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Ziegenhain (Stadt
Schwalmstadt, Schwalm-Eder-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Ziegenhain (Stadtrecht seit 1275) bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/40. Bereits im Mittelalter lebten nach Angaben bei "Germania
Judaica" möglicherweise Juden in der Stadt (eventuell schon zweite Hälfte
des 13. Jahrhunderts): vor 1298 soll es zu einer Judenverfolgung gekommen sein.
1349 half ein ehemaliger Jude Johannes Krämer von Ziegenhain beim Verkauf hebräischer
Bücher, die nach der Vernichtung der Frankfurter Juden dort zurückgeblieben
waren. Unbekannt ist, ob Krämer bereits vor seiner Taufe in Ziegenhain ansässig
war.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück.
1612 werden jüdische Einwohner genannt; 1646 gab es zwei jüdische
Haushaltungen in der Stadt. Um 1694 war die herrschaftliche Wollmanufaktur (in
Weichhaus) im Besitz des Juden Joseph Dannenberg.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1825 89, 1827 95 jüdische Einwohner (5,8 % von insgesamt 1.650),
1835 95, 1861 59 (3,9 % von 1.494), 1871 78 (5,4 % von 1.449), 1880 103 (5,9 %
von 1.745), 1885 92 (4,8 % von 1.922), 1895 93 (5,0 % von 1.866), 1905 78 (4,6 %
von 1.707).
1808 werden als Bürger in Ziegenhain aufgenommen: Salomon Wallach,
Salomon Stern, Anschier Docter, Mendel Stern, Isaak Heinemann, Bär Mond,
Benedict Strupp. 1837 werden folgende Familiennamen genannt:
Heinemann, Lieberg (Marcus Lieberg war damals Gemeindevorsteher), Strupp,
Dannenberg, Oppenheim, Stern und Wallach. Die jüdischen Haushaltsvorsteher
waren als Händler, Kaufleute, Viehhändler und als Metzger tätig. Auch gab es
eine jüdische Gastwirtschaft in Ziegenhain.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule
(Religionsschule, 1870 bis 1922 Elementarschule), ein rituelles Bad (im Gebäude
der Synagoge) und ein Friedhof (Gemarkung Niedergrenzebach).
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Um 1867/68 wurden die damals zehn
schulpflichtigen Kinder durch Lehrer Heinemann Plaut unterrichtet. Von
1871 bis 1887 unterrichtete Lehrer Geisel Rothschild an der inzwischen
eingerichteten jüdischen Elementarschule zwischen 19 und 25 Kinder (zuvor war
Geisel Rothschild in Merzhausen tätig). Von 1887
bis 1908 war Philipp Dilloff in Schule und Gemeinde tätig.
Die Gemeinde gehörte zum Provinzialrabbinat Marburg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Jacob Bachrach
(geb. 10.3.1880 in Ziegenhain, vor 1914 in Duisburg wohnhaft, gef. 4.9.1917),
Moritz Baum (geb. 27.7.1883 in Ziegenhain, gef. 10.11.1917), Gefreiter Hermann Höxter
(geb. 8.6.1893 in Ziegenhain, gef. 29.12.1914), Berthold Rosenberg (geb.
25.7.1891 in Ziegenhain, gef. 11.11.1914), Willy Rosenberg (geb. 3.7.1890 in
Ziegenhain, gef. 5.2.1915), Leopold Rothschild (geb. 5.11.1877 in Ziegenhain,
gef. 5.9.1916), Aron Stern (geb. 3.4.1874 in Ziegenhain, gef. 6.10.1918). Die
Gemeinde hatte durch den Krieg 10 % ihrer damaligen Mitglieder verloren. Die
Namen der Gefallenen stehen auf dem Gefallenendenkmal der Gemeinde für die
Gefallenen des Ersten Weltkrieges.
Um 1924, als zur Gemeinde noch 57 Personen gehörten (2,6 % von 2.160),
war Gemeindevorsteher S. Rosenberg. Als Lehrer und Kantor war noch S. David tätig
(von 1908 bis 1924). Er unterrichtete an der Religionsschule der Gemeinde damals
vier Kinder. 1932 waren die Gemeindevorsteher Bermann Heilbrunn (1.
Vors.) und S. Kaufmann (2. Vors.). Lehrer und Schochet war inzwischen Samuel
Heilmann (seit 1925 bis zu seinem Tod 1938, siehe Bericht unten).
Bis nach 1933 bestanden folgende Gewerbebetriebe im Besitz jüdischer
Familien oder Einzelpersonen in Ziegenhain: Hotel und Gasthof Bermann Heilbrunn
(Kasseler Straße 5), Baumaterialien-, Eisenwarenhandlung usw. Meyer Strupp
(Wiederholdstraße 27), Kolonialwarenhandlung usw. Leo Stern (Kasseler Straße
5), Kaufhaus bzw. Manufaktur-, Putz und Moderwarenhandlung Thilo Höxter und
Samuel Höxter (Wiederholdstraße 1), Viehhandlung Heinrich Goldschmidt
(Wiederholdstraße 38), Viehhandlung Gustav Heilbronn (Wiederholdstraße 30),
Viehhandlung Simon Rosenberg, Zigarren- und Tabakhandlung Max Rosenberg
(Kasseler Straße 5).
1933 wurden noch 53 jüdische Einwohner gezählt (2,6 % von 2.019).
Zwischen 1933 und 1939 sind fast alle der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen (38 nach Frankfurt am Main) beziehungsweise ausgewandert.
Sechs der jüdischen Einwohner starben bis 1939 in Ziegenhain. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die damals schon verkaufte Synagoge verwüstet, die beiden noch
bestehenden jüdischen Geschäfte und die jüdischen Wohnungen demoliert sowie
jüdische Einwohner misshandelt (insbesondere Mitglieder der Familie des
Viehhändlers Sally Kaufmann, Kasseler Straße 24 und der Familie Karl Kaufmann,
Kasseler Straße 23). Im April 1939
verzogen die letzten jüdischen Personen aus der Stadt. Vier konnten in die USA
auswandern, drei nach Amsterdam, eine Person nach Portugal.
Von den in Ziegenhain geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hermann Bachrach
(1880), Ida Baum geb. Nussbaum (1899), Julius Baum (1892), Josef Braun (1925), Bernhard Dannenberg (1877), Emma
Dannenberg geb. Nussbaum (1869), Frieda Dannenberg geb. Heilbrunn (1879), Paula
Dannenberg (1888), Isidor Goldschmidt (1879), Sally Goldschmidt (1885), Rosa
Sara Hiersteiner geb. Höxter (1885), Amalie Kaschmann geb. Kaufmann (1871),
Karl Kaufmann (1874), Kurt Kaufmann (1908), Martha Kaufmann geb. Wachtel (1885),
Sally Kaufmann (1879), Rebecka Friederike Moses (1870), Frieda Rosenberg geb.
Katzenstein (1885), Marianne Rosenberg (1925), Walter Rosenberg (1926), Emilie
Rothschild (1885), Karoline Rothschild (1885), Paula Rothschild (1879), Auguste
Schaumberg geb. Goldschmied (1877), Ursula (Ursel) Schloss geb. Kaufmann (1919),
Karola Spier (1909), Auguste Stern (1873), Benjamin Stern (1862), Jakob Stiefel
(1893), Rosa Strauß geb. Katz-Stiefel (1899), Friedrich Salomo Wallach (1866),
Elisabeth (Lisbeth) Weiss geb. Kaufmann (1913), Martin Wertheim (1927), Erna
Wolffberg geb. Strupp
(1912).
Das 1939 in Ziegenhain angelegte Kriegsgefangenenlager STALAG IX A Ziegenhain,
das nach Kriegsende zunächst Gefangenenlager der US-Army verwendet wurde, ist
nach seiner Auflösung im Sommer 1946 zu dem DP-Lager 95-443 Ziegenhain
umgebaut worden. Hier wurden bis zu 2.000 jüdische Displaced Persons aus
osteuropäischen Ländern (darunter viele Überlebende von KZs) untergebracht,
die auf ihre Weiterreise nach Nordamerika oder nach Palästina warteten. Ende
November 1947 wurde das Lager wieder aufgelöst. Auf dem Grundstück wurde -
zunächst durch Unterbringung von "Flüchtlingsfamilien" in den
1950er-Jahren die Gemeinde Trutzhain angelegt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1887 /
1924
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Februar 1887: "Die
israelitische Elementarlehrerstelle zu Ziegenhain kommt zum 1. April
dieses Jahres durch Pensionierung des derzeitigen Stelleninhabers zur
Erledigung. Das Einkommen derselben beträgt einschließlich freier
Wohnung und Heizung jährlich 900 Mark. Bewerber werden aufgefordert, ihre
Meldungsgesuche unter Beifügung der Prüfungs- und Führungszeugnisse
innerhalb 4 Wochen bei uns einzureichen. Israelitisches Vorsteheramt. Dr.
Munk." |
|
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1924:
"Auf sofort
wird von unserer Gemeinde ein
Religionslehrer, Schochet nebst Vorbeter
gesucht. Der Anzustellende darf pensioniert oder abgebauter Lehrer sein.
Schöne Dienstwohnung und Garten frei. Gehalt nach Übereinkunft. Meldung
an den
Vorstand Simon Rosenberg,
Ziegenhain, Regierungsbezirk
Kassel." |
Über Lehrer Philipp Dilloff (Lehrer in Ziegenhain von 1887 bis
1908)
(zusammengestellt auf Grund der Recherchen von Heidemarie Kugler-Weiemann,
Lübeck; mitgeteilt am 25.5.2013)
Lehrer Philipp Dilloff ist am 18. Dezember
1863 in Frankenberg als Sohn von
Loeb Dilloff und der Fanny (Frommet) geb. Teisebach (Deisebach, Theisebach)
geboren. Nach seinem Schulbesuch ließ er sich am Lehrerseminar in Köln
und Büren ausbilden. 1887 bewarb er sich auf die Stelle in Ziegenhain
(Ausschreibung siehe oben). Er bekam die Stelle und zog nach Ziegenhain,
wo er im Haus Kasseler Straße 28 lebte. Er heiratete Veilchen geb. Stern,
geb. 1871 in Salmünster. Das
Ehepaar hatte eine Tochter Elsa (geb. 1893 in Ziegenhain), eventuell noch
weitere Kinder. Philipp Dilloff blieb bis 1908 in Ziegenhain, danach wurde
er Lehrer in Melsungen, wo er bis zu
seinem Ruhestand 1923 geblieben ist. 1925 verzogen Beilchen und Philipp
Dillof nach Riga, wo ihr Schwiegersohn Ludolph (Ludwig) Häusler - von
Beruf Rechtsanwalt - für einen schwedischen Finanzkonzern tätig war.
1927 verzog die ganze Familie nach Lübeck. Veilchen Dillof verstarb
bereits im Mai 1932 und wurde im jüdischen Friedhof in Moisling
beigesetzt. Philipp Dilloff blieb in der NS-Zeit in Lübeck. Am 19. Juli
1942 wurde er über Hamburg in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von
dort im September 1942 nach Treblinka, wo er ermordet
wurde. |
Lehrer Salomon David kommt nach Ziegenhain (1908)
Lehrer Salomon David war Nachfolger von Lehrer Philipp Dilloff.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1908: "Hofgeismar,
17. August. Nach Versetzung der Herren Lehrer David in Hofgeismar nach
Ziegenhain und Plaut in Rodenberg (Kreis Rinteln) nach Meerholz sind die
israelitischen Schulen in Hofgeismar und Rodenberg wegen allzu geringer
Schülerzahl vom 1. Oktober an aufgelöst." |
Zum Tod von Lehrers Salomon David (1930 in Kassel, war
seit 1908 Lehrer in Ziegenhain)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 2. Mai 1930: "Lehrer S. David. Am
Dienst dieser Woche verschied hier (sc. in Kassel) der pensionierte Lehrer
Salomon David nach längerem, schweren Leiden im 71. Lebensjahr. Geboren
in Röhrenfurth, erhielt er seine Ausbildung in Malsfeld
bei dem frommen und gelehrten Privatmann Bensew, dessen Vorbild ihn stets
leitete. Nach Absolvierung des hiesigen Lehrerseminars war der Verstorbene
in Jesberg, Hofgeismar
und Ziegenhain tätig. Seine in sich geschlossene ruhige Natur und
seine streng religiöse Lebensführung verschafften ihm Anerkennung bei
seinen Mitbürgern und Behörden. Seinen Sarg umstanden viele Lehrer und
Freunde. Still wie er gelebt, wurde er zu Grabe geleitet. Secher zadik
livrocho - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen." |
Neujahrsgrüße von Lehrer Samuel Heilmann (1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1928:
"Lehrer S. Heilmann,
Ziegenhain, (Bezirk Kassel)
wünscht Verwandten, Freunden und Bekannten
Gmar chatima towa ('Gute Endbesiegelung')". |
Zum Tod von Lehrer und Kantor Samuel Heilmann (1938)
Lehrer Samuel Heilmann war seit 1925 Nachfolger von Lehrer
Salomon David; allerdings war er nur als Religionslehrer, nicht mehr als
Elementarlehrer tätig (die Elementarschule war 1922 aufgelöst worden)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. April 1938: "Ziegenhain, 25. April
(1938). Nach Ausgang der ersten Pessachtage wurde der verdiente und
allbeliebte Lehrer und Kantor unserer Gemeinde und der Gemeinden des
Bezirkes Samuel Heilmann im Alter von bald 73 Jahren abberufen. Man kann
von Samuel Heilmann sagen, dass er buchstäblich sein ganzes Leben, von frühester
Jugend an, dem Lernen und dem Lehren, dem Dienste an Gemeinde und
Gemeinschaft durch treue ‚Arbeit für
den Himmel’ gewidmet hat. Aus einem Toramilieu bei Kalisch in Polen
stammend, ausgerüstet mit reichem jüdischem Quellenwissen, kam Heilmann
in jungen Jahren nach Deutschland und wirkte über 45 Jahre lang
ununterbrochen in verschiedenen Gemeinden als treuer Künder des
Gotteswortes in Religionsschule wie am Omud; in den letzten 13 Jahren als
Kultusbeamter mehrerer Kleingemeinden mit dem Sitze in Ziegenhain. Wie er
in der Schule seine Kraft darein setzte, die Jugend mit Torageist und
Gottesfurcht zu durchdringen, so konnte er am Vorbeterpult
mit seiner aus Innigkeit und Freudigkeit kommenden schönen Stimme
die Beter zur tiefen Andacht hinreißen. Er genoss das Vertrauen seiner
vorgesetzten Rabbinate und war der väterliche Freund aller
Gemeindemitglieder. Die ganze Liebe seines Herzens gehörte der ebenbürtigen
Gattin, den Kindern und Enkeln (eine Tochter ist mit dem in Frankfurt
bekannten Talmudlehrer Herrn Ch. Lieverhand verheiratet). Durch seine
Kinder fühlte er sich auch mit der Israelitischen Religionsgesellschaft
in Frankfurt verbunden, auf deren Friedhof er nun auch am Halbfeiertag
(des Pessachfester) unter großer Beteiligung zur letzten Ruhe gebettet
wurde. – Im Trauerhause in Ziegenhain würdigte Herr Provinzialrabbiner
Dr. Peritz, Marburg, die Persönlichkeit und Wirksamkeit des
Heimgegangenen in herzlichen, ehrenden Worten. Möge das Verdienst
des so verdienten Mannes den Seinen beistehen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Gründung einer Ortsgruppe des Verbandes der Sabbatfreunde (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. Juni 1906:
"Treysa. Ortsgruppen-Gründung.
Am 4. dieses Monats wurde hier durch Herrn Dr. Schlesinger - Marburg eine Ortsgruppe
des Verbandes der Sabbatfreunde gegründet. Zum Vorstande wurden die
Herren Levi Katz (Vorsitzender), Strupp I. und Lewinsky gewählt.
Auch in Ziegenhain und in Kirchhain
gründete Herr Dr. Schlesinger eine Ortsgruppe." |
Gründung eines israelitischen Frauenvereins (1912)
Artikel im
"Israelitischen Familienblatt" vom 8. März 1912: "Ziegenhain. Am
vergangenen Mittwoch ist hier ein Frauenverein gegründet worden. Sämtliche
Frauen unserer Gemeinde sowie zwei auswärtige sind demselben sofort
beigetreten. Die Verwaltung liegt in den Händen der Vorsteherin Frau Höxter
und Frau Anhalt. Kassiererin ist Frau David. Vereinsversammlungen sollen
vorerst alle Vierteljahr stattfinden." |
Spenden der Israelitischen Gemeinde für das Rote Kreis
und eine Hilfsaktion (1914)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. September 1914: "Ziegenhain.
Die israelitische Gemeinde bewilligte 150 Mark für das Rote Kreuz und 50
Mark für eine vom Provinzialrabbinate zu Marburg ins Leben gerufene
Hilfsaktion; außerdem die während des Krieges einkommenden
Schrodergelder für diese Zwecke." |
Chanukka-Feier des jüdischen Frauenvereins (1930/31)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 16. Januar 1931: "Ziegenhain. Der
jüdische Frauenverein veranstaltete dieser Tage eine Chanukkafeier, die
dank der Tätigkeit des Gesamtvorstandes als wohlgelungen zu bezeichnen
ist. Im Vordergrund der Veranstaltung lag nebst einer Ansprache des Herrn
Lehrer Heilmann und darauffolgenden Gedichtvorträgen der Kinder, eine
Verlosung und amerikanische Versteigerung, aus deren Reinertrag den
Ortsarmen der Stadt eine beträchtliche Summe überwiesen werden konnte.
Nachher verlebten die Mitglieder nebst geladenen Gästen bei einer Tasse
Kaffee und durch verschiedene Ansprachen und Vorträge einige gemütliche
Stunden. Wir hoffen, dass dieser schönen Veranstaltung weitere folgen,
mit dem Wunsche, dass die Tätigkeit des Vereins von weiteren Erfolgen
gekrönt wird."
|
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Elias Blum aus Frielendorf (Bericht von 1885)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1885: "In der 2. Beilage Nr.
54 Ihres geschätzten Blattes bringen Sie einen Bericht aus Pest über die
Auffindung der Leichenteile des Kindes eines Bauers in Sajo-Bamos und über
die in dem offiziellen berichte des Miskolezer Staatsanwaltes
ausgesprochene Vermutung, dass das Kind in eine sumpfige Stelle der
betreffenden Wiese geraten und dadurch umgekommen sei. Bei dem Lesen
dieser Nachricht kam mir ein vor 30 Jahren stattgefundenes Ereignis in
Erinnerung, welches sich einige Stunden von meinem damaligen Wohnorte
zugetragen hat, und welches zeigt, wie leicht dergleichen, und das nicht
bloß bei einem Kinde, sich ereignen kann. In der Provinz Hessen-Nassau,
im Kreise Ziegenhain, liegt der Marktflecken Frielendorf. Ein Israelit aus
diesem Orte, namens Elias Blum, ein sehr braver, angesehener Mann, Pferdehändler,
kräftig gebaut und wohl in der Mitte der fünfziger Jahre stehen, ging
geschäftehalber an einem Spätherbsttage nach der 3 Stunden weit
entfernten Stadt Treysa. Hier wurde er geschäftlich bis zu später
Nachmittagsstunde aufgehalten und trat dann den Rückweg nach Hause an.
Sein Weg führte über Ziegenhain. Zwischen Treysa und Ziegenhain befindet
sich ein ¾ Stunden langes Wiesental, durch welches ein Fußweg führt,
der die Strecke abkürzt. Diesen Weg schlug Elias Blum ein. Es war sehr stürmisches
Wetter und die Luft war trüb und feucht, sodass die herannahende Nacht frühe
Dunkelheit brachte. Dieses möchte die Ursache sein, dass Blum vom Fußpfade
abkam und in die Wiesen geriet. Abseits des Fußpfades haben diese Wiesen
sumpfige Stellen, welche nach längerem Regen nicht passierbar sind. Ganz
nahe bei der Stadt Ziegenhain geriet der unglückliche Blum an eine solche
Stelle und versank mit dem ganzen Körper in dieselbe. Er möchte wohl um
Hilfe gerufen haben, seine Stimme aber vom Sturm übertönt worden sein.
Als E. Blum an diesem Abende und am folgenden Tage nicht nach Hause kam,
bemächtigten sich begreiflicherweise Angst und Unruhe seiner Familie.
Wochen-, ja monatelang wurde die ganze Gegend ausgeforscht und jedes Wässerchen
durchsucht; aber vergebens. Unterdessen war der Winter eingetreten und
hatte über Feld und Wiesen eine Schneedecke ausgebreitet. Als diese im Frühjahr
geschwunden, der Erdboden wieder abgetrocknet war, und die Wiesenbesitzer
mit der Reinigung der Wiesen begannen, fiel den Arbeitern an einer abseits
liegenden sumpfigen Stelle ein dunkler, aus dem Sumpfe emporragender
Gegenstand auf, der einem Menschenkopfe ähnlich sah. Möglich auch, dass
diesen umflatternde Raben ihre Aufmerksamkeit auf diesen Punkte gelenkt
hatten. Sie wagten sich näher, und, siehe da! Hier steckt der Körper des
unglücklichen Blum bis am Kopfe im Sumpfe. Die Familie wurde
benachrichtigt, der Körper glücklich herausgezogen und auf dem
israelitischen Totenhofe beerdigt." |
Zum Tod von Meyer Strupp (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck"
vom 24. Juni 1927: "Ziegenhain. Am letzten Freitag starb
plötzlich und unerwartet Herr Meyer Strupp an einem Herzschlag. Er
war wohl längere Zeit krank, aber schon seit einigen Wochen auf dem Wege
der Besserung. Ein großer Teil der Ziegenhainer Bürgerschaft folgte seiner
Leiche, ein Beweis, welches Ansehen Herr Meyer Strupp in der Stadt genoss.
Ganz besonders ehrte ihn der Kriegerverein, der in großer Zahl mit
Vorantritt der Fahne und einer Musikkapelle den Kameraden Strupp zur
letzten Ruhe geleitete. Herr Lehrer Heilmann hielt die Grabrede, in der er
hervorhob, welch lauterer Mann der erst 54-jährige Verstorbene gewesen
ist. Mit ihm verliert die israelitische Gemeinde leider wieder einen Mann,
der bestrebt war, die alten Traditionen unserer Gemeinschaft hochzuhalten.
W." |
70. Geburtstag von Therese Heilbrunn geb. Stern (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck"
vom 19. Juni 1931: "Ziegenhain. Frau Therese Heilbrunn
geb. Stern, Ziegenhain, feiert am 21. Juni ihren 70. Geburtstag. Sie
ist Mitbegründerin des hiesigen Frauenvereins, dem sie seit fünf Jahren
als erste Vorsitzende vorsteht. Bei der Erfüllung der dem Verein
obliegenden Pflichten geht sie stets als leuchtendes Vorbild voran voran.
Möge sie noch recht lange Jahre zum Segen des Vereins walten. Durch ihr
bescheidenes Wesen sowie lauteren Charakter erfreut sie sich auch nach
außen allgemeiner Schätzung und großer Beliebtheit." |
Zum Tod von Leo Stern (1938 in Frankfurt am Main)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. März 1938: "Leo
Stern - er ruhe in Frieden -. Nach halbjähriger Tätigkeit als
Hausverwalter der Toralehranstalt Jeschiwa wurde Leo Stern nach kurzer
Krankheit im Alter von erst 54 Jahren abberufen, betrauert von Frau und
zwei Söhnen, einer greisen Mutter, mehreren Geschwistern, nicht minder
aber auch von der Verwaltung der Toralehranstalt, die in Leo Stern einen
Mann ihres strikten Vertrauens, einen Mann der Pflicht und der Treue
hatte. In der preußischen Rhöngemeinde Züntersbach
- die früher einen zähen Stamm von echten, treuen Jehudim hervorgebracht
hat und auch die Bausteine für andere blühende Gemeinden, so für Brückenau, geliefert hat - geboren und im Hause frommer Eltern erzogen,
ging Leo Stern in jungen Jahren in die Welt hinaus und blieb sich in allen
Lagen des Lebens treu, treu den frommen Traditionen der Ahnen wie der
heimatlichen Dorfgemeinde. An der Seite einer ebenbürtigen Gattin, im
Kreise aufblühender Kinder, führte er über zwei Jahrzehnte ein gutes
jüdisches Haus in Ziegenhain bei Kassel. Durch der Zeiten Wandlung
sah er sich veranlasst, mit Familie nach Frankfurt am Main zu
übersiedeln, wo er seinen Posten an der Toralehranstalt antrat. Es war
bewundernswert, wie rasch sich dieser Mann der Arbeit und Pflicht mit
Hilfe der Gattin in die neue Aufgabe hineinfand, mit welchem Eifer und
welcher Liebe er seine ganze Kraft in den Dienst der neuen Lebensarbeit
stellte. Rasch hatte er das Vertrauen Aller vom Rosch Jeschiwa (Vorstand
der Jeschiwa) bis zum jüngsten Jünger. Just zur Zeit, da wir erst
anfinden, ihn ganz nach seinem vollen Werte zu schätzen, verlieren wir
ihn. Die Toralehranstalt Jeschiwa wird ihrem treuen Beamten, der trotz der
kurzen Zeit mit ihr ganz verwachsen schien, ein ewiges Andenken
bewahren.
Im Namen der Familie würdigte beim Ausgang der Trauerwoche Herr Redakteur
Schachnowitz in Gegenwart aller Dozenten und Bachurim wie einiger
Mitglieder des Kuratoriums die treuen Dienste und die Verdienste des
Heimgegangenen und sprach auch letzten Dank im Namen der Verwaltung aus.
Möge sein Verdienst der Gattin, beiden Söhnen, der greisen Mutter wie
der weiten Familie beistehen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen
Lehrlingssuche für den Sohn von J. S. Wallach (1882)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juni 1882: "Für meinen Sohn suche
ich eine Lehrlingsstelle per 1. Oktober dieses Jahres oder früher in
einem Manufakturwarengeschäft en gros oder en détail. Derselbe wird im
Juli 16 Jahre alt und verlässt im August dieses Jahres eine Realschule
mit Berechtigung zum einjährigen freiwilligen Militärdienst. Ziegenhain,
Regierungsbezirk Kassel. J.S. Wallach." |
Lehrlingssuche der Kolonial- und Eisenwaren-Handlung M. & J. Strupp (1891)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juli 1891: "Wir suchen für unsere
Manufaktur-, Kolonial- und Eisenwarenhandlung einen Lehrling.
Eintritt am 1. August. Ziegenhain, den 5. Juli 1891. M. & J. Strupp". |
Anzeige von Hermann Bachrach (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1903: "Suche
jüngeren Commis der Eisenbranche als Buchhalter und Lagerist. Samstags
und Feiertage geschlossen. Hermann Bachrach. Ziegenhain
(Hessen)." |
Anzeigen zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers,
Bankier Liebmann Spier (1918)
(Quelle: aus H. Bambery usw. [Hrsg.] Heimatvertrieben Nachbarn. Band
II S. 424)
|
|
|
Anzeige der Familie: von Sohn
Julius Spier mit
Frau Anny geb. Bonnem und 4 Enkelkindern sowie
der
Hausdame Fräulein Johanna Löwenstein. |
Anzeige der Domäne Schafhof,
wo
Liebmann Spier auch als "Reisender"
tätig war. |
Anzeige der Israelitischen
Gemeinde Ziegenhain, im Auftrag von N. Anhalt
unterzeichnet. |
Leo Stern sucht einen Lehrling
(1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1922: Zu Ostern Lehrling
aus gutem Hause für mein Manufaktur- und Lebensmittelgeschäft bei freier
Station gesucht. Samstag geschlossen. Leo Stern, Ziegenhain, Bezirk
Kassel." |
Zur Geschichte der Synagoge
Bis zum Bau einer Synagoge um 1840 wurden
die Gottesdienste in einem Betraum eines jüdischen Privathauses abgehalten.
1828 war dieser jedoch in völlig unzureichendem Zustand und sollte geschlossen
werden. Der Neubau bereitete jedoch für die allesamt in armseligen
Verhältnissen lebenden jüdischen Familien eine erhebliche Belastung. Zunächst
plante man, die Synagoge in der Nähe des christlichen
Friedhofs zu erstellen, was jedoch in der Stadtverwaltung auf Ablehnung stieß. 1837
stellte die jüdische Gemeinde den Antrag auf Genehmigung des Baus einer
Synagoge mit Schule, Lehrerwohnung und Bad als Anbau an ein bestehendes, kurz
zuvor erbautes Wohnhaus (Herbst'sches Haus). Doch dauerte es noch über ein
Jahrzehnt, bis mit dem Bau begonnen werden konnte. Erst 1852/53 wurde die
Synagoge erstellt und im Juni 1853 eingeweiht.
Das zum Synagogenbau aufgenommene Darlehen musste über jährliche Raten
abgezahlt werden, was nicht immer gelang: 1855 stellte der Gemeindevorsteher bei
der Regierung einen Beihilfeantrag, da damals die Rate nicht aufgebracht werden
konnte.
Beim Synagogengebäude handelte es sich um einen zweigeschossigen Fachwerkbau
mit einem Walmdach mit First quer zum Straßenzug.
Im Juni 1903 konnte die jüdische Gemeinde nach einer umfassenden
Renovierung des Gebäudes feierlich das fünfzigjährige Bestehen der
Synagoge begehen. Darüber liegen folgende Berichte vor:
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 19. Juni 1903:
"Treysa, 8. Juni (1903). Am 21. dieses Monats feiert die
israelitische Gemeinde zu Ziegenhain das fünfzigjährige Jubiläum ihrer
Synagoge durch Festgottesdienst, Konzert und Ball." |
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. Juni 1903:
"Das fünfzigjährige Jubiläum der Synagoge zu Ziegenhain,
Regierungsbezirk Kassel, am 21. Juni 1903. Von Lehrer Höxter,
Jesberg. Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens oben
genannten Gotteshauses hatte die Gemeinde zu Ziegenhain beschlossen, die
Wiederkehr des Tages würdig zu begehen, das Jubelkind, das heilige
Gotteshaus dementsprechend in ein neues Gewand zu werfen, hatte doch dazu
eine Familie Stern* im fernen Amerika, Ziegenhain entstammend, einen
namhaften Betrag gespendet. Die Vorbereitungen für den Festtag hatten den
gewünschten Erfolg und bald eine große Anzahl Festteilnehmer herangerufen. Unentgeltliche Eintrittskarten, eine Vorsichtsmaßregel, die
der Überfüllung vorbeugte, verschafften dem Besucher der aufs
prächtigste geschmückten Synagoge herrliche Stunden. |
Punkt
3 Uhr, nachdem Herr Landrat von Schwertzel, der Magistrat und sämtlich
Stadtverordnete, viele Beamte und Bürger, eingetreten waren, begann ein
Präludium der Lange'schen Kapelle unter Dirigie des Herrn Lehrer Strauß,
der mit dem Synagogenchor zu Marburg erschienen war. Es folgte 2) Psalm
113, Gemeindegesang. 3) Psalm 116, Vers 12-19 und Psalm 117. Vorbeter
(Herr Lehrer Strauß - Marburg) und Chor. Nachdem die Klänge des Haudu in
der Chanukkamelodie vorgetragen, verrauscht, bestieg Seine Ehrwürden Herr
Provinzialrabbiner Dr. Munk - Marburg die Kanzel, um in meisterhafter nach
Form und Inhalt gleich bedeutender Weise die Festpredigt zu halten.
Chanukkaklänge, so führte Redner aus, waren es, die Ihr eben vernommen,
ein Chanukkafest ist es, welches heute die Gemeinde Ziegenhain begeht,
aber im Gegensatz zu jenen tapferen Makkabäern, die den Tempel zu
Jerusalem, nachdem er Dezennien hindurch in heidnischem Besitz gewesen,
wieder aufs Neue einweihten. Ein fünfzigjähriges Jubiläum, eine
Restaurierung gab hier den Anlass zu dem Feste. So ziemt es sich, einen
Blick in die Vergangenheit und Zukunft zu werfen. Am heutigen Tage steigt
das Bild Eurer Eltern vor Euerem geistigen Auge auf, wie sie Euch als
kleine Kinder mit hier hergenommen, wie Ihr als Barmizwa in die Glieder
der Gemeinde eingereiht wurdet. Hier ist die Stätte, wo Gott Lob, Preis
und Dank wird, es ist das Bes hakjneses (Versammlungshaus) in Tagen
der Freude, wie der Trauer. Hier ist die Stätte, wo Euch gelehrt wird:
'Du sollst lieben Deinen Nächsten wie Dich selbst', wo Dir gesagt wird:
'Die dich drücken sollst Du nicht wieder drücken', 'Du sollst lieben den
Fremdling, denjenigen, bei dem Du als Fremdling betrachtet wirst, in
Deinem Vaterlande,' 'Du sollst kein zweierlei Maß haben denjenigen
gegenüber, die bei Dir zweierlei Maß anwenden,' hier ist wo Euch
Eintracht, Friede, Verträglichkeit, Einigkeit gelehrt wird, die flüchtigen
Stunden des Gebetes sind nichts: gleich dem Baum, der Blüte, dem Strom,
der die Auen tränkt, gleich dem Gesang des Vogels, dem Planetenheer, die
das Lob des Schöpfers verkünden, seid auch Ihr dazu berufen, den
Gottesgedanken, den Ihr hier empfanget, hinauszutragen. Auf Deinem Wandel
begleite sie Dich die Lehre, auf jedem Schritt und Tritt, wenn Du sitzest
in deinem Hause, wenn Du gehest auf dem Wege, wenn Du Dich niederlegst und
wiederaufstehest; die Fenster im Tempel zu Jerusalem waren von innen
klein, von außen groß, damit das Licht, das von innen kommt, sich
drau0ßen verbreite, das sei auch Dir ein Symbol, das Licht, die Lehren,
die Du hier empfängst, die sollst Du hinaustragen auf den Markt des
Lebens, dass sie sich hier verbreiten zum Wohle der Menschheit, so
erfüllst Du Deine Aufgabe als Sendbote der
Göttlichkeit.
Das waren nur einzelne Gedanken einer von Herzen kommenden und zu Herzen
gehenden Rede, das waren Worte, die umso mehr Dank und Anerkennung
verdienen, als sie den Wert und den Nutzen so mancher in den Tagen des
Wahlkampfes gehaltenen Reden, die vom starren Egoismus diktiert, so recht
zu kennzeichnen wissen. Ich glaube, dass der Hörer der Munk'schen Rede
unwillkürlich diese Parallele gezogen hat. Zum Schluss erflehte der
Redner Gottes Segen über die Gemeinde und alle ihre Institutionen, über
die, die zur Verherrlichung des Gotteshauses beigetragen, über den
Vertreter der Königlichen Regierung, die Stadtbehörde, über alle
Glieder der Menschheit. (Eine diesbezügliche Anregung, dass der Herr
Redner eine Rede, die verdient, die weiteste Verbreitung zu finden, dem
Drucke übergibt, dürfte wohl genügen.)
Nun folgt 5) Psalm 24, Vers 7-10, dann 6) Gebet für den Landesvater durch
Herrn Lehrer Dillof vorgetragen, zu 7) als Schlussgesang die Keduschah,
von Herrn Strauß und dem Synagogenchor meisterhaft vorgetragen, auf alle
Zuhörer überwältigend einwirkend. Nach dem Gottesdienst fand bis 7 Uhr
Konzert statt, und damit auch die Jugend zu ihrem Rechte kam, um 9 Uhr
abends Ball. Alle Besucher des schönen Festes haben schöne Stunden
verlebt, wozu aber am meisten der Synagogenchor zu Marburg und sein
bewährter Dirigent beigetragen haben, die unentgeltlich ihre Kraft in den
Dienst der guten Sache gestellt haben. An dieser Stelle sei Allen nochmals
herzlichster Dank." |
Anmerkung: zu der Familie Stern
im fernen Amerika siehe:
https://en.wikipedia.org/wiki/Stern's: Isaac, Louis und Benjamin Stern
aus der jüdischen Familie Stern in Ziegenhain, gründeten 1867 die Firma
"Stern Brothers' Department Store" in Buffalo, New York, hierzu weitere
Informationen über den genannten Wikipedia-Artikel sowie
http://www.thedepartmentstoremuseum.org/2010/07/stern-brothers-new-york-city-new-york.html
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Bis nach 1933 war die Synagoge Mittelpunkt des
jüdischen Gemeindelebens in Ziegenhain. Auf Grund der nach 1933 schnell
zurückgehenden Zahl der Gemeindeglieder wurde das Gebäude bereits vor 1938 an
eine christliche Familie verkauft. Dennoch wurde es beim Novemberpogrom 1938
durch SA- und NSDAP-Leute, die sich maskiert hatten, verwüstet. Die Torarollen
wurden gestohlen. Nach dem Einmarsch der US-amerikanischen Truppen fand der
damalige Pfarrer Paulus eine der Torarollen im Wallgraben. Er schenkte sie
später mit drei anderen Torarollen an ungarische Jüdinnen, die im DP-Lager Ziegenhain untergebracht waren.
Abbildung (Scan erhalten von Christian Wachter): Notiz des evangelischen Pfarrers Julius Paulus vom 23. September
1945: "Diese Thora wurde am 3. April 1945 aus dem Wallgraben der Festung
Ziegenhain nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen herausgeholt und
geborgen. Sie wurde mit 3 anderen Rollen Frau Hilda Popper, Dr. Edith Popper,
Roszi Aurora und Serafine Hermann übergeben.
Himmel und Erde werden vergehen [Mark. 13,31, Mat. 24,35 Lukas 21,33] Aber
Gottes Wort bleibt in Ewigkeit.
Ziegenhain, Bezirk Kassel 23.IX.1945
Julius Paulus ev. Pfarrer."
Adresse/Standort der Synagoge: Kasseler
Straße 28 (ehemalige Obergasse)
Fotos
(Quelle: Rekonstruktionszeichnungen aus Altaras s.Lit. 1988 S. 11.62 und 1994 S. 61; neuere
Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 14.9.2008)
Risszeichnung und
Grundstein
(Abbildungen erhalten über Christian Wachter) |
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Risszeichnung / Entwurf für
die Synagoge
(Quelle: LAGIS, siehe bei Links unten) |
Der Grundstein, stark
verwittert, bei
Renovierungsarbeiten ausgebaut (Foto: Gestmann) |
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Das Gebäude der
ehemaligen
Synagoge in den 1980er-Jahren |
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Gebäude der ehemaligen
Synagoge -
zur Straße gelegenes, um 1835 erbautes
Wohnhaus mit
Lehrerwohnung,
Schulraum und rituellem Bad (vgl. Plan oben). |
Die Aufnahme zeigt
rechts das um 1835
zunächst erbaute Wohnhaus und den Anbau
der ehemaligen
Synagoge mit Empore.
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Pläne mit Eintragung des
rituellen Bades und der Schulstube im Erdgeschoss |
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Rekonstruktionszeichnung
des Synagogengebäudes (Vorbau mit Schulstube und rituellem Bad,
darüber
die Wohnung des Lehrers; Synagogenraum mit Betsaal und Empore) |
Grundrisszeichnung Vorderhaus
mit
Schulstube und rituellem Bad |
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Das Gebäude
der ehemaligen Synagoge im September 2008 |
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Blick auf das
Vordergebäude der ehemaligen Synagoge
(Schule und Lehrerwohnung) |
Blick auf das Hintergebäude,
in dem
sich der Betsaal befand |
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Haupteingang von der Kasseler
Straße,
rechts des Eingangs der Gedenkstein
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Gedenktafel
mit Inschrift: "Dieses Haus ist die ehemalige Synagoge der jüdischen
Gemeinde
Ziegenhain. Sie wurde bereits am 8. November 1938 geschändet.
Seit 1677 lebten Juden in
unserer Stadt. Während der Zeit
nationalsozialistischer Gewaltherrschaft bis zum April 1939
wurden sie
Opfer der Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung.
Wir können uns unserer Geschichte nicht entziehen. Nur Erinnerung schafft
Versöhnung und Frieden.
Im Namen der Bürgerinnen und Bürger. Der
Magistrat. Schwalmstadt, Juni 1995."
(Foto links erhalten von Christian Wachter) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,2 S. 940. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 442-443. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 61-63. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 61-62. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 182-186. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 551-552. |
| Hartwig Bambey, Adolf Biskamp, Bernd Lindenthal
(Hrsg.): Heimatvertriebene Nachbarn. Beiträge zur Geschichte der
Juden im Kreis Ziegenhain. 2 Bände. Verlag Stadtgeschichtlicher
Arbeitskreis e.V. Schwalmstadt-Treysa 1993. |
| Christian Wachter: Zur Geschichte der Synagoge in
Ziegenhain. Beitrag für das Jahrbuch 2022 des Schwälmer Heimatbundes. 2022.
Online zugänglich ist eine Textdatei des Beitrages (ohne Abbildungen;
eingestellt als pdf-Datei). |
Hinweise auf eine Publikation zur Schwälmer
Tracht und den jüdischen Textilhändlern, die in früheren Jahrhunderten die
Stoffe dafür besorgt haben:
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Heidrun
Merk: Leinen, Samt und Seide. Luxusstoffe für die Schwälmer Tracht.
Schwälmer Dorfmuseum Holzburg 2021. 6 €.
https://www.dorfmuseum-holzburg.de/
zur Publikation (u.a. beim Museum erhältlich)
Die Kulturanthropologin Heidrun Merk, Leiterin des Schwälmer Museums in
Holzburg, hat mit 'Leinen, Samt und Seide' eine Publikation herausgegeben,
die sich mit Geschichte, Herkunft, Materialität der kostbaren Stoffe
beschäftigt und wie sie den Weg in die Schwalm gefunden haben. Im
Mittelpunkt der Publikation steht die zentrale Rolle der jüdischen Händler
und Kaufleute in der Schwalm. Erwähnt werden u.a. (vgl. die oben
wiedergegebenen Seiten) der Heereslieferant Joseph Dannenberg in
Ziegenhain (1697), der Textilienhändler Eysermann Levi aus
Willingshausen (1743), der Wollhändler
Jacob Salomon in Treysa (1774), der
Textilienhändler Baruch Jacob aus
Breitenbach (1790), der Handelsmann Mordechai Löw/Preußje von
Schlüchtern (um 1815), der
Handelsmann Julius Jüdel aus Fulda (1824),
die Ellenwarenhändler Michael Katzenstein und Lazarus Levi aus
Eschwege (1826), das Textilgeschäft
Abraham Baum in Treysa (um 1900), das
Textilgeschäft Moritz und Karl Wallach in Ziegenhain, ab 1908 in
Treysa. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Ziegenhain
Hesse-Nassau. After the Black Death persecutions of 1348-49 no Jews lived there
until the 17th century. The Jews opened a synagogue in 1840 and an elementary
school in 1870. The Jewish population was 103 (6 % of the total) in 1880. The
community was affiliated with the rabbinate of Marburg.
Anti-Jewish incitement and violence grew from 1904. The community declined to 53
in 1933 and disposed of its synagogue, most Jews leaving before Kristallnacht
(9-10 November 1938). Some 2.000 Jewish Displaced Persons housed nearby after
Worldwar II emigrated to Palestine.
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