontinuität des Siedlungsplatzes, wahrscheinlich auch weiter benutzte Gebäude; mehr als Ruinenkontinuität
Fortbestand des Römerkastells (531 murus civitatis, I 3 und I 2); innerhalb der noch 1140 bezeugten Mauern (UB Siegburg I 50) Pfarrei St. Peter (mit eigenem Gericht, III 1), karolingischer Vorgängerbau auf spätrömischer Badeanlage (BJ 140/41, 1936, S. 432 f), 848 mit drei Altären (u. a. Petrus, IV 2). Kastell als Aufenthaltsort fränkischer Könige bzw. Hausmeier vom 6. bis zum 8. Jahrhundert bezeugt (531, 612, 723, 760; I 3). Im 7. Jahrhundert Münzort (III 2), Vorort des seit dieser Zeit belegten Zülpichgaus (699, III 9)
Besiedlungskontinuität (fränkische Gräber auf spätrömischen Grabfeld mit Beigaben um 500, I 2) auch für die unmittelbar nördlich unterhalb des Kastells gelegene Marktsiedlung (Kastellmarkt, vicus, I 2) mit ihrer erstmals 1147 genannten Pfarrkirche St. Marien (mit jüngerem Nikolaus-Altar, IV 1–4) und eigenem Gericht (III 1) anzunehmen. Marktsiedlung entwickelte sich östlich der Pfarrkirche am ältesten Markt (Käsmarkt, II 5) im Dreieck des Schnittpunktes der Römerstraßen nach Köln und Neuss (I 1), hier auch das älteste Rathaus (II 5). Der Bereich der Marktsiedlung entsprach dem der Palenz (III 1)
Neben diesen beiden „innerstädtischen“ Siedlungszentren in fränkischer Zeit im näheren Umkreis die villae Hoven (I 2, für Zülpich ohne Bedeutung), Mersburden (I 6) und das zur Marienpfarrei gehörende Geich (1145 Kagun, D K III. 142), dessen Hofgerichtsbezirk sich ursprünglich bis an den der Palenz (Nordseite des Marktes) erstreckte (III 1)
Im 9. Jahrhundert Verlust der Pfalzfunktion (wahrscheinlich an Vlatten). 881 Zerstörung des castellum Zülpich durch die Normannen (I 3), doch bereits 925 wieder oppidum Zülpich (Sieg Heinrichs I. über den lothringischen Herzog Giselbert, I 4)
Im 12. Jahrhundert besteht Zülpich aus einem castrum episcopale, quod Zulpiacum vocatur (= Kastell), darin intra muri ambitum Pfarrkirche (St. Peter) mit daneben gelegener domus episcopalis, domistationes und einem molendinum (= erzbischöfliche Bannmühle für St. Peter) sowie einer zugehörigen villa, deren Einwohner zwei Pfarreien (St. Peter und St. Marien) angehören (UB Siegburg I 36 und 50 = 1124 und 1140)
Nach dem Schied von 1255, der das oppidum Zülpich, castrum et quicquid ibi est (also auch die jüliche Palenz, III 1) als erzstiftliches Allod definiert (NrhUB II 510), besteht die Möglichkeit, castrum und villa durch eine Befestigung zu vereinen. Seit (1275) durch Erzbischof Sifrid von Köln erste Stadtbefestigung (wohl nur Wallfund Graben, Simons II, S. 7 und NrhUB II 730; gegen Schwarz I, S. 189) mit Burgbau innerhalb des castrum (= Kastell, II 1) und Umsiedlung von Mersburden (I 6) in die Neustadt (1368 Nuwe statt = Stadtteil zwischen Bach- und Kölnstraße,III 1 = Weistum Mersburden). Zusammenwachsen von Kastell, Marktsiedlung und Villikation (Mersburden) zur spätmittelalterlichen Stadt Zülpich. Seit dem 1285 genannter Neubau der Martinskirche (I 6) innerhalb der Stadt drei Pfarrkirchen (IV 1), drei Pfarr- (IV 4) und drei Gerichtsbezirke (III 1). 1785 gehörten von insgesamt 200 Haushalten 140 zu St. Peter, 30 zu St. Marien und 30 zu St. Martin (LAV NRW R Kk II 1522) 1291 (wahrscheinlich) zweite Befestigungsperiode: die oppidani erhalten das Recht, oppidum Zülpich muro firmare et alias munire (REK III 3327 = erster Mauerbeleg, vielleicht Mauerbau, wenn er ausgeführt worden ist)
Nach der Pfandeinlöse von 1367 (III 1) wahrscheinlich die dritte Befestigungsperiode mit dritter Burganlage (II 1) und Mauer(aus)bau (seit 1376, LAV NRW R JB II 2681 = erster sicherer Beleg für Mauerbau, vgl. auch LAV NRW R Jülich 483, wo für die Zeit um 1350 nur der stede graven genannt ist) sowie Verstärkung der vier Tore (II 3) zu Torburgen unter Erzbischof Friedrich von Saarwerden, Abschluss in den 90er-Jahren des 14. Jahrhunderts (Simons I, S. 7), bis zu dieser Zeit auch einzelne Häuser vor dem Münstertor (StaZ Schöffenbuch)
Stadtbrände: 1424,1604 (zwei Drittel der Stadt, St. Peter), 1647 (114 Häuser, Rathaus, St. Martin), 1693 (zwei Drittel der Stadt, Rathausturm), 1704 (40 Häuser in der Münsterstraße; Simons I, S. 123 ff). Keine Erweiterung oder Vorstadt, Tore und Stadtmauer weitgehend erhalten. Nach dem Anschluss an die Eisenbahn Euskirchen–Düren 1864 Stationssiedlung am 1 km nordöstlich der mittelalterlichen Stadt gelegenen Bahnhof. Nach 1945 weitere Siedlungsentwicklung nach Nordosten und Südosten (Hoven)
2. 3 Tore
Vier Torburgen
1357 Munsterportze (AHVN 24, 1872, S. 289) = Münstertor
1392 Collenpfortze (StaK Ausw. 377 nr 51) = Kölntor
1393 Baich- und Weyerpfortze (Simons II, S. 7) = Bach- und Weihertor
2. 4 Türme
Zwei runde Türme und 1 Rechteckturm
1602 St. Thönis Turm (STAK 35 nr 2815)
2. 5 Straßen, Plätze, Gebäude
Fast kreisförmiger Grundriss mit unregelmäßigem Straßennetz im Bereich der Südwest-Ecke der Stadt gelegenen Altstadt (Weiherstraße, Markt-, Schuhmacher- und Münsterstraße, einschließlich Kastell ca. 7–8 ha) und vergleichsweise regelmäßig und rechtwinklig verlaufender Straßenführung in der nördlichen und östlichen anschließenden Neustadt (ca. 22–23 ha). Alle Straßen der Altstadt und des nördlichen Teiles der Neustadt sind bereits vor 1350 belegt (s. u.). Besonders intensive Bebauung entlang der Münster-, Schuhmacher- und Bachstraße sowie der Römer(= Köln)straße, die ursprünglich in der Verlängerung der Kölnstraße nach Südwesten (= Kirchstraße) wahrscheinlich zwischen Schloss und Schießbahn an der Nordwest-Seite des Kastells vorbei nach Hoven führte (BJ 157, 1957, S. 306). Römerstraße als Grenzlinie zwischen den Pfarr- und Gerichtsbezirken St. Marien/Palenz und St. Marien/Mersbuden andererseits. Die Stadtbefestigung unterbrach wichtige alte Verkehrsverbindungen (Geicher Gasse nach Geich, Martinsgasse nach Bessenich, Moxgasse nach Wichterich, Bredergasse nach Hoven). Siedlungsentwicklung zunächst nach Norden und Nordosten, dort 1285 erster Straßenname belegt (s. u.), hier Steinfelder (Bibl. Nat. Nancy Msc 992 Bd. 15 = 1187) und erzbischöflicher Adelshof (ursprünglich wahrscheinlich Burglehen; STAK 35 nr 2815).
Nach Abschluss der Stadtbefestigung (II 2) in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auffälliger Namenwechsel wichtiger Straßen: Aterpesch – Gottsberg, Plezzergasse – Schuhmachergasse, Bredergasse – Kölnstraße (s. u.) und Strijt-, Loir- und Schildergasse sowie Burchstraße nicht mehr genannt (s. u.)
Seit dem 16. Jahrhundert Bebauungsrückgang insbesondere in den nördlichen und östlichen Randgebieten (Geichergasse, Bachstraße, Gottsberg, Moxgasse; StaK Ausw. 377 nr 95, LAV NRW R Kk IV 2455). Von den im 14. Jahrhundert neben Markt und Käsmarkt bezeugten Märkten (Brot-, Rinder- und Kornmarkt, III 2) bleiben nur die Namen der beiden erstgenannten erhalten. Insgesamt kontinuierlich rückläufige Siedlungskonzentration auf Kölnstraße und Altstadt bis ins 19. Jahrhundert (vgl. V 1)
Siedlungs- und wirtschaftlicher Mittelpunkt (II 2) war die (jüliche) Palenz (III 4) mit dem älteren Käsmarkt (III 2) und das nördlich anschließende jüngere (erzbischöfliche) forum Tulpetense (III 2). Am Käsmarkt wurde (1400) das erste Rathaus (der burger huys) erbaut (LAV NRW R Kk Kart 3, III 1 Weistum Marktrecht, Simons I, S. 97 f). Hier standen auch die 1368 (NrhUB III 683) erstmals genannte (jüliche) Hacht (= Gefängnis; StaZ Schöffenbuch, STAK 35 nr 2815) und an der Ecke und Grenze zum (erzbischöflichen) Markt das 1404 erstmals genannte Dinghaus der Palenz (III 1 = Weistum Palenz) = 1481 Palentz huys (LAV NRW R Kk IV 2455) = 1573 der Palaß (ebda. 2456 = Ergänzung zu Schwarz I, S. 163 Anm. 70). Auf der gegenüberliegenden (nördlichen und erzbischöflichen) Seite des Marktes das 1375 erstmals genannten Craimhuis (III 1 = Weistum Z) auf dem bei Jahrmärkten das Banner des Marktherren (Erzbischof von Köln) aufgezogen wurde (seit dem 16. Jahrhundert zudem Sitz des erzbischöflichen Hofgerichtes Geich, LAV NRW R Kk XIII 186). Außerdem am Markt 1347 domus puerorum (LAV NRW R Steinfeld Akt 33/1) und 1404 der Lymbarder huis (III 1 = Weistum Palenz) = erzbischöfliches Lombardenhaus = 1597 das newe Rhathaus, das Limberder Haus genannt (Schwarz I, S. 161; altes Rathaus 1604 baufällig, Simons I, S. 97 f) an der Ecke Markt/Schuhmachergasse (LAV NRW R Kk IV 2455, STAK 35 Nr.2815)
Die Deskription von 1602 (vor dem Stadtbrand von 1604, II 2) vermittelt folgenden Gesamteindruck: Brauhäuser und Herbergen am Markt, Häufung der Agrarbetriebe in Münster-, Köln- und Bruder Wilhelmsgasse. Weinbau (und Kelter) in Köln-, Martins-, Mox- und Bruder Wilhelmsgasse. Stärkste Bebauung Kölnstraße (44 Häuser), Münsterstr. (30 Häuser), Markt (27 Häuser.; von insgesamt 205 Häusern, STAK 35 nr 2815). Hauswert-Schnitt = 200 Taler., größter Schnitt: An der Kemenade (350 Taler), Moxgasse (335 Taler), Bruder Wilhelmsgasse (300 Taler), Markt (276 Taler), Käsmarkt (275 Taler). Weit unter Schnitt: Gottsberg (82 Taler), Bachstraße (79 Taler), Neustadt (50 Taler). Am Markt zwar zehn Häuser über 300, aber auch zehn Häuser unter 200 Taler. Bebauungsausmaß und -dichte dem Grundriss von 1830 (Tafel 2) in etwa vergleichbar
1285 platea Aterpesch (AHVN 23, 1871, S. 181 f) = 1359 up deme achten peys (ebda. 24, 1872, S. 291) = 1395 up dem Goitzberge (StaZ Schöffenbuch) = Gottsberg
1303 Geygergasse (UB Siegburg 1206) = Geichergasse
1303 platea Tulpetensis, que Trekkma dicitur, ex adverso quondam castro (LAV NRW R Siegburg 149, UB Siegburg I 206) = gegenüber der ehemaligen Burg
1321 platea Plezzergasse (LAV NRW R Füssenich 26) = 1423 Schomachergasse (StaZ Schöffenbuch) = Schumacherstraße
1324 Bredergasse (Kopiale Überlieferung aus dem 17. Jahrhundert, UB Siegburg I 259a), Bretterstraße (Kopiale Überlieferung aus dem 17. Jahrhundert, StaZ Schöffenbuch) = 1339 vicus asserum (StaK Ausw. 377 nr 60) = 1359 Bredergasse (AHVN 24, 1872, S. 291) = 1457 Colre Straße = Kölnstraße
1324 platea s. Martini (Kopiale Überlieferung aus dem 17. Jahrhundert, UB Siegburg I 259 a) = 1329 platea seynt Mertynsgasse (LAV NRW R Füssenich 28) = Martinsgasse
1325 up der camenatin (AHVN 24, 1872, S. 280) = 1407 zu der Kemenaden (Sta Zülpich 7) = Kinnath
1329 platea Wihergasse (LAV NRW R Füssenich 27) = Weihergasse
1337 Munstergasse (UB Siegburg 1299) = Münsterstraße
1338 Bagstraisse (AHVN 24,1872, S. 284) = Bachstraße
1347 vicus Smeydgasse (AHVN 24, 1872, S. 287) = 1396 Smytgasse (StaZ Schöffenbuch) = Schmitzgasse
1385 Strijtgasse (StaZ 4) wahrscheinlich = Teil der Schießbahn an der Weiherstraße
1395 an dem Wall (StaZ Schöffenbuch) = ?
1396 Loirgasse (ebda.), wahrscheinlich Seitenstraße am Kölntor (StaK HUA 7249)
1397 Broder Wilhelmsgasse (StaZ Schöffenbuch) = (seit 1802) Mocksgasse, heute Brabenderstraße
1400 Schildergasse (StaZ Schöffenbucch) = ?
1419 up dem Hove (ebda.) = Platz vor St. Peter
1421 Croissisgasse (ebda.) = 1602 Crufesgasse = ?
1438 Burchstraisse (LAV NRW R Kk Kart 3) = ?
1443 Schoilgasse (StaK HUA 11645), wahrscheinlich in die Kölnstraße mündender Teil der Rathausgasse
1446 Kirchgasse (StaK Ausw. 377 nr 49), vorher Teil der Bredergasse
1573 Moxgasse (LAV NRW R Kk IV 2456), 1830 Mocksgasse (Tafel 2, Grundriss), heute v.-Lutzenberger-Str.
1573 Thodengasse (ebda.) = Todtengasse, heute Normannengasse
1602 in der Gesamtdeskription folgende elf Straßen: Köln-, Mertens-, Münster-, Schumecher-, Bach-, Weiher-, Geicher-, Mox-, Kirch-, Bruder Wilhelms- und Crufesgasse, daneben Markt, Kiesmarkt, Kemenade, Gottsberg, Judenpoill, Newe Stadt und auf dem Hof (StaK 35 nr 2815)
2. 6 Rechtsdenkmäler
Innerhalb der (jülichen) Palenz (II 5) die Hacht (ursprünglich Gefängnis für die beiden Landgerichte auf der Kempener Heide und dem Schievelsberg, Schwarz II, S. 324), Hunds- oder Drillhäuschen bzw. der Käx (Simons I, S. 111, 123) und die steinen Saull (LAV NRW R Kk IV 2456 = 1573). Erzbischöfliche Hacht im Schloss (Schwarz II, S. 325 Anm. 267). Richtstätten auf der Kempener Heide und auf dem Schievelsberg (LAV NRW R JB II 2684)
2. 7 Größe des umwehrten Areals in ha
West–Ost 575 m, Nord–Süd 525 m = ca. 30 ha
Bitte geben Sie beim Zitieren dieses Beitrags die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Flink, Klaus, Rheinischer Städteatlas Zülpich. Teil 2: Topographie, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Orte-und-Raeume/rheinischer-staedteatlas-zuelpich.-teil-2-topographie/DE-2086/lido/5fce10a487d770.61754891 (abgerufen am 19.08.2024)