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Barchfeld an der Werra
(Gemeinde Barchfeld-Immelborn, Wartburgkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Barchfeld bestand eine jüdische Gemeinde bis um 1940. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1557
und 1566 Schutzjuden am Ort genannt. Keine Hinweise auf Juden am Ort gibt es im 17.
Jahrhundert einige Jahrzehnte nach 1603. Um 1680 werden wieder Juden genannt.
1700 umfasst die Gemeinde inzwischen sechs Familien (des Jacob, Salomon, Daniel,
Hirsch, Wolf und Katz). 1686 konnte ein Friedhof
angelegt werden. Um 1720 werden 76 jüdische Einwohner am Ort gezählt. Mitte
des 18. Jahrhunderts waren 20 jüdische Familien am Ort. Um 1770 wurde zum
gemeinsamen Studium der Tora ein Talmud-Tora-Verein gegründet, 1783 der
Beerdigungs- und Sozialverein "Chewra Kadischa". Die jüdischen
Familien lebten bis Anfang des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich vom
Viehhandel, Geldverleih und vom Haus- und Kramwarenhandel.
Zu Beginn des 19.
Jahrhunderts werden zwei jüdische Barchfelder als landgräfliche
Hofagenten, zwei andere als landgräfliche Hofmetzger genannt.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine jüdische
Schule, eine Mikwe und einen bereits genannten Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet tätig war. 1836 wurde eine
öffentliche jüdische Ortsschule begründet, für die 1841/42 ein Schulhaus am
unteren Graben erbaut wurde. In diesem wurde auch die Mikwe eingebaut. Von den
jüdischen Lehrern/Kantoren werden genannt (zeitweise auch zwei Personen): um
1874/1894 Lehrer und Kantor Jakob Oppenheim, dazu um 1881 J. Weil als Kantor und
Schochet und um 1885/86 J. Lublinsky als Kantor und Schochet.
1843
wurde am Ort ein jüdischer Fortbildungsverein gegründet, was in ganz
Deutschland Beachtung fand (vgl. unten Beitrag in der Zeitschrift "Der
Israelit des 19. Jahrhunderts"). Der damalige Gemeindevorsteher Löb M.
Lefor sorgte gemeinsam mit dem Lehrer Lewald für die behutsame Durchsetzung von
Reformen im Gemeindeleben.
Die
höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1861 mit 237 Personen erreicht (über
13 % der Gesamteinwohnerschaft). Seit der
2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner durch
Aus- und Abwanderung zurück. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk
Fulda.
Am Krieg 1870/71 nahmen mehrere jüdische Soldaten aus Barchfeld teil:
Louis Eisemann (Inf.-Reg. 32), Hirsch Herrmann (Inf.-Reg. 83, verwundet), Levi
Herrmann (1. Garde-Reg.), Moses Herrmann (Inf.-Reg. 24), Samuel Hartmann
(11. Twain-Fuhrparkkolonne), Juda Wolfermann (Inf.-Reg. 94) und Levi Wolfermann
(Ing.-Reg.).
Von den jüdischen Kriegsteilnehmern im Ersten Weltkrieg sind gefallen:
Salo Kaiser (geb. 16.7.1889 in Barchfeld, gef. 30.10.1914), Vize-Wachtmeister
Hermann Leopold (geb. 10.1.1890 in Barchfeld, gef. 19.8.1918), Jakob Wolf (geb.
9.7.1883 in Barchfeld, gef. 26.3.1918), Gefreiter Louis Wolfermann (geb.
21.4.1882 in Barchfeld, gef. 8.7.1918), Paul Wolfermann (geb. 13.5.1894 in
Barchfeld, gef. 7.1.1916). Außerdem sind gefallen: Gefreiter Curt Hofmann (geb.
7.3.1895 in Barchfeld, vor 1914 in Bad Kissingen wohnhaft, gef. 3.10.1918),
Gefreiter Hermann Strauß (geb. 18.8.1885 in Barchfeld, vor 1914 in
Langenselbold wohnhaft, gef. 7.10.1918),
Um 1924, als noch 86 jüdische Einwohner gezählt wurden (2,86 % von
insgesamt etwa 3.000 Einwohnern) gehörten dem Synagogenvorstand an: Jakob Stern
(Gemeindevorsteher bereits seit 1904, siehe Artikel unten) und Jakob
Wolfermann. Lehrer war damals Leopold Weinberg (1903 bis 1926; Weinberg
wechselte im Herbst 1926 nach Langenselbold). Zur Barchfelder
Gemeinde gehörten auch die in Bad Salzungen und Bad Liebenstein lebenden jüdischen
Einwohner (1924 34 bzw. 8 Personen). An jüdischen Vereinen werden genannt:
Chewra Gemillut chassodim (1924 unter Leitung von Emil Herrmann, 20 Mitglieder)
und der Israelitische Frauenverein (1924 unter Leitung von Frau R. Levor und
Lehrer Leopold Weinberg, 26 Mitglieder). 1932 war Justin Herrmann 1. Gemeindevorsteher, Julius M. Levor der 2.
Vorsteher. Als Lehrer und Kantor war inzwischen Salomon Heilbrunn angestellt.
1933 wurden noch 65 jüdische Einwohner gezählt. Diejenigen, die
nicht mehr emigrieren konnten, wurden 1942/43 deportiert (teilweise von anderen
Orten in Deutschland) und in Vernichtungslagern ermordet. Von
den 1933 hier wohnhaften Personen wurden mindestens 30 deportiert, bei 22
Personen ist das Schicksal unbekannt.
Von den in Barchfeld geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; Angaben teilweise
korrigiert und ergänzt auf Grund der Recherchen von Klaus Schmidt): Emma Bachrach (1875), Catharina Blum geb.
Hermann (1885), Fanny Charig geb. Weil (1868), Elsa Cohn geb. Oppenheim (1884),
Paula Göring geb. Hofmann (1889), Mary Hammerschmidt geb. Leopold (1877), Levi Hartmann
(1875), Mathilde Hartmann geb.
Levor (1877), Emil Herrmann (1863), Justin Herrmann (1896),
Ludwig Herrmann (1899), Max Friedrich Herrmann (1888), Ida Hofmann geb. Katz (1876),
Sophie Katzmann geb. Kaiser (1859), Toni Katzenstein geb. Strauss (1907), Sofia
Katzmann geb. Kaiser (1859), Hildegard Kohlmann geb. Wolf (1898), Ida Leopold
geb. Hausmann (1890), Siegfried Leopold (1883), Bruno Levor (1906), Herbert
Joachim Levor
(1915), Isidor Levor (1881), Ludwig Levor (1870), Manfred Levor (1908), Mina Lion geb. Levor (1884), Rickchen Levy geb. Rosenblatt (geb. 1871),
Adolf Oppenheim (1880), Lina Löwenstein geb. Leopold (1874), Moritz Oppenheim (1877),
Selly Oppenheim (1878), Kathi Rosenberg geb. Leopold (1880), Hulda Rotschild
geb. Herrmann (1867), Hertha Schönfeld geb. Wolfermann (1892),
Hedwig Schwarz geb. Wolf (1900), Paula Seidemann geb. Wolfermann (1881), Therese
Stein geb. Wolfermann (1870), Hedwig Strauss geb. Finke (1881), Julie Strauss geb. Katzenstein
(1875), Margarete Strauß (1899), Jenny Vyth geb. Levor (1876), Lilly Vyth geb.
Bachrach (1877), Ida Walther geb. Levor (1881), Bella Weinmann geb. Hofmann (1907), Karl Wolf
(1881), Max Wolf (1879), Robert Wolf (1872), Siegfried Wolf (1908), Therese Wolf geb.
Levor (1873), Hedwig Wolfermann (geb. 1874),
Leopold Wolfermann (1863), Sofie Wolfermann geb. Ganzmann (1854), Susanne
Wolfermann (1859).
Einige weitere Namen finden sich in dem von Hans Nothnagel herausgegebenen Band
mit der Darstellung der jüdischen Geschichte Barchfelds S. 34-38.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle(n) des Lehrers, Vorbeters, Schochet 1873 / 1903
/ 1921
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. August 1873:
"In der israelitischen Gemeinde zu Barchfeld (Kreis Schmalkalden) ist
die Stelle eines Religions- und Elementarlehrers zu besetzen.
Es wird daher ein mit den nötigen Kenntnissen versehener tüchtiger Mann
verlangt, der womöglich auch deutsche Vorträge halten kann.
Der Gehalt beträgt 350 bis 400 Taler. Bewerber wollen sich alsbald bei
dem Vorstande der israelitischen Gemeinde zu Barchfeld melden.
Fulda, am
31. Juli 1873. Vorsteheramt der Israeliten. Jüdell in
Barchfeld". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1903:
"An
der staatlichen Elementarschule zu Barchfeld, Werra, ist die Stelle eines
Lehrers
und Kantors
zu besetzen. - Grundgehalt Mark 1.200. Einheitssatz der
Alterszulage Mark 140, nebst freier Wohnung und Nebeneinkünfte.
Bewerbungen an die
Synagogen-Ältesten S. Hofmann. J. Wolfermann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. März 1903:
"Volksschulstelle.
An der israelitischen Volksschule zu Barchfeld, Werra, ist die Stelle des
Lehrers und Kantors alsbald zu besetzen. Mit der Stelle ist die
Verpflichtung verbunden, auch den höhere Schulen besuchenden im religionsschulpflichtigen
Alter stehenden Kindern Religionsunterricht zu erteilen. Grundgehalt 1.200
Mark. Einheitssatz der Alterszulage 140 Mark, freie Wohnung und
Nebeneinkünfte. Die Bewerbungen sind bis 10. April dieses Jahres an die
unterzeichnete Stelle zu richten.
Fulda, 23. März.
Das Vorsteheramt
der Israeliten:
Dr. Cahn." |
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Neben dem Israelitischen
Elementar-/Volksschullehrer hatte die jüdische Gemeinde zeitweise als
zweiten Kultusbeamten noch einen Schochet (Schauchet, Schächter),
der als Hilfsvorbeter und Baal Tokea (Schofarbläser an den hohen
Feiertagen) tätig war. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1921:
"Gesucht per sofort Schauchet, Hilfsvorbeter und Taukeah für
Barchfeld a.d. Werra. Der betreffende Herr soll womöglich in der
benachbarten Gemeinde Schmalkalden Religionsunterricht und Schechitoh
übernehmen. Bewerbungen mit Lebenslauf, Zeugnissen und Gehaltsansprüchen
sind zu richten an den Vorstand der Israelitischen Gemeinde in Barchfeld
an der Werra." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August 1921: "Für
Barchfeld an der Werra tüchtiger, zuverlässiger Schochet gesucht. 7-8000
Mark Gehalt. Fester Nebenverdienst durch Schechita und Religionsunterricht
in Schmalkalden, daher Inländer bevorzugt. Hierzu Befähigte wollen sich
mit Zeugnisabschriften und Angabe von Referenzen alsbald melden bei
Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn, Fulda." |
|
Ab 1925 wurde die Schechita offenbar durch
den Lehrer in Vacha übernommen.
Die dortige Lehrer- und Vorbeterstelle wurde ausdrücklich mit dem Hinweis
auf das Nebeneinkommen durch das Schächten in Barchfeld ausgeschrieben. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juli 1925: "Religionslehrer,
Vorbeter und Schochet gesucht. Besoldung einschließlich hiesiger
Schechito nach Gruppe 7, dazu Nebeneinkommen (Schechito in Barchfeld).
Bewerbungen mit Lebenslauf, Zeugnissen und Referenzen an den Vorstand
der Israelitischen Kultusgemeinde Vacha." |
Hinweis auf die Veröffentlichung einer Predigt von
Lehrer Jakob Oppenheim (1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. September 1875: "Die religiöse Erziehung, eine
Probepredigt, gehalten am 13. Juni 1874 von Jakob Oppenheim, Lehrer in
Barchfeld. Esslingen, 1874." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Über die Gründung eines jüdischen Fortbildungsvereines
(1843)
Bericht in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts"
vom 3. September 1843: "Barchfeld. 'Geh zur Ameise, Träger! sieh und
Wege und werde klug. Sie, die keinen Führer, Vogt und Gebieter hat etc.'
- so möchten wir, auf genannte kleine Gemeinde hinweisend, mancher
großen stolzen 'Kehilla' zurufen. Auch jener fehlt auf religiösem
Gebiete ein geistiger Gebieter, sie sich sich ihrer eigenen Führung
überlassen. Keiner treibt sie, Keiner regt mit dem Gewichte seines
Namens, seiner Gelehrsamkeit, seines Amtes sie an.
Und doch
beschämt sie, Kleine und Schwache, viele große Gemeinden, die bei allen
Hilfsmitteln, versehen mit Geistlichen, Schulen, dem besten tätigsten
Willen der Behörden, in religiöse Lethargie verharren. Aus freiem
Antriebe ordneten nämlich die schlichten Landleute, nun schon geraume
Zeit ihr Synagogenwesen, und zeigte, dass sich Gefühl für Anstand und Würde,
Wohlgefallen an geregelten, kunstgemäßen Gesängen, und Ordnung in den
Synagogen sich auch recht wohl mit der ererbten Religion des Gemütes der
Väter vereinbaren lasse. In neuesten Zeit gab diese Gemeinde einen neuen
Beweis ihres regsamen Strebens und edlen Dranges, die Veredlung und
Geistererleuchtung ihrer Mitglieder möglichst zu fördern und zu kräftigen,
durch die Konstituierung eines Fortbildungsvereins in ihrer Mitte. Führen
wir die schmucklosen, aber bedeutungsvollen Worte der vor uns liegenden
Statuten, im Auszuge hier an. – ‚Die Erfahrung lehrt, dass der beste
Schulunterricht, wenn derselbe mit dem vollenden 14. Jahre gänzlich aufhört,
wenig Früchte bringen kann, da gerade das Lebensalter vom 14. Jahre an
und weiter für moralische und geistige Ausbildung das wichtigste ist. Es
ist also ein dringendes Bedürfnis, eine Anstalt zu gründen, wo dem der
Ortsschule Entwachsenen Gelegenheit zur Belehrung und Fortbildung
dargeboten werde… Eine wie in vielen Orten eingeführte
Fortbildungsschule, wird und kann hier in unserem Orte nicht aufkommen, so
lange viele Eltern den Nutzen und die Notwendigkeit einer zeitgemäßen
Fortbildung nicht einsehen, also ihre Söhne, da gesetzlicher Zwang nicht
besteht, zum Besuche dieser Anstalt nicht anhalten, und die Jugend überhaupt
sich lieber vergnügt, als an einer belehrenden und nützlichen
Unterhaltung teilnimmt, ja es beschämend findet, schon so erwachsen, noch
in eine Schule zu gehen.
Würde man jedoch eine Gesellschaft errichten, bei der Belehrung und
Fortbildung mit einigen geselligen Vergnügungen verbunden würden, so würden
aus eigenem Antriebe viele Erwachsene sich als Mitglieder dieser Anstalt
aufnehmen lassen, somit nach und nach die Notwendigkeit und den Nutzen
einer zeitgemäßen Fortbildung fühlen, und endlich freudig die Hand
bieten, für sich und die Ihrigen für Fortbildung zu sorgen und
beizutragen zu helfen und zu fördern. In dieser Absicht verbinden sich
die Unterzeichneten, unter den Namen ‚Fortbildungsverein’ von heute an
zu einer Gesellschaft, deren Zweck ist: Belehrung und Fortbildung mittelst
gesellschaftlicher Zusammenkünfte, bei welchen Zeitschriften und Bücher
unterhaltenden, moralischen und religiösen Inhaltes vorgelesen,
besprochen und das, was der Eine oder der Andere nicht versteht, erklärt
werden soll. … § 2. Werden Gesänge erheiternden und moralischen
Inhalts eingeübt und gesungen.
§ 4. Können von den einzelnen Mitgliedern schriftliche Aufsätze …
geliefert, sodann … darüber verhandelt werden. § 9. Es dürfen nur
solche Mitglieder aufgenommen werden, die auf einige Bildung Anspruch
machen können, und einen sittlich-guten Lebenswandel führen. § 18.
Verheiratete können, bei besonderen Veranlassungen, jedoch mit
jedesmaliger Genehmigung des Direktors, ihre Frauen mitbringen.’ (Warum
nicht in der Regel? |
Hebräisch
und deutsch: bedarf nur der Mann,
und nicht auch die Frau des geistigen Lebens?’). Die wörtliche
Auffassung des: ‚ihr sollt sie lehren euren Söhnen’, wie es im Talmud
geschieht, sollte in einem so schönen Verein nicht Geltung haben. Die
Vorlesungen und freundlichen lehrreichen Besprechungen der Mitglieder, können
nicht bloß dem bescheidenen Frauenzimmer, als passiver Zuhörerin
zustatten kommen, sondern der Verein kann, durch die Ein-
und Zusprache geistreicher Frauen, durch ihr von dem Getriebe der
Zeit und der Schulen noch unbefangenes Urteil, selbst Nutzen ziehen. Da
der Verein, woran er in den obwaltenden Verhältnissen, sehr weise tut,
die Freuden der Geselligkeit nicht ausschließt, und nicht eine
pedantische Präzeptor-Miene an sich tragen will, so sollte er auch die Würze
und das Element europäischer Geselligkeit von vornherein nicht bloß außerordentlichen
Gelegenheiten vorbehalten. |
Wir können
nicht umhin auch noch die schönen Schlussworte der Statuten unseren
geehrten Lesern mitzuteilen. …’Möge es diesem Fortbildungsvereine,
durch den guten Willen und die kräftige Tat seiner sämtlichen
Mitglieder, gelingen, seinem Namen, in der edelsten Auffassung, aufs
Vollkommenste zu entsprechen, und so den Geist und das Herz seiner
Mitglieder fort-, durch- und ausbilden. Möge es uns Unterzeichneten doch
gelingen, durch Errichtung und Aufrechthaltung dieses Vereins auch zu
jener schönen Zeit nur einen kleinen Teil beigetragen zu haben, von
welcher der Prophet uns lehrt: ‚Die Menschen werden einander weder
verachten noch beleidigen, sondern wie Kinder eines Vaters sich einander
lieben, denn voll wird die Erde sein mit Erkenntnis Gottes, und gebildet
werden alle Menschen sein, und nach Belehrung, wie die Durstigen nach
Wasser lechzen.’ – So wie aber ein jeder höher ausgebildete lebendige
Körper, so gefügig, geübt und ausgebildet auch die einzelnen Teile sein
mögen, eines Herzens bedarf, der ihnen Leben, Wärme, Bewegung und
Empfindung mitteilt, so auch bei Körperschaften, die sich zu irgend einem
geselligen und sittlichen Zweck gebildet. Auch diese brave Gemeinde
besitzt ein solches edles Herz und ein erleuchtendes Haupt in ihrem
wackern Lehrer Lewald, und dem
talmudisch gelehrten und auch sonst sehr gebildeten und gesinnungsstarken Vorsteher
Herrn Löb Lefor.
Erstgenannten beehrte neulich seine vorgesetzte Behörde mit der
schmeichelhaftesten schriftlichen Anerkennung seiner Verdienste um die
Fortbildung seiner Gemeinde. Die solide Führung seines Amtes, fern von
aller Scharlatanerie, sein Fleiß und sein unausgesetztes Streben, sich
als Mensch, Lehrer und Israelit immer mehr zu vervollkommnen, ließ uns
schon längst in ihm einen der Hervorragendsten seines geachteten Standes
erkennen. Die Art und Weise aber, wie Herr Lefor sein Amt führt, will
nicht mit der talmudischen Regel harmonieren: hebräisch und deutsch:
‚Wohne nicht in einer Stadt, deren Vorsteher Gelehrte sind’. Wir wünschen
vielmehr einem jeden Gemeinwesen einen so unterrichtete, gebildeten und
tatkräftigen Gelehrten zur Leitung und Wahrung seines zeitigen und ewigen
Vorteils, wie ihn oben genannte Gemeinde in Herrn Lefor zu besitzen das Glück
hat." |
Gemeindebeschreibung 1878
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Oktober 1878 aus einem Artikel über
die Verhältnisse der jüdischen Gemeinden in Thüringen: "Dieses
vorausgeschickt, wollen wir nun zu unserem eigentlichen Referate übergehen.
Dem Thüringer Gebirge entlang zieht sich die Werrabahn hin und führt den
Reisenden, in rascher Abwechslung ein prachtvolles Bild von schonen Bergen
und Tälern vor ihm aufrollend, auf den Flügeln des Dampfes nach der
Residenzstadt Meiningen. Zur Seite bleiben Barchfeld, Schmalkalden und
Walldorf liegen. Die beiden ersten Orte gehören dem frühern Kurhessen,
jetzt Provinz Hessen, an. Kurhessen war einer der ersten Staaten
Deutschlands, welche den synagogalen und Schulverhältnissen seiner
israelitischen Untertanen seine volle Aufmerksamkeit zuwendete und
denselben eine feste Gestaltung gab. Diese haben sie auch nach der
Annexion behalten. Wir finden daher in beiden Synagogengemeinden sehr
geordnete Zustände, geregelt gottesdienstliche und Schulverhältnisse und
einen regen religiösen Sinn. Die circa 40 Mitglieder zählende
Synagogengemeinde Barchfeld hat sich namentlich schon seit langen Jahren
durch für ihre Verhältnisse nicht unbedeutende Opfer, welche sie für
Gottesdienst und Schule verwendet, vor vielen bedeutend größeren
Gemeinden rühmlich hervorgetan. Diesem hier herrschenden lebendigen Sinne
für Schule und Gottesdienst ist es wohl auch zuzuschreiben, dass aus
dieser Gemeinde schon eine ganze Reihe recht tüchtiger Lehrer
hervorgegangen ist, von welchen einige sich auch literarisch bemerklich
gemacht haben, wie z.B. der verstorbene Levysohn in Fulda und Kleimenhagen
in Schwerin u.m. …" |
Todesstrafe für den
Antisemiten und Mörder Huther aus Barchfeld 1891)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Juli 1891: "Ein Antisemit der Tat, der Handarbeiter
Huther aus Barchfeld, der am Nachmittage des 6. Mai dieses Jahres
den jüdischen Handelsmann Marcus Klaar aus Ettenhausen
ermordete und dann seiner Barschaft von 25 Mark beraubte, ist vom
Schwurgericht in Meiningen zum Tode durch den Strang verurteilt
worden". |
Vortrag von Rabbiner Dr. Cahn aus Fulda (1937)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. März 1937: "Kundgebung
in Barchfeld. Am Sonntag, den 24. Januar, fand in der Synagoge
Barchfeld (Werra), eine Kundgebung in Form eines Vortrages von Herrn
Rabbiner Dr. Leo Cahn, Fulda, statt. Anwesend waren Vertreter der
Gemeinden Tiefenort, Bad Salzungen, Bad Liebenstein und Stadtlengsfeld. In
kurzen prägnanten Sätzen wies Redner an Hand des Gedankens von Schirat
HaJam (Lied am Meer, 2. Mose 15) nach, dass Wahrheit und Toraliebe
die Grundlagen des Lebens in der Diaspora, als auch in Erez Israel sind.
Lehrer Okolica, Tann (Rhön) dankte Herrn
Rabbiner Dr. Leo Cahn für die wertvollen Ausführungen und forderte die
Anwesenden auf, das große Werk von Agudas Jisroel, das im Keren Hajischiw
sein Finanzinstrument besitzt, zu unterstützen. Durch finanzielle
Beihilfe kann jeder mithelfen, das religiöse Leben Palästinas
auszubauen. Spenden und Beitritte zu Agudas Jsroel bewiesen den
nachhaltigen Eindruck der Kundgebung. Es war klar zu ersehen, dass viele
Kräfte vorhanden sind, die für die agudistische Bewegung nutzbar gemacht
werden können. Eine zielsichere Ausnutzung ds beschrittenen Weges wird
Agudas Jisroel Erfolge bringen." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Mord an Handelsmann Jeremias Rosenblatt und Bitte um Hilfe
für seine Familie (1847)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. November 1847: "Bitte. Am
16. September diesen Jahres ist der fleißige und brave israelitische
Handelsmann Jeremias Rosenblatt von hier auf freier Straße von ruchloser
Hand überfallen, auf entsetzliche Weise ermordet und seiner sämtlichen
Habe beraubt worden. Derselbe hat eine Witwe mit noch vier unmündigen
Kindern in der dürftigsten und traurigsten Lage hinterlassen. Da unsere
kleine Gemeinde größtenteils aus unbemittelten Mitgliedern besteht, wie
auch nicht minder durch die große Not des vergangenen Jahres sehr in
Anspruch genommen worden ist, so kann die Unterstützung für genannte,
unglückliche Familie, trotz der aufopfernden Mildtätigkeit unserer
Gemeinde, nicht hinreichen, ihr nur die allernotwendigsten Lebensbedürfnisse
zu verschaffen. Daher wendet sich der Unterzeichnete an die Wohltätigen
und Mitleidigen in Israel mit der ergebensten Bitte: doch ihre gütige und
mildtätige Hand nach Kräften dieser tief betrübten und elenden Witwe
mit ihren vier Waisen wohlwollend zuzuwenden. Der Allgütige, der Vater
der Witwen und Waisen, wird gewiss jede Gabe reichlich belohnen.*)
Barchfeld in Kurhessen, 18. November 1847. Der Synagogenälteste L. M.
Lefor.
*) Zufolge des Gesuches der Herrn Lefor sind wir bereit, Unterstützungen
anzunehmen, und sie weiter zu fördern. Die Redaktion." |
Goldene Hochzeit von Nathan Wolfermann und seiner Frau (1908)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. September 1908: "Barchfeld an der
Werra. 1. September (1908). Das seltene Fest der goldenen Hochzeit
feierten am 24. August diesen Jahres Herr Nathan D. Wolfermann und Frau
dahier. Mit Rücksicht auf das betagte Jubelpaar hat man seitens der
Familie von einer besonderen Feier abgesehen. Doch hatten sich, soweit es
eben möglich war, alle näheren Verwandten, selbst von Amerika,
eingefunden, um den Festtag im Hause der Alten zu verleben. Zu Ehren des
Tages hat die Familie der hiesigen Synagoge ein prachtvolles Parochet
(Toraschreinvorhang) nebst schöner Schulchan-Decke
(für den Vorlesepult) gestiftet. Welche Liebe und Verehrung man dem
Jubelpaare nicht nur im Orte, sondern auch darüber hinaus entgegenbringt,
zeigte sich so recht am Festtage selbst. Die israelitische Gemeinde, die Chewroh Kedischo, deren Mitglied der Jubilar seit 1852 ist, sowie
die Frauen-Chewroh überreichten
kostbare Geschenke. Von den einzelnen jüdischen wie nichtjüdischen
Familien waren gleichfalls allerlei Aufmerksamkeiten in Form von Präsenten
und hübschen Blumenspenden eingegangen. Eine besondere Freude wurde den
beiden also Geehrten noch zuteil, als nachmittags der Königliche Landrat
von Schmalkalden mit dem Bürgermeister persönlich im Hause erschien, im
Namen Seiner Majestät des Königs die gestiftete Ehejubiläumsmedaille
mit einem Gratulationsschreiben überreichte und hierauf noch in den
herzlichsten Worten seine persönlichen Glückwünsche zum Ausdruck
brachte. Von den Gratulationen seien noch besonders erwähnt ein
freundliches ehrendes Schreiben des hiesigen Pfarrers und mehrere
Depeschen von den Lehrerinnen und Schülerinnen der israelitischen Töchterschule
in Hamburg, wo ein Sohn des Jubilars als Lehrer wirkt. Möge den beiden
Eheleuten noch ein langer, genuss- und segensreicher Lebensabend
beschieden sein!" |
Zum Tod von Nathan Wolfermann (1920)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1920: "Barchfeld, 20. März
(1920). Wenige Wochen vor seinem 90jährigen Geburtstag starb der älteste
Bürger unseres Ortes, Nathan Wolfermann, nachdem es ihm vergönnt war,
seinerzeit die goldene und diamantene Hochzeit zu feiern. Das stattliche
Gefolge bei der Beisetzung zeigte, wie geachtet und geehrt der
Heimgegangene allseits gewesen war. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens." |
25-jähriges Jubiläum von Jakob Stern als Gemeindevorsteher (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1929:
"Barchfeld, 16. Juni (1829). Sein 25jähriges Jubiläum als Vorsteher
der Jüdischen Gemeinde beging Herr Jakob Stern dahier. Welch großes
Ansehen der Jubilar genießt, zeigten die zahlreichen Ehrungen, die ihm
von allen Seiten entgegengebracht wurden. Von der Synagogengemeinde wurde
ihm ein Ehrengeschenk überreicht. Der Bürgermeister sandte ihm im Namen
der politischen Gemeinde, der Ortsgeistliche für die Kirchengemeinde in
herzlichen Worten gehaltenen Schreiben, welche Zeugnis ablegten von dem vorzüglichen
Verhältnis, das zwischen den Glaubensgemeinschaften besteht. Zu einem
Festgottesdienst waren Provinzialrabbiner Dr. Cahn - Fulda, der
Kreisvorsteher und eine Abordnung der Israelitischen Gemeinde Schmalkalden
erschienen." |
Zum Tod des Sohnes der Familie Julius Levor (1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1934:
"Tiefenort, 2. Dezember (1934). Ein schweres Schicksal hat die
Familie Julius Levor in Barchfeld a.d. Werra betroffen. Ihr
einziges Kind, ein hoffnungsvoller, 19-jähriger Sohn, wurde am 21. Kislew
der Erde übergeben. Ein Gehirnschlag hatte in einigen Minuten dem jungen
Leben ein Ende bereitet. Rabbiner Dr. Cahn aus Fulda hielt am Grabe
eine ergreifende Rede. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe
und Privatpersonen
Emanuel Heinemann bitte um Spenden für seinen Sohn (1873)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. Dezember 1873:
"An meine Glaubensgenossen!
Edle wohltätige Männer in Israel! Ich
richte eine herzliche Bitte an Euch, um eine kleine Beisteuer zur
Anschaffung eines Bettes für meinen Sohn, der in Barchfeld bei dem
Kaufmann L. H. Leopold die Kaufmannschaft erlernt; ich bin zu arm, solches
aus eigenen Mitteln anschaffen zu können. Nur ein Beitrag von 10 Thalern
wird beansprucht. Der Herr Kaufmann L. H. Leopold in Barchfeld wird diese
milden Gaben entgegennehmen.
Schmalkalden, am 16.
November 1873.
Emanuel Heinemann, Schneidermeister.
Bezugnehmend auf Obiges bestätige ich die Wahrheit dieser Angaben mit dem
Hinzuführen, dass der Lehrling Sohn sehr armer Eltern ist, und dieser
erwähnte Betrag zur Beschaffung eines Bettes dienen soll. Ich sehe den
edlen Gaben entgegen, und sobald der Betrag erreicht ist, werde ich in
diesem Blatte quittieren.
Barchfeld, den 16. November 1873.
Loeb H. Leopold, Kaufmann." |
J. Weil bzw. nach seinem Tod seine Witwe führen ein streng koscheres Restaurant in Bad Liebenstein, dann
Bad Friedrichroda (1889 / 1891)
Anmerkung: J. Weil führte spätestens seit 1881 das Restaurant in Bad
Liebenstein. Er starb um 1882/83. In den Anzeigen wird ab 1884 seine Witwe als
Inhaberin des Restaurants genannt.
Anzeige
in der Zeitschrift 23. Mai 1889:
"Am 10. Juni Eröffnung meines streng koscheren
Restaurants in Bad Liebenstein.
J. Weil Witwe, Barchfeld." |
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1891: "Bad
Liebenstein. Eröffnung meines streng koscheren Restaurants, den 15.
Juni dieses Jahres. J. Weil's Witwe, Barchfeld a.d. Werra." |
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai 1891: "Bad
Friedrichroda (Thüringen). Mein streng koscheres Restaurant befindet
sich nicht mehr in Bad Liebenstein, sondern in Bad Friedrichroda, Villa Merkur,
Marktstraße neben der Hofapotheke, Eröffnung 15. Juni dieses Jahres. J.
Weil's Witwe, Barchfeld a.d. Werra." |
Anzeigen des Eisen- und Kolonialwaren-en gros und
detail-Geschäftes M.J. Strauß (1889 / 1902)
beziehungsweise der Eisen-, Maschinen- und
Landesproduktenhandlung Jacob Stern & Hermann Strauß (1909)
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1889:
"Für mein größeres Kolonialwarengeschäft, welches Sonn- und
Festtage geschlossen, suche per 1. Juli einen perfekten Reisenden.
M.J. Strauß, Barchfeld a.d. Werra." |
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September 1902:
"Suche für mein an Samstag- und Feiertagen geschlossenes Eisen- und
Kolonialwaren- en gros und en-detail Geschäft einen jungen Mann,
welcher schon mit Erfolg gereist hat. Eintritt kann sofort, eventuell am
15. Oktober erfolgen.
M.J. Strauß, Barchfeld an der
Werra." |
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in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. März 1909: "Für mein an Sonn-
und Feiertagen streng geschlossenes Eisen-, Maschinen- und Landesprodukten
en gros und en detail- Geschäft wird zu Ostern
1 angehender Commis
und 1-2 Lehrlinge
unter sehr günstigen Bedingungen gesucht.
M. J. Strauß Inhaber
Jacob Stern & Herm.M. Strauß
Barchfeld (Thüringen)."
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Weitere Dokumente
Foto des aus
Barchfeld
stammenden Moses Hartmann
(erhalten von Sharon Grundfest-Broniatowski) |
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Das Foto links
zeigt Moses Hartmann (geb. 1858 in Barchfeld als Sohn von
Lipmann Hartmann und der Netta geb. Hoffmann) und seine Frau Jennie
geb. Epstein (geb. 1861 in Schwarza
als Tochter von Lipmann Epstein und seiner Frau Karoline geb. ?). Die
beiden sind um 1901-1903 aus Ilmenau
in die USA ausgewandert; das Foto wurde in Meiningen aufgenommen.
Ein Bruder von Moses Hartmann war Samuel Hartmann. Dieser war
verheiratet mit Jettchen Hartmann geb. Ronsheim (gest. 1873, Grab
im jüdischen Friedhof Barchfeld). Nach einer
allerdings unbestätigten Überlieferung in der Familie war Samuel
Hartmann oder dessen
Sohn Levi Hartmann (geb. 1875) zeitweise Leibwächter von Kaiser
Wilhelm. Levi Hartmann wurde mit seiner Frau Mathilde geb. Levor
(sowie zwei ihrer drei Kinder) in der NS-Zeit deportiert und ermordet. |
Zur Geschichte der Synagoge
Im 18. Jahrhundert wurde eine erste Synagoge erbaut, über die nichts
weiteres bekannt ist. Sie war um 1840 zu klein geworden, sodass 1844/45 eine
neue erstellt wurde, die am 19. September 1845 eingeweiht worden ist.
1879 wurde ein Teil des Gebäudes durch einen Brand zerstört. Doch musste nicht
das ganze Gebäude erneuert und die Synagoge am 20. August 1880 wieder
eingeweiht werden. In der Zwischenzeit betete man in einem gemieteten Raum. 1904
und 1907 wurde die Synagoge modernisiert, im letzteren Jahr fand die elektrische
Beleuchtung Einzug. 1922 erneuerte die Gemeinde das Synagogendach.
Beim Novemberpogrom
1938 wurde von Mitgliedern der SA und SS die Inneneinrichtung der Synagoge
zerstört und auf den Schlosswiesen verbrannt; das Gebäude wurde
abgebrochen.
Das Synagogengrundstück blieb nach 1945 unbebaut. Am 27. November 1988 wurde eine
Gedenkstätte zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde im Beisein des
damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Raphael Scharf-Katz
eingeweiht. Im Herbst 1996 mussten die Gedenksteine auf den jüdischen
Friedhof verbracht werden, da der Besitzer des Grundstückes Eigenbedarf
anmeldete.
Adresse/Standort der Synagoge: Grundstück Nürnberger Str. 38;
Gedenkstätte auf dem jüdischen Friedhof an der Nürnberger Str. 73.
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 2005)
Die Synagoge in Barchfeld |
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Historische Darstellung der
Barchfelder Synagoge |
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Gedenkstätte für die Synagoge auf
dem
jüdischen Friedhof von Barchfeld |
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Abbildung der Synagoge |
Die Gedenkstätte auf dem
Friedhof |
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Hinweistafel
zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
von Barchfeld (Foto: Christiane Jordan) |
Erinnerungstafel
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Hinweis auf die Geschichte
der
Gedenkstätte |
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Erinnerung an einen
früheren
jüdischen Lehrer aus Barchfeld |
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Grabstein für Jakob
Oppenheim,
Lehrer a.D. aus Barchfeld (1849-1911)
im jüdischen Friedhof
Gemünden / Wohra |
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Erinnerungsarbeit vor Ort
- einzelne Berichte
November 2007:
Gedenkstunde auf dem jüdischen Friedhof |
Artikel aus der Zeitschrift "Freies Wort"
vom 10. November 2007: "Barchfeld – Auf dem jüdischen Friedhof in Barchfeld gedachten gestern Bürgermeister Franz Römhild (SPD) und die evangelische Pastorin Susanne Ihle mit Schülern der 10. Klasse der Wucke-Schule des Ortes und Bürgern der Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Susanne Ihle las einen Auszug aus dem Buch
"Ich bin ein Stern" der Jüdin Inge Auerbacher, die ihre schrecklichen Erlebnisse dieser Nacht schilderte.
"Die Reichspogromnacht ist Teil eines der schwärzesten Kapitel der deutschen Geschichte", sagte Bürgermeister Franz Römhild (SPD). Dies sei aber nur der Anfang gewesen.
"Sechs Millionen Juden, vom Säugling bis zum Greis wurden bis 1945 getötet – das entspricht der heutigen Bevölkerung Dänemarks", machte Römhild das Ausmaß der unmenschlichen Nazi-Verbrechen deutlich. Auch in Barchfeld wurden die 89 im Jahr 1933 hier belegten Mitglieder der jüdischen Gemeinde verfolgt. 30 konnten ins Ausland flüchten. 59 wurden in Konzentrationslagern ermordet. Die Synagoge, die am Kreisverkehr Richtung Breitungen stand, wurde Stein für Stein abgetragen. Doch nicht aus Rücksicht auf das Gotteshaus.
"Die Barchfelder hatten Angst, dass die benachbarte Scheune mit abbrennt", sagte Römhild. Viele religiöse Gegenstände seien auf den Werrawiesen verbrannt worden. Der jüdische Friedhof blieb ebenfalls nicht verschont. Alle nach 1900 aufgestellten Grabsteine wurden gestohlen, sodass heute nur noch wenige alte Steine zu sehen sind. Damit so etwas nicht wieder geschehe, sei es von überaus großer Wichtigkeit, auch 69 Jahre später an das damalige Grauen zu erinnern, sagte Römhild.
"Erinnern heißt Leben, vergessen heißt Tod." ide"
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November 2009:
Gedenkstunde auf dem Friedhof -
"Stolpersteine" in Barfeld angeregt |
Artikel in der "Südthüringer Zeitung" vom 10. November 2009 (Artikel):
"Pogromnacht - Über "Stolpersteine" nachdenken - Gedenken auf dem jüdischen Friedhof.
Barchfeld - Im Gedenken an die Reichspogromnacht vor 71 Jahren versammelten sich gestern Barchfelder Bürger auf dem
jüdischen Friedhof. Pfarrerin Susanne Ihle verlas die Namen der jüdischen Familien, die 1938 noch in Barchfeld lebten. Nur wenigen von ihnen sei es gelungen zu emigrieren. Die meisten seien in die Vernichtungslager verschleppt und ermordet worden, sagte Beigeordneter Ralph Groß (CDU).
Ortschronist Hans Schmidt berichtet aus der Chronik: "Eines Tages wurden die Juden gesammelt und im Lkw nach Schmalkalden gefahren. Von dort aus wurden die Männer mit der Bahn in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Zwei Tage mussten sie stehen, bevor sie eine dünne Suppe bekamen. 14 Tage verbrachten sie fast ausschließlich stehend, fast ohne Nahrung zu. Die Folge: Alle erkrankten an Durchfall. Nach dieser Tortur wurden die Männer vor ihrer Entlassung gezwungen, Schriftstücke zu unterschreiben, dass sie ihre Geschäfte, ihr Hab und Gut verkaufen."
Die Geschichte der Juden in Barchfeld reiche bis in das 16. Jahrhundert zurück, so Beigeordneter Groß. Mitte des 19. Jahrhunderts machten sie 13 Prozent der Barchfelder Bevölkerung aus. Sie entwickelten vor allem den Handel in der Gemeinde und engagierten sich für die Bildung. 1843 gründete die jüdische Gemeinde in Barchfeld einen Fortbildungsverein, um das Bildungsniveau der Bürger zu erhöhen. 1933, mit der Machtübernahme Hitlers, lebten noch 65 Juden in Barchfeld. Nur wenigen gelang es zu entkommen. Der nationalsozialistische Terror löschte die jüdische Gemeinde in Barchfeld aus, so Groß.
Es gebe zwar keine kollektive Schuld, aber eine kollektive Verantwortung, die dazu verpflichte, Lehren aus der nationalsozialistischen Vergangenheit zu ziehen und Terror und Antisemitismus nie wieder Raum zu bieten.
Pfarrerin Ihle regte an, auch in Barchfeld über die Aktion "Stolpersteine" nachzudenken, in der im Gedenken an die ermordeten jüdischen Mitbürger Messingplatten mit den Namen der Opfer in das Pflaster der Fußwege eingelassen werden. "Bis es so weit ist, versammeln wir uns am 9. November weiter im Gedenken hier auf dem Friedhof." wei" |
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September 2013:
Verlegung von
"Stolpersteinen" in Barchfeld |
Presseartikel von Peggy Machoi vom 30.
September 2013 (Quelle: insuedthueringen.de; Link
zum Artikel): "Das Ende einer langen Reise
Ein Mann schlägt goldene Steine in den Barchfelder Gehweg. Stolpersteine, Steine der Mahnung. Sie sollen an das Schicksal von vier Barchfelder Juden erinnern. Der Sohn einer dieser vier Menschen war bei der Verlegung dabei.
Barchfeld - In der Nürnberger Straße, gleich vor der Friedenseiche in Barchfeld, wird das monoton graue Pflaster nun von vier goldenen Steinen durchbrochen. Hier stand einst das Haus Nummer 42. Auf jedem der Steine steht jeweils ein Name: Robert Wolf, Karl Wolf, Gertrud Wolf, Bertel Else Wolf. Die Steine sind "Stolpersteine", die niemanden zum Stürzen bringen sollen, sondern zum Innehalten, Nachdenken, Erinnern - Mahnen. Die Menschen, deren Namen auf den vier Steinen verewigt sind, sind Barchfelder Bürger gewesen. Juden. Drei von ihnen, Robert, Karl und Gertrud Wolf haben die Verfolgung durch die Nazis nicht überlebt. Bertel Else Wolf konnte fliehen, schaffte es in die Schweiz und später nach Israel. Ihr Sohn Dany Aharon war dabei, als Künstler Gunter Demnig die Steine in der Erde versenkte.
Fast nichts bekannt. Eine Vielzahl von Zufällen brachte den 55-Jährigen, der im israelischen Gesherhaziv wohnt, an diese Stelle nach Barchfeld, dem Ort, an dem seine Mutter und Großeltern lebten und in der Pogromnacht 1938 von ihren Nachbarn im Stich gelassen wurden. Mehr als 200 Jahre war die Familie Wolf hier verwurzelt. Dany Aharon wusste fast nichts von seiner Familiengeschichte. Er war noch jung als seine Mutter starb. "Es war eine lange Reise, Dokumente über sie zu finden", erzählt er. Stück für Stück folgte er der Lebensgeschichte seiner Mutter und Großeltern. 2006 fand er heraus, dass seine Mutter in Marienthal geboren wurde. Er fand auch ein Telegramm vom August 1942. Dass der Zug mit der Nummer 901/14 am 14. August 1942 um 8.55 mit 1000 Juden Richtung Auschwitz startete, ist darauf zu lesen. Eine dieser 1000 Menschen, die 14 Tage zusammengepfercht durch Europa geschickt wurden, Nummer 274, war seine Großmutter Gertrud. "Acht Stunden nachdem sie angekommen war, war sie nicht mehr am Leben", erzählt er. Sein Großvater Karl wurde im Internierungslager im französischen Gurs erschossen, dessen Bruder Robert starb im Lager Theresienstadt.
Erst 2012 erfuhr er, dass seine Mutter in Barchfeld aufwuchs. Kontakt zum Barchfelder Heimatgeschichtsverein entstand. Mit Erich Schmidt fand sich ein Zeitzeuge, der ihm die Ereignisse aus der Pogromnacht erzählte. "Es ist sehr emotional und bedeutend für mich, hier zu sein", sagt Aharon. "Meine Mutter sprach manchmal über den Stern, den sie als Jüdin in Deutschland tragen musste, aber ich war zu jung, um alles zu verstehen." Zu schwer fiel es auch seiner Mutter, über diese Dinge zu sprechen. Heute weiß er, was sie und seine Großeltern ertragen mussten, heute weiß er um die Bedeutung des Sterns.
Das dritte Mal ist er in Barchfeld, einmal war er auch in Marienthal. Und er wird "ganz sicher wiederkommen", sagt er. Trotz dem, was seine Familie erdulden musste, spürt er die Verbindung des Ortes mit der Familie Wolf. Einige Besucher legen Steinchen neben die goldenen Stolpersteine, wie es auf jüdischen Friedhöfen Brauch ist. Ein anderer legt einen Zweig der Friedenseiche daneben, die Eiche, die seit mehr als 100 Jahren an dieser Stelle steht. "Sie hat erlebt, wie Christen und Juden friedlich zusammen lebten", sagt Klaus Schmidt vom Heimat- und Geschichtsverein. 49 in Barchfeld geborene Juden sind während des Hitler-Regimes umgekommen, erzählt er. Eine Zeit, so Klaus Schmidt, die sich nie mehr wiederholen darf. Zum Abschied spricht Dany Aharon ein jüdisches Gebet." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| 1933 erschien: "Zur Tausendjahrfeier Barchfeld
(Werra). Von Justin Herrmann. Ein vollständiger Überblick der
Geschichte der Israelitischen Gemeinde. 1933. Selbstverlag des Herausgebers.
32 Seiten. |
Dazu
Besprechung in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. August
1933: "Das Büchlein gibt uns, wie schon der Titel sagt, einen
vollständigen, guten und ausführlichen Überblick über das Werden und
Wachsen der israelitischen Gemeinde Barchfeld, über ihre Vergangenheit
und Gegenwart. Besonders ausführlich behandelt der Verfasser die
Entwicklung der Gemeinde in den letzten 230 Jahren. Die erste urkundliche Erwähnung
von Juden in Barchfeld geschieht 1566. Weit über dem Prozentsatz der
Gesamtbevölkerung liegt die Zahl der Barchfelder jüdischen Teilnehmer am
Weltkrieg, von denen acht den Heldentod für das Vaterland starben. Für
alte Barchfelder ist dieses Buch eine schöne Erinnerung, für die
Allgemeinheit ein wertvoller Beitrag zur Heimatkunde. A." |
| Hans Nothnagel / Klaus Schmidt / Reinhard Schmidt in
Zusammenarbeit mit dem Verein für Heimatgeschichte Barchfeld/Werra e.V.: Der
tragische Weg der jüdischen Gemeinde und ihrer Chronik. In: Hans Nothnagel
(Hg.): Juden in Südthüringen - geschützt und gejagt. Bd. 6. Suhl 1999 S.
13-87. |
| Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen. Berlin 1992. S. 259-260. |
| Brocke/Ruthenberg/Schulenburg
S. 240. |
|
Klaus
Schmidt: Leben und Schicksal der jüdischen Landgemeinde
Barchfeld/Werra. Sie waren Nachbarn und Freunde unserer Vorfahren. Hrsg. vom
Verein für
Heimatgeschichte Barchfeld/Werra e.V. Michael Imhof Verlag Fulda
2021. ISBN 978-3-7319-1155-9. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Barchfeld. Numbering 76 in
1720, the community maintained a synagogue (1845) and a Jewish elementary school
(1836-1926). After growing to 237 (over 13 % of the total) in 1861, it dwindled
to 65 (192). The fate of the remaining Jews is not known.
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