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im Kreis Offenbach"
Bürgel (Stadt
Offenbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Bürgel bestand eine zeitweise große jüdische
Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 15./16. Jahrhunderts
zurück. Erstmals wird 1492 bei einem Rechtsstreit mit einem Frankfurter
Schullehrer ein Jude aus Bürgel genannt. Weitere Erwähnungen jüdischer Einwohner
gibt es im 16. Jahrhundert: 1566 wird von einem Verkauf von Rinderhäuten an
einen "Juden zu Bürgel" berichtet. Ende des 16. Jahrhunderts wird in Bonn
und Friedberg ein Rabbi Moses von Bürgel (R.
Mose ben Jisai Josef Bürgel) genannt, der 1575 in Bürgel geboren
sein soll und nach 20-jährigem Wirken in Friedberg am 5. Oktober 1643 gestorben
ist. 1594 werden die Bürgeler Juden Itzig, Abraham und Uhrie in Hanauer Akten
genannt. 1603 wird die Bürgeler jüdische Gemeinde in einer Liste der damals
erhobenen "Türkensteuer" erstmals erwähnt.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Zahl der jüdischen Familien am
Ort zu (Mitte des 17. Jahrhunderts 10 Familien).
Mitte des 18. Jahrhunderts gab es etwa 25 jüdische Familien am
Ort.
Zur jüdischen Gemeinde in Bürgel gehörten (nach den Statuten der jüdischen
Gemeinde Bürgel von 1821) auch die in Mühlheim
am Main und Dietesheim lebenden jüdischen Familien. 1887 bildeten diese eine eigene
Gemeinde (Sitz in Mühlheim).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: um 1800 etwa 40 jüdische Familien, 1828 233 jüdische Einwohner (26,7 %
von insgesamt 871 Einwohnern), 1861 304 (21,0 % von 1.446), 1880 211 (7,8 % von
2.686), 1890 190 (5,8 % von 3.271), 1905 149. Die jüdischen Familienvorsteher
waren als Vieh- und Warenhändler sowie als Metzger tätig. Es gab jedoch auch
jüdische Handwerker (Schreiner, Schuster, Schneider, Schlosser, Portefeuiller).
Bis nach dem Ersten Weltkrieg gab es am Ort das einer jüdischen Familie
gehörende Café Schlesinger "am Maingarten" (Ecke
Schifferstraße/Mainstraße; Gebäude steht nicht mehr; eine Spezialität war
das sog. "Judenplätzchen", ein Gebäck mit Mohn in
Untertassengröße; letzter Inhaber war der Schwiegersohn Schlesingers,
Reinwald).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule,
ein rituelles Bad (1781 genannt) und ein Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt,
der zugleich als Vorsänger und Schochet tätig war. Von mindestens 1835 bis zu
seinem Tod 1854 war
als Lehrer in Bürgel Elias Birkenstein tätig (zuvor Lehrer in Battenberg
und Battenfeld; gest. 5. Januar 1854 in Bürgel). In den Jahren vor 1895 war ein Lehrer Feuchtwanger am Ort.
Letzter Lehrer der Gemeinde war von 1895 bis 1923 Abraham Weinberg (siehe
Bericht unten). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Offenbach am
Main.
Unter den jüdischen Vereinen der Gemeinde ist neben den
Wohltätigkeitsvereinen vor allem der jüdische Gesangverein Concordia zu
nennen. Er wurde 1866 zunächst als Synagogenchorverein gegründet, um "den
Gottesdienst in der Synagoge zu eben". Später nahm der Chor mit weltlichem
Gesang auch an Sängerfesten teil (Fahnenweihe 1868). Der Chorleiter war erst
der Musiker Lerch, danach (bis 1895) der jüdische Lehrer Feuchtwanger, zuletzt
Simon Mayer aus Offenbach.
1899 bildeten den Gemeindevorstand (bereits seit 17 Jahren): Josef Hess,
Emanuel Grünebaum und Benjamin Wolf.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde (von insgesamt 29
jüdischen Kriegsteilnehmern) Hugo Grünebaum
(geb. 24.10.1896 in Bürgel, gef. 5.8.1916), Isidor Metzger (geb. 10.8.1896 in
Schönstadt, gef. 22.4.1915), Adolf Reiß (geb. 18.2.1890 in Bürgel, gef.
10.5.1918), Bernhard Reiß (geb. 16.3.1884 in Bürgel, gef. 1.11.1915), Theodor
Rosenberg (geb. 11.7.1889 in Bürgel, gef. 22.8.1914), Norbert Grünebaum (geb.
23.7.1895 in Bürgel, gef. 21.3.1916) und Theodor Reiß (geb. 24.4.1892 in
Bürgel, gef. 25.9.1918). Zwölf der jüdischen Kriegsteilnehmer wurden
ausgezeichnet (zwei mit Eisernen Kreuzen I. Klasse). 1920 fand eine
Erinnerungsfeier für die Gefallenen der Gemeinde mit einer Rede des Offenbacher
Rabbiners Dr. Max Dienemann statt.
Um 1924, als zur Gemeinde 83 Personen gehörten, waren die Gemeindevorsteher
Julius Katz, Emil Grünebaum, Julius Wolf, Max Grünebaum. Damals gab es vier
schulpflichtige jüdische Kinder am Ort, die ihren Religionsunterricht in
Offenbach durch die dortigen Lehrer Strauß und Kaufmann erhielten.
1933 lebten noch etwa 60 jüdische Personen in Bürgel (in etwa 15 Familien).
In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Nach den Ereignissen beim
Novemberpogrom 1938 haben weitere jüdische Personen den Ort verlassen. 1939
wurden noch 27 jüdische Einwohner gezählt. Von den letzten jüdischen
Einwohnern wurden 1942 wurden drei jüdische Bewohner in das Ghetto
Theresienstadt deportiert, neun weitere Personen in die Vernichtungslager nach
Polen.
Von den in Bürgel geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
unter anderen umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): William Ehrlich (1872),
Else Grünebaum (1890), Helene Grünebaum (1890), Moritz Haas (1862), Lina Hecht
geb. Herrscher (1861), Julius
Horn (1881), Lina Katz geb. Frankfurter (1895), Moritz Katz (1879), Sophie Marx
geb. Wartenberg (1871), Rosa Rosental (1878), Auguste Sänger geb. Grünebaum
(1886), Klara Seel geb. Wolf (1867), Hedwig Stern (1887), Mathilde Stern (1892),
Lehrer Abraham Weinberg
(1863).
Hinweis: Weitere aus Bürgel stammende jüdische Personen werden in den
Listen unter "Offenbach" genannt, da seit 1908 Bürgel als Stadtteil
zu Offenbach gehört.
An weitere ermordete jüdische Personen erinnern seit Februar 2009 einige "Stolpersteine"
in Bürgel: vor dem Haus Offenbacher Straße 7: für das Ehepaar Salomon
und Lilli Reiss mit den vier Töchtern Selma, Bertha, Irene und Gertrude. Alle
sechs wurden deportiert und ermordet; vor dem Haus Sternstraße 12: für
Jenny Steigerwald und die drei Kinder Minna, Max und Julius, die alle vier
ermordet wurden.
Zu den "Stolpersteinen" in Bürgel siehe in der Seite der Stolpersteine
in Offenbach
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Offenbach_am_Main
und in einer Seite
beim "Verein Pro Bürgel".
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Über Lehrer Abraham Weinberg (Lehrer in Bürgel von 1895
bis 1923)
Angaben nach Arnsberg s. Lit. S. 98-99: Abraham
Weinberg ist 1863 in Allendorf a.d.
Lumda geboren. Er war von 1895 bis 1923 Lehrer in Bürgel. Er
unterrichtete auch an der Bürgeler Volksschule. Nach seiner Pensionierung
1923 verzog er nach Offenbach, von wo er mit seiner Frau 1942 deportiert
wurde. Abraham Weinberg ist in Theresienstadt umgekommen. Seine Frau hat
überlebt und wanderte nach 1945 in die USA aus, wo sie 1955 gestorben
ist. |
Hinweis: Sohn von Abraham Weinberg war
Dr. Manfred Weinberg. An ihn erinnert ein "Stolperstein" am
Stadion Bieberer Berg (Bieberer Straße 282, vor dem Fanshop) - Gedenkseite
zu Dr. Manfred Weinberg bei offenbach.de |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Überschwemmung in Bürgel mit drei Toten aus der Familie Grünebaum (1882)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1882:
"In Bürgel bei Offenbach am Main, wo die Überschwemmung
fürchterlich gewütet hat, sind viele Häuser eingestürzt. Auch Verlust
von Menschenleben ist zu beklagen. Die zwei Kinder und das Dienstmädchen
des Schlächters Grünebaum wurden von dem zusammenstürzenden Gebälke
getötet. Die Leichen wurden von den Fluten fortgerissen und erst später
wieder aufgefunden. Die Beerdigung fand unter allgemeiner Teilnahme
statt." |
Die Mühlheimer jüdischen Einwohner bilden eine von Bürgel unabhängige
Gemeinde (1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Dezember 1887:
"Mühlheim, 19. Dezember (1887): Die hiesigen israelitischen
Einwohner, die von jeher eine Filialgemeinde zu Bürgel bildeten, haben,
da dieselben eben zahlreich genug sind, sich von Bürgel getrennt und eine
eigene Gemeinde gebildet. Von der Regierung haben sie die Genehmigung
hierzu erhalten, und wurden in Folge dessen die Herren: M. Rollmann, Fried
und R. Stiefel als Vorsteher gewählt und als solche vom Großherzoglichen
Kreisamt Offenbach verpflichtet.. |
100jähriges Bestehen der Synagoge in Bürgel (1924)
Hinweis: es wurde nicht das 100-jährige Bestehen der
Gemeinde gefeiert, sondern das 100-jährige Bestehen der Synagoge.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1924: "Bürgel
bei Offenbach, 14. April. Die Gemeinde Bürgel am Main wird im Laufe
dieses Sommers noch auf ihr 100jähriges Bestehen zurückblicken. Die
Gemeinde wird diesen Tag festlich begehen. Im Kreise Offenbach
befindlichen sich noch einige israelitische Gemeinden die überhaupt schon
lange bestehen. Die kleine Gemeinde in Heusenstamm wurde gleich nach dem
30jährigen Krieg gegründet, wie das Memorbuch ausweist. Eine alte
Gemeinde ist auch Weiskirchen und ferner
Dietzenbach. Auch in dem
Rodgaugebiete befinden sich noch einige kleine Gemeinden, die sich zum
Teil zum orthodoxen Standpunkte bekennen." |
Übersicht über das Inventar des Archivs der jüdischen
Gemeinde Anfang des 20. Jahrhunderts (1909)
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Die obige
Zusammenstellung "Akten-Inventar der israelitischen Religionsgemeinde
Bürgel am Main" wurde veröffentlicht in den "Mitteilungen des
Gesamtarchivs der deutschen Juden", Jahrgang 1909 S. 66-69.
Zum Lesen bitte die Textabbildungen anklicken. |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Über die Familie des Operettenkomponisten Jacques Offenbach
Nach den Angaben bei Arnsberg S. 99: Aus
Bürgel stammte der Kantor Isaac Eberst (auch Juda Eberscht
genannt; Vorfahren aus der Rhön oder aus Eberstadt), der hier 1779 geboren ist. Er
heiratete ein Mädchen aus der Bürgeler jüdischen Familie Schlesinger. Eberscht
nahm später den Namen Offenbach an; sein Sohn Jacques Offenbach wurde
1819 in Köln geboren; er war der Vetter der damaligen Inhaber des Café
Schlesinger (ehemals Ecke Schifferstraße/Mainstraße) |
Siegmund Grünebaum wird in den Gemeinderat gewählt (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. September 1890: "Bürgel
(Großherzogtum Hessen), 10. September (1890). Dass trotz dem Versuche,
den Antisemitismus durch Hetzblätter hier einzuführen, dies nicht
gelingen wird, beweist das Resultat der gestrigen hier stattgehabten
Ergänzungswahl des Gemeinderats. Unser Glaubensgenosse Herr Siegmund
Grünebaum, Metzger, wurde mit großer Majorität gewählt. Derselbe
erhielt von den vier Gewählten die meisten, nämlich 223 Stimmen. Es ist
dies umso mehr anzuerkennen, da hier nur 30 stimmberechtigte Israeliten
wohnen, die übrigen Wähler sind katholisch und protestantisch. Gustav
Katz." |
Zum Tod von Gabriel Rosenberg (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1891: "Bürgel,
24. Juni (1891). Dieser Tage starb hier im Alter von 94 Jahren Herr
Gabriel Rosenberg. Er war der älteste Mann in unserer Gemeinde und noch
bis vor einigen Monaten so rüstig, dass er täglich nach Frankfurt ging
und sein Trödlergeschäft versah." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
des in Bürgel
geborenen Alfred Rosenberg |
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Kennkarte (Offenbach am
Main) für Alfred Rosenberg (geb. 12. Juni 1864 in Bürgel),
war erblindet; lebte seit 4. April 1939 in Mainz; am 19. September 1942
laut Kennkarteneintrag
verzogen: "unbekannt wohin". Nach dem Gedenkbuch des
Bundesarchivs ist Alfred Rosenberg am 12 Juni 1863
in Offenbach geboren; er wurde am 27. September 1942 in das Ghetto
Theresienstadt deportiert, wo er
am 10. Februar 1943 umgekommen ist. |
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum vorhanden, der sich in
einer Stube im Torturm
(Falltor) der Ortsbefestigung befand.
1824 wurde eine Synagoge an der heutigen Bürgerstraße (damals
Zugang von der Borngasse, seit 1908 Schifferstraße)
erbaut und am 25. Juli 1824 eingeweiht. Zunächst waren für den Bau eines
jüdischeb Bethauses an der Niedergasse zwei Grundstücke vorgesehen, dann wurde
die Synagoge letztlich an der heutigen Bürgerstraße errichtet. 1856 wurde das Gebäude renoviert. Auch nach der
Eingemeindung Bürgels nach Offenbach fanden in der Bürgeler Synagoge
Gottesdienste statt. Im Sommer 1924
konnte das 100-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert werden. Die Synagoge
hatte zuletzt 66 Plätze für Männer und 38 für Frauen.
100-jähriges Bestehen der Synagoge (1924)
Artikel
in der "CV-Zeitung" vom 21. August 1924: "Anlässlich der
Feier des hundertjährigen Bestehens der Synagoge in Bürgel,
einem Stadtteil der Stadt Offenbach, hielten nach der Festpredigt
des Bezirksrabbiners Dr. Dienemann aus Offenbach in der Synagoge
Vertreter der Stadt, der Schulbehörde, der Vorsteher der Gemeinde
Offenbach, der katholische und der evangelische Ortsgeistliche
warmempfundene Ansprachen, die das harmonische Verhältnis priesen, das
stets dort zwischen Juden und Christen herrschte." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge
zerstört. Das Gebäude wurde im Jahr 1939 zwangsweise verkauft. Den Kaufvertrag
unterzeichneten der Kaufmann Leo Grünebaum und der Metzgermeister Salomon
Reiß. 1943 wurde das Synagogengebäude durch eine Luftmine schwer beschädigt. Nach
1945 wurde das Gebäude zu einem privaten Wohnhaus umgebaut.
Die "Truman-Menora": Ursprünglich aus der Synagoge der Gemeinde stammt eine 1767 von dem damals in
Bürgel lebenden jüdischen Ehepaar Leiser Wimpfe und Breinle Wimpfe der
Gemeinde gestiftete Menora (siebenarmiger Leuchter). Sie ist aus Kupfer
hergestellt und sehr kunstvoll gearbeitet. 1913 wurde sie von Dr. Siegfried
Guggenheim (Offenbach, später Flushing, New York) erworben und in Amerika dem
Jewish Museum in New York zur Verfügung gestellt. Dort erwarb sie David Ben Gurion,
als er anlässlich seines Staatsbesuches in den USA ein geeignetes Geschenk für
Präsident Truman suchte und ihm die Menorah am 8. Mai 1951 überreichte.
Adresse/Standort der Synagoge: Bürgerstraße
15
(Hinweis: der Zugang zur Synagoge war früher von der Borngasse aus, die seit
1908 Schifferstraße heißt; genauer war der Zugang über einen schmalen Weg
über das heutige Grundstück Schifferstraße 14; auf Grund des Zugangs war der
Synagoge früher möglicherweise die Adresse Schifferstraße 12 zugeordnet. Die
Bürgerstraße war die ehemalige Klickergasse, später Löwengasse)
Fotos
(Quelle: sw-Fotos um 1970 aus Arnsberg Bilder s. Lit. S.
30, sw-Foto April 1987 aus Altaras s. Lit. 1988 S. 366; die beiden Farbfotos von
2003 aus einer Seite
der Website der Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e.V. )
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge
nach 1945 |
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Erhaltenes Rundbogenfenster
der
ehemaligen Synagoge (um 1970) |
Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge
(April 1987) |
Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge
(links; Foto von 2003) |
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Quelle:
wikimedia commons, Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmäler_in_Offenbach-Bürgel
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Rekonstruktionen der ehemaligen Synagoge
(erstellt von Dominik Mangelmann) |
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Blick von Südwesten,
d.h. von
der Bürgerstraße |
Blick von Südosten; der
Bereich rechts
zwischen dem Haus im Hintergrund
und der Mauer war der alte Zugang von
der Borngasse (heute Schifferstraße) |
Grundriss der Synagoge; die
Bürgerstraße
ist unten auf dem Plan eingetragen |
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Standort des ehemaligen Café
Schlesinger "am Maingarten" - Ecke Schifferstraße |
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Das Café, in dem
auch der Komponist Jacques Offenbach - ein Vetter des damaligen Inhabers
verkehrte, bestand bis nach dem Ersten Weltkrieg. Das Foto rechts zeigt
das Grundstück nach der Neubebauung mit einem Wohnhaus. |
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Die "Truman Menorah" |
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1767 wurde die
Menora durch das Ehepaar Leiser Wimpfe der Gemeinde
Bürgel
beziehungsweise für die Synagoge gestiftet. Seit 1913 war sie im Besitz von
Dr. Siegfried Guggenheim
(Offenbach), der die Menorah später dem Jewish Museum
in New York zur Verfügung
stellte. Anlässlich eines Besuches von David Ben Gurion
in den USA erwarb
dieser die Menorah, um sie am 8. Mai 1951 dem amerikanischen
Präsidenten Harry S. Truman
zum Geschenk zu machen (Foto rechts zeigt von links:
Harry S. Truman,
David Ben Gurion, Abba Eban).
Fotos der Menora
und der Übergabe
aus einer Seite der trumanlibrary.org
Weitere
Seite Foto
der Menora mit Möglichkeit der Vergrößerung zur Ansicht von Details |
Oben: Präsident George W.
Bush bei
einem Empfang zum Chanukka-Fest im
Dezember 2008, bei dem die
Menora
aus Bürgel präsentiert und die erste Kerze
durch Prof. Yariv
Ben-Eliezer, einen
Enkel von David Ben Gurion entzündet wurde.
Bericht
und Foto in ynetnews.com
Film
mit der Präsidentenrede
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
August 2015:
Schwierigkeiten bei der Anbringung
einer Gedenktafel am Haus der ehemaligen Synagoge
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Artikel
von Martin Kuhn in der "Offenbach Post" vom 6. August 2015:
"Unsägliche Geschichte. Hinweis soll an ehemalige Bürgeler
Synagoge erinnern
Bürgel - Den politischen Akteuren selbst ist das jeweilige Unverständnis
der Gegenseite unerklärlich. Alle anderen werten die Diskussion wohl als
übliches politisches Gezänk. Wenn überhaupt. Also nichts Dramatisches.
Und die Sache selbst – in diesem Fall die ehemalige Bürgeler Synagoge – ist
dem größten Teil der Bürger bestenfalls unbekannt. Um was geht’s? Ziel ist
die Bewahrung eines kleinen Teils der Ortsgeschichte, ein Hinweis auf die
ehemalige Synagoge in Bürgel, die im alten Ortskern steht, aber als
Gotteshaus nicht mehr ohne weiteres zu erkennen ist. Die Frage, wie das zu
ändern wäre, ist Grundlage eines längeren politischen Disputs in der
jüngsten Parlamentssitzung. Das Ergebnis überrascht niemanden: Die Koalition
setzt sich durch, die Opposition bleibt zerknirscht zurück. Was vor der
Sommerpause mehrheitlich auf den Weg gebracht ist, hat zunächst wenig
Tiefgang: 'Der Magistrat wird beauftragt, zu prüfen und zu berichten, ob und
in welcher Form (beispielsweise eine Gedenkplatte am Haus, im Boden vor dem
Haus oder eine Stele in unmittelbarer Nähe des Hauses) am Ort der ehemaligen
Bürgeler Synagoge ein Hinweis zu deren Gedenken angebracht werden kann. Der
Eigentümer des Hauses ist in die Prüfung einzubeziehen.' Alles andere wird
leicht unübersichtlich. Fakt ist, dass der Verein Pro Bürgel, bei dem
bekanntlich CDU-Stadtverordneter Michael Maier den Vorsitz führt, schon 2006
mit der jüdischen Gemeinde einen entsprechenden Text formuliert hat. Falls
einmal eine Sanierung ansteht, wollte man den Besitzer bitten, 'dies
anbringen zu dürfen'. Die Union sieht diesen behutsamen Weg durch den
Beschluss konterkariert. Mehr noch: Stadtverordneter Dominik Mangelmann
fürchtet, dass der Bauherr aufgrund von Konflikte mit der Bauaufsicht 'nicht
bereit ist, der Stadt ohne ein Entgegenkommen, welcher Form auch immer,
einen Gefallen zu tun'.
Hintergrund für seine Vermutung: Bei einer (Teil-)Sanierung habe es für den
heutigen Eigentümer 'keine wirkliche Betreuung' seitens der Verwaltung
gegeben. Für den Bau-Ingenieur ein Unding, da er die ehemalige Synagoge von
der Originalsubstanz als 'wohl eine der am besten erhaltenen in der weiteren
Umgebung' einschätzt. Um ihn wieder ins Boot zu holen, wollte die CDU eine
öffentliche Teilförderung für die Außensanierung des zweigeschossigen Hauses
erreichen – vergebens. In der Offenbacher Denkmalmal-Topografie ist die
Geschichte hinterlegt: '1824 wurde die Bürgeler Synagoge mit 66 Männer- und
38 Frauenplätzen errichtet. 1856 Renovierung. Zerstörung der
Inneneinrichtung in der Pogromnacht 1938. Das Gebäude wurde an einen
Lederwarenfabrikanten verkauft und als Lagerraum genutzt (...) 1943
Kriegsschäden am Gebäude und nach 1945 Umbau zu einem Wohnhaus.' Äußerliche
Besonderheit: Reste der einstigen Fenstereinteilung mit rundbogigen Gewänden
an der Westseite. Was Mangelmann besonders aufbringt: Als das Haus jahrelang
zum Verkauf stand, habe die Stadt nicht reagiert.
Die ganze Kritik kann SPD-Parlamentarier Bruno Persichilli nicht
nachvollziehen: 'Unser Antrag ist völlig offen formuliert und lässt
verschiedenste Möglichkeiten zu: Plakette, Stolperstein, Stele...' Der
Antrag sei notwendig, da in der Sache selbst seit Längerem nichts mehr
passiert sei, nachdem ein erster Antrag von 2014 noch zurückgestellt worden
war: 'Und 77 Jahre nach der der Schändung der Synagogen durch die
nationalsozialistische Gewaltherrschaft wird es wirklich Zeit, auf die
Bedeutung der jüdischen Gemeinde in Bürgel hinzuweisen.' Das Angebot, mit
einem Arbeitskreis der Koalition einen interfraktionellen Antrag zu
ermöglichen, sei von der CDU nie beantwortet worden. 'Auch die Offerte, den
CDU-Antrag als Ergänzungsantrag mitzunehmen, wurde abgelehnt', so
Persichilli. Ihm ist unklar, welche Motive die Union bewogen haben, 'auf
einem eigenen Antrag zu bestehen'."
Link zum Artikel |
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Juli 2024:
Auf den Spuren der jüdischen
Geschichte in Bürgel |
Artikel von Frank Sommer in der "Offenbach
Post" vom 13. Juli 2024: "Auf den Spuren jüdischen Lebens in Offenbachs
Stadtteil Bürgel
Der ehemalige stellvertretende Leiter des jüdischen Museums Frankfurt,
Michael Lenarz, hat zur Geschichte der Juden in Bürgel geforscht und
entdeckt, dass die Gemeinde älter ist als angenommen. Die ehemalige Synagoge
wurde vor 200 Jahren eröffnet.
Offenbach – In Bürgel existierte einst eine lebendige jüdische
Gemeinde. Heute erinnert kaum noch etwas daran, dass einst Juden und
Christen Tür an Tür wohnten, sich in Vereinen engagierten. Die Geschichte
der Juden in Bürgel ist sogar älter als bislang bekannt: Die älteste
Erwähnung jüdischer Familien wurde bisher auf das Ende des 16. Jahrhunderts
datiert. Doch Michael Lenarz, ehemaliger stellvertretender Leiter des
Jüdischen Museums Frankfurt, hat in Archiven Quellen studiert und kann
nachweisen, dass jüdisches Leben in Bürgel älter ist.
'Das geistliche Gericht zu Mainz erwähnt 1492, dass es einen nicht näher
genannten ‘Juden zu Bürgel’ gibt', sagt Lenarz. Dieser hatte sich wegen
eines Rechtsstreits mit einem Frankfurter Schullehrer über Perlen im Wert
von 30 Gulden an die Obrigkeit gewandt. 'Wie die Geschichte ausging, ist
leider nicht in den Akten erhalten.'
Einträge in Archiven entdeckt. Die nächste von Lenarz entdeckte
Erwähnung datiert auf 1566 und findet sich in Hanauer Akten: Einem dortigen
Bürger wurden elf Rinderhäute gestohlen und an einen 'Juden zu Bürgel'
verkauft – dieser will gegen Erstattung des Kaufpreises die Häute
zurückgeben. 'Wie er hieß, ist nicht erhalten', sagt Lenarz. Namentlich
erwähnt werden Bürgeler Juden erst 1594: Ein Itzig, Abraham und Uhrie sind
wegen Zahlung der sogenannten Türkensteuer in Hanauer Akten erwähnt. Im
Oktober oder November 1599 klagt der jüdische Metzger Salmon zu Rumpenheim,
dass ihn Bürgeler Juden beim Warenankauf behinderten. 'Die Geschichte der
Juden zu Bürgel ist längst nicht erforscht, in den Archiven warten sicher
noch weitere Entdeckungen', glaubt Lenarz.
Lange geforscht wird im Stadtteil zudem nach dem rituellen Bad, der Mikwe,
der 1824 eröffneten Synagoge: Mehrere Heimatforscher haben sich bisher
vergebens auf die Suche gemacht. Nach Unterlagen des Katasteramts von 1905
lag das kleine Badhaus in der Verlängerung des Bürgerplatzes 3. Aber auf dem
heutigen Grundstück erinnert wohl nichts mehr an die einstige Nutzung.
Synagoge wurde 1824 erbaut. Ganz in der Nähe, wo heute das Wohnhaus
des Grundstücks steht, müssen sich auch das Gemeindehaus und die neue Schule
der jüdischen Gemeinde befundenhaben. Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts
zählte Bürgel 871 Einwohner, davon 233 Juden. Die alte Betstube im
Falltorturm, wohl am nordöstlichen Teil des Dalles, war für die Gemeinde
längst zu klein geworden. So wurden an der Niedergasse zwei Grundstücke für
einen Synagogenbau erworben. Doch letztlich wurde das Bethaus an der
heutigen Bürgerstraße errichtet. Am 25. Juli vor 200 Jahren wurde die
Synagoge eingeweiht.
Bei einem Rundgang am morgigen Sonntag will Lenarz die Teilnehmer rund um
den Dalles zu den Orten führen, wo einst das jüdische Leben in Bürgel
blühte. Die Juden lebten jedoch nicht in einem Ghetto: Christen und Juden
waren direkte Nachbarn in diesem übersichtlichen, kleinen Ort.
Mit dem ehemaligen Café Schlesinger an der Mainstraße/Ecke Schifferstraße
gab es noch einen besonderen Ort in Bürgel, weiß Lenarz zu berichten: Dort
wohnte Sara Schlesinger, Tante des Komponisten Jacques Offenbach. Als der
berühmte Musiker 1862 seine damals 84-jährige Tante besuchte, wurde darüber
in der Offenbacher Zeitung berichtet. Heute ist freilich nichts mehr von dem
Haus zu sehen – wie vieles im einstigen jüdischen Bürgel ist es
untergegangen.
Zum Rundgang zu den Stätten jüdischen Lebens lädt die Max-Dienemamm-/Salomon-Formstecher-Gesellschaft
für Sonntag, 14. Juli, 11.30 bis 13 Uhr, ein. Treffpunkt ist am Dalles, die
Teilnahme ist kostenlos. Auch der jüdische Friedhof im Mainbogen gehört zu
den Stationen, für Kopfbedeckungen (Kippot) für Männer ist gesorgt."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 98-101. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 30. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 176. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 144 (keine weiteren
Informationen). |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S.
366. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 265. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 106-107. |
| Zu dem oben genannten Rabbi Moses von Bürgel (R.
Mose ben Jisai Josef Bürgel), der 1575 in Bürgel geboren sein soll
und nach 20-jährigem Wirken in Friedberg am 5. Oktober 1643 gestorben ist,
siehe Marion Davies: The Bier Family from Deutz - A History. 2023.
Online
eingestellt (230 S.) Section 8 S. 37-41. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Buergel
Hesse. Numbering 233 (26,7 % of the total) in 1828, the community grew to 304
(21 %) in 1861. Isaac Eberst, father of the composer Jacques Offenbach, once
served there as cantor (hazzan). Around 1860, the synagogue adopted a
Reform style of worship (with organ and choir). On Kristallnacht (9-10
November 1938), Nazis destroyed the synagogue's interior and by 1939 most of the
remaining 60 Jews had left. In 1952, a bronze menorah donated to the synagogue
in 1767 was given to U.S. President Harry S. Truman by Israel's Prime Minister
David Ben-Gurion.
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