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Neustadt an der Weinstraße (Stadtkreis,
Rheinland-Pfalz)
Jüdische Geschichte / Synagoge / Israelitisches Altersheim
Hinweis:
aktuelle Informationen der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz K.d.ö.R.
siehe unter www.jkgrp.de
Bitte besuchen Sie auch die Website der
Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt:
http://www.gedenkstaette-neustadt.de/
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Neustadt an der Weinstraße (früher "Neustadt an der Haardt"
genannt) bestand eine jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter. 1339
wird eine "Judengasse" (heute "Turmgasse" im südwestlichen
Viertel der Altstadt) genannt. Zu Verfolgungen kam es 1343 ("Ritualmord"-Beschuldigung,
siehe unten)
und während der Pestzeit 1348/49. 1356 wird eine Synagoge
genannt, die vor der Verfolgungszeit bestand und zwischen der Judengasse und der
Stadtmauer lag (in vico Judeorum). Seit 1383 lebten wieder Juden
in der Stadt (fünf Personen genannt). 1391 wurden die Juden der Stadt mit den
anderen Juden der Kurpfalz ausgewiesen.
Im 16. und 17. Jahrhundert lebten einzelne Juden in der Stadt (1548 und
1550 jeweils eine Familie). Anfang des 18. Jahrhunderts (1722) werden
wieder acht Familien genannt, 1743 sind es zehn Familien.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1801 112 jüdische Einwohner (3,6 % der Gesamteinwohnerschaft), 1808 141
(3,3 %), 1825 125 (2,0 %), 1871 306, 1889 367 Personen, 1898 gleichfalls 367 (in
120 Haushaltungen), 1900 397 Personen
(von insgesamt 17.795 Einwohnern), 1901 406 (in 106 Haushaltungen; von insgesamt
17.800 Einwohnern); 1905 375 Personen, etwa 2 % der
Gesamteinwohnerschaft).
1808/09 werden die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt
(mit Erwerbszweig): Jeanne Fränkel (Händlerin), Lazare Frank (Gebrauchtwarenhändler),
Marc Gumprich (Trödler), Witwe Eve Liebmann (Händlerin), Jerome Liebmann (Händler),
Jonathan Liebmann (Händler), Salomon Löb (Händler), Henri Maas (Händler),
Joseph Marx (Händler), Joachim Mayer (Gebrauchtwarenhändler), Joseph Mayer (Händler),
Moise Mayer (Trödler), Witwe Jeanne Nathan (Gebrauchtwarenhändlerin), Elie
Simon Ober[n]dorff (Gebrauchtwarenhändler), Jacques Wolff (Metzger), Leopold
Wolff (Gebrauchtwarenhändler).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (alte
Synagoge von 1764, ersetzt durch eine 1867 eingeweihte neue Synagoge s.u.), eine
jüdische Schule (Israelitische Elementarschule; seit 1830; seit 1909 im Gebäude Ludwigstraße 20, 1988
renoviert, heute Verwaltungsgebäude, Sitz der Jüdischen Kultusgemeinde der
Rheinpfalz), ein rituelles Bad sowie ein Friedhof. Seit 1914 bestand
ein jüdisches Altersheim ("Israelitisches Altersheim für die Pfalz
e.V.") mit Sitz der Geschäftsstelle in Speyer, 1921 21, 1932 40
Bewohner). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe
Ausschreibungen der Stelle unten). Als Lehrer werden genannt: um 1887 S. Stern
(als Lehrer) und A. Friedmann (als Kantor). Von ca. 1895 bis ca. 1920 war als
Lehrer, Kantor und Rechner der Gemeinde Hermann Dottenheimer am Ort (vgl. unten;
um 1898 unterrichtete Dottenheimer auch die damals fünf jüdischen Kinder in
Mußbach). Als zweiter Kantor und Schochet
wird genannt: um 1899/1901 S. Wolff. Als Synagogendiener wird genannt: um
2899/1901 J. Poh (nichtjüdisch), als Organisten werden genannt: um
1899/1901 P. Bernhardt und B. Harsch.
Seit Ende der 1820er-Jahre war Neustadt kurze
Sitz eines Bezirksrabbinates (Rabbiner Aron Merz), doch wurde wenig später der
Sitz des Bezirksrabbinates nach Frankenthal
verlegt.
Als Gemeindevorsteher werden genannt: um 1898 W. Wolff und Mor. Albert,
dazu um 1901 S. Rosenstiel
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde etwa 350 Personen gehörten (1,75 %
von insgesamt etwa 20.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde
Emil Behr, Gustav Weil, Albert Rosenstiel, Isaac Mayer und Berthold Weil. Als
Religionslehrer und Kantor war Lehrer Hugo Rödelsheimer tätig. Er
unterrichtete an den öffentlichen Schulen des Stadt damals 21 Kinder. 1932
waren die Gemeindevorsteher: Emil Behr (1. Vors.), Isaak Mayer (2. Vors.) und
Emil Zill (Schatzmeister und Schriftführer). Weiterhin war Lehrer Hugo Rödelsheimer
in der Gemeinde tätig (wohnt Jahnstraße 1). Er unterrichtete im Schuljahr
1931/32 47 Kinder in Religion.
Bis in die 1930er-Jahre gehörten jüdischen Gewerbetreibenden etwa 80 Handels-
und sonstige, für das wirtschaftliche Leben in der Stadt teilweise bedeutende
Gewerbebetriebe.
An wichtigen jüdischen Vereinen bestanden insbesondere: der Israelitische
Armen- und Unterstützungsverein (gegründet 1872 als Israelitischer
Wohltätigkeitsverein zur Unterstützung armer israelitischer Passanten, Zweck und Arbeitsgebiet:
Unterstützung Hilfsbedürftiger, 1901 unter Vorsitz von W. Wolff, S. Rosenstiel,
Moos, Haas; 1924 unter Vorsitz von Gustav Weil mit 87
Mitgliedern), der Israelitische Frauen- und Wohltätigkeitsverein (Zweck
und Arbeitsgebiet: Unterstützung Kranker und Hilfsbedürftiger; Unterkunft für
Mädchen und Frauen; 1924 Leitung Meta Rosenstiel), der Bund jüdischer
Frontsoldaten (1932 Leitung Max Wolff) und das Logenkränzchen des Benei
Berit (Vorsitzender Max Wolff).
1933 lebten 266 jüdische Einwohner in Neustadt. In der Folgezeit ist ein
Großteil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der
zunehmenden Repressalien und der Entrechtung aus Landau verzogen oder
ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge angezündet.
Auch das jüdische Altersheim wurde niedergebrannt. Dabei kamen zwei jüdische
Insassen ums Leben. Von den jüdischen Einwohnern, die nicht mehr auswandern
konnten, wurden die letzten 22 im Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Mindestens
33 Juden aus Neustadt wurden ermordet.
Von den in Neustadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach der Gedenktafel im
Friedhof; ergänzt durch einige weitere Namen aus den Listen des Bundesarchivs
Berlin): Emma Abeles geb. Hochstetter (1894), Artur Alexander (1893), Hermann
Altschüler (1893), Ludwig Altschüler (1885), Berta Beer geb. Hochstädter
(1890), Fanny Bender geb. Michel (1854), Ludwig Benedic (1883, Foto des
Grabsteines in Gurs siehe unten), Helene Bieler
geb. Benedic (1869), Siegfried Brinker (1921), Helene Cossmann geb. Kuhn (1865),
Sigmund Dreifus (1879), Hugo
Elkan (1882), Emma Farnbacher geb. Moos (1877), Sofie Feibelmann geb. Benedic
(1867), Mina Fischer (geb. ?), Rudolf Goldschmidt (1892), Betty Grünebaum geb.
Loeb (1880), Camilla Haas (1855), Daniel Hackel (1902), Isabella Kahn (1898),
Anna Katzenstein geb. Oppenheimer (1907), Gustav Kaufmann (1868), Alfred Kern
(1903, Foto des Grabsteines in Gurs siehe unten), Ernst Kern (1899), Ferdinand Kern (1867), Helene Kern (1874), Elfriede
Klein (1920), Herbert Klein (1917), Theodor Klein (1869), Ruth Klotz (1925),
Julius Kohlmann (1885), Johanna Kohlmann (1887), Emma Lehmann (1879), Meta
Lembach (geb. ?), Rosa Lebi (1868), Henriette Loeb (1881), Elias Mané (1871),
Emilie Mané geb. Lehmann (1875), Hilda Mané (1878), Isidor Mané (1870), Melli
(Melanie) Mané (1899), Mina Mané (1899), Berta Mayer (1882), Elisabeth Mayer
(1893), Ida Mayer (1873), Julius Mayer (1885), Richard Mayer (1876), Theodor
Mayer (1899), Adele Morgenthau (1885), Daniel Morgenthau (1881), Isidor Pineles
(1897), Beatrice Pineles (1928), Pia Pineles geb. Hellsinger (1908), Berta Röthler
(1868), Elisabeth Rosenstiel geb. Deutsch (1887), Siegmund Rosenstiel (1879),
Klara Samson (1872), Leopold Samson (1864), Wilhelm Samson (1877), Ludwig
Schlessinger (1885), Nathan Schlessinger (1857), Selma Schlessinger (1893),
Gertrud (Trude) Singer (1921), Arthur Strauss (1886), Dr. Karl Strauß (1883),
Flora (Florentine) Strauß geb. Behr (1895), Elfriede Wolf geb. Albert (1887),
David Wolff (1882), Eugen Wolff (1873, Foto des Grabsteines in Gurs siehe
unten).
Weitere Informationen zu den in der NS-Zeit Umgekommenen (Opferliste
"Gedenken und Mahnen. Neustadt a.d. Weinstrasse 1933-1945. Zur
Erinnerung an die Jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Neustadt an der
Weinstraße, pdf-Datei).
Nach 1945. Nach Kriegsende 1945 versuchten
einige nach Neustadt zurückgekehrte Juden wieder eine jüdische Gemeinde
aufzubauen. 1950 wurde die "Jüdische Kultusgemeinde der
Rheinpfalz" wieder als K.d.ö.R. begründet. 1953 konnte ein Betsaal im
erhalten gebliebenen Verwaltungsgebäude der früheren jüdischen Gemeinde in
Neustadt eingerichtet werden. 1960 wurde ein jüdisches Altersheim erbaut. Da
aber 1987 nur noch acht ältere Menschen dort ihren Lebensabend verbrachten,
wurde das Heim inzwischen geschlossen. Auch die in diesem Heim untergebrachte
Synagoge musste aufgegeben werden.
Bis 2011 hatte die "Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz"
ihren Sitz in Neustadt. Die Synagoge dieser Gemeinde befand sich in Kaiserslautern.
Nach der Einweihung der Synagoge
in Speyer 2011 wurde der Sitz der "Jüdischen Kultusgemeinde der
Rheinpfalz" nach Speyer verlegt.
| Bernhard Kukatzki: Die jüdische Kultusgemeinde der
Rheinplatz. Eine Skisse des Gemeindelebens 1992. In: SACHOR.
Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in
Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor und Hans-Eberhard Berkemann in
Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung
Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad Kreuznach. 7.
Jahrgang Ausgabe 2/1997 Heft Nr. 14 S. 68-70. Online
eingestellt (pdf-Datei). |
Berichte aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Über den Judenpogrom 1343 in
Wachenheim,
Lambsheim, Neustadt und
Germersheim (Artikel von 1900)
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Der Artikel von Dr. Hirsch
Hildesheimer wird nur teilweise - den Pogrom von 1343 betreffend -
abgeschrieben, ohne Fußnoten/Anmerkungen. Dazu bitte die Textabbildungen
oben anklicken. Der Verfasser (Sohn von Esriel Hildesheimer) war seit 1880
Dozent für jüdische Geschichte und Geographie am Rabbinerseminar in Berlin.
Vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hirsch_Hildesheimer.
Artikel in "Dr. Bloch's österreichische Wochenschrift" vom 5. Januar 1900:
"Die Blutlüge. Von Dr. Hirsch Hildesheimer in Berlin.
Ludwig IV. der
Baier (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_IV._(HRR)) hat noch zweimal seine kaiserliche Autorität zum Schutze der von Blutanklagen
heimgesuchten Juden eingesetzt. In einem der beiden Fälle konnte
dies erst, nachdem, wie in Überlingen, die Raserei bereits zahlreiche Opfer
gefordert hatte, geschehen, um ferneren Morden Einhalt zu tun; im zweiten
gelang es seinem energischen Eingreifen, das drohende Urteil noch
rechtzeitig abzuwehren.
'Im Jahre 5103, am Sabbat den 24. Nissan (19.
April 1343) wurden die Mitglieder der Gemeinde Wachenheim, in derselben
Woche die von Lambsheim, sowie die von
Neustadt bei Speyer und am Sabbat
Neumond Ijar (26. April) die Kranken, welche in
Germersheim untergebracht
waren, mit allen dort anwesenden Gesunden verbrannt, so berichtet das
Nürnberger Memorbuch (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nürnberger_Memorbuch) über eine blutige Verfolgung, welche nicht auf die
genannten Städte der Rheinpfalz beschränkt geblieben zu sein scheint, sondern
sich auch auf Mosbach und andere Orte ausgedient hat. Über den Vorwand zu
diesen Gräueltaten erzählt der bereits erwähnte zeitgenössische Mönchs-Chronist Johann von Winterthur
(vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_von_Winterthur) wörtlich also:
'Im Jahre 1343 am Osterfeste ward bei Worms in einer Höhle im Walde ein
Einsiedler von wunderbarer Heiligkeit, wie der herrliche Ausgang seines
Lebens auf das Klarste gezeigt hat, von den Juden getötet, ja, wie das
Gerücht bezeugt, zerrissen, zerfleischt und von Glied zu Glied zerteilt. So ermordet fanden ihn die Leute jener Gegend und
begruben ihn unter
großer Teilnahme und Trauer. Als das Leiden desselben der Herzog von
Heidelberg (gemeint:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ruprecht_I._(Pfalz)) der Brudersohn des Kaisers Ludwig
(Ludwig IV. der Bayer s.o.), hörte, begann er, da er an
seinem Körper viele Jahre vorher einen Lupus mit grausamem Schmerz ausgehalten
hatte, zu ihm, zu dem er als einem heiligen Mann Zutrauen hegte, inständig zu beten, dass er ihm
seine langwierige Krankheit wegnehmen und die Gesundheit schenken möchte. Er
wurde sogleich erhört und erhielt das vollständige Wohlbefinden wieder. Dass dasselbe an ihm im vollsten Maße nur durch das Verdienst des
heiligen Mannes zustande gebracht war, fühlte er und verbrannte nun, von
einem sozusagen unaussprechlichen göttlichen Zorn entflammt, alle Juden
seines Gebietes. Dieser Einsiedler gewährte nach seinem Tode denen, die ihn
anriefen, verschiedene und vorzügliche Arten Heilungen und zog eine ungemein
große Menge Menschen aus den benachbarten und umliegenden Gegenden herbei.
Als aber der erwähnte Herzog gesehen, dass der genannte Einsiedler, namens
Ludwig, in so erstaunlichen Wundern zurückleuchte, so hätte er vom Kaiser,
den er darum anging, gerne die Erlaubnis ausgewirkt, die Juden im ganzen
Reiche Deutschlands martern zu dürfen'.
Mit diesem erbaulichen Bericht stimmt
die Darstellung des um die gleiche Zeit schreibenden Johannes, Abtes
des Zisterzienserklosters Viktring bei Klagenfurt (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Stift_Viktring und
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_von_Viktring), darin überein, dass die
Beweiskraft der 'größten Wunder, in denen der Ermordete zu leuchten begann',
die 'Schuld' der Juden festgestellt und ihre Verbrennung zur Folge gehabt hat.
Von der wunderbaren Heilung des Heidelberger Herzogs und von seinem
Eingreifen überhaupt erwähnt dieser Chronist nicht das Geringste. Schon
dieses sein Schweigen über das wichtigste Detail, über die Stellungnahme des
Landesherren, macht die betreffende Angabe Johanns von Winterthur verdächtig
und die Rolle, welche der Pfalzgraf gespielt haben soll, ist mit dem, was
wir über seine geistigen Qualitäten und über seinen Charakter sonst
erfahren, so völlig unvereinbar und steht zumal mit den wohlwollenden
Gesinnungen, welche er von Anbeginn bis zum Schluss seiner mehr wie
50-jährigen Regierung den Juden gegenüber betätigte, in so krassem
Widerspruch, dass wir in der Darstellung des Barfüßermönchs von
Winterthur zweifellos eine jener zahlreichen Erdichtungen, welche er in
seiner kritiklosen Wundergläubigkeit nachschrieb, oder eine jener Personen-Verwechslungen, zu welcher die von ihm selbst
beklagte Gedächtnisschwäche
ihn verleitete, zu erblicken haben. Herzog von Heidelberg war im Jahre
1343 Ruprecht I., welcher seit dem Vertrag von Pavia (4. August
1329, vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hausvertrag_von_Pavia) Mitregent seines Bruders Rudolf's
II. (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_II._(Pfalz)), durch die am 18.
Februar 1338 vollzogene Teilung der gemein-
|
samen Herrschaft die größere Hälfte der pfälzischen Lande mit der Hauptstadt
Heidelberg erhielt. Ruprecht I. hat sich aber allezeit als ein hochsinniger
Beschützer der Juden bewährt, und die bloße Tatsache, dass er zur Zeit des
'schwarzen Todes' (1349) den aus Speyer und Worms Geflüchteten in Heidelberg
und anderen Städten der Pfalz gastliche Aufnahme gewährte, ist ausreichender
Beweis, dass er unmöglich sechs Jahre zuvor so grausam gegen die Juden
seiner Herrschaft gewütet haben kann. Zudem erscheint es völlig
ausgeschlossen, dass Ruprecht I., ein Herrscher von so 'glänzenden
Regenteneigenschaften, an dessen Namen keine entehrenden Handlungen haftete'
derart skurrilen Wunderglaubens, und noch dazu des Wahnwitzes fähig gewesen
sein sollte, vom Kaiser 'die Erlaubnis, die Juden im ganzen Deutschland
martern zu dürfen', mordwütig zu erbitten. Kennzeichnet sich diese
Ungeheuerlichkeit als die Ausgeburt einer überhitzten Mönchs-Phantasie, so
steht andererseits dokumentarisch fest, dass Kaiser Ludwig IV. gerade aus
Anlass dieser Blutbeschuldigung sich der Juden jener Striche schützend
annahm. In einer Urkunde gegeben in
Mergentheim, 15. Mai 1343, belobte er die Stadtbehörden von Speyer für
den Schutz, den sie den in ihrer Mitte und in der Umgegend ansässigen Juden
zuteil werden ließen, und fordert sie auf, 'alle Juden, es sei auf dem
Lande, in der Stadt oder wo sie dessen nötig haben, wider Jedermann, wer er
sei oder wie er genannt wird, zu schirmen und nicht zu gestatten, dass sie
jemand angreift oder irgendwie beschwert'. Die Datierung der Urkunde, welche
wenige Wochen nach dem Geschehnis von 1343 erging, und die Tatsache, dass
dasselbe in der Diözese Speyer, zu der Wachenheim
Lambsheim,
Neustadt und
Germersheim gehörten, sich zugetragen
hat, lässt keinen Zweifel, dass die an die angebliche Ermordung des Eremiten
Ludwig geknüpfte Verfolgung das Eingreifen des Kaisers veranlasst hat'.
|
Aus
der Geschichte der jüdischen Schule und der Lehrer
Ausschreibungen der Stelle(n) des Religionslehrers / Vorbeters
1893
sowie Ausschreibung der Stelle des Schochet 1878
Anzeige
in der (liberalen) "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27.
Oktober 1893: "Vakanz. Infolge Rücktrittes unseres
langjährigen Herrn Kantors ist die Stelle des Religionslehrers und
ersten Kantors in hiesiger Gemeinde per 1. Januar 1894 zu besetzen.
Nur deutsche Bewerber wollen sich melden und zwar solche, welche vermöge seminaristischer
Bildung den Religions- Unterricht auch in höheren Schulen zu erteilen
imstande sind und genügende musikalische Kenntnisse besitzen, um den
Kantordienst mit Chor- und Orgelbegleitung versehen zu können.
Die Stelle erbringt 2.500 - 3.000 Mark. - Offerten mit Zeugnis-Abschriften
beliebe man bis längstens 6. November an den Unterzeichneten zu
richten. Es wird noch bemerkt, dass Gesuche, welche keine
Berücksichtigung finden konnten, unbeantwortet bleiben.
Der Vorstand der israelitischen Kultus-Gemeinde. William Wolf. Neustadt
a. Haardt, Rheinpfalz, den 16. Oktober 1893." |
|
Dieselbe
Anzeige erschien am 26. Oktober 1893 auch in der orthodox-israelitischen
Zeitung "Der Israelit" |
Unabhängig von der Stelle des Kantors und
Lehrers gab es in Neustadt die Stelle eines Schochet (Schächters). Aus
dem Jahr 1878 liegt folgende Ausschreibung der Stelle vor: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Schrift" vom 26. Juni 1878:
"Erledigte Stelle eines Schochet. In der hiesigen
israelitischen Kultusgemeinde soll die erledigte Stelle eine Schochet mit
einer geeigneten Persönlichkeit baldtunlichst wieder besetzt
werden.
Jahreseinkommen zwischen 1.000 und 1.200 Mark.
Lusttragende Bewerber wollen ihre mit Würdigkeitszeugnissen versehenen
Gesuche in Bälde an den Gefertigten gelangen lassen.
Neustadt a.d. Hardt (Pfalz), 18. Juni 1878: Der Vorstand des
Synagogen-Ausschusses: Simon Mayer." |
Lehrer Ignaz Lehmann unterhält ein "Israelitisches Pensionat" (1852)
und sucht hierfür einen Lehrer (1860)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Oktober 1852:
"Israelitisches Pensionat. Junge Leute, welche sich dem
Geschäftsleben widmen, finden bei mir gewissenhaften Unterricht in allen
für ihren Beruf nötigen und nützlichen Gegenständen. Englisch und
Französisch sind die Konversationssprachen des Hauses und es wird durch
Methode und stete Anwendung rasche Fertigkeit in derselben erzielt. Eine
sorgfältige, väterlich ernste Erziehung wird den Zöglingen des
elterliche Haus möglichst ersetzen. Meine Wohnung ist sehr freundlich,
frei gelegen, in einer der reizendsten Gegenden Deutschlands. Nähere,
gewiss in jeder Beziehung befriedigende Auskunft erteilt
Ignaz Lehmann, Lehrer an der Latein-Schule zu Neustadt a.d. Haardt
(Bayrische Pfalz)." |
|
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. September
1860: "Ich suche einen tüchtigen Lehrer für mein Knaben-Pensionat.
Kenntnis des Französischen und Hebräischen wäre erwünscht. Bei
entsprechenden Leistungen wird eine in jeder Beziehung angenehme Stellung
zugesichert. J. Lehmann in Neustadt a.d. Haardt (Pfalz)." |
Anzeige zur Werbung für die Handels-Lehranstalt von
Ignaz Lehmann (1859)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Oktober 1859:
"Die Handels-Lehranstalt von J. Lehmann
zu Neustadt a.d. Haardt (Rheinpfalz), konzessioniert 1857, wurde
1858/59 von 60 Zöglingen besucht und verdankt ein solches Resultat den
tüchtigen Leistungen ihrer Lehrer, der wahrhaft mütterlichen Liebe und
Sorgfalt, womit auch Frau Lehmann Sitte und Anstand und körperliche
Pflege der Zöglinge überwacht, sowie der reizenden und überaus gesunden
Lage unserer Stadt, die, am Ausgange eines herrlichen Tals, durch Berge
vor Nordwinden geschützt, nach Osten hin in der Ebene gelegen, äußerst
selten einen Fieber oder Brustkranken in ihrem Bereich hat und noch nie
von irgendeiner Epidemie heimgesucht wurde.
Man wird es uns Dank wissen, auf eine Anstalt aufmerksam zu machen, die in
so vollständiger Weise alle Bedingungen für körperliches und geistiges
Wohl ihrer Zöglinge in sich vereinigt, und vielleicht dürfen wir es auch
als ein schönes Zeichen der Zeit erwähnen, dass hier katholische,
protestantische und israelitische Zöglinge und Pensionäre in einer von
Israeliten geleiteten Anstalt in bester Eintracht zusammen lernen und
leben. Salomon Kaufmann." |
Lehrer S. Stern tritt in den Ruhestand (1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1892:
"Neustadt a.d. Haardt. Der größte Teil der hiesigen Lehrer hat
ihrem in den Ruhestand tretenden Kollegen, dem israelitischen Lehrer S.
Stern eine würdige und beide Teile ehrende Abschiedsfeier bereitet.
Angeregt von dem lehrerfreundlichen Lokalschulinspektor Dr. Latz,
überreichte des Lehrerkollegium dem Scheidenden ein kunstvoll
hergestelltes Bild (sämtliche Fotografien der Hebet unter einem
prachtvollen Rahmen). Die Abschiedsfeier gestaltete sich zu einem
Lehrer-Familienfeste, an dem mit schriftlichen Glückwünschen auch die
Spitzen der Behörden teilnahmen. Warme, herzliche Ansprachen, passende
Gesänge und Toaste gaben dem kleinen Feste das Gepräge einer erhebenden
Feier und werden dem Gefeierten als würdiger Schlussakt seiner 50
jährigen Dienstzeit wohltuend hinüberleuchten in das Heim seiner
Ruhe." |
Lehrer Hermann Dottenheimer erfährt vom Soldatentod
seines Sohnes (1915)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
8. Januar 1915: (aus einem Beitrag über mehrere jüdische Gefallene
des Ersten Weltkrieges): "Das zweite Stück ist ein
Beileidschreiben, das ein preußischer Offizier an den Vater eines
gefallenen Soldaten geschrieben hat. Es ist ein schönes Zeugnis für den
Mut des jungen Mannes und für die menschliche Empfindungsweise seines
Vorgesetzten. Es lautet: ...den 5. September 1914.
Herrn Hermann Dottenheimer, Lehre rund I. Kantor Neustadt,
Pfalz.
Die Kompanie erfüllt hiermit die traurige Pflicht, Sie von dem Tode Ihres
Sohnes, des Unteroffiziers Heinrich Dottenheimer, zu benachrichtigen. Ihr
Sohn ist als tapferer, treuer Deutscher in der Schlacht bei Lunéville den
Heldentod für seinen Kaiser gestorben. Möge Ihnen ein Trost sein,
dass Ihr Sohn sein Blut freudig für sein Vaterland geopfert hat. Die
Kompanie wird seinen Namen unter den Helden nennen und sein Andenken in
Ehren halten. Bostelmann, Leutnant und Komp.-Führer. 4.
Kompanie, Infanterie-Regiment Nr. 70". |
Zum Tod von Lehrer Hermann
Dottenheimer (1937, Lehrer in Neustadt von ca. 1895 bis ca. 1920)
Anmerkung (teils noch unbestätigte Rechercheergebnisse!): Hermann
(Hirsch) Dottenheimer ist ca. 1859 in
Berolzheim geboren als Sohn von Joel Dottenheimer und seiner Frau Dina geb.
Fellheimer. Sein jüngerer Bruder Heinrich (geb. 1855 in
Berolzheim, umgekommen 1943 im Ghetto
Theresienstadt) ließ sich später in
Gunzenhausen nieder. Hermann Dottenheimer ließ sich an der
Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg
zum Lehrer und Kantor ausbilden; die Ausbildung absolvierte er 1878. Danach (ca.
1879 - 1883?) war er als Kantor und Schochet in
Treuchtlingen tätig. Um 1884/87 war er
Lehrer und Kantor im südbadischen Breisach,
anschließend um 1885/1894 im gleichfalls südbadischen
Müllheim. Er war verheiratet, sein in
Müllheim 1888 geborener Sohn Heinrich ist
1914 bei Lunéville gefallen. Seit 1895 war Hermann Dottenheimer Lehrer und
Kantor in Neustadt an der Weinstraße. Um 1920 trat er in den Ruhestand und
verzog zu seinen in Budapest lebenden Töchtern. Er starb Anfang November 1937.
Artikel
im "Jüdischen Gemeindeblatt für das Gebiet der Rheinpfalz" vom 1. Januar
1938: "Neustadt an der Weinstraße. Anfang November verschied nach
kurzem Krankenlager im patriarchalischen Alter von 78 Jahren der langjährige
Kantor, Religionslehrer und Rechner unserer Kultusgemeinde, Hermann
Dottenheimer. Derselbe weilte seit seiner Pensionierung bei seinen Töchtern
in Budapest, nachdem zum Herzeleid der Familie der einzige, hoffnungsvolle
Sohn ein Opfer des Weltkrieges geworden war. In einer tiefempfundenen
Ansprache im Gotteshause, wo ja so oft der vorzügliche Scholiach Zibbur (Vorbeter)
seine prächtige Stimme zur Ehre Gottes und der Menschen Erbauung ertönen
ließ, würdigte Herr Vorstand Gustav Weil nach Beendigung der sabbatlichen
Toravorlesung das überaus segensreiche Wirken dieses pflichtgetreuen Beamten
während seiner 25-jährigen Amtstätigkeit hier. In Freud und Leid, so führte
der treffliche Redner weiter aus, habe sich der nun Verklärte mit seinen
Kultusmitgliedern aufs engste verbunden gefühlt und bis zum letzten Atemzuge
dessen treues Herz für die ehemalige Heimat in voller Wärme geschlagen.
Tiefe Rührung übermannte Redner wie Zuhörer als er ihm Schlussworte in
seinem und der Gemeinde Namen das feierliche Gelöbnis ablegte, das
Gedächtnis des Verklärten alle Zeit zu ehren und in dankbarer Erinnerung
hoch zu halten." |
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Nennungen
von Lehrer
Hermann Dottenheimer in
jüdischen Periodica
(1895-1913; Auswahl) |
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Nennung von H. Dottenheimer
als Lehrer und Kantor in Neustadt in "Statistischen Jahrbuch" von 1895 Nr.
10 S. 55. |
Neujahrsgrüße von H.
Dottenheimer und Familie in "Der Israelit" vom 3. September 1896. |
Nennung von Hermann
Dottenheimer in einer Spendenliste im "Israelitischen Familienblatt" vom 8.
September 1904. |
Nennung von H.
Dottenheimer in einer Liste im "Israelitischen Familienblatt" vom 9. Oktober
1913. |
In der Volksschule wird eine "jüdische
Sonderklasse" eingerichtet (1936)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
Oktober 1936: "Speyer am Rhein. Am
1. September wurden im Bereich des Regierungsbezirkes Pfalz in vier
Städten jüdische Sonderklassen der allgemeinen Volksschulen errichtet,
in Ludwigshafen zwei Klassen
(vorläufig nur mit einem Lehrer besetzt), in Kaiserslautern,
Landau und Neustadt an der
Weinstraße je eine Klasse. Nach Ludwigshafen
wurde Lehrer und Kantor Schottland (Frankenthal)
angewiesen, nach Kaiserslautern
Lehrer i.R. Langstädter, nach Landau
Lehrer und Kantor Zeilberger (Landau)
und nach Neustadt Schulamtsbewerber Samson aus Landau.
Sämtliche Lehrkräfte sind auf Dienstvertrag mit monatlicher Kündigung
angestellt. Jüdische Schulen entsprechend dem bayerischen
Schulbedarfsgesetz, deren Lehrer Beamte sind, bestehen noch in Speyer,
Pirmasens und Rodalben." |
Berichte aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Antisemitenversammlung und die Folgen (1895)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Juni
1895: "Neustadt a.d.H., im Juni. Eine antisemitische
Versammlung, die im März Dr. Förster hier abgehalten, hatte einen
stürmischen Verlauf genommen. Eine Anzahl Arbeiter erhielt deshalb
Haftbefehle von je acht Tagen wegen 'groben Unfugs', weil sie die
Versammlung 'gesprengt' hätten. Wegen Anstiftung wurden zwei
israelitischen Metzgern und Händlern gleichzeitig Geldstrafen auferlegt.
Hiergegen wurde Berufung eingelegt, die das Schöffengericht in der
Hauptsache am 30. vorigen Monats verworfen hat, doch wurde einer der
angeklagten Israeliten freigesprochen und für die andern die Geldstrafe
herabgesetzt. In der Begründung des Urteils heißt es: 'Aus der
Ankündigung des Vortrages des Herrn Förster habe noch nicht entnommen
werden können, dass in der fraglichen Versammlung Thematas zur Sprache
kommen, die geeignet seien, den öffentlichen Frieden zu stören, die
Klassen gegeneinander aufzuhetzen und die öffentliche Ordnung zu
gefährden. Es würden ja im öffentlichen Leben heutzutage manche Fragen
zur Sprache gebracht, die bei der verschiedenartigen Gestaltung der
politischen und religiösen Lebensanschauungen nicht mit den Gefühlen und
Ansichten der Allgemeinheit sich decken; es geschehe dies in Schriften, in
den Parlamenten, in den öffentlichen Versammlungen, ohne dass die
Obrigkeit dagegen einzuschreiten Veranlassung habe, weil eben in unserm
modernen Leben die freie Rede nicht in einer Weise geknebelt werde, wie
dies früher wohl der Fall war. Derartige Versammlungen hätten den
Charakter der Öffentlichkeit und die Besucher derselben Anspruch auf
öffentlichen Schutz. Störzungen, wie sie am 15. März in der Versammlung
im Gesellschaftshause vorgekommen, würden mithin eine Verletzung der
öffentlichen Ordnung darstellen und seien im Sinne des Strafgesetzbuches
als grober Unfug mit Gefängnis zu bestrafen. Wenn allenfalls die
öffentliche Ordnung durch diese Versammlung gefährdet worden wäre, dann
wäre es Sache der anwesenden, die Versammlung überwachenden Beamten
gewesen, einzuschreiten, nicht aber dürfe eine gekränkte Minderheit in
der Art selbsthelfend vorgehen. Die Israeliten konnten sich durch die
Ankündigung 'immerhin einigermaßen in ihren Gefühlen verletzt
glauben'." |
Aus der NS-Zeit - Aufruf zum Boykott der jüdischen
Geschäfte (Bericht von 1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28, Dezember 1934:
"Neustadt a.d.H. Nach Meldung der Rhein NSZ-Front in Neustadt
a.d.H. hat der Gauleiter der Pfalz und Saarbevollmächtigte des
Reichskanzlers, Bürckel, eine Bekanntmachung erlassen, in der es
heißt: 'Nationalsozialisten! Es besteht Veranlassung, darauf hinzuweisen,
dass wir nichts im Ramschwarenladen des Juden verloren haben. Und wenn Du
mir sagst, dass Deine Frau die Einkäufe besorge, so ergibt sich daraus,
dass eben in Deinem Hause kein nationalsozialistischer Geist herrscht und
Du selbst kein Mann bist, sondern ein Hanswurst.'" |
Neustadt
als Tagungsort für überregionale Tagungen israelitischer Verbände
Fortbildungskonferenz der "Freien Vereinigung israelitischer Lehrer und
Kantoren der Pfalz (1930)
Artikel
von H. Schottland in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15.
April 1930: "Freie Vereinigung israelitischer Lehrer und Kantoren der
Pfalz. In der zweiten Fortbildungskonferenz am Sonntag, den 16. März, in
der 'Traube' zu Neustadt a.H. sprach der Unterzeichnete über das in
letzter Zeit in pädagogischen Kreisen und Zeitschriften viel genannte,
besprochene und empfohlene Werk von Rabbiner Dr. Emil Schorsch: 'Die
Lehrbarkeit der Religion.' Die bisher geäußerten Mängel dieses Werkes
können dessen Wert in keiner Weise berühren..." Bei Interesse an
dem Artikel bitte anklicken. |
Bayerisch-pfälzischer Fleischertag zur
Schächtfrage (1931)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
August 1931: "Bericht über die Verhandlungen des
bayerisch-pfälzischen Fleischertages in Neustadt an der Haardt vom 7.
Juni 1931 zum Punkte Schächtfrage (Fortsetzung und Schluss). Der
Bericht wird nicht ausgeschrieben, da es keine direkten Zusammenhänge zur
jüdischen Geschichte in Neustadt gibt. Bei Interesse Artikel anklicken. |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Ein jüdischer Bürger wird zum Stadtschreiber ernannt (1847)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. März 1847: "Neustadt an
der Hardt, 18. Februar (1847). Jüngst wurde hier ein Israelit zum
Stadtschreiber ernannt, und genießt das allgemeine Vertrauen." |
80. Geburtstag von Jacob Samson (1930)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. September 1930: "Neustadt a.
Haardt. 3. September (1930). Am 6. September feiert so Gott will, Herr
Jacob Samson, hier, in voller geistiger und körperlicher Frische seinen
80. Geburtstag. Der Jubilar erfreut sich in der ganzen Stadt besonderer
Wertschätzung ob seines ehrenhaften Charakters und seiner im Stillen geübten
Mildtätigkeit. Möge er noch viele Jahre seiner Familie und der Gemeinde
gesund erhalten bleiben." |
|
Ergänzendes
Dokument zu Jacob Samson (aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim / Ries): Briefumschlag von Jacob Samson, versandt am 9.
Juni 1923 nach Lüneburg. |
Über die langjährige Tätigkeit von Emil Behr in leitenden Gremien (1929
/ 1937)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
15. August 1929: "Neustadt a.d.Hdt. (Rheinpfalz). Eine Gemeinde, die verdiente Männer in ihrer Mitte
zu ehren weiß, schmückt damit auch sich selbst. Das darf mit Recht von der
hiesigen israelitischen Kultusgemeinde gerühmt werden, die vergangene Woche den
70. Geburtstag ihres langjährigen Synagogenvorstandes Emil Behr beging. Den
Reigen der einzelnen Festlichkeiten eröffnete das pfälzische jüdische
Altersheim mit einer familiären Feier. Der Vorsitzende dieser philanthropischen
Anstalt, Herr Justizrat Dr. Rheinheimer in Kaiserslautern, feierte den Jubilar
als den Vater und treuen Sachwalter des Altersheims, das heute eine Zierde des
gesamten pfälzischen Judentums bilde, und fand ebenso schlichte als herzliche
Worte des Dankes und der Wertschätzung. Herr Kommerzienrat A. Joseph (Landau)
überbrachte die Glückwünsche des Israelitischen pfälzischen und bayerischen
Gemeindeverbandes. Im Sabbatgottesdienst (4. August) würdigte Herr
Bezirksrabbiner Dr. Baron (Kaiserslautern) in seiner eindrucksvollen Festpredigt
das gesegnete humanitäre Wirken des Jubilars Behr und erflehte für ihn den
wohlverdienten behaglichen Lebensabend. Den Schluss der einzelnen Feiern bildete
ein Bankett im Saalbau, das von unsern sämtlichen Gemeindemitgliedern und auswärtigen
Vertretern äußerst zahlreich besucht war. In einer Reihe trefflicher Reden –
Stadtrat und Synagogenvorstand Strauß (Bad Dürkheim) sprach für den
Rabbinatsbezirk Dürkheim-Frankenthal und den Bayerischen Gemeindeverband,
Bezirksrabbiner Dr. Baron für die Bene-Beris-Loge in Kaiserslautern,
Rechtsanwalt Dr. Kehr (Kaiserslautern) für den Central-Verein – wurden dem
Jubilar Sympathiebezeugungen und Ehrungen dargebracht. Ad
meo schonoh! ('bis zum 100. Jahr')." |
Als Emil Behr 1937 im Alter von 78 Jahren das
Vorstandsamt niederlegte, erschien ein weiterer Artikel in der Bayerischen
Israelitischen Gemeindezeitung (Ausgabe vom 1. Oktober 1937):
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
1. Oktober 1937: "Emil
Behr. Neustadt a.d. Haardt. Das langjährige Tagungsmitglied des Verbands
der Kultusgemeinden in Bayern sowie Mitglied des Vorstands des Verbands der
israelitischen Gemeinden der Pfalz, Emil Behr, hat sein Amt als Vorsitzender des
Synagogenrats Neustadt a.d. Haardt niedergelegt. Aus diesem Anlass richtete der
neue Vorstand des Synagogenrats Neustadt a.d. Haardt während des Gottesdienstes
an Roschhaschonah (= jüdisches Neujahrsfest) folgende Worte an die
Gemeinde:
Herr Emil Behr hat sein Atm als Vorsitzender des Synagogenrats infolge hohem
Alter, das ihm nicht erlaub, die immer schwerer werdende Last der Verantwortung,
die dieses Amt mit sich bringt, länger zu tragen, niedergelegt. Ein
Menschenalter – 33 Jahre lang – war Herr Behr Vorsitzender des
Synagogenrats. Sein Wirken war von Gott gesegnet und ist mit goldenen Lettern in
der Geschichte unserer Gemeinde eingetragen. Er war ein vorbildlicher Vorstand.
Uneigennützig und unparteilich und in seltener Pflichterfüllung nur das
Interesse und Wohl der Gemeinde und ihrer Mitglieder im Auge, leitete er die
Gemeinde. Zielbewusst, dabei selbstlos und bescheiden oft sein eigenes Ich zurücksetzend,
waltete er seines Amtes. So konnte die Gemeinde – und sie war es auch –
stolz darauf sein, einen solchen Vorstand zu haben. Und daher schenkte sie ihm
ihr volles Vertrauen, was schon dadurch zum Ausdruck kam, dass er bei jeder Wahl
sozusagen einstimmig wiedergewählt wurde.
Aufs tiefste bedauern wir alle, dass Herr Behr sein Amt niedergelegt hat und
sich nicht bestimmen ließ, dasselbe weiter zu behalten. Der Synagogenrat musste
sich diesem unerschütterlichen Entschluss leider fügen und hat Herrn Behr in
Ansehung seiner unvergänglichen Verdienste das Amt eines Ehrenvorsitzenden übertragen.
Er hat ihm für alles, was er in den langen Jahren für die Gemeinde getan,
herzlichst gedankt und ich bin sicher, dass Sie alle sich diesem Dank aus ganzem
Herzen anschließen." |
Erinnerungen an die Deportation in das
südfranzösische Internierungslager Gurs im Oktober
1940: Grabsteine in Gurs
Grabstein im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs
für
Eugen Wolff
geb. am 11. Mai 1873 in Bad
Dürkheim, später wohnhaft in Ludwigshafen am
Rhein und Neustadt a.d. Weinstraße,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 29. Dezember 1940
umgekommen ist. |
|
Grabstein im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs
für
Alfred Kern,
geb. am 31. Juli 1903 in Neustadt a.d. Haardt (Weinstraße), wohnhaft in
Neustadt,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 4. Dezember 1940
umgekommen ist. |
|
Grabstein im Friedhof des ehemaligen Internierungslagers Gurs
für
Ludwig Benedic (auf Grabstein: Benedik),
geb. am 18. Januar 1883 in Neustadt a.d. Haardt (Weinstraße), wohnhaft in
Neustadt,
am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, wo er am 4. September 1941
umgekommen ist. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Bäckerei zu verkaufen oder zu vermieten (1889)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. Mai 1889: "Bäckerei.
Es wäre für einen jungen tüchtigen und fleißigen Mann gute Gelegenheit
geboten, eine sehr gute und nachweislich rentable '
Bäckerei'
in einer Stadt von ca. 12 - 14.000 Einwohner und in bester Lage der Stadt
entweder käuflich oder mietweise zu übernehmen. Die Übernahme könnte
nach Übereinkommen geschehen. Gefällige Offerten sind zu richtigen unter
W. Nr. 2019 postlagernd Neustadt a.d. Haardt." |
Anzeige von Moritz Mayer, Lachen (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Januar 1903:
"Tüchtiger Bäcker- und Konditor-Geselle, 20 Jahre alt, mit guten
Zeugnissen, sucht bis 15. Februar oder 1. März Stellung,
Moritz Mayer, Lachen bei Neustadt a.d. Haardt,
(Pfalz)." |
Anzeige des Schuhhauses Hirsch -
Zweiggeschäft in Neustadt (1927)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins"
vom 11. Februar 1927: "Schuhbranche. Für mein Zweiggeschäft
Neustadt d.d. Haardt suche ich zum baldigen Eintritt eine erste
Verkäuferin, die bereits in größeren Geschäften eine leitende
Stelle innegehabt hat und mich in meiner Abwesenheit vertreten kann. Nur
allererste Kräfte wollen sich melden. Offerten mit Bild, Zeugnissen und
Gehaltsansprüchen.
Schuhhaus Hirsch, Landau (Pfalz)." |
Zur Geschichte der Synagoge
a) Die Synagoge des Mittelalters
Eine Synagoge bestand spätestens in der ersten Hälfte des 14.
Jahrhunderts. Sie wird allerdings erst nach der Verfolgung in der Pestzeit
(1348/49) genannt: 1356 gab Pfalzgraf Ruprecht I. der Kirche ein Haus,
das bis zur Verfolgung "Josep der alte Jude" bewohnt hatte und das der
Synagoge benachbart war, und bestimmte es zur Wohnung des Priesters. Auch 1374
wird die "synagoga Judeorum" genannt. Sie befand sich zwischen der
Stadtmauer und der Judengasse, mit der sie durch einen Zugang (gertel)
verbunden war. Das Gebäude hatte eine Länge von 19,5 m (Ost-West) und eine
Breite von 11 m (Nord-Süd). Ihre westliche Hälfte nahm die Männersynagoge
ein; die östliche Hälfte war in zwei Kammern geteilt, deren östliche die
Frauensynagoge war. Der Eingang zum Männerbereich lag auf der Ostseite. 1384/85
gab es bauliche Veränderungen in der Synagoge; sie konnte offenbar von den
wieder zugezogenen jüdischen Familien erneut benutzt werden. Bei der
Judenvertreibung 1390/91 wurde das jüdische Vermögen, darunter auch die
Synagoge konfisziert. Pfalzgraf Ruprecht II. gab das Gebäude samt dem
zugehörigen Garten 1394 an das Spital von Brunchweiler.
b) Die Synagoge des 18. Jahrhunderts
Die Synagoge des 18. Jahrhunderts befand sich im Hintergebäude des Anwesens
Hintergasse 28. Dieses war um 1760 baufällig geworden, worauf der Handelsmann
Abraham Liebmann 1764 neben dem Gebäude einen Neubau erstellen ließ. In diesem
Gebäude, 1839 als "Wohnhaus zur Synagoge dienend" bezeichnet, fanden
bis 1867 die Gottesdienste des Gemeinde statt. Bis 1854 hatte das Gebäude der
Familie Liebmann gehört; 1854 schenkte es Henriette Liebmann der jüdischen
Gemeinde, die es 1868 - im Jahr nach der Fertigstellung der neuen Synagoge -
wieder verkaufte.
c) Die 1866-1867 erbaute Synagoge
Nachdem in den 1860er-Jahren die alte Synagoge in der Hintergasse viel zu klein geworden war und
den Ansprüchen der Gemeinde nicht mehr genügte, wurde 1866/67 nach den
Plänen des Bauassistenten beim Landkommissariat in Neustadt Karl Kreitner eine
neue Synagoge in maurisch-romanischen Stil erbaut. Die Grundsteinlegung war am
4. April 1866 nach dem nachfolgenden Bericht "unter herzlicher Teilnahme
auch der christlichen Bürger und in Gegenwart sämtlicher
Behörden...".
Grundsteinlegung zur Synagoge am 4. April 1866
(1866)
Artikel in der Zeitschrift "Ben Chananja" vom 6. Juni
1866: "Aus der Pfalz, 24. Mai 1866: Mitten in den
kriegerischen Zurüstungen, deren Schauplatz besonders unsere Grenzprovinz
in wahrhaft erschreckender Weise bildet, sind wenigstens bis jetzt die
Werke des Friedens, auch auf dem Gebiete der Judenheit, nicht ganz
zurückgedrängt. Am 4. des vorigen Monats wurde der Grundstein zu einer
neuen schönen Synagoge in Neustadt a.H. gelegt, am 27. desselben
Monats fand die Einweihung einer prachtvollen neuen Synagoge in Speyer
statt, beide Festlichkeiten unter herzlicher Teilnahme auch der
christlichen Bürger und in Gegenwart sämtlicher Behörden. Besonders in
Speyer, der Hauptstadt des Kreises, war es erfreulich zu sehen.... |
Die Einweihung der Synagoge am 17./18. Mai 1867
Über die Einweihung der
neuen Synagoge am 17./18. Mai 1867 veröffentlichten unter anderem die
liberal geprägten jüdischen Zeitungen "Allgemeine Zeitung des
Judentums" (Ausgabe vom 11. Juni 1867) und "Ben Chananja"
(Ausgabe vom 1. Juli 1867; die Zeitschrift erschien im ungarischen Szegedin)
einen von einem nichtjüdischen Berichterstatter geschriebenen
und ursprünglich im "Wochenblatt" Neustadts erschienenen Artikel:
Neustadt
(Pfalz), 18. Mai (1867; der Artikel links aus "Ben Chananja"; er
erschien genauso in der Allgemeinen Zeitung des Judentums): "Wir hatten, so
meldet ein christlicher Berichterstatter, gestern und vorgestern eine seltene
Feier in unserer Stadt – die Einweihung des neuen israelitischen Gotteshauses.
Im maurisch-romanischen Stil ragt das schöne Haus mit seinen Minaretts ähnlichen
Türmchen aus herrlicher Umgebung hervor, gelungen in allen seinen baulichen
Einrichtungen, ein monumentales Gebäude, das unserer Stadt zur Zierde, seinen
Gründern und Erbauern zur Ehre gereicht. Auch das Innere ist sehr hübsch und
doch in keiner Weise überladen, ganz eines Gotteshauses würdig. Die
Feierlichkeiten begannen Freitag gegen 5 Uhr, da von den sechs ältesten Männern
der israelitischen Gemeinde die Torarollen in die neue Synagoge getragen, von
den beiden Rabbinen Dr. Salvendi und Dr. Grünebaum am Eingange empfangen und in
der heiligen Lage niedergelegt wurden, unter Chorgesang von der wohlgelungenen
Orgel begleitet. Daran schloss sich der Gottesdienst in einer durchaus würdigen
und erhebenden Weise mit den Gliedern der Kultusgemeinde und zahlreichen auswärtigen
Glaubensgenossen hatten sich die Herren Beamten und die Glieder unserer
Stadtverwaltung, sowie viele hiesige Bürger eingefunden. Vor Allem müssen wir
dem Kantor, Herrn Stern, ein ganz unbedingtes Lob zollen für den würdigen,
klangvollen, äußerst ansprechenden Vortrag der Soli, Gesänge und Rezitative;
man darf der israelitischen Gemeinde zu einem solchen Leiter ihres
Gottesdienstes gratulieren. Nicht minder verdienen die Chöre unsere lobendste
Anerkennung; es haben besonders das "Lecha Dodi", hebräisches Lied bei
Sabbat-Eingang, das Hosianna und Halleluja (am Sabbatvormittag) einen großen
Eindruck gemacht und von dem ernsten Streben und den guten Stimmen der Sänger
und Sängerinnen das beste Zeugnis abgelegt. Das Orgelspiel der Herrn Hamma
geschah mit einem Geschmack und einer Präzision, die, wenn man die
Schwierigkeit des hebräischen Textes in Erwägung zieht, nur einem wirklichen Künstler,
wie es Herr Hamma unwidersprechlich ist, in dieser vollendeten Weise gelingen
konnte. Über die Weihrede des Bezirksrabbiners Herrn Dr. Salvendi lassen sie
uns mit wenigen Worten hinwegeilen. Wir sind die Letzten, die es versuchen möchten,
irgend einer religiösen Ansicht ihre Berechtigung und also dem Herrn Rabbiner
das Recht zu bestreiten, eine Philippika gegen alle und jede Änderung der herkömmlichen
Gebräuche, Gebete und gottesdienstlichen Ordnungen der Juden (die doch
bekanntlich in den düstern Zeiten des Mittelalters so manche Auswüchse
getrieben) zu halten. Aber ob diese Zeit und dieser Ort und diese Versammlung
der rechte Platz gewesen sind, um eine 1 ½-stündige Rede mit Protestaktionen
gegen jede Veränderung des Herkömmlichen zu füllen und als Kern der Predigt
die flicht zu betonen, dass die ganze Gemeinde nicht bloß allsabbatlich,
sondern täglich, und haben wir den Redner recht verstanden, täglich mehrmals
den öffentlichen Gottesdienst in der Synagoge zu besuchen habe, ob, sagen wir,
dies die geeignete Gelegenheit war, möchten wir fast bezweifeln. Zum Glück war
die Feier am Sabbatmorgen, zu der sich eine noch größere Masse Teilnehmender
inzwischen eingefunden hatte, eine völlig ungetrübte. Ihr Glanzpunkt war die
Weiherede des Bezirksrabbiners Dr. Grünebaum, und wahrlich seine Worte werden
lange und nachhaltig im Herzen und im Geiste der zahlreichen Zuhörer leben! Das
waren Worte, wie unsere Zeit und unsere Pfalz sie bedarf – Worte, die aus dem
Herzen kamen und zu den Herzen drangen: Worte inniger Menschenliebe, die sich
weit über die engen Grenzen des Konfessionellen emporschwingen; Worte tiefer
wahrer, inniger Religiosität, die dem Gegebenen, der Geschichte der
Vergangenheit ihr hohes Recht zugesteht, das Alte zu schützen und zu erhalten
sucht, und nur gegen das Veraltete, gegen Werkheiligkeit und angestorbenes
Zeremonienwesen den Kampf erhebt. Wir sahen beim Schlusse des Gottesdienstes Männer
aller Konfessionen, aller Stände und Alter um den wackeren Kämpfer für Recht
und Vernunft sich scharen, ihm ihren Danke und ihre Glückwünsche darbringend,
und eben vernehmen wir, dass noch am Nachmittag eine Deputation der Gemeinde,
ihre Vorstände an der Spitze, sich zu dem würdigen geistlichen begab, um ihm
ihren Dank und ihre Sympathie auszudrücken und sich den Text der Predigt zu
erbitten, die demnächst im Druck erscheinen wird. Reunionen und Bälle
schlossen die schöne Feier, die durch keinen weiteren Misston gestört wurde. Möge
das neue Gotteshaus in ihm blühen und ein neues Band werden, das die
verschiedenen in ungetrübter Eintracht lebenden Konfessionen unserer Stadt zum
Heile Aller gemeinsam umschlingt!" |
Zur Einweihung der Synagoge - aus liberal-jüdischer
Sicht (1867)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Juni 1867: "Neustadt a.
Haardt, 19. Mai (1867). Über die hier stattgefundene Synagogenweihe
berichtet das hiesige Wochenblatt folgendermaßen.
- Neustadt, 19. Mai. Wir hatten gestern und vorgestern eine seltene Feier
in unserer Stadt – die Einweihung des neuen israelitischen Gotteshauses.
Im maurisch-romanischen Stil ragt das hübsche Haus mit seinen Minaretts
ähnlichen Türmchen aus herrlicher Umgebung hervor, gelungen in allen
seinen baulichen Einrichtungen, ein monumentales Gebäude, das unserer
Stadt zur Zierde, seinen Gründern und Erbauern zur Ehre gereicht. Auch
das Innere ist sehr hübsch und doch in keiner Weise überladen, ganz
eines Gotteshauses würdig. Die Feierlichkeiten begannen Freitag gegen 5
Uhr, da von den 6 ältesten Männern der israelitischen Gemeinde die
Tora-Rollen (d.h. die auf Pergament geschriebenen fünf Bücher Mosis) in
die neue Synagoge getragen, von den beiden Rabbinern Dr. Salvendi und Dr.
Grünebaum am Eingang empfangen und in der Heiligen Lade niedergelegt
wurden, unter Chorgesang, von der wohl gelungenen Orgel begleitet. Daran
schloss sich der Gottesdienst in einer durchaus würdigen und erhebenden
Weise. Mit den Gliedern der Kultgemeinde und zahlreichen auswärtigen
Glaubensgenossen hatten sich die Herren beamten und die Glieder unserer
Stadtverwaltung, sowie viele hiesige Bürger eingefunden. Vor allen müssen
wir dem Kantor, Herrn Stern, ein ganz unbedingtes Lob zollen für den würdigen,
klangvollen, äußerst ansprechenden Vortrag der Soli, Gesänge und
Rezitative; man darf der israelitischen Gemeinde zu einem solchen Leiter
ihres Gottesdienstes gratulieren. Nicht minder verdienen die Chöre unsere
lobendste Anerkennung; es haben besonders das ‚Lecha dodi’, das
Hosianne und Halleluja (am Sabbat-Vormittag) einen großen Eindruck
gemacht und von dem ernsten Streben und den guten Stimmen der Sänger und
Sängerinnen das beste Zeugnis abgelegt. Das Orgelspiel des Herrn Hamma
geschah mit einem Geschmack und einer Präzision, die, wenn man die
Schwierigkeiten des hebräischen Textes in Erwägung zieht, nur einem
wirklichen Künstler, wie Herr Hamma es unwidersprechlich ist, in dieser
vollendeten Weise gelingen konnten. Über die Weiherede des
Bezirksrabbiner Herrn Dr. Salvendi lassen Sie uns mit wenigen Worten
hinwegeilen. Wir sind die Letzten, die es versuchen möchten, irgend einer
religiösen Ansicht ihre Berechtigung und also dem Herrn Rabbiner das
Recht zu bestreiten, eine Philippika gegen alle und jede Änderung der
herkömmlichen Gebräuche, Gebet und gottesdienstlichen Ordnungen des
Juden (die doch bekanntlich in den düsteren Zeiten des Mittelalters so
manche Auswüchse getrieben) zu halten. Aber ob diese Zeit und dieser Ort
und diese Versammlung der recht Platz gewesen sind, um eine 1 ½stündige
Rede mit Protestationen gegen jede Veränderung des Herkömmlichen zu füllen
und als Kern der Predig die Pflicht zu betonen, dass die ganze Gemeinde
nicht bloß allsabbatlich, sondern täglich, und haben wir den Redner
recht verstanden, täglich mehrmals den öffentlichen Gottesdienst in der
Synagoge zu besuchen habe, ob, sagen wir, dies die geeignete Gelegenheit
war, möchten wir fast bezweifeln. Zum Glück war die Feier am
Sabbatmorgen, zu der sich eine noch größere Masse Teilnehmender
inzwischen eingefunden hatte, eine völlig ungetrübte. Ihr Glanzpunkt war
die Weiherede des Bezirksrabbiners Dr. Grünebaum, und wahrlich seine
Worte werden lange und nachhaltig im Herzen und im Geiste der zahlreichen
Zuhörer leben! Das waren Worte, wie unsere Zeit und unsere Pfalz sie
bedarf – Worte, die aus dem herzen kamen und zu den herzen drangen:
Worte begeisterter Vaterlandsliebe – o es tut dem Juden wohl, vom
Vaterland, das er eben erst gewonnen hat, zu hören und zu sprechen! –
Worte inniger Menschenliebe, die sich weit über die engen grenzen des
Konfessionellen emporschwingt; Worte tiefer, wahrer, inniger Religiosität,
die dem Gegebenen, der Geschichte, der Vergangenheit ihr hohes Recht
zugesteht, das Alte zu schützen und zu erhalten sucht, und nur gegen das
Veraltete, gegen Werkheiligkeit und abgestorbenes Zeremonienwesen den
Kampf erhebt. Wir sahen beim Schlusse des Gottesdienstes Männer aller
Konfessionen, aller Stände und Alter um den wackern Kämpfer für Recht
und Vernunft sich scharen, ihm ihren Dank und ihre Glückwünsche
darbringend, und eben vernehmen wir, dass noch am Nachmittag eine
Deputation der Gemeinde, ihre Vorstände an der Spitze, sich zu dem würdigen
geistlichen begab, um ihm ihren Dank und ihre Sympathie auszudrücken und
sich den Text der Predigt zu erbitten, die demnächst im Druck erscheinen
wird. Reunionen und Bälle schlossen die schöne Feier, die durch keinen
weiteren Misston gestört wurde. Möge das neue Gotteshaus und der
verbesserte würdige Gottesdienst in ihm blühen und ein neues Band
werden, das die verschiedenen in ungetrübter Eintracht lebenden
Konfessionen unserer Stadt zum Heile Aller gemeinsam umschlingt!" |
Ergänzender
Beitrag - aus liberal-jüdischer Sicht (1867)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Juli 1867:
"Neustadt a.d. Hardt, 5. Juni (1867). In Nr. 23 dieses Blattes
wurde ein Bericht über die Einweihung der hiesigen Synagoge aus einem
Pfälzer Blatte mitgeteilt. Der 'Dürkheimer Anzeiger' brachte eine
heftige Entgegnung, welcher der 'Bote von Dürkheim' wiederum
entgegentritt. Wir wollen uns hier in die Details und Persönlichkeiten
nicht einlassen. Die Erwiderung war gegen die 'moderne Aufklärung' und
'geistige Aufklärung der Neuzeit' losgezogen. Hiergegen spricht sich der
Berichterstatter nun in so kräftiger Weise aus, dass es wohl angemessen
ist, einige Stellen zu reproduzieren. Denn gewisse Wahrheiten können vor
dem großen Publikum nicht oft genug wiederholt werden. Er sagt: 'Wenn die
christlichen Parteien einer gewissen Richtung gegen die 'moderne
Aufklärung' - auch so ein Schlagwort, wie Ihr uns vorwerft - zu Felde
ziehen, so begreifen wir das; das christliche Mittelalter war nach mancher
Seite hin eine große Zeit, die hier und da bedauert und zurückgewünscht
werden mag. Wie aber ein Jude, der es mit seiner Religion und mit der
Wahrheit wirklich wohl meint, wie ein Jude, der nicht ganz in Vorurteil
verlöchert ist und der die Geschichte nur einigermaßen kennt, gegen die
'Aufklärung der Neuzeit' eifern mag, das geht über unser Verständnis
hinaus. Hat der Herr Einsender die Mortara-Geschichte vergessen? Und wer
hat es bei uns unmöglich gemacht, dass Kinder ihren Eltern mit Gewalt
entrissen und bekehrt werden. Nun hören Sie es, wenn Sie es nicht wissen:
das hat die 'moderne Aufklärung' getan. Verfasser dieser Zeilen hat vor
Kurzem das Ghetto in Rom gesehen - in seinem ganzen Leben wird er diesen
Schmutz, dieses Elend, diese körperliche und geistige Verkommenheit der
Juden im Ghetto zu Rom nicht mehr vergessen. Wer aber hat den Juden vom
Schmutz und Elend der Ghetto befreit? das tat die 'moderne Aufklärung'.
Was war der Jude, und war war sein Zustand nach innen und außen in jener
'guten alten Zeit', da es noch keine 'moderne Aufklärung gab? Ein
Gottesdienst voll unanständigen Lärms und ohne alle Erbauung, Schmutz,
Unwissenheit in religiösen und profanen Dingen - Ausnahmen bestätigen
die Regel. - Werkheiligkeit, die alle ihre Pflichten gegen die Menschheit,
gegen die andersglaubende Menschheit namentlich, erfüllt zu haben
glaubte, wenn sie sich durch ein paar herkömmliche, ihres ursprünglichen
innern Geistes und Gehaltes beraubte Zeremonien und Herplappern
unverstandener, zum Teil veralteter und widersinniger Gebete jeden Morgen
und Abend mit ihrem Gott abgefunden hatte - das war, nach einer kurzen
Blüte, im Drange und in der Not ungünstiger, unaufgeklärter Zeit der
innere Zustand des Judentums; Plünderung, Verjagung, Hinschlachtung durch
verblendete Fanatiker oder Verbrennung |
auf
dem Scheiterhaufen durch die Ketzergerichte - das war das Schicksal des
Juden im Staate, ehe die 'moderne Aufklärung' auch dem Juden sein
Menschenrecht zurückgab. Mag man im Schmutz und in der Unwissenheit
polnischer, czechischer, ungarischer niederer Bevölkerung, wo Christ und
Jude sich hassen und verfeinden, gegen 'moderne Aufklärung' deklamieren -
man kennt sie dort nicht -! Dass man aber in einem Lande, vom Himmel so
begünstigt wie unsere Pfalz, in einem Lande, wo mit von den ersten, die
sozialen und gesetzlichen Schranken fielen, die den Juden vom Christen
schieden; dass man hier gegen die 'Aufklärung der Neuzeit' eifert, das,
mein Herr Gegner, ist Ihnen kaum zu verzeihen. Was man auch im Einzelnen
gegen das Überschreiten der Grenzen, welche alle menschliche Erkenntnis
und Forschung am Ende gelten lassen muss, in dem Fortschreiten der Neuzeit
einzuwenden haben mag - wehe uns! wenn es den Finsterlingen aller
Konfessionen gelänge, die gute alte Zeit zurückzuführen, die 'moderne
Aufklärung' zu hemmen, zu verdächtigen, zu
vernichten!'" |
Die Einweihung der Neustadter Synagoge fiel - wie man den Berichten entnehmen
kann - in eine Zeit
verschärfter Auseinandersetzungen zwischen liberalen und orthodoxen
Gruppierungen im damaligen deutschen und damit auch pfälzischen Judentum.
Die Neustadter Gemeinde war liberal geprägt, was die bereits bei der Einweihung
1867 vorhandene Orgel und die gemischten Chöre zeigten. Ein großes Problem
war, dass der neue, zuständige Bezirksrabbiner Dr. Adolf Salvendi (1837-1913, seit
1865 als Bezirksrabbiner tätig) den Reformbemühungen ablehnend gegenüber
stand. Ein Kompromiss wurde darin gefunden, auch den liberal geprägten
Bezirksrabbiner Dr. Elias Grünebaum
(1807-1893, seit 1835 in Landau) zur Einweihung nach Neustadt einzuladen.
Die Einweihung sollte von beiden Rabbinern gemeinsam vorgenommen werden: am
Freitag sollte der zuständige Bezirksrabbiner Dr. Salvendi, am Sabbatmorgen Dr.
Grünebaum je eine Weiherede halten. Dr. Adolf Salvendi nützte - wie dem
Bericht zu entnehmen ist - den Anlass, sich gegen die liberalen Reformen zu
stellen und die Gemeinde für die orthodoxe Richtung zu gewinnen. Seine
Einweihungsrede stieß allerdings auf großes Befremden und ablehnende Kritik in
weiten Kreisen der Gemeinde und führte noch zu wochenlangen Diskussionen, die
sich auch in weiteren Presseartikeln niederschlugen.
In
der liberal geprägten Zeitschrift "Ben Chananja" erschien am 1. August 1867 ein
Artikel über die Spannungen innerhalb des Judentums in der Pfalz, in der
nochmals in sehr kritischer Weise auf die Predigt Salvendis bei der Einweihung
der Neustadter Synagoge eingegangen wurde. Dabei wird zunächst allgemein auf
die Bemühungen der Orthodoxie eingegangen, in der Pfalz gegenüber den
reformerischen Kräften sich durchzusetzen: "So hofft in beiden Richtungen die
Orthodoxie, die sonst, wenigstens in ihrer neuen fanatischen Form, nur einen
sehr geringen Boden in der Pfalz hat, ihr Restitutionsfest bei uns zu feiern.
Und dazu schöpft sie in der Wahl des Dr. Salvendi zum Rabbiner des Bezirkes
Frankenthal-Dürkheim neue Hoffnung. Dieser Mann, der ein Freund des Dr. Lehmann
in Mainz und ein Korrespondent seines Blattes (sc. die Zeitschrift "Der Israelit")
sein soll, tritt ganz in der Manier dieses jüdischen Torquemada auf, nicht bloß
sachlich, sondern auch in der Form: seine Predigten sind zum Teil wahrhafte
Kapuzinaden gegen den "Zeitgeist", wie er es nennt, gegen jeden sogenannten
Neuerer und jede Neuerung im Leben und im Gottesdienste. Und dabei hält er sich
für einen von Gott selbst in diese vom unseligen Zeitgeiste angefressene
Provinz gesandten Apostel zur Bekehrung der Sünder. In einer größeren
Gemeinde, welche wie alle größeren Gemeinden, mit Ausnahme einer einzigen,
ihre Stimme bei der Wahl Herrn Dr. Kayserling gegeben, sagte er in seiner
Antrittsrede: Wenn Ihr mich auch nicht gewählt habt, so lauteten ungefähr
seine Worte, Gott hat mich hierher gesandt, um euch auf den rechten Weg wieder
zurückzuführen. Und doch wurde er nicht von Gottes Gnaden, sondern von Gnaden
des Volkes, besonders in den kleinen Landgemeinden, auf sein Rabbinat berufen,
weshalb er sich mit jener albernen Anmaßung nur lächerlich gemacht hat. Seine
Einweihungsrede zur neuerbauten Synagoge in Neustadt an der Haardt, einer
der größeren Gemeinden seines Bezirks, war ganz am unrechten Orte. Diese
Gemeinde hat die Synagogen- und Gebetordnung von Mannheim eingeführt, die ein
Kompromiss zwischen der Orthodoxie und dem Fortschritt, die alten Gebete, die
Vorlesungen aus der Tora etc. gar nicht antastet, sondern nur einige unschuldige
deutsche Gebete mit der Orgel aufgenommen und die Pijutim – ob alle, ist uns
nicht einmal bekannt, - weggelassen, dabei allerdings eine musterhafte Ordnung
in den Gottesdienst gebracht. Diese Synagoge mit dieser Ordnung hatte der
Rabbiner einzuweihen. Er musste die Einweihung entweder zurückweisen und gegen
die eingeführte Ordnung bei der königlichen Regierung protestieren, oder er
musste sie bei der Einweihung der Synagoge mit Stillschweigen übergehen, umso
mehr, als hier eine Prostation ihren Zweck nicht mehr erreichen konnte, und um
in die Feier keinen Misston zu bringen. Statt dessen war die ganze Rede nur eine
Philippika gegen jede Neuerung des gottesdienstlichen Herkommens, gegen den "Zeitgeist",
sogar gegen den äußern Bau, welches letztere die Leute nicht einmal
verstanden, vielleicht aber gegen das Vorrücken des Almemors an die heilige
Lade gerichtet war, was umso mehr böses Blut machte, als die Spitzen der Behörden
nebst Bürgermeister und Stadtrat anwesend waren, und man sich schämte, das
Judentum, auch in der kleinsten äußeren gottesdienstlichen Form als eine Mumie
dargestellt zu sehen, die jeden Luftzug fürchten muss, um nicht in Staub zu
zerfallen. Und es war ihm dazu nicht einmal formell eine Veranlassung gegeben,
denn sein Thema war eigentlich der tägliche dreimalige Besuch des Gotteshauses
von Seiten der ganzen Gemeinde, von welchem jene Ausfülle jedenfalls nur eine
Abschweifung waren. Es führte diese Rede sogar zur Diskussionen in öffentlichen
Blättern, die Ihnen vielleicht von andern, die ihr Blatt in der Pfalz noch
lesen, als einem Landsmanne des Herrn Salvendi, den die Vertretung seines
Vaterlandes im Auslande vielleicht besonders interessiert, zugesandt werden. So
viel ist sicher, dass Herr Salvendi mit diesem Gebaren keine Proselyten bei uns
macht...." |
Die orthodoxe Gruppierung nahm "ihren" Rabbiner Dr. Salvendi
allerdings umgehend in Schutz. Auf Grund der Anfeindungen in den liberalen
Kreisen erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" folgender Bericht:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juli 1867: "Aus dem Rabbinatsbezirke Frankenthal,
im Juni (1867). Wenn es einerseits die Aufgabe dieser für Juden und Judentum so
heilsam wirkenden Blätter ist, den feindlichen Elementen entgegenzutreten und
sie zu bekämpfen, so ist es anderseits nicht minder wichtig, den Mut und die Überzeugungstreue
anzuerkennen und redliches Streben zu ermuntern.
Unser verehrter Bezirksrabbiner, Herr Dr. Salvendi, sucht das teilweise in
Lethargie versunkene Judentum hiesiger Gegend mit Kraft und Energie zu
regenerieren. Welche Schwierigkeiten sich ihm dabei entgegentürmen, davon macht
sich ein Fernstehender kaum einen Begriff. Angriffe und Verfolgungen in öffentlichen
Blättern, Verleumdungen und Verdächtigungen im eigenen Bezirk und all die
andern schmutzigen Waffen, deren sich die Fanatiker der sogenannten Reform zu
bedienen pflegen, werden in Bewegung gesetzt, um dem redlich Strebenden die
Herzen zu entfremden. Allein es gelingt. nicht. Herr Dr. Salvendi gewinnt täglich
mehr Boden für seine segensvolle Wirksamkeit, und der Kern der jüdischen Bevölkerung
steht zu ihm in Liebe und Verehrung.
Unlängst benutzte man die Synagogenweihe in Neustadt an der
Haardt, um Herrn Dr. Salvendi herabzusetzen und seinen Antipoden, den
ultraneologen Dr. Grünebaum von Landau, auf den Schild zu erheben; man
verfehlte jedoch vollkommen seinen Zweck. Gerade der öffentliche Tadel, mit dem
man Herrn Dr. Salvendi zu beleidigen dachte, musste ihm in den Augen jedes
Unbefangenen zum Ruhme gereichen, indem man dadurch Gelegenheit hatte, den Mut
und die Überzeugungstreue des Mannes, der nicht heuchelt und nicht schmeichelt,
zu bewundern, während Herr Dr. Grünebaum ob des ihm gespendeten Lobes hätte
erröten müssen; denn anerkennenswert ist es, wenn ein Rabbiner in Gegenwart
eines dem Judentum fremden oder entfremdeten Publikums das heilige
Religionsgesetz verteidigt "zu verkünden meinem Volkes sein Verbrechen und dem
Hause Israels seine Sünde" – während der Beifall der Menge billig zu haben
ist um ein paar Tagesphrasen, wenn man den Leidenschaften schmeichelt und das,
was unbequem geworden, als "veraltet" über Bord geworfen haben will, wenn man
gegen "Werkheiligkeit und abgestorbenen
Zeremonialwesen" vor einem Publikum zu Felde zieht, das großenteils den Sabbat
nicht heiligt und die Speisegesetze nicht hält – wahrlich, der Lorbeer ist da
billig zu holen, aber am Ende der Tage wird er teuer bezahlt werden müssen!
Den ehrenwerten, gesinnungstüchtigen, überzeugungstreuen Dr. Salvendi
hingegen, rufen wir aus vollem Herzen ein "Sei stark und fest!" (auch hebräisch
zitiert) zu. |
Aus den Jahrzehnten des Bestehens der Synagoge erfährt man
immer wieder von besonderen Gottesdienst wie einen Gedenkgottesdienst für den
verstorbenen Prinzregenten Luitpold im Jahr 1913:
Trauerfeier für den verstorbenen Prinzregenten
Luitpold in der Synagoge (1913)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Januar 1913: "Neustadt a.H., 2. Januar (1913). Bei der
vergangenen Freitag stattgefundenen Trauerfeier zu Ehren des verstorbenen Prinzregenten
Luitpold war unser Gotteshaus, das mit Palmen- und Lorbeerbäumen
würdig geschmückt war, außerordentlich zahlreich besucht. Die Büste
des Prinzregenten ragte aus dem Pflanzenarrangement hervor, umhüllt von
Trauerflor. Ein Orgelpräludium eröffnete die ernste Feier. Der Knaben-
und Mädchenchor, von Schülern und Schülerinnen der Volksschule und
sämtlicher höherer Lehranstalten gebildet, sang zwei ergreifende Lieber.
Kantor Dottenheimer hob in seiner innigen Trauerrede die Verdienste
des entschlafenen Landesvaters hervor und gedachte der guten Eigenschaften
und Vorzüge des Verstorbenen. Das schlichte offene Wesen, der Edelmut und
die Herzensgüte des heimgegangenen Fürsten rühmte der Redner in
tiefempfundenen Worten. Darauf wurde das Seelengebet gesprochen. Der Feier
wohnten auch Stadtvertreter, darunter Adjunkt Wolff
bei." |
Die Synagoge in der Ludwigstraße war Mittelpunkt des jüdischen Lebens in
Neustadt bis 1938. Beim Novemberpogrom 1938 wurde sie am frühen Morgen des 10.
November von Nationalsozialisten in Brand gesetzt. Etwa 30 Personen waren an der
Brandstiftung beteiligt waren. Sie hatten sich in der Nacht vom 9. auf den 10.
Novembers 1938 zu einer von der NSDAP organisierten Feier im Saalbau getroffen.
Ein Teil von ihnen war offenbar alkoholisiert. Die Synagoge wurde aufgebrochen,
die Inneneinrichtung zerschlagen und mit den Gebetbüchern auf einen Stapel
aufgeschichtet, der mit Benzin in Brand gesetzt wurde. Die Feuerwehr wurde um
5.30 Uhr alarmiert, da auf Grund des starken Funkenfluges die Nachbargebäude
stark gefährdet waren. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das Dach der Synagoge
eingestürzt.
Im März 1939 übernahm die Stadt das Grundstück, im Juni wurde von der NSKK
ein Fuhrpark angelegt. Die Brandruine wurde abgebrochen (oder noch 1938). 1943
war der Bau eines Feuerwehrgebäudes geplant, der aber nicht verwirklicht wurde.
Im benachbarten jüdischen Gemeindehaus (1908 erbaut), war die Hitlerjugend
eingezogen.
1950 fand ein Synagogenbrandprozess statt, bei dem 13 Personen angeklagt
waren. Er endete damit, dass vier Angeklagte zwischen 2 und 10 Jahren
Zuchthaus erhielten, die anderen kleinere Strafen. In der
amerikanisch-jüdischen Zeitschrift "Aufbau" (Ausgabe vom 7. April
1950) wurde über den Brandprozess berichtet:
Artikel
in der Zeitschrift "Aufbau" Jg. 1950: "Die 'Kristallnacht'
in Neustadt. Endlich haben die Vorgänge der 'Kristallnacht' in Neustadt
a.d. Haardt, in der die dortige Synagoge und das Altersheim niedergebrannt
wurden, ihre Sühne gefunden. Angeklagt waren dreizehn Personen, von denen
Friedrich Paulsen zu 10 Jahren Zuchthaus, Erich Hirth zu 2 1/2 Jahren
Zuchthaus, Karl Weil zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus und Heinrich Petri zu 2
Jahren Zuchthaus verurteilt wurden. Die übrigen Angeklagten erhielten
kleinere Strafen, von von 1 Jahr 9 Monaten Zuchthaus bis 6 Monate
Gefängnis rangieren. Die Untersuchungshaft wurde allen Angeklagten
angerechnet, sodass bei einigen die Strafe bereits als verbüß erklärt
wurde. Angesicht der Tatsache, dass zwei Insassen des Heimes ihr Leben
einbüßten, sind diese Strafen viel zu milde bemessen.
Landgerichtsdirektor Knoegel betonte in seiner Urteilsbegründung, dass
das deutsche Volk von diesen Vorkommnissen weit abrücke und dass es seine
Ehre der Welt gegenüber zu wahren wissen werde. (Mitgeteilt von Herbert
Bohrman, Chicago)." |
|
Auf
dem Synagogengrundstück, das nach 1945 wieder in den Besitz der Jüdischen
Kultusgemeinde der Rheinpfalz übergegangen war, wurde am 9. November 1954
ein zweisprachiger Gedenkstein aufgestellt mit der deutschen Inschrift
"Den Opfern aus der Pfalz zum Gedenken 1933-1945". Er befindet sich
heute im Friedhof der jüdischen Gemeinde
(siehe Foto links). Am 9. November 1988 wurde ein neuer Gedenkstein mit
einer Bronzetafel und Inschrift im Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes in
der Ludwigstraße aufgestellt, nachdem das Grundstück 1985 mit neuen
Reihenhäuser bebaut wurde. |
Nach 1945
Ein Betsaal wurde Anfang der 1950er-Jahre im Obergeschoss des 1908 erbauten und erhaltenen
ehemaligen jüdischen Gemeindehaus eingerichtet. 1959/60 wurde auf dem
Grundstück des 1938 niedergebrannten Altersheimes ein neues Seniorenheim gebaut
("Jüdisches Elternheim"). In diesem wurde auch ein Betsaal
eingerichtet, in dem bis 1987 Gottesdienste für die jüdischen Heimbewohner und
die in Neustadt wieder zugezogenen wenigen jüdischen Einwohner abgehalten wurden.
1987 wurde der Betsaal geschlossen, der Toraschrank und die Torarollen nach
Kaiserslautern gebracht.
Zur Geschichte des
israelitischen Altersheimes
Die Pläne für ein Israelitisches Altersheim für das Gebiet
der Pfalz gehen bereits in die 1880er-Jahre zurück. Einen ersten Anstoß gab
der Zweibrücker Rabbiner Dr. Israel Mayer, der im April 1887 in Zweibrücken
eine Versammlung der israelitischen Kultusvorstände des Rabbinatsbezirkes
einberief. Mit einem Rundschreiben an alle Gemeinden der Pfalz wurde über das
Vorhaben informiert.
Mitglieder
der jüdischen Gemeinde in Bad Dürkheim
begannen für die Errichtung eines solchen Hauses seit 1893 Gelder zu sammeln.
Über 20 Jahre brauchte es jedoch, bis die Planungen abgeschlossen und der Bau
erstellt und eingeweiht werden konnte. Am 29. September 1912 erfolgte die
Grundsteinlegung. Das Haus wurde nach den Plänen von Architekt Senf (Frankfurt
am Main) erstellt. In dem am 10. Mai 1914 von Rabbiner Dr.
Einstein aus Landau eingeweihten Haus gab es auch einen eigenen Betsaal. Nachdem 1916 die jüdische Gemeinde
Kirrweiler-Maikammer
aufgelöst wurde, wurde ein Teil der Innenausstattung der Synagoge Kirrweiler im
Altersheim aufgestellt. 1927 konnte ein Erweiterungsbau auf dem Grundstück
des Altersheimes erstellt werden.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Israelitische Altersheim in
Brand gesetzt. Es brannte völlig aus; zwei der Insassen fanden dabei den
Tod (Fanny Bender und Camilla Haas). Die Stadt übernahm 1939 das Grundstück
und ließ die Brandruine abbrechen.
Berichte aus der Geschichte des israelitischen
Altersheimes
Rundschreiben von Rabbiner Dr. Mayer (Zweibrücken) zur Gründung eines
israelitischen Zufluchtshauses für die Pfalz (1887)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. August 1887:
"Zweibrücken, 7. August (1887). Von hier aus ist folgendes
Zirkular versandt worden: 'In einer am 20. April dieses Jahres hier
stattgehabten Versammlung der israelitischen Kultusvorstände des
Rabbinatsbezirkes Zweibrücken wurde auf Anregung des Unterzeichneten
beschlossen, die Gründung eines israelitischen Zufluchtshauses für die
Pfalz ins Leben zu rufen, in welchem erwerbsunfähige, hilfsbedürftige
und würdige Israeliten der Pfalz beiderlei Geschlechts - Waisen
inbegriffen - Aufnahme finden sollen.
Eine solche Anstalt wird mit jedem Tage mehr ein Bedürfnis besonders für
die kleineren Gemeinden, die in Folge der Übersiedlung ihrer reicheren
Mitglieder in die Städte kaum imstande sind, ihre notwendigsten
Kultusbedürfnisse zu bestreiten, geschweige solchen hilfsbedürftigen
Personen in ihrer Mitte die unerlässliche Unterstützung zu gewähren.
Solche Anstalten bestehen zwar bereits in der Pfalz, die jedoch, weil
konfessionell, dem Israeliten nicht zugänglich sind. Außerdem würde
für streng religiöse Israeliten das Leben in denselben nach den
Anforderungen unserer Religion kaum zu ermöglichen sein. durch Gründung
einer solchen Anstalt für die Israeliten der Pfalz würden wir in solchen
Werken tätiger Nächstenliebe unseren Mitbürgern anderen Bekenntnissen
nicht mehr nachstehen, unseren Armen ein Asyl bieten und zugleich ein
einigendes Band für alle Israeliten der Pfalz herstellen.
Zur Ausführung der notwendigsten Vorarbeiten wurde zunächst aus der
Mitte der Versammlung ein engerer Ausschuss, bestehend aus den Herren L.
Bloch, Kultusvorsteher in Rodalben, W. Kahn, Kultusvorsteher in St.
Ingbert, M. Mai, Kultusvorsteher in Zweibrücken und dem Unterzeichneten
gewählt. Dieser engere Ausschuss soll nach Bewältigung der
unerlässlichen Vorarbeiten zu einem geschäftsführenden Ausschuss,
bestehend aus gewählten Vertrauensmännern aus den vier Rabbinatsbezirken
der Pfalz, erweitert werden.
In Verfolg der uns obliegenden Vorarbeiten richten wir an sämtliche
Gemeindevorstände der Pfalz folgende Fragen, um deren bald gefällige
Beantwortung an die Adresse des unterzeichneten Bezirksrabbiners Dr. Mayer
in Zweibrücken wir bitten.
1. Ist Ihre Gemeinde, respektive Ihr Synagogen-Ausschuss überhaupt
einverstanden mit der Gründung eines derartigen Zufluchtshauses?
2. Wie viele hilfsbedürftige Personen im oben angegebenen Sinne befinden
sich in Ihrer Gemeinde und deren Filialen? Wie viele ältere
hilfsbedürftige Personen und welches Geschlechts? Wie viele Doppelwaisen
und welches Geschlechts?
3. Ist Ihr Synagogen-Ausschuss bereit, sich auf einer allgemeinen
Versammlung (etwa in Neustadt als dem geeignetsten Mittelpunkte der
Pfalz) vertreten zu lassen, behufs Beratung über den Sitz der
Anstalt, über die Geldbeschaffungsfrage und zur Vornahme der Wahl des
geschäftsführenden Ausschusses?
Im Auftrage des engeren Ausschusses: Dr. J. Mayer, Bezirksrabbiner in
Zweibrücken.'
Dass wir dem schönen Werke den besten und baldigsten Erfolg wünschen,
brauchen wir nicht erst hinzuzufügen." |
Pläne zum Bau eine jüdischen Asyls (Altersheimes; 1893)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. April 1893: "Dürkheim
a.H. (Rheinpfalz), 24. April (1893). In den letzten Tagen haben sich
aus dem Schoße der hiesigen israelitischen Kultusgemeinde tatbereite Männer
zusammengefunden, welche den Bau eines jüdischen Asyls, einer Zufluchtsstätte
für allein stehende gebrechliche oder betagte Israeliten erstreben.
Ansehnliche Beträge wurden bereits von edelmütigen Spendern behufs
Verwirklichung dieses humanen Projektes gezeichnet. Ein Aufruf an alle
Israeliten nah und fern, dem hiesigen Komitee bei der Lösung dieser
Aufgabe behilflich zu sein, wir dieser Tage ergehen. Möge dann jeder
Glaubensgenosse, jeder Menschenfreund mit Wort und Tat für unsere
berechtigte Bestrebung eintreten, damit der Bau eines jüdischen Asyls für
die Pfalz in Angriff genommen werden kann. Zur Beantwortung etwaiger
Anfragen wird der Vorstand der hiesigen Synagogengemeinde, Herr Nathan
Wolf, stets gern erbötig sein. Beiträge zum Baufons aber wolle man an
Herrn Stadtrat Salomon Tillmann dahier senden, welcher den Gebern sofort
Quittung erteilen wird." |
3. Rechenschaftsbericht des Israelitischen
Kreis-Asyl-Vereins für die Pfalz (1911)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. Juni 1911: "Speyer, 1. Juni (1911). Der Israelitische
Kreis-Asyl-Verein für die Pfalz erstattet seinen 3.
Rechenschaftsbericht für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 1910.
In der kurzen Zeit seines Bestehens - der Verein wurde 1908 gegründet -
hat das Vereinsvermögen schon die respektable Höhe von 125.500 Mark
erreicht. Die Mitgliederbeiträge sind von 8.379,55 Mark im Vorjahre auf
9.070,45 Mark gestiegen; von auswärtigen Gönnern und Freunden der
Anstalt gingen etwa 12.000 Mark ein. Der Etat weist in Einnahmen und
Ausgaben 43.231,54 Mark auf. Die ungewöhnlich günstigen finanziellen
Erfolge ermutigen zum weiteren Ausbau des Werkes. Unsern alten und
alleinstehenden Glaubensgenossen in der Pfalz soll ein eigenes würdiges
Heim errichtet und der Bau schon in diesem Jahre in Angriff genommen
werden. Der Bericht gedenkt in Wehmut des Heimganges zweier edler
Menschen, die in tatkräftiger hochherziger Weise der Anstalt seit ihrer
Begründung ihre Unterstützung liehen, des Herrn Eduard Cohen in
Frankfurt am Main und des Kultusvorstandes (oder Kulturvorstandes?)
Jakob Mann in Frankenthal,
deren Namen mit der Geschichte des Vereins dauernd verknüpft
bleiben." |
Preisausschreibung für Projektskizzen zum Bau des Altersheimes
(1911)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Dezember
1911: "Speyer. Auf das vom 'Israelitischen Kreis-Asyl-Verein
für die Pfalz' ergangene Preisausschreiben...' zur Erlangung von
Projektskizzen für die in Neustadt a.H. zu erbauende Heimstätte für
alte oder alleinstehende Israeliten sind 58 Entwürfe eingegangen.
Bei der am 17. dieses Monats stattgehabten Prüfung wurde der zur
Verfügung gestellte Betrag von Mark 2.200.- auf: einen ersten Preis (Mark
1.000.-) und zwei zweite Preise (je Mark 600.-) in folgender Weise
verteilt:
1. Motto: 'Haus und Garten' (Verfasser Herr Architekt H. Senf, Frankfurt
am Main).
2. Motto: 'Abendsonne' (Verfasser Herr Architekt F. Roeckle, Frankfurt am
Main).
3. Motto: 'Astern' (Verfasser Herr Architekt C. Lennartz, Frankfurt am
Main).
Sämtliche 58 Entwürfe sind Gutenbergstraße 20 in Speyer vom 21. bis 26.
dieses Monats, täglich von 1-3 Uhr, zur Besichtigung ausgestellt.
Es besteht die Absicht, mit der Bauausführung schon im kommenden
Frühjahr zu beginnen, wenn es gelingt, bis dahin die noch fehlenden
Mittel und namentlich auch die sogenannten Zimmerstiftungen zu
beschaffen." |
Preisvergabe nach abgeschlossenem Architektenwettbewerb
für das Israelitische Kreisasyl für die Pfalz (1912)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. März 1912: "Neustadt a.H., 29. Februar (1912).
Bekanntlich wird in unserer Stadt unterhalb der Axtwurfanlagen am Wege zum
Schöntal das Israelitische Kreisasyl für die Pfalz errichtet
werden, auf dem Platz, wo vormals das Lehrerinnenheim geplant war. Für
den Bau selbst, zu dem das nötige Kapitel von 100.000 Mark bereits
aufgebracht, war seinerzeit ein Preisausschreiben zur Erlangung geeigneter
Entwürfe erlassen worden. Das Preisgericht unter dem Vorsitz von Geh.
Oberbaurat Hoffmann - Darmstadt, dem u.a. auch Bauamtmann Ullmann -
Speyer, Direktor Brüll vom Pfälzischen Gewerbemuseum Kaiserslautern,
Architekt Schulte - Neustadt und Direktionsrat Wünsche - Ludwigshafen
angehörten, erkannte den 1. Preis Architekt H. Senf - Frankfurt am Main
zu, den 2. Preis Architekt F. Röckle - Frankfurt am Main und den 3. Preis
Architekt Lennartz - Frankfurt am Main. Außerdem wurde angekauft der
Entwurf von Distriktsbauführer Emlich - Neustadt, Architekt Müller -
Kaiserslautern und der Entwurf eines Ludwigshafener Architekten. Dem
Träger des 1. Preises, Architekt Senf - Frankfurt am Main, nach dessen
Projekt der Bau zur Ausführung gelangt, wurde auch die Bauausführung
übertragen." |
Jahresbericht und Ankündigung der Grundsteinlegung (1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. April 1912: "Speyer. Der vor vier Jahren gegründete Israelitische
Kreis-Asyl-Verein für die Pfalz verfügt heute über ein Vermögen von
141.000 Mark und jährliche Mitgliedsbeiträge von 9.700 Mark. Anfang Juni
wird in Neustadt a. Hardt der Grundstein zu dem Asyl (Altersheim) gelegt.
Es wird nach den Plänen des Architekten Senf - Frankfurt am Main
ausgeführt und soll die Kosten von 100.000 Mark nicht überschreiten. Den
Bauplatz hat die Stadt kostenlos
gegeben." |
Grundsteinlegung des israelitischen Altersheims
(1912)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
11. Oktober 1912: "Neustadt, 2. Oktober (1912). Unter
Beteiligung von Glaubensgenossen aus der ganzen Pfalz fand hier am 29.
vorigen Monats die feierliche Grundsteinlegung des am Fuße des
Stadtparks zu errichtenden israelitischen Altersheims statt, zu dem
der israelitische Kreisasylverein der Pfalz bereits rund 150.000 Mark
aufgebracht hat, darunter auch Beiträge aus Frankfurt und Mannheim. Nach
einem einleitenden Choral der Kapelle des Infanterieregiments, ergriff der
Vorsitzende des Israelitischen Kreisasylvereins für die Pfalz, Dr.
Reis - Speyer das Wort zu einer Ansprache, in der er alle Erschienenen
herzlich willkommen hieß. Hierauf erklang unter Leitung des Musikdirektors
Stahl - Speyer durch einen von zahlreichen Synagogenchören der Pfalz
gebildeten Männerchor Schuberts 'Heilig ist der Herr' auf. Dann ergriff
Herr Hauptlehrer L. Waldbott - Speyer das Wort zur inhaltreichen
Festrede. Nach derselben nahm Bezirksrabbiner Dr. Steckelmacher -
Bad Dürkheim in längerer Ansprache die Weihe des Grundsteins vor. Nach
Versenkung der Urkunde in den Grundstein folgten die üblichen
Hammerschläge mit entsprechenden Weiheworten. Die ersten tat der Vorsitzende
Dr. Reis, ihm folgten der verdiente Ehrenpräsident S. Herz -
Speyer, Regierungsrat Juncker - Neustadt und Bürgermeister Wand
- Neustadt, denen sich noch zahlreiche der Erschienenen, darunter auch
die Vertreter der protestantischen und katholischen Kirchengemeinde anschlossen.
Ein Männerchor beendete die eindrucksvolle Feier. Nachmittags fand im
großen Saale des Saalbaues ein Festessen statt, an dem etwa 400 Personen
teilnahmen. Als Festgäste sowohl beim Weiheakt wie beim festessen
erschienen der Bezirksamtmann, der Bürgermeister, der Landtagsabgeordnete
Abresch sowie Vertreter der protestantischen und katholischen Kirche. Für
die innere Einrichtung des Altersheims liegen bereits 18 Stftungen von je
500 bis 1000 Mark vor." |
Das Altersheim ist weitgehend fertiggestellt (1913)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 24. Januar 1913: "Das israelitische Altersheim in der Pfalz ist
nun in Neustadt a.d.H. soweit unter Dach gebracht, dass im Frühjahr mit
der Fertigstellung der inneren Einrichtung begonnen und das Haus im
Spätsommer dieses Jahres bezogen werden kann." |
Ankündigung der Eröffnung des Israelitischen Altersheimes
(1914)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. April 1914: "Neustadt
a. Haardt. Die feierliche Eröffnung des Israelitischen Altersheims für
die Pfalz wird am Sonntag, den 10. Mai erfolgen. Es haben bereits acht
Insassen in dem Heim Wohnung genommen." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Mai 1914: "Die
feierliche Eröffnung des in Neustadt a. Haardt errichteten Israelitischen
Altersheims für die Pfalz wird am Sonntag, den 10. Mai erfolgen. Es haben
bereits acht Insassen in dem heim Wohnung genommen und es treffen immer
weitere ein." |
Einweihung des Israelitischen Altersheimes (1914)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Mai 1914: "Neustadt
a. Hardt, 10. Mai (1914). Unter Teilnahme der Behörde ist heute das
Altersheim des Israelitischen Kreisasylvereins eingeweiht worden. Rabbiner
Dr. Einstein – Landau hielt die Weiherede und Dr. Reiß – Speyer, der
Vorsitzende, die Festrede."
"Die Aufgabe, ein behagliches, hübsches Heim zu schaffen, ist bei dem
nunmehr eröffneten ‚Israelitischen Altersheim für die Pfalz’ in
harmonischster Weise gelöst worden. Bei aller Einfachheit wurden die
modernste Technik und ausgesuchter Geschmack angewendet. Empfangszimmer,
Lese- und Schreibzimmer, Speisesaal usw. legen den Beweis dafür ab. In fünf
Jahren ist das Baukapital von 180.000
Mark gespendet worden. Den Bauplatz gab die Stadt. Die Mitgliederbeiträge
des Vereins betragen nahezu 10.000 Mark." |
Erweiterungsbau des Israelitischen Altersheimes (1927)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 9.
Februar 1927: "Neustadt a.d.H. Das Israelitische Altersheim
für die Pfalz in Neustadt a.d.H., das sich in schönster Lage des
Pfälzer Waldes erhebt und seit seiner Eröffnung im Mai 1914 (nicht:
1924) etwa 100 alte und erwerbsunfähige Glaubensgenossen betreute, hat im
abgelaufenen Rechnungsjahr einen Erweiterungsbau errichtet, der jetzt
seiner Bestimmung übergeben werden soll. Derselbe ist getrennt vom
Hauptbau inmitten einer prächtigen Gartenanlage gelegen, und seine
Inneneinrichtung wird allen neuzeitlichen Anforderungen gerecht.
Augenblicklich können auch außerpfälzische Pensionäre in beschränkter
Zahl gegen mäßigen Verpflegungssatz aufgenommen werden." |
Der um das Israelitische Altersheim hoch verdiente
Lehrer Leo Waldbott (Speyer) verfasst eine Publikation zur Geschichte des
Altersheimes (1937)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung"
vom 15. Januar 1937: "Gruß für Leon Waldbott. Am 28.
Januar vollendet in Speyer Oberlehrer a.D. Leon Waldbott in
ungewöhnlicher Schaffenskraft das 70. Lebensjahr. Leon Waldbotts
Tätigkeit in der Speyerer Gemeinde reiht ihn in die bewährte Tradition
'unserer Lehrer von Speyer' ein, wie es in alten Dokumenten heißt. Von
1890 bis 1923 wirkte er hier als Leiter der Schule und als 1. Kantor, seit
1923 als Dirigent des Synagogenchors. In ihm verbinden sich pädagogische
und musikalische Begabung, Lauterkeit des Charakters und des
Gemeinschaftssinnes zu einer Wirkungskraft, die sich weit über Speyer
hinaus Sympathie und Begehrtheit erwarb. So zählte ihn die Vereinigung
israelitischer Lehrer und Kantoren der Pfalz und der Reichsverband
jüdischer Lehrer in Deutschland 26 Jahre zu ihrem Vorstandsmitglied. Aber
die zentrale Leistung Leon Waldbotts liegt in seiner sozialen Arbeit: Das
pfälzische Judentum verdankte seiner Initiative im Jahre 1908 die
Gründung des israelitischen Altersheims für die Pfalz in Neustadt
a.d.H. und eine seitdem unermüdliche Arbeitsliebe für dieses
Werk, die ihn immer wieder von seinen zahlreichen Reisen nach den
Vereinigten Staaten hierher zurückrief. - Sein 70. Lebensjahr vollendet
Leon Waldbott als ein Unermüdlicher. Er schließt gerade in diesen
Tagen eine literarische Arbeit ab, in der er die Geschichte des israelitischen
Altersheimes für die Pfalz niedergeschrieben hat und seine Sorge für
die Alten findet neuerdings wieder ihre Ergänzung in einer
zukunftsbahnenden Bemühung um die Jugend. Alle, die Leon Waldbotts
Lebenswerk kennen, verbindet an diesem Tage der Dank für das Geleistete
und der Wunsch für seine weitere Vollendung in ungebrochener Lebenskraft.
Reinhold Herz." |
Adressen / Standorte der Synagogen:
| Mittelalterliche Synagoge im Bereich der heutigen
Turmgasse |
| Synagoge des 18. Jahrhunderts (bis 1867): Hintergasse 28 |
| Synagoge 1867 bis 1938: Ludwigstraße 18-20 |
| Betstube im Altersheim: Hauberallee 13 (ehemals
Karolinenstraße 119) |
| nach 1945: Betsaal Ludwigstraße 20 (ehemaliges
jüdisches Gemeindehaus) bis 1960 |
| 1960 bis 1987: Synagoge im Jüdischen Elternheim:
Hauberallee 13 |
Fotos
(Quelle: Die sw-Fotos wurden bereits mehrfach veröffentlicht,
u.a. im Synagogenbuch des Landesamtes s.Lit.)
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Zeitgenössischer Stich der
Synagoge in Neustadt |
Historisches Foto der
Synagoge,
links das Schulhaus
mit Lehrerwohnung |
Innenaufnahme der Synagoge in
Neustadt;
im Davidstern über der Apsis mit dem
Toraschrein das Tetragramm
mit dem
Gottesnamen |
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Kolorierte Karte
von Neustadt mit der Synagoge |
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Der Gedenkstein von 1988 auf
dem
Synagogengrundstück in der Ludwigstraße |
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Betsaal im "Elternheim"
1960 -1987 |
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Der Betsaal im jüdischen
Elternheim (1960-1987) |
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Erinnerung an
eine
jüdische Mazzenbäckerei
(Fotos von Michael Ohmsen,
das Foto links in höherer Auflösung
im Fotoalbum von M.
Ohmsen) |
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Über dem Portal
eines Hauses in der Ludwigstraße hat sich als Erinnerung an die
Mazzenbäckerei die Darstellung eines eine Mazze in der Hand haltenden
Kindes erhalten. |
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Mahnmal auf
dem
städtischen Friedhof
an der Landauer Straße
(Fotos von Michael Ohmsen,
das Foto links in höherer Auflösung
im Fotoalbum von M.
Ohmsen) |
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Das
Mahnmal im allgemeinen
Friedhof der Stadt |
Namenstafel |
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Inschrift
verteilt auf die einzelnen Stelen des Mahnmales: "Das Geheimnis der
Versöhnung ist die Erinnerung. Wir trauern um die von den
Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Bürger unserer Stadt
1933-1945". |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
März 2011:
Aufstellung eines Erinnerungsmales an die
Deportation nach Gurs 1940 |
Artikel in den "mrn-news.de" vom
18. März 2011: "Neustadt - 'Gurs 1.319 km' zum Gedenken an die
Unmenschlichkeit.
Im zeitlichen Kontext der diesjährigen 'Woche der Brüderlichkeit' wurde
ein Wegweiserschild 'Gurs' im Bereich des Bahnhofsvorplatzes aufgestellt.
Das Schild mit der Entfernungsangabe erinnert an die Deportation von mehr
als 50 jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus Neustadt an der
Weinstraße im Oktober 1940 in das südfranzösische Internierungslager am
Fuße der Pyrenäen..."
Link
zum Artikel |
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Dezember 2023:
Neue Internetpräsenz zu jüdischer
Gedenkkultur in der Pfalz |
Artikel von Markus Pacher im "Wochenblatt"
vom 20. Dezember 2023: "Neue Internetseite zu jüdischer Gedenkkultur
Neustadt. Eine neue Internetseite bietet Wissenswertes über jüdische
Friedhöfe sowie über jüdische Erinnerungs- und Gedenkkultur in der Pfalz an.
Unter dem Titel 'Shalom Pfalz' hat Eberhard Dittus, Beauftragter der
Evangelischen Kirche der Pfalz für Gedenkstättenarbeit, entsprechende
Informationen zusammengetragen. Mehr als 80 jüdische Friedhöfe seien als
'heilige Orte' des Judentums in der Pfalz erhalten, sagte Dittus, der auch
Beauftragter der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz für den Erhalt der
jüdischen Friedhöfe in der Region ist. Exemplarisch werden zehn Friedhöfe
auf der neuen Internetpräsenz vorgestellt. In der Rubrik 'Frag den Rabbi'
können Fragen zur jüdischen Religion an einen Rabbi weitergeleitet werden.
Die neue Homepage bietet auch ein Glossar, in dem jüdisch-hebräische
Begriffe von A bis Z erklärt werden. Weiterführende Links zu jüdischen
Themen und ein Kapitel zur regionalen Gedenk- und Erinnerungsarbeit, sind
ebenfalls zu sehen, so Dittus. Die Rubrik 'Jüdische Witze' widmet sich dem
jüdischen Humor. Die neue Internetseite wurde von dem Neustadter Grafiker
Matthias Ibelshäuser entworfen und erstellt. Der Flyer 'Shalom-Pfalz' ist
kostenlos im Protestantischen Dekanat Neustadt, in der Schütt 9 oder in der
Buchhandlung Quodlibet erhältlich.
Weitere Informationen:
www.shalom-pfalz.de" |
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April 2024:
Fünf "Stolpersteine" wurden am
Käthe-Kollwitz-Gymnasium verlegt |
Artikel im "Pfalz-Expresse" vom 30. April
2024: "Fünf neue Stolpersteine erinnern an jüdische Schülerinnen des
Käthe-Kollwitz-Gymnasiums.
Neustadt. Vor dem Käthe-Kollwitz-Gymnasium (KKG) sind fünf neue
Stolpersteine verlegt worden. Sie erinnern an fünf ehemalige, jüdische
Schülerinnen, die während der NS-Zeit verfolgt wurden. Vier von ihnen gelang
die Flucht in die USA, eine wurde 1943 deportiert und starb im polnischen
Sobibor. Die Gedenktafeln 'Hier lernte' erinnern an: Elizabeth Joan Weiner
und Dorothea Berger, beide geborgene Wolff, Lieselotte Rosenstiel, Gusti
Ackermann, geborene Mayer, und Ilse Levy, geborene Haas. Schülerinnen des
KKGs stellen die Biographien und den Leidensweg aller fünf mit sehr
bewegenden Worten vor. 'Vielen Dank für diese Aktion', sagte
Oberbürgermeister Marc Weigel. 'Die Steine erinnern daran, dass sich mitten
in unserer Stadt ein unglaubliches Verbrechen zugetragen hat. Dass unter
unseren Augen Schulkameradinnen, Nachbarn und Freunde entrechtet, verletzt,
entwurzelt und ermordet wurden.' Viele hätten sicher Angst vor Repressalien
gehabt, aber im Spiel sei gewiss auch eine gehörige Portion Gleichgültigkeit
gewesen. 'Die Lebensgeschichten machen mich sprachlos.' Möglich wurde die
Verlegung, die vom städtischen Bauhof vorbereitet und dem Künstler Holger
Kratz durchgeführt wurde, durch umfangreiche Recherchearbeiten. Angestoßen
hatte sie Karin Hoffmann im Schuljahr 2002/2003. Die ehemalige Lehrerin des
KKG durchforstete damals mit ihrem Grundkurs evangelische Religion das
Archiv der Schule nach Namen jüdischer Schülerinnen aus den Jahren 1921 bis
1940. Dabei gelang es ihr auch, einen Kontakt mit Gusti Ackermann
herzustellen, die damals in Florida lebte. Weitere Nachforschungen begannen
2022, nachdem das Internet neue Möglichkeiten bot. Mit ins Rechercheboot
stiegen die Lehrerinnen Dorothea Herzer und Heike Schnell, auch das
Stadtarchiv half mit. Herzer sagte, 'das Projekt hat detektivische Instinkte
geweckt. Aber je mehr wir gefunden haben, desto mehr litten wir mit'. Den
beiden Pädagoginnen wiederum gelang es, die Tochter von Elizabeth Wolff,
später Beth Weiner, ausfindig zu machen. Auch sie lebt in den USA und wollte
eigentlich zur Stolpersteinverlegung nach Neustadt anreisen. Die
Geschehnisse im Gazastreifen sowie steigende anti-jüdische Agitationen
machten den Plänen einen Strich durch die Rechnung. Der erste von
mittlerweile fast 50 Stolpersteinen wurde bereits im Dezember 2002 für den
Lehrer Dr. Karl Strauß vor dem Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium verlegt.
Ideengeber des Projekts 'Stolpersteine' ist der Kölner Bildhauer Gunter
Demnig. Es handelt sich um kleine Messingplatten, die in den Boden verlegt
werden für Personen, die im so genannten Dritten Reich Opfer des
Nationalsozialismus wurden. Die Steine sollen Passanten 'zum Stolpern' und
damit zum Nachdenken bringen. Würdigungen und Dankesworte zum Projekt des
KKGs sprachen neben Oberbürgermeister Weigel auch Kurt Werner für die
NS-Gedenkstätte, Eberhard Dittus für die jüdische Kultusgemeinde, Dekan
Andreas Rummel für den evangelischen Kirchenbezirk, Dekan Michael Paul für
den katholischen Kirchenbezirk sowie Stefan Vogt, Schulleiter des KKGs."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 584-585; III,2 S. 964-965. |
| Alfred Hans Kuby (Hrsg.): Pfälzisches Judentum
gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts. 1992. |
| Bernhard Kukatzki: Die jüdische Kultusgemeinde der
Rheinplatz. Eine Skisse des Gemeindelebens 1992. In: SACHOR.
Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in
Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor und Hans-Eberhard Berkemann in
Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung
Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad Kreuznach. 7.
Jahrgang Ausgabe 2/1997 Heft Nr. 14 S. 68-70. Online
eingestellt (pdf-Datei). |
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter
besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005.
S. 118-120. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 283-285 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Paul Habermehl und Hilde Schmidt-Häbel: "Vorbei - es ist
nie vorbei". Beiträge zur Geschichte der Juden in Neustadt an der
Weinstraße. Schriftenreihe der Bezirksgruppe Neustadt m Historischen Verein
Pfalz 13. 2005. Buchbesprechung
|
| Eberhard
Dittus: Jüdisches Neustadt an der Weinstraße. Einladung zu einem
Rundgang. Verlag Medien und Dialog
Haigerloch 2009. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Neustadt Palatinate. A Jewish
presence in the 13th century is indicated by the remains of a synagogue found
there. Jews are mentioned throughout the 14th century as moneylenders. Some were
burned at the stake in 1343 following a blood libel. During the Black Death
disturbances of 1348-49, they were persecuted. In 1390-91, Rupert II expelled
them along with the rest of the Jews in the Palatinate.
The modern community grew from 112 in 1804 to 306 in 1871 and a peak of 297
(total 17.795) in 1900. Most engaged in trade. A Jewish elementary school was
built in 1830 (29 students in 1910) and a synagogue was consecrated in 1866. An
old age home was opened in 1914 (40 residents in 1932). The Zionists organized
in 1902. In the Weimar period, Jews remained active in the city's social and
economic life, with over 80 businesses in operation. In 1933, the Jewish
population was 266. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue
was set on fire and two Jews were burned alive when the old age home was burned
down. Jewish men were sent to the Dachau concentration camp. Most Jews
liquidated their businesses during the period and emigrated or moved to other
German cities. Thirty-eight remained in January 1940. On 22 October 1940, 22
were deported to the Gurs concentration camp. A total of 33 perished in the
Holocaust, including 13 in Auschwitz and eight in the Sobibor death camp.
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