Ein alter jüdischer Friedhof wurde in Köthen
im 17. oder erst im 18. Jahrhundert (August 1777?) auf einem sumpfigen Gelände am Welschen Busch angelegt und
bis 1888 benutzt. Danach verfiel der Friedhof. In der NS-Zeit und danach wurden
die Friedhofsmauer und die Grabsteine nach und nach beseitigt und dienten
vermutlich zum Straßenbau in der Wohnsiedlung Lelitzer Straße. Von diesem alten Friedhof ist
heute nichts mehr erhalten. Im Sommer 1988 wurden bei Ausschachtungen für
Wasserleitungen in der Lelitzer Straße Bruchstücke
von Grabsteinen aufgefunden. Ein Teil von ihnen wird seitdem von der
Evangelischen Kirchengemeinde St. Jakob, ein anderer Teil von der
Kreisdienststelle für Kulturgutschutz bei der damaligen Kreisverwaltung Köthen
aufbewahrt.
Der neue jüdische Friedhof wurde am 7. Juli 1888 mit der ersten
Beisetzung eingeweiht. Auch eine Friedhofshalle wurde in diesem Jahr gebaut, die
neben klassizistischen (Eingangsbereich) auch maurische Stilelemente zeigt
(Kuppel). Bereits im Mai 1925 wurde der Friedhof geschändet (siehe Bericht
unten). Dabei wurden 30
Grabsteine beschädigt. In der NS-Zeit wurde die Friedhofsmauer eingerissen.
Nach 1945 wurde der Friedhof wieder hergestellt. Es sind etwa 150 Grabstellen vorhanden.
Auch nach 1945 wurde der Friedhof vereinzelt belegt. Die Friedhofsfläche
umfasst 26,60 ar.
Schändungen: Anfang November 1992 wurden auf dem
Friedhof Grabsteine mit Hakenkreuzen, SS-Runen und Parolen beschmiert. Auch im Oktober 2015
wurde der Friedhof geschändet. Dabei wurden 15 Grabsteine
umgeworfen. Weitere Zerstörungen von Grabsteinen gab es im Mai 2022 (vgl.
Polizeimitteilungen unten).
Aus der Geschichte der Friedhöfe Schändung des Friedhofes (1925)
Mitteilung der der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins) vom 28. Januar 1927: "Mai 1925. Köthen:
Auf dem jüdischen Gemeindefriedhof wurden etwa 30 Gräber durch
Umstürzen und Zertrümmern der Grabdenkmäler beschädigt. Täter
bekannt, aber verschwunden."
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1927: "(Eine
tieftraurige Statistik). Eine erschütternde Liste der
Friedhofsschändungen, in ihm Laufe der letzten zwei Jahre in Deutschland
verübt wurden, wird in der letzten Nummer der C.V.-Zeitung veröffentlicht.
Den Beschmutzungen und Beschädigungen jüdischer Gotteshäuser in München,
Berlin, Potsdam, Kiel und vielen anderen Orten reihen sich die
Friedhofsschändungen, die hier aufgezeichnet sind, an: ...
(darunter): Mai 1925: Köthen. Auf dem jüdischen
Gemeindefriedhof wurden etwa 30 Gräber durch Umstützen und Zertrümmern der
Grabdenkmäler beschädigt. Täter bekannt, aber verschwunden...".
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. Juli 1927:
"Tafel der Schmach - 39 jüdische Friedhöfe in Deutschland geschändet.
Berlin. (J.T.A.) 'Der Schild', Zeitschrift des Reichsbundes jüdischer
Frontsoldaten, bringt unter der Überschrift 'Tafel der Schmach' ein
Verzeichnis von 39 Friedhofschändungen, die sich von November 1923 bis
Mai 1927 in Deutschland ereignet haben. Hier die Namen der Orte und die
Daten:
1. Sandersleben
(November 1923), 2. Schneidemühl (Januar 1924), 3. Sandersleben
(März 1924), 4. Rhoden, 5. Wolfhagen
- Hessen (April 1924), 6. Ribnitz
/ Mecklenburg (Mai 1924), 7. Villing (Juli 1924), 8. Regensburg
(August 1924), 9. Hemer (November 1924), 10. Hersfeld
(November 1924, 11. Kleinbardorf bei
Königshofen, 12. Binswangen Bez.
Augsburg (Juni 1924), 13. Hagen i.W. (Juni 1924), 14. Göttingen
(August 1924), 15. Beverungen (Dezember 1924), 16. Köthen
(Mai 1925), 17. Plauen i.V.
(Juni 1924), 18. Alsbach a.d. Bergstraße,
19. Hockenheim / Baden (Januar
1925), 20. Löwenberg (Februar 1926), 21. Pflaumloch
(März 1926), 22. Erfurt (März 1926),
23. Callies (April 1926), 24. Memmelsdorf
/ Oberfranken (Main 1926), 25. Altdamm/Pommern (Oktober 1926), 26.
Breslau (Dezember 1926), 27. Bingen
(Dezember 1926), 28. Ermetzhofen /
Mittelfranken (Dezember 1926), 29. Kuppenheim
/ Baden (Januar 1927), 30. Kerpen / Rheinland (März 1927), 31.
Neviges / Regierungsbezirk Düsseldorf (März 1927), 32.
Hillesheim / Rheinhessen (April 1927), 33. Moers (April 1927), 34.
Krefeld (April 1927), 35. Richelsdorf /
Bezirk Kassel (April 1927), 36. Ansbach
(April 1927), 37. Regensburg (Mai
1927), 38. Aufhausen bei Bopfingen
(Mai 1927), 39. Rülzheim / Rheinpfalz
(Mai 1927)."
Schändungen des Friedhofes im Oktober 2015, im Mai
2022 und im März 2024
Pressemitteilung vom 28. Oktober 2015:
"Kriminalität. Jüdischer Friedhof in Köthen geschändet.
Unbekannte haben den Jüdischen Friedhof in Köthen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) geschändet. An mehreren Grabstellen seien Grabsteine umgestürzt, von ihren Sockeln gebrochen oder auf andere Art zerstört worden, sagte eine Polizeisprecherin am Mittwoch in Dessau-Roßlau. Die Zerstörungen wurden in der Zeit zwischen dem 23. und dem 27. Oktober angerichtet. Es wird wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung ermittelt. Der geschätzte reine Sachschaden liegt den Angaben zufolge bei etwa 5000 Euro."
Pressemitteilung vom 13. Juni 2022: "Angriff
auf jüdischen Friedhof in Köthen: Es war nicht die erste Attacke
Köthen - In der Nacht zum 19. Mai übersteigen vermutlich mehrere Täter die
Mauer des Friedhofs in Köthen und zerstören anschließend mehrere
Grabstätten, vor allem auf dem jüdischen Teil der Gedenkstätte. Die Polizei
ermittelt, nun hat auch "Kripo live" den Fall aufgegriffen.
Dabei stellt sich während der Sendung heraus: Es war längst nicht die erste
Attacke dieser Art auf den Friedhof. Verwüstungen dieses Ausmaßes habe es
demnach zuletzt im Oktober 2015 gegeben. Damals wurden 15 Grabsteine
zerstört. Dazwischen finden sich immer wieder kleinere Attacken. Seit Ende
der 90er Jahre sollen es mittlerweile insgesamt zehn Anschläge auf den
Friedhof sein. Ihren bisherigen Höhepunkt fanden sie in der Nacht zum 19.
Mai dieses Jahres. Die Polizei geht derzeit davon aus, dass sich mehrere
Täter Zugang zum Friedhof verschafften. Anschließend wüteten sie vor allem
im jüdischen Teil der Gedenkstätte, zerstörten dort 16 zum Teil sehr alte
Grabstellen vollständig. Auch im allgemeinen Teil machten sie sich jedoch zu
schaffen. Dort wurden insgesamt vier Grabstätten zerstört. Für
Friedhofsleiter Christian Schäfer, der während der Sendung zu Wort kommt,
ist die Zerstörung ein schmerzlicher Anblick. "Wir repräsentieren
schließlich ein gewisses Andenken an die Toten", sagt er. Sowohl die Polizei als auch der
Staatsschutz ermitteln derzeit in dem Fall, können weder ein politisches
noch ein religiöses Motiv ausschließen. Die Ermittler suchen deshalb Zeugen.
Diese werden gebeten, sich bei der Polizei Anhalt-Bitterfeld unter Tel.
03496/4260 zu melden."
Pressemitteilung vom März 2024:
Zur Schändung im März 2024: "Fassungslosigkeit
nach Grabschändung auf jüdischem (und kommunalen) Friedhofes. Auf dem jüdischen Teil des Köthener Friedhofs in der Maxdorfer Straße
haben Vandalen zwischen dem 11. und 13. März 2024 in zwei
aufeinanderfolgenden Nächten Grabsteine umgeworfen, ein Holzkreuz beschädigt
und Grabdekoration verwüstet. Die Polizei ermittelt wegen Störung der
Totenruhe. Die Angehörigen der Verstorbenen äußern sich betroffen über die
Kaltblütigkeit der Tat. In den vergangenen Jahren wurden auf dem Friedhof
bereits mehrfach Grabstellen zerstört, Kripo live berichtete auch in diesen
Fällen über die Ermittlungen. "
Der alte jüdische Friedhof lag vor dem Halleschen Tor am
Wellschen Busch/Trautmannstraße südwestlich der Stadt.
Der neue Friedhof liegt
an der südlichen Seite des kommunalen Friedhofes (Güterseeweg).
Lage des (neuen) jüdischen Friedhofes
in Köthen auf dem dortigen Stadtplan:
links anklicken und über das
Verzeichnis der "Behörden und öffentl. Einrichtungen" zu
"Friedhof, jüd., Köthen".
Fotos: (Fotos: obere Zeile von Christian Ratzel, Köthen, www.trischi.com;
darunter liegenden Fotozeilen: Hans-Peter Laqueur, Bremerhaven, Aufnahmen im Mai
2007)
Die Trauerhalle mit ihrer
charakteristischen Kuppel