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"Synagogen im Kreis Waldeck-Frankenberg"
Frankenberg (Eder) mit
Stadtteilen Geismar und Röddenau (Kreis
Waldeck-Frankenberg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Stadtarchivar Dr. Horst
Hecker, Frankenberg)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Frankenberg bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts
zurück, doch lebten bereits im Mittelalter Juden in der Stadt. Es soll
bereits 1295 und wieder bei der Pestzeit 1349 zu Verfolgungen gekommen sein. Urkundlich wird 1364 ein Frankenberger Jude genannt, der damals in
Marburg ansässig
war.
1751 gab es sieben "Schutzjuden" beziehungsweise jüdische
Familien in der Stadt; 1785 wurden 30 jüdische Einwohner gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1827 47 jüdische Einwohner (1,7 % von insgesamt 2.803 Einwohnern, 11
jüdische Familien), 1861
58 (2,1 % von 2.719), 1871 68 (2,7 % von 2.537), 1885 104 (2,9 % von 2.660),
1895 121 (4,3 % von 2.793), 1905 133 (4,0 % von 3.314). Die jüdischen
Haushaltsvorsteher verdienten den Lebensunterhalt als Kaufleute (seit der 2.
Hälfte des 19. Jahrhunderts mit mehreren Einzel- und Großhandelsgeschäften in
der Stadt) und
Viehhändler; es gab auch jüdische Handwerker (Schuhmacher, Weißbindermeister)
sowie einen jüdischen Arzt.
Zur jüdischen Gemeinde in Frankenberg gehörten auch die in Geismar
(wenige Personen im 18./19. Jahrhundert) und Röddenau
lebenden jüdischen Personen (im 19. Jahrhundert nur jeweils ein bis zwei
Familien; 1835 10 jüdische Einwohner, 1861 16, 1905 10, 1924 7, 1932 7).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (Israelitische Volksschule von 1831 bis 1939), ein rituelles Bad und
seit 1868 ein Friedhof.
Die Israelitische Volksschule wurde von der Gemeinde 1828 beantragt. 1831 konnte
sie eröffnet werden. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter tätig war. Als Lehrer werden genannt: Samy Levi aus
Gelnhausen (1828 bis 1871), Israel Goldschmidt (aus Hausen im Kreis Ziegenhain;
1872 bis 1902, siehe Bericht zu seinem Tod unten), Levi Plaut (1902 bis 1914), danach Lehrer Ferdinand Stern
(1914/15 bis 1938). Als Schochet gab es zeitweise eine weitere
beauftragte Person in der Gemeinde. 1905 bis 1906 konnte ein neues Schulgebäude mit
Lehrerwohnung erbaut und im August 1906 eingeweiht werden (Hainstraße 31); bis dahin war der Unterrichtsraum im Gebäude
der Synagoge. Die Gemeinde gehörte mit den anderen
Gemeinden des ehemaligen Kreises Frankenberg zum Rabbinatsbezirk Oberhessen mit
Sitz in Marburg.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Frankenberg David Katz
(geb. 20.5.1893 in Frankenberg, gef. 27.5.1918) und
Albert Katzenstein (geb. 5.12.1897 in Frankenberg, gef. 2.11.1910). Als im Juni 1939 in der Rathausschirn eine
Ehrenhalle für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus Frankenberg eingeweiht
wurde, sind die Namen der beiden jüdischen Gefallenen nicht aufgeführt worden.
Außerdem ist gefallen: Unteroffizier Isidor Marx (geb. 5.12.1876 in
Frankenberg, vor 1914 in Osterfeld wohnhaft, gef. 21.10.1917).
Aus Röddenau sind die Brüder Friedrich (Fritz) Bachenheimer (geb. 11.9.1889 in
Röddenau, gef. 28.7.1917) und Leopold Bachenheimer (geb. 2.1.1894 in Röddenau,
vor 1914 in Dortmund wohnhaft, gef. 6.12.1916) gefallen. Ihre
Namen stehen auf dem Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege im dortigen
Friedhof.
Um 1924, als zur Gemeinde 109 Personen gehörten (2,6 % von insgesamt 4.123
Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Alexander Katten und Moritz
Katzenstein. Als Lehrer und Kantor war der bereits genannte Ferdinand Stern in
der Gemeinde tätig. Die Aufgabe des Schochet hatte Bernhard Dilloff
übernommen. In der Volksschule der Gemeinde wurden noch fünf Kinder
unterrichtet; weitere acht Kinder erhielten hier ihren Religionsunterricht. An
jüdischen Vereinen gab es den Wohltätigkeitsverein Chewra Kaddischa (Israelitische
Männerchewra, gegründet 1872, 1924 unter Leitung von Alexander Katten und
G. Bachenheimer mit 25 Mitgliedern; 1932 unter Leitung von Jakob Katzenstein mit
27 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger) sowie
den Israelitischen Frauenverein (Israelitische Frauenchewra;
gegründet 1874, 1924 unter Leitung von Emma Katten und Frau Goldschmidt, 1932
unter Leitung von Hilda Marx mit 25 Mitgliedern; Zwecke und Arbeitsgebiete:
Unterstützung Kranker und Hilfsbedürftiger). 1932 war Gemeindevorsteher
Emil Plaut (1. Vors.). Lehrer Ferdinand Stern war weiterhin in der Gemeinde; er
war auch Schriftführer des Vorstandes. An der Israelitischen Volksschule
unterrichtete er im Schuljahr 1931/32 12 Kinder.
Anfang der 1930er-Jahre gab es u.a. noch folgende Gewerbebetriebe
im Besitz jüdischer Familien: Textilgeschäft Blum (Obermarkt 2),
Viehhandlung Katz (Obermarkt 5), Spirituosen- und Textilhandlung von Samson
Dilloff (Obermarkt 13), Metzgerei Leopold Freund (Pferdemarkt 3), Schuhgeschäft
Sally Stern (Pferdemarkt 8), Viehhandlung Josef Kaiser (Untermarkt 8),
Viehhandlung Meier Buchheim (Geismarer Straße 7), Viehhandlung Meier Marx (Steubergasse
12), Schuhgeschäft Katzenstein (Ritterstraße 20), Viehhandlung Marx (Bremer
Straße 6), Textilgeschäft Jakob Katzenstein (Bahnhofstraße 4), Holzhandlung
Albert Katten (Bahnhofstraße 23).
Es gab mehrere jüdische Ärzte in der Stadt, insbesondere Vertreter der Familie
Lissard. So hatte bis zu seinem Tod 1917 Dr. Albert
Lissard eine Praxis in der Bahnhofstraße 22; sein Sohn Ernst Lissard ließ sich gleichfalls
zum Arzt ausbilden.
Zur Geschichte der jüdischen Ärzte in Frankenberg siehe den unter der Literatur
angegebenen Beitrag von Horst Hecker.
1933 lebten noch 105 jüdische Personen in Frankenberg (2,3 % von
insgesamt 4.356 Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen (insbesondere nach Frankfurt) beziehungsweise ausgewandert.
49 Personen konnten bis 1939 in die USA emigrieren, 6 nach Südamerika, 3 nach
Palästina, 4 nach England, 2 nach Holland. 8 Personen verstorben in dieser Zeit
in Frankenberg. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge demoliert (s.u.),
jüdische Männer wurden in das KZ Buchenwald eingeliefert, darunter auch Lehrer
Ferdinand Stern, der wenige Tage nach der Ankunft in Buchenwald am 14.
November 1938 im Alter von 48 Jahren auf Grund der vorausgegangenen schweren
Misshandlungen im Frankenberger Amtsgericht starb. Die jüdische Schule
wurde zum 1. März 1939 aufgelöst; damals gab es im gesamten Kreis Frankenberg
nur noch 17 Schulkinder, davon in Frankenberg und Röddenau je eines. Die
letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 aus Frankenberg
deportiert.
Von den in Frankenberg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ida Alexandrowitz geb.
Buchheim (1904), Johanna Bachenheimer (1886), Albert Bär (1882), Hildegard Blum (1923), Johanna Blumenfeld (1878), Jonas
Dilloff (1864), Philipp Dilloff (1863), Rudolf Dilloff (1892), Ruth Friesem geb.
Liebmann (1921), Max Fürst
(1883), David Goldschmidt (1873), Hedwig Heinrich geb.
Dilloff (1880), Recha Joseph geb. Dilloff (1879), Johanna
Keijzer geb. Fürst (1886), Josef Kaiser (1869), Mary Kaiser geb. Josephs
(1881), Ida Katz geb. Schartenberg (1873), Sophie Katz (1891), Jakob Katzenstein (1865), Rosalie
Katzenstein geb. Weitzenkorn (1870), Recha Lamm (1890), Jenny Liebmann geb. Kaiser (1895), Jenny
Marx (1879), Bertha Marx geb. Biermann (1882), Eva Marx (1879), Sara Marx (1875), Emil Plaut (1871), Johanna Plaut geb. Marx
(1876), Lina Rosenbaum geb. Marx (1882), Martha Rosenbaum (1889), Flora Charlotte Skapowker geb. Katz (1889),
Else Sommer (1914), Lehrer Ferdinand Stern (1890), Heinz Stern (1936), Manfred Stern (1923),
Martha Stern geb. Katz (1897), Richard Stern (1932), Irmgard Straus (1921),
Hedwig Weitzenkorn (1885).
Hinweis: es kommt in den Listen immer wieder zu Verwechslungen zwischen
Frankenberg (Eder) und Frankenberg in Sachsen. Die obige Liste ist von
Stadtarchiv Dr. Horst Hecker korrigiert und ergänzt worden (Stand: Juli
2009).
Aus Röddenau sind umgekommen: Anneliese Bachenheimer (1927), Doris
Bachenheimer (1924), Hilde Bachenheimer (1937), Julius Bachenheimer (1887), Selma Bachenheimer geb. Elsoffer
(1897), Rosalie Elsoffer geb. Stern
(1865). Mathilde Lindheim geb. Bachenheimer (1891).
Seit Januar 1988 befindet sich am Rathaus in Frankenberg eine
Gedenktafel mit dem Text: "In dieser Stadt lebten seit dem 13.
Jahrhundert jüdische Einwohner. Die Menschen der ehemaligen jüdischen Gemeinde
wurden während der Naziherrschaft 1933 - 1945 gedemütigt, entrechtet,
vertrieben, verschleppt und ermordet. Ihr Schicksal darf nicht vergessen werden.
Es mahnt uns, auch der anderen Opfer der Hitlerdiktatur zu gedenken. Die Stadt
Frankenberg/Eder 1986".
In den Jahren 2006 und 2010 wurden Stolpersteine in der Stadt
zur Erinnerung an umgekommene jüdische Einwohner verlegt (siehe unten).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Zum Tod von Lehrer Israel Goldschmidt (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. September 1902:
"Aus dem Regierungsbezirk Kassel. Wenn es auch berechtigt ist, einem
jüdischen Lehrer, der nach fest vierzigjähriger Amtszeit zur ewigen Ruhe
eingeht, ehrende Nachrufe zu widmen, so erachtet es doch Ihr Korrespondent
als eine Pflicht, Ihnen aus der jüngsten Nummer der 'Hessischen Schulzeitung'
einen Nekrolog über den heimgegangenen Lehrer Goldschmidt aus Frankenberg
zu senden. Es dürfte wohl im deutschen Reiche wenig vorkommen, dass ein
evangelischer Pfarrer, der in seinem Nebenamte Königlicher
Kreisschulinspektor, seinem jüdischen Lehrer am offenen Grabe solch'
ehrende Worte nachruft, die den Sprecher überaus ehren. Es ist dies ein
beredtes Zeichen für die Stellung der jüdischen Lehrer im hiesigen
Bezirk.
'Ein treues Lehrerherz hat zu schlagen aufgehört. Der Lehrer Israel
Goldschmidt zu Frankenberg schloss am 7. September auf immer die Augen. Am
9. September wurde da, was sterblich an ihm war, dem Mutterschoß der Erde
übergeben. Von seiner großen Beliebtheit legte sein Leichenbegängnis
Zeugnis ab. Die ganze jüdische Gemeinde, deren Lehrer er fast 30 Jahre
war, sowie ein großer Teil der christlichen Bevölkerung gaben ihm das
Geleite zum Grabe. Auch der Bezirkslehrerverein Frankenberg, dessen
eifriges und beliebtes Mitglied der Verblichene war, sowie der hiesige
Gesangverein befanden sich im Leichengefolge. Am Grabe schilderte Herr
Rabbiner Dr. Munk die hohen Verdienste des Verstorbenen um Schule und
Gemeinde. Nach einem Gesange des Bezirksvereins und des hiesigen
Gesangvereins ergriff der Königliche Kreisschulinspektor, Herr
Metropolitan Wessel, das Wort und schilderte bewegten Herzens das innige
Verhältnis zwischen ihm und dem Verstorbenen. Er schloss mit den Worten:
'Wenn ich eher gestorben wäre, wie Herr Goldschmidt und Gott hätte mir
die Macht dazu gegeben, Herrn Goldschmidt die Himmelspforte zu öffnen,
ich hätte es gerne getan. Ebenso gerne würde der Verstorbene seinem
alten Kreisschulinspektor die Himmelspforte öffnen, wenn ihm Gott hierzu
die Macht gäbe.'
In trefflichen Worten entwarf alsdann der Amtsnachfolger des Verstorbenen,
Herr Lehrer Plaut, ein Bild von des Lehrers Aussaat und Ernte und kam zu
dem Schlusse, dass Herr Goldschmidt die herrlichsten Früchte für seine
Arbeit geerntet, nämlich die Liebe und Dankbarkeit seiner Schüler, sowie
die Hochachtung und Wertschätzung seiner Vorgesetzten und seiner
Gemeinde. 'Möchte der Verstorbene' - so schloss Herr Plaut und auch wir
schließen uns diesem Wunsche an - 'auch seine himmlischen Garben
ernten.'" |
Anmerkung: der einzige Sohn von Lehrer
Israel Goldschmidt war David Goldschmidt - für ihn liegt in Frankenberg
ein "Stolperstein" vor dem Haus Pferdemarkt 8, siehe
unten. |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Oktober 1902: "Frankenberg, im September (1902). Ein
treues Lehrerherz hat zu schlagen aufgehört. Der Lehrer Israel
Goldschmidt zu Frankenberg schloss am 7. dieses Monats auf immer die
Augen. Am 9. dieses Monats wurde das, was sterblich an ihm war, dem
Mutterschoß der Erde übergeben. Von seiner großen Beliebtheit legte
sein Leichenbegängnis Zeugnis ab. Die ganze jüdische Gemeinde, deren
Lehrer er fast 30 Jahre war, sowie ein großer Teil der christlichen
Bevölkerung gaben ihm das Geleite zum Grabe. Auch der Bezirkslehrerverein
Frankenberg, dessen eifriges und beliebtes Mitglied der Verblichene war,
sowie der hiesige Gesangverein befanden sich im Leichengefolge. Am Grab
schilderte Rabbiner Dr. Munk die hohen Verdienste des Verstorbenen um
Schule und Gemeinde. Nach einem Gesange des Bezirksvereins und des
hiesigen Gesangvereins ergriff der königliche Kreisschulinspektor, Metropolitan
Wessel, das Wort und schilderte bewegten Herzens das innige
Verhältnis zwischen ihm und dem Verstorbenen. Er schloss mit den Worten:
'Wenn ich eher gestorben wäre wie Herr Goldschmidt, und Gott hätte mir
die Macht dazu gegeben, Herrn Goldschmidt die Himmelspforte zu öffnen,
ich hätte es gern getan. Ebenso gern würde der Verstorbene seinem alten
Kreisschulinspektor die Himmelspforte öffnen, wenn ihm Gott hierzu die
Macht gäbe.' In trefflichen Worten entwarf alsdann der Amtsnachfolger des
Verstorbenen, Lehrer Plaut, ein Bild von des Lehrers Aussaat und Ernte und
kam zu dem Schlusse, dass Herr Goldschmidt die herrlichsten Früchte für
seine treue Arbeit geerntet, nämlich die Liebe und Dankbarkeit seiner
Schüler sowie die Hochachtung und Wertschätzung seiner Vorgesetzten und
seiner Gemeinde." |
Aus der Zeit von Lehrer Levi Plaut (1902 bis 1914 Lehrer in Frankenberg)
Foto
links, aufgenommen im August 1906: Die Schulkinder der jüdischen
Volksschule in Frankenberg auf den Stufen des neu erbauten Schulgebäudes
in der Hainstraße 31. Lehrer Levi Plaut steht hinten in der
Mitte.
Dieses und weitere historische Fotos zur jüdischen Geschichte in Hessen
siehe in der Website
http://www.before-the-holocaust.net/
(eine Website des Fritz-Bauer-Institutes Frankfurt) |
Lehrer Levi Plaut tritt in den Ruhestand (1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. Dezember 1914: "Aus Kassel wird uns gemeldet: nach
33-jähriger Tätigkeit trat am 1. Oktober dieses Jahres Lehrer Levi
Plaut aus Gesundheitsrücksichten in den Ruhestand. In den Gemeinden Zimmersrode,
Witzenhausen und Frankenberg,
in welchen er gewirkt, war er wegen seiner Tüchtigkeit und seines
bescheidenen, freundlichen Wesens sehr geachtet. In Anerkennung seiner
treuen Dienste wurde ihm allerhöchst der Adler der Inhaber des
königlichen Hausordens vom Hohenzollern |
70. Geburtstag des emeritierten Lehrers Plaut
(1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck"
vom 5. Juni 1931: "70. Geburtstag des emeritierten Lehrers
Plaut. Am 11. dieses Monats kann Lehrer i.R. Levy Plaut auf 70
Lebensjahre zurückblicken. Wenngleich er diesen Tag infolge seines
leidenden Zustandes im engsten Familienkreis verbringen will, sei doch in
der Öffentlichkeit seiner Wertschätzung gedacht. Gehört er doch zu den
Veteranen des Lehrerstandes, der nur in seinem Heimatlande amtierte. Aus Frielendorf
stammend, bestand er am hiesigen Seminar (sc. Kassel) im Frühjahr
1881 die erste und zwei Jahre später die zweite Prüfung. Mit besten
Zeugnissen versehen, übertrag ihm die Regierung die Schulstelle in Zimmersrode;
damals waren dort 54 jüdische Kinder aus dem Orte und den umliegenden
Dörfern zu unterrichten, für einen jungen Menschen eine schwere Aufgabe.
Noch heute gedenken viele ehemaligen Schüler ihres Lehrers in Verehrung
und Dankbarkeit. Mit aller Kraft arbeitete Plaut an der ihm anvertrauten
Jugend, und seine Erfolge wurden von der Schulaufsichtsbehörde wie vom
Provinzialrabbiner Dr. Munk seligen Andenkens vollauf anerkannt, zumal er
durch Lehre und Leben auch in religiöser Hinsicht der Jugend das beste
Vorbild war und bis heute darin sich treu blieb. Die Behörden bezeigten
ihm daher vielfaches Wohlwollen. Sein Verhältnis zu seinen Kollegen und
Gemeinden war immer ein gutes auch noch als Lehrer in Witzenhausen
und Frankenberg. Gar zeitig waren Plauts körperliche Kräfte
verbraucht. Wochenlang lag er schwer krank in der Marburger Klinik, nur
sein Gottvertrauen und der feste Willen zur Gesundung ließen ihn genesen.
Der Heroismus versagte aber, und so musste er schon 1914 in den Ruhestand
treten. Die Segnungen seiner emsigen Arbeit konnte er in seinem hiesigen
Ruhesitz (sc. Kassel) nicht genießen. Wiederum traten Leiden ein,
und Heilung fand er nur für kurze Zeit. So lange es sein Zustand
ermöglichte, fand er hier Beschäftigung. Während der Kriegsjahre
unterrichtete Plaut an der Luisenschule und wiederholt auch an unserer
Volksschule, stets bereit, zu helfen. Die ihm gebührende Anerkennung war
ihm nie versagt. - Plauts Familienleben ist ein musterhaftes; seine Frau,
geb. Stahl, ist eine wahre Heldin an Hingebung und Pflege, und sie trug
viel dazu bei, den 70. Geburtstag ihres Mannes zu begehen. Möge unserem
lieben Mitbürger noch ein langes, recht gesundes Leben besieden sein zur
Freude seiner Familie, seiner guten Kinder und vieler Freunde. Wir rufen
ihm zu: 'Chasak - sei stark.' L. Horwitz." |
Besetzung der Lehrerstelle mit Ferdinand Stern (1915)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1915: "Frankenberg,
4. Januar (1915). An Stelle des in den Ruhestand getretenen Herrn Lehrer
S. Plaut wählte die Gemeinde Herrn Ferdinand Stern aus Volkmarsen zum
Lehrer." |
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Januar
1915: "Frankenberg. Die Besetzung der Lehrerstelle ist durch
Lehrer F. Stern, seither an der Privatelementarschule zu Volkmarsen, von
der Regierung bestätigt worden. - Letzten Dienstag wurde Herr Stern durch
den Kreisschulinspektor in sein Amt eingeführt. Andern Tags, Mittwoch,
übertrug Provinzialrabbiner Dr. Munk - Marburg, den Religionsunterricht,
der seit 9 Monaten ausgesetzt gewesen, während die Kinder am
Elementarunterricht in der christlichen, evangelischen Stadtschule
teilgenommen, in Gegenwart sämtlicher Religionsschüler - an Herr Stern.
Beim Abendgottesdienst am selbst Tage wurde Stern als Vorsänger vor
versammelter Gemeinde eingeführt." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1915: "Frankenberg,
Hessisch-Nassau, 10. Januar (1915). Die Besetzung der hiesigen
israelitischen Lehrer und Vorsängerstelle ist durch den Herrn Lehrer F.
Stern, seither an der Privat-Elementarschule zu Volkmarsen, auf
Wunsch der hiesigen Synagogen-Gemeinde durch Königliche Regierung zu
Kassel bestätigt worden. - Letzten Dienstag wurde Herr Stern durch
den Kreisschulinspektor Herrn Pfarrer Koch dahier in sein Amt eingeführt.
Andern Tags, Mittwoch, übertrug Provinzialrabbiner Dr.Munk - Marburg, den
Religionsunterricht, welcher seit Pfingsten vorigen Jahres ausgesetzt
gewesen, während die Kinder am Elementarunterricht in der christlichen,
evangelischen Stadtschule teilgenommen, in Gegenwart sämtlicher
Religionsschüler an Herrn Stern. Beim Abendgottesdienst am selben Tage
wurde Herr Stern als Vorsänger vor versammelter Gemeinde
eingeführt." |
Nachtrag zur
Besetzung der Lehrerstelle (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1915: "Frankenberg,
Hessen-Nassau, 27. Januar (1915). Der in Nr. 4 unter Personalien stehende
Bericht über die Besetzung der hiesigen Lehrerstelle ist dahin zu
ergänzen beziehungsweise zu berichtigen, dass die Besetzung derselben
vorerst nur auftragsweise erfolgt ist und dass die Stelle nach beendigtem
Kriege zwecks endgültiger Besetzung von neuem ausgeschrieben werden wird.
Um sowohl den Bedürfnissen der Gemeinde nach einem geordneten
Gottesdienste und Religionsunterrichte, der von keinem Nachbarkollegen
erteilt werden konnte, als auch den im Felde stehenden Lehrersoldaten
entgegenzukommen und auch ihnen eine Bewerbung zu ermöglichen, hat
Königliche Regierung zu Kassel diesen vom Vorsteheramte der Israeliten
Marburg gemachten Vorschlag gebilligt. Beide Körperschaften haben hiermit,
wie schon sehr oft, von neuem den Beweis erbracht, dass sie für das Wohl
der ihr unterstellten jüdischen Lehrerschaft nicht nur Verständnis,
sondern auch Herz haben." |
|
Anmerkung: die endgültige Anstellung von
Lehrer Ferdinand Stern erfolgt im Frühjahr 1919. |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Isaac Buchheim meldet sich als Kriegsfreiwilliger nach
China (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. August 1900: "Frankenberg,
7. August (1900), In Ergänzung der von Ihnen in Nr. 62 Ihres geschätzten
Blattes gebrachten Mitteilung betreffend Teilnahme jüdischer Soldaten an
der Expedition nach China möchte ich Ihnen mitteilen, dass ein jüdischer
Soldat namens Isaak Buchheim auch aus unserer Stadt sich zum Zuge
angeschlossen hat. Derselbe diente im ersten Jahre bei der reitenden
Abteilung des Feld-Artillerie-Regiments Nr. 15 in Saarburg und ist auf dem
Dampfer 'Adria' von Bremerhaven aus
verladen." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August 1900: "Berlin.
Als jüdische China-Freiwillige werden uns ferner genannt: Karl Groddek
aus Landsberg a.W., dient auf dem Torpedoboot 94, Torpedomaschinenmaat bei
der II. Torpedoabteilung, 1. Kompagnie und hat kapituliert. - Heymann aus
Altona vom 50. Infanterieregiment befindet sich an Bord der 'Phoenicia'
(4. Ostasiatisches Infanterie-Regiment 1. Bataillon, 3. Kompanie). -
Fröhlich vom 53. Infanterie-Regiment in Kalk, der Artillerist Isaac
Buchheim (geboren in Frankenberg in Hessen) in Saarburg." |
Goldene Hochzeit von Lehrer Joseph Wertheim und seiner
Frau Jettchen geb. Abt (1913)
Anmerkung: Lehrer Wertheim zog nach der Pensionierung 1909 mit
seiner Frau nach Frankenberg, um hier den Lebensabend bei seiner Tochter Helene
und dem Schwiegersohn Salli Marx zu verbringen. Salli und Helene Marx geb.
Wertheim hatten im Juni 1904 geheiratet und führten ein Textilgeschäft in der
Bahnhofstraße. Nach ihrem Tod 1917 bzw. 1914 wurden Joseph Wertheim und seine
Ehefrau nach Volkmarsen überführt und
auf dem dortigen jüdischen Friedhof bestattet, vermutlich aus dem Grunde, weil
Joseph Wertheim über 40 Jahre an der israelitischen Schule in Volkmarsen
unterrichtet hatte. Geboren war er 1839 in Gudensberg,
seine Frau Jettchen geb. Abt (geb. 1841) stammte aus Melsungen.
Salli und Helene Marx emigrierten Ende der 1930er Jahre nach Johannesburg, Südafrika.
(Angaben von Dr. Horst Hecker,
Frankenberg)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. September
1913: "Frankenberg (Kurhessen). Am 2. September feierte der
emeritierte israelitische Lehrer Joseph Wertheim mit seiner Gattin
Jettchen geb. Abt das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Beide erfreuen
sich noch einer besonderen körperlichen und auch geistigen
Frische.
Lehrer Wertheim ist eine in Lehrerkreisen sehr geschätzte Persönlichkeit.
Er kann auf eine fast 52-jährige segensreiche Amtstätigkeit
zurückblicken, wovon 8 Jahre auf Beiseförth
von 1858-1866 und 43 Jahre auf Volkmarsen von 1866-1909 entfallen. Bei
seinem Dienstaustritt wurde ihm der Adler der Inhaber des
Hohenzollern'schen Hausordens verliehen. Das Jubelpaar hat es verstanden,
durch sein loyales, menschenfreundliches Wesen sich die allgemeine
Wertschätzung zu erringen, was sich in geradezu hervorragender Weise bei
seinem 50-jährigen Amtsjubiläum gezeigt hat." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September
1913: "Frankenberg, 29. August (1913). Am 2. September feiern
der Lehrer a.D. Joseph Wertheim und Frau Jettchen geb. Abt das schöne
Fest der goldenen Hochzeit. Die Jubilare erfreuen sich der besten
körperlichen Rüstigkeit und geistigen Frische. Lehrer Wertheim stand 50
Jahre segensreich im kurhessischen öffentlichen Schuldienste; 7 Jahre in
Beiseförth und 43 Jahre in Volkmarsen. Unter großer Anteilnahme der
Bürgerschaft, der hessischen Lehrerschaft, auch zahlreicher Schüler und
Schülerinnen, die von nah und fern herbeigeeilt waren, wurde vor drei
Jahren in der Gemeinde Volkmarsen das 50-jährige Dienstjubiläum
feierlichst begangen: der König verlieh ihm den Adlerorden. Lehrer
Wertheim war auch Mitbegründer der hessischen
Lehrerkonferenz." |
75. Geburtstag von Bernhard Dilloff (1928)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1928: "Frankenberg,
5. September (1928). Seinen 75. Geburtstag beging in bester Frische Herr
Bernhard Dilloff dahier." |
|
Anmerkung: Bei der Familie Dilloff
handelte es sich um eine der alteingesessenen jüdischen Familien in
Frankenberg. Ein Heinemann Dilloff machte 1814 im Regiment
Kurfürst den Feldzug gegen Frankreich mit - sein Name steht auf einer Gedenktafel
in der Liebfrauenkirche. Philipp Dilloff gründete 1856 eine
Branntweinbrennerei und Likörfabrik, die bis 1937 bestand. Sein Sohn Samson
Dilloff war Mitglied der SPD und wurde 1919 als Spitzenkandidat in das
Stadtparlament gewählt; er erhielt auch viele Stimmen von
Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei. Im März 1933 wurde er
erneut ins Stadtparlament gewählt; nach der ersten Sitzung wurde ihm
jedoch der weitere Zutritt verwehrt (Angaben nach Arnsberg s. Lit. und
Dolenschall s. Lit.). |
25-jähriges Geschäftsjubiläum des Manufaktur- und
Modewarengeschäftes und 25-jähriges Ehejubiläum von Salli Marx und Helene geb.
Wertheim (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1929: "Frankenberg,
24. Juni (1929). Sein 25-jähriges Geschäftsjubiläum beging das
Manufaktur- und Modewarengeschäft von Salli Marx dahier und gleichzeitig
das 25-jährige Ehejubiläum mit seiner Frau Helene geb.
Wertheim." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. Juni 1929: "Frankenberg a. Eder.
Geschäfts- und Ehejubiläum. Am 14. Juni beging das Manufaktur- und
Modewarengeschäft von Salli Marx, Bahnhofstraße, das Jubiläum seines
25-jährigen Bestehens. Aus kleinen Anfängen heraus hat sich das im Jahre
1904 gegründete Geschäft ständig ausgedehnt und sind die
Geschäftsräume durch modernen Anbau erweitert und ausgestaltet zu einem
erstklassigen Geschäftshaus. Die Firma erfreut sich des besten Rufes,
Fleiß, streng reelle Geschäftsprinzipien gab die Richtlinien hierzu. Mit
dem Geschäftsjubiläum verbunden war auch das 25-jährige Ehejubiläum des
Inhabers Herrn Salli Marx und seiner wackeren Gattin Helene geb.
Wertheim, Tochter des althessischen Lehrer-Veteranen Joseph Wertheim
zu Volkmarsen. Leider konnte das
Jubiläum nicht entsprechend gefeiert werden, weil Herr Salli Marx einige
Tage vorher von einem Auto überfahren wurde und zur Zeit zu Marburg,
Chirurgische Klinik, mit Arm- und Beinbruch sich
befindet." |
Zum Tod von Kaufmann Moritz Katzenstein (1929)
Anmerkung: Moritz Katzenstein war von 1899 bis zu seinem Tod zweiter
Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde Frankenberg. Unklar ist im
nachstehenden Artikel, wieso die pädagogischen Geschicke usw. des
"Nachbarkollegen" von Lehrer Löwenstein in Meimbressen hervorgehoben
werden. Hier sind möglicherweise zwei Artikel für zwei Personen vermischt
worden.
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 15. März 1929: "Frankenberg.
(Todesfall). Im 72. Lebensjahr verstarb der Kaufmann M. Katzenstein.
Viele Jahre stand er an der Spitze der israelitischen Gemeinde, deren
Institutionen er mit regem Eifer gefördert hat. Die Gemeinde beklagt sein
Ableben tief und wird ihm auf alle Zeiten ein getreues Andenken bewahren.
Lehrer Löwenstein, Meimbressen,
widmete dem Nachbarkollegen tief empfundene Abschiedsworte. Namens der
Familie sprach Dr. Rosenthal, Berlin. Lehrer Nagel, Kassel würdigte die
Verdienste des Verstorbenen um die Berufsinteressen, die er als
Vorsitzender der Freien Vereinigung und als eifriges Mitglied der
Israelitischen Lehrerkonferenz Hessens mit Geschickt vertrat. Tiefen
Eindruck machten auch die Gedenkworte des evangelischen Pfarrers Uffelmann,
der als früherer Schulinspektor das pädagogische Wirken des tüchtigen
Schulmannes, seine persönlichen Vorzüge mit Wärme und rückhaltloser
Anerkennung
betonte." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8.März 1929: "Frankenberg. Fünf Tage
nach dem Hinscheiden seiner Gattin starb im Alter von 72 Jahren Herr
Moritz Katzenstein. Viele Jahre war er Vorsteher der israelitischen
Gemeinde, deren Wohl er stets zu fördern bestrebt war. Besonderes
Interesse zeigte er für die Schule, deren Leistungen und Einrichtungen.
Einem früheren Inhaber der Schulstelle gegenüber äußerte er einmal:
'Alles, was für de Schule getan wird, wird für uns getan, darum sind
Anschaffungen für die Schule Kapitalanlagen für die Gemeinde.' Herr
Katzenstein war ein Mann von hoher Bildung und seltenem Wissen. Wegen
seines gütigen Herzens und seiner steten Hilfsbereitschaft stand er bei
allen Einwohnern der Stadt in hohem Ansehen. Ehre seinem Andenken!
P." |
Zum Tod von Gemeindevorsteher Alexander Katten (1931)
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 21. Januar 1931: "Frankenberg.
(Todesfall). Acht Tage nach dem Heimgang seiner Gattin ist Herr Alexander
Katten, der erste Vorsteher hiesiger Gemeinde, aus dem Leben
geschieden. 36 Jahre hat er mit Treue und Hingabe die Interessen der
Gemeinde wirksam vertreten. Eine große Trauergemeinde, in der sich viele
andere gläubige Bürger und auch Mitglieder des Kriegerbundes befanden,
gaben dem Entschlafenen das letzte Geleit. Provinzialrabbiner Dr. Cohn,
Marburg, und der hiesige Lehrer Stern hielten Ansprachen, in denen sie die
Verdienste der Verblichenen um die Gemeinde hervorhoben und daran die
Mahnung knüpften, im Sinne des Verstorbenen
fortzuwirken." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 16. Januar 1931:
Ähnlicher Bericht wie in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
(siehe oben) |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Minna Goldschmidt sucht für ihr Putzgeschäft eine
Volontärin (1899)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Oktober 1899:
"Für mein Schabbat und Feiertag geschlossenes Putzgeschäft suche
ich auf sofort eine
Volontärin bei freier Station und
Familienanschluss.
M. Goldschmidt, Frankenberg, Hessen." |
Salli Marx sucht für sein gemischtes Warengeschäft einen Lehrling (1901 /
1912)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Juli 1901:
"Für mein gemischtes Waren-Geschäft suche ich per 1. August,
eventuell auch früher, einen Lehrling.
Samstags und Feiertage streng geschlossen.
S. Marx, vormals A. D. Trost, Frankenberg,
Hessen." |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. April 1912:
"Suche für mein gemischtes Warengeschäft auf sofort einen Lehrling
bei freier Station im Hause.
Salli Marx, Frankenberg in Hessen,
Bahnhofstraße." |
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Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 20. Dezember 1912: "Zum baldigen Eintritt oder 1.
April suche für mein gemischtes Warengeschäft einen Lehrling.
Kost und Wohnung im Hause. Schabbos und Feiertage geschlossen. Salli
Marx Frankenberg in Hessen
Bahnhofstraße." |
Anzeige von Moritz Katzenstein (1901)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
2. Dezember 1901:
"Junger Mann, flotter Verkäufer, mit schöner Handschrift,
welcher am 1. Januar 1902 seine Lehrzeit in einem Schuhwarengeschäft
beendet, sucht per 1. März oder April Stelle als Volontär
in einem Manufakturwarengeschäft, welches Samstags geschlossen ist.
Gefällige Offerten an
Moritz Katzenstein,
Frankenberg, Hessen, erbeten". |
Sonstiges
Über die antisemitische Bewegung in
der Region (1894)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 1. Juni 1894: "Frankenberg, 29. Mai (1894).
Antisemitische Blätter veröffentlichen den folgenden geheimen
Erlass des hiesigen Landrates: 'Frankenberg, den 1. Dezember
1893. Die antisemitische Bewegung, wie sie in unserem Kreise zutage
getreten ist, unterscheidet sich in ihrer Wirkung nur dem Namen nach von
der sozialdemokratischen Agitation. Wird ihr nicht mit allen gesetzlichen
Mitteln entgegen gearbeitet, so findet in absehbarer Zeit die
Sozialdemokratie Eingang in unseren Kreis. Es ist daher Pflicht aller
ordnungsliebenden Parteien und Kreiseingesessenen, diesen Antisemitismus
zu bekämpfen. Zweifellos haben die Antisemiten die Weisung von ihrem
Führer erhalten, sich zur Ausdehnung ihres Einflusses an allen Gemeinde-
und Kreistagswahlen lebhaft zu beteiligen. Gelingt es ihnen, sich in den
wichtigsten Gemeindeämtern festzusetzen, so haben sie bei künftigen
politischen Wahlen leichtes Spiel. Es unterliegt keinem Zweifel, dass in
denjenigen Gemeinden der Antisemitismus zur Herrschaft gelangen wird, wo
zum Bürgermeister ein Antisemit gewählt worden ist. In welcher Weise die
Antisemiten im Gemeinderate und Gemeindeausschusse bei jeder Gelegenheit
prinzipielle Opposition machen würden, davon werden einige Bürgermeister
sich bereits überzeugt haben. Zur Vermeidung dieses Eindringens
antisemitischer Elemente in die Gemeindeämter muss vor jeder Wahl mit den
Gutgesinnten der wahlberechtigten Gemeindebürger in Verbindung getreten
werden, um energisch für die Wahl der zeitig aufzustellenden Kandidaten
agitieren zu können. Ohne Furcht muss eine solche Agitation kräftig in
die Hand genommen werden, und gleichgültig ist es, ob die schmutzige
antisemitische Presse ihrer Entrüstung Ausdruck verleiht oder nicht, sie
ist nicht zu beachten. Zweckmäßig wird es sein, wenn schon jetzt in
allen Gemeinden Wahlausschüsse aus allen Teilen der Bevölkerung gebildet
werden, die zur Eindämmung des Antisemitismus kräftig mitwirken. Dieses
Zirkular ist geheim zu halten. Der Königliche Landrat. Riesch.'"
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Juni 1894: "Aus Hessen wird uns mit Bezug auf den
jüngst veröffentlichten Erlass des Landrats Riesch zu Frankenberg
geschrieben:
Es ist nicht das erste Mal, dass der freikonservative Abgeordnete und
Landrat seiner Meinung darüber Ausdruck gibt, wohin die antisemitische
Agitation schließlich führen muss. Und nicht etwa philosemitische
Regungen, sondern die zucht- und respektlose Sprache der antisemitischen
Presse haben dem Landrat zu dieser Einsicht verholfen. Möglich auch, dass
er von gewissen sozialdemokratischen Aspirationen Wind erhalten.
Bekanntlich sehen die Sozialdemokraten die vom Antisemitismus befallenen
länglichen Westkreise als diejenigen an, die ihnen in nicht zu ferner
Zukunft 'als die reifsten' in die Hände fallen werden. Es ist ein offenes
Geheimnis, dass erste Sozialistenführer seit längerer Zeit eine große
Eroberungsreise gerade in die Wahlkreise planen, die zuerst von
antisemitischen Abgeordneten beglückt worden sind. Möge die
Abwehrtätigkeit der Behörden nicht zu spät
kommen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Bereits im Mittelalter soll es einen Betraum
beziehungsweise eine Synagoge gegeben haben. In der alten Frankenberger Chronik
(geschrieben um 1500 von Gerstenberg) wird von einer Synagoge in der Steingasse
berichtet, ein wenig oberhalb des Brunnens. Noch heute ist die Stelle unter der
Bezeichnung "Judenschul" bekannt.
Auch im 18. Jahrhundert war ein Betraum oder eine erste Synagoge
vorhanden.
1836 beantragte die jüdische Gemeinde die behördliche
Genehmigung zum Bau einer Synagoge, wofür gleichzeitig ein Darlehen
aufgenommen wurde. Im Jahr zuvor hatten zum Synagogenbau bereits zwei
Scheunengrundstück zwischen dem Gässchen Scharwinkel und der Hauptstraße
gekauft werden können. 1837 bis 1838 konnte die Synagoge erstellt und am 10.
November 1838 eingeweiht werden. Beim Synagogengebäude handelt es sich um
ein zweigeschossiges Fachwerkhaus mit einem Walmdach. Im Betraum (mit Emporen an
beiden Längsseiten) gab es 68 Plätze für Männer,
36 für Frauen.
In der Synagoge gab es bis zum Bau des neuen Schulhauses 1913 einen Schulraum.
Im Herbst 1913 konnte das 75-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert
werden.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
von vier bis fünf Männern in Uniform (SS-Männer) geschändet; die Fenster
wurden eingeschlagen, der Innenraum wurde völlig verwüstet; alle Kultgegenstände wurden vernichtet.
Das Gebäude wurde mit Rücksicht auf die enge Bebauung nicht angezündet. Auch
das jüdische Schulhaus wurde völlig verwüstet; das Auto des Lehrers wurde
angezündet.
1939 ging die ehemalige Synagoge wie auch das Schulhaus in den Besitz der
Stadt Frankenberg über; in den 1950er-Jahren wurden beide Gebäude zu
Wohnhäusern umgebaut. Eine Gedenk- oder Hinweistafel konnte bislang am
Synagogengebäude auf Grund des Widerstandes des Eigentümers nicht angebracht
werden. Am Haus der ehemaligen jüdischen Schule in der Hainstraße ist seit
mehreren Jahren eine Hinweistafel mit Angaben zur Geschichte des Gebäudes
angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: Scharwinkel 4;
das jüdische Schulhaus war im Haus Hainstraße 31.
Fotos
(Quelle: Fotos 1950 und 1987 aus Altaras 1988 S. 66;
neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 8.4.2010)
Historisches Foto
der Synagoge
(Quelle: Stadtarchiv Frankenberg) |
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Blick
in den Scharwinkel mit der Synagoge um 1940 |
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Fotos des
Synagogengebäudes
nach 1945 |
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Das Synagogengebäude (Ost und
Südseite)
1950; die Rundbogenfenster erinnern an
die Vergangenheit des
Gebäudes |
Das Synagogengebäude im April
1987; durch
Umbauten ist das Gebäude als ehemalige
Synagoge inzwischen
unkenntlich gemacht |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge im Frühjahr 2010 |
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Schulgebäude
mit Lehrerwohnung
(Hainstraße 31) |
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Das Gebäude
wurde 1905/06 erstellt und
im September 1906 eingeweiht |
Hinweistafel
am
Gebäude |
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Emil Plaut, letzter
Vorsitzender der
jüdischen Gemeinde (1871-1942) |
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Emil
Plaut,
geboren 1871 in Frankenau, diente von 1891 bis 1894 bei der Kaiserlichen
Marine und nahm am Ersten Weltkrieg als Obermatrose teil. Er war aktiv in
der jüdischen Gemeinde als ehrenamtlicher Vorbeter und gelegentlich als
Schochet. Er war auch Kassier bei der Männer-Chewra. Seit der
Jahrhundertwende führte er mit seiner Frau Johanna Plaut geb. Marx (aus
Grüsen) ein Textilgeschäft in Frankenberg. Im Oktober 1942 ist er im KZ
Sachsenhausen umgekommen. Seine Frau Johanna geb. Marx ist im November
1942 in Theresienstadt umgekommen. Die Tochter Greta verheiratete Rapp ist 1936 in die USA
emigriert. Das Foto zeigt Emil Plaut als Obermatrose im Ersten Weltkrieg
(Quelle: Arnsberg Bilder S. 54) |
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"Stolpersteine"
in Frankenberg
(Auswahl) |
Dazu
ausführlich: "Rundgang
zu den früher von jüdischen Bürgern bewohnten Häusern in Frankenberg
(Eder)" in der Website des Förderkreises "Synagoge in
Vöhl" e.V. |
Haus Obermarkt
16 |
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Am
Haus liegen "Stolpersteine" für die beiden in Frankenberg
geborenen Geschwister
Johanna Keyzer (Keijzer) geb. Fürst und
Max Fürst. Johanna Kejzer war in Menden in Westfalen verheiratet und
wurde 1941 aus Amsterdam deportiert (Westerbork, 1944 im KZ Auschwitz
ermordet). Max Fürst lebte zuletzt in Hannover, von wo er im Dezember
1941 in das Ghetto Riga deportiert wurde. |
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Haus Obermarkt
14 |
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Am
Haus liegen "Stolpersteine" für Emil Plaut und
Johanna Plaut geb. Marx.
Zur Geschichte der beiden siehe oben. |
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Haus Obermarkt
2 |
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Am
Haus liegt ein "Stolperstein" für Johanna Blumenfeld.
Sie stammte aus Marburg und wohnte zeitweise im Haus der Kaufmannsfamilie
Moritz Blum. Im April 1936 verzog sie nach Hersfeld. Von Frankfurt aus
wurde sie im Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert,
wo sie umgekommen ist. |
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Haus
Pferdemarkt 8 |
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Am
Haus liegen "Stolpersteine" für David Goldschmidt, Sara Marx,
Jenny Marx und Lina Rosenbaum geb. Marx. David Goldschmidt war der
einzige Sohn des Frankenberger Lehrers Israel Goldschmidt (s.o.). Er war
verheiratet mit Pauline Blach aus Frankershausen,
wo er bis 1940 lebte (als langjähriger Gemeindevorsteher). Im Gerbst 1940
zog das Ehepaar nach Eschwege, von wo aus die Deportation in das Ghetto
Theresienstadt erfolgt (beide umgekommen). Die Schwestern Sara Marx und
Jenny Marx lebten zuletzt in Mühlheim an der Ruhr, von wo aus sie
1942 deportiert wurden (ermordet im Vernichtungslager Sobibor). Ihre
jüngere Schwester Lina Rosenbaum geb. Marx betrieb in Mühlheim ein
feines Herren- und Damenmodengeschäft (bis 1935). Sie wurde 1941 in das
Ghetto Minsk deportiert (umgekommen) |
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Weitere
Stolpersteine liegen vor den Gebäuden Bahnhofstraße 4 (Jacob
Katzenstein, Rosalie Katzenstein geb. Weitzenkorn, Hedwig Weitzenkorn,
Else Sommer, Irmgard Straus, Hildegard Blum), Bremer Straße 16
(Martha Rosenbaum), Geismarer Straße 7 (Ida Alexandrowitz geb.
Buchheim), Hainstraße 11 (Lehrer Ferdinand Stern, Martha Stern
geb. Katz, Manfred Stern, Richard Stern, Heinz Stern, Ida Katz geb.
Schartenberg), Neustädter Straße 38 (Albert Bär), Obermarkt 5
(Johanna Bachenheimer geb. Katz, Flora Skapowker geb. Katz, Sophie Katz), Obermarkt
15 (Recha Ruth Lamm), Pferdemarkt 3 (Philipp Dilloff), Schmiedegasse
2 (Bertha Marx geb. Biermann), Steingasse 10 (Eva Marx), Steingasse
20 (Recha Joseph geb. Dilloff, Hedwig Heinrich geb. Dilloff, Rudolf
Dilloff), Untermarkt 8 (Josef Kaiser, Marx Kaiser geb. Josephs,
Jenny Liebmann geb. Kaiser), Untermarkt 10 (Jonas Dilloff, Ruth
Friesem geb. Liebmann). |
Anfang
Mai 2010 wurden weitere "Stolpersteine" für Ida Katz, Bertha
Marx, Ruth Friesem und Eva Marx verlegt. |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2010:
Weitere Stolpersteine wurden
verlegt |
Mitteilung in der "Hessischen
Allgemeinen" (online-Ausgabe hna.de) vom 13. Mai 2010 (Artikel):
"Künstler Gunter Demnig setzt Aktion fort - Mehr Stolpersteine für Frankenberg
Frankenberg. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat in Frankenberg weitere "Stolpersteine" verlegt, die Opfer der Nazi-Barbarei geworden waren.
Die Steine erinnern an Ida Katz, Bertha Marx, Ruth Friesem und Eva Marx...". |
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November 2018:
Gedenkrundgang mit Zeitzeugen zur
Erinnerung an die Ereignisse in der Pogromnacht 1938 in Frankenberg
|
Artikel in "lokalo24.de" vom 16. November
2018: "Zeitzeugen berichten über die Schrecken der Pogromnacht vor 80
Jahren in Frankenberg
Bei einem Stadtrundgang haben die Frankenberger Edmund Völker und Fritz
Neuschäfer berichtet, wie sie die Pogromnacht erlebt haben. Der Rundgang
wurde auch genutzt um die Stolpersteine zu reinigen.
Frankenberg - Der SPD-Ortsverein Frankenberg hat anlässlich der 80.
Jährung der Reichspogromnacht einen öffentlichen Stadtrundgang veranstaltet,
bei dem den Opfern des NS-Regimes gedacht wurde. Unter den Opfern waren
nicht nur jüdische Bürger, sondern auch der sozialdemokratische
Widerstandskämpfer Karl Richter. Die Teilnehmer nutzten den Rundgang auch,
um die Stolpersteine zu reinigen, die im Stadtgebiet vor den ehemaligen
Wohnhäusern der Opfer in den Bürgersteig eingelassen sind. Unter den
Teilnehmern waren auch zwei Zeitzeugen, die die NS-Ausschreitungen als
Kinder miterlebt hatten. 'Sie schleppten die Gebetbücher aus der Synagoge
über die Straße, stapelten sie auf einem Haufen und zündeten sie an',
erzählte der Frankenberger Edmund Völker. Er war 1938 vier Jahre alt, wohnte
mit seiner Familie im Scharwinkel direkt neben der Fachwerksynagoge und
beobachtete aus dem Fenster, wie SA-Leute in Uniform Möbelteile durch die
Glasscheiben warfen. Auch der 90-jährige Fritz Neuschäfer, der in seiner
Kindheit noch mit jüdischen Nachbarskindern am Obermarkt gespielt hat,
berichtete von den Übergriffen im November 1938. Er konnte sich aber auch
noch daran erinnern, wie die letzten noch lebenden älteren Juden ihre
Wohnungen verlassen und in der Synagoge zusammengepfercht leben mussten, bis
sie 1942 nach Theresienstadt und von dort in die Todeslager deportiert
worden sind. Vor dem Haus Steingasse 20 nahm die Teilnehmergruppe den
Stolperstein für Rudolf Dilloff zum Anlass, der Opfer aller Kranken- und
Behindertenmorde der NS-Verbrecher zu gedenken. Schwer traumatisiert war
Dilloff aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, ab 1920 Patient in der
Heilanstalt Haina. 1940 brachten ihn die NS-Täter in der
Euthanasie-Mordanstalt Brandenburg um.
Dass es damals für die durch viele NS-Schikanen bedrohten Frankenberger
Juden immer noch christliche Nachbarn gab, die ihnen treu zur Seite standen,
klang aus Zeitzeugenberichten der verstorbenen Geschwister Emmi und Maria
Rindelaub, die am Haus Schmiedegasse 2 verlesen wurden. Ihre Mutter
versorgte die Nachbarfamilie des Kaufmanns Moritz Marx, indem sie ihr nachts
Körbchen mit Gemüse und Eiern auf den Hof stellte. An der Gedenktafel für
die NS-Opfer in Frankenberg in der Rathausschirn hatte zu Beginn Hendrik
Klinge der kürzlich verstorbenen Sozialdemokratin Jutta Emde ehrend gedacht,
die neben ihren vielen ehrenamtlichen Funktionen auch als Mitinitiatorin der
Stolpersteine früher bei solchen alternativen Stadtrundgängen aktiv
mitgewirkt hatte. Bei dem anschließenden Kaffeetrinken im SPD-Parteibüro
kritisierte die Landtagsabgeordnete Dr. Daniela Sommer, 'dass Antisemitismus
in unserem Land wieder salonfähig geworden ist'. Sie appellierte an alle
Teilnehmer des Gedenkens, deshalb wachsam zu sein und nicht zu schweigen.
'Das sind wir den Opfern schuldig.'"
Link zum Artikel |
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Januar 2019:
Erinnerung an jüdische Schicksale
zum Holocaust-Gedenktag |
Artikel in der "Hessischen Allgemeinen"
(online Ausgabe hna.de) vom 26. Januar 2019: "Jüdische Bürger aus der
Region deportiert.
Im KZ Auschwitz kamen auch viele Frankenberger um: Gedenken an die Opfer des
Holocaust
Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die letzten,
schwerkranken Überlebenden des deutschen Konzentrations- und
Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Kurz zuvor waren die marschfähigen
Häftlinge von SS-Wachen in Richtung Westen zu einem grausamen Todesmarsch
abgeführt worden. 'Dieser Ort sei allezeit ein Aufschrei der Verzweiflung
und Mahnung an die Menschheit. Hier ermordeten die Nazis über anderthalb
Millionen Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren Juden aus
verschiedenen Ländern Europas', steht auf einer der Steinplatten in der
Gedenkstätte des Lagers Birkenau. Unter denen, die zumeist direkt nach
Ankunft ihres Transportes an der Rampe der Todesfabrik von SS-Leuten
ausgesondert und durch Gas ermordet wurden, waren mindestens auch 155
Männer, Frauen und Kinder aus dem heutigen Kreis Waldeck-Frankenberg.
Insgesamt kamen im Holocaust mehr als 600 Menschen aus dem Kreisgebiet um.
Ihnen und allen 5,6 Millionen Opfern des NS-Regimes gilt seit 2005 der von
den Vereinten Nationen eingeführte 27. Januar als 'Internationaler Tag des
Gedenkens an den Holocaust'. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg und der
Förderkreis Synagoge in Vöhl laden in diesem Jahr gemeinsam für Sonntag, 27.
Januar, ab 16 Uhr in Vöhl zu einer
öffentlichen Gedenkveranstaltung ein. Es vergingen fast vier Jahrzehnte nach
der Zerschlagung des Nazi-Systems, bis mit der Aufarbeitung der
Holocaust-Schicksale auch im Frankenberger Land begonnen wurde. Die Stadt
Frankenberg beispielsweise tat sich schwer daran, bis sie 1988 in der
Rathausschirn erstmals eine Gedenktafel an ihre NS-Opfer aufhängen ließ -
noch ohne alle ihre Namen zu kennen. Erst 2011 konnte Stadtarchivar Dr.
Horst Hecker ein 600-seitiges Werk mit allen jüdischen Familiengeschichten
aus Frankenberg vorlegen. Die alte Synagoge in
Vöhl, getragen von einem 1999 gegründeten Förderverein, wurde mit
Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen zu einem Zentrum der
Gedenkkultur. In Frankenberg erinnern seit Beginn ihrer Verlegung 2006 durch
den Künstler Gunter Demnig insgesamt 38 'Stolpersteine' an jüdische
Frankenberger Bürger, viele mit dem Zusatz 'ermordet in Auschwitz'. Einige
Beispiele: Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes Josef Kaiser in Mauthausen
wurde 1944 auch Mary Kaiser vom Untermarkt 8 in den Gaskammern von Auschwitz
ermordet. In dieser NS-Todesfabrik kamen auch aus dem Haus Obermarkt 5 die
drei Schwestern Johanna Bachenheimer, Flora Skapowker und Sophie Katz um.
Nur weil er als Zwangsarbeiter nach Oranienburg verschleppt wurde, überlebte
der Sinti Robert Ebender das Todeslager. Als 17-Jähriger war er in das so
genannte 'Zigeunerlager' Birkenau deportiert worden, wo die NS-Verbrecher
alle seine vier Brüder umbrachten. Vergeblich hatte er noch einen Bruder zu
retten versucht. Robert 'Zweigeli' Ebender starb 2003 in Frankenberg."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Frankenberg
und umliegender Orte |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Frankenberg sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,178 Die Führung der Synagogenbücher und die Erhebung
von Kultussteuern in der jüdischen Gemeinde Frankenberg 1752 -
1842; enthält Listen von Steuerpflichtigen in der jüdischen Gemeinde
Frankenberg 1834 - 1839 und Erlasse des Landratsamtes Frankenberg zur
Führung von Geburts-, Trau- und Sterberegistern in den Synagogengemeinden
des Landkreises, 1840 - 1840; enthält auch Angaben zu Personen in Dodenhausen,
Frankenau, Geismar, Gemünden/Wohra, Grüsen, Röddenau, Rosenthal,
Schiffelbach; darin auch: Verzeichnis aller männlichen Juden aus den
Synagogengemeinden Gemünden/Wohra, Rosenthal und Frankenau mit
Angabe von Namen, Gewerbe, Geburtsort sowie Geburts- und zum Teil
Sterbedaten, 1752 - 1841 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732249
HHStAW 365,184 Trauregister der Juden von Frankenberg 1824 -
1898; enthält auch Angaben zu Trauungen in Geismar und Röddenau
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4971246
HHStAW 365,177 Geburtsregister der Juden von Frankenberg 1824
- 1899; enthält auch Angaben zu Geburten in Geismar und Röddenau;
darin auch Jüdisches Geburtsregister zur Militär-Stammrolle der Gemeinde
Frankenberg, 1824 - 1886
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4607208
HHStAW 365,185 Sterberegister der Juden von Frankenberg 1824 -
1900; enthält auch Angaben zu Verstorbenen aus Geismar und Röddenau
https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732250
HHStAW 365,183 Geburtsregister der Juden von Frankenberg 1851
- 1864 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1030575
HHStAW 365,181 Geburtsregister der Juden von Frankenberg 1851
- 1873 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v825430
HHStAW 365,180 Sterberegister der Juden von Frankenberg 1851 -
1874 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3500075
HHStAW 365,182 Geburtsregister der Juden von Frankenberg 1856
- 1868 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1900685
HHStAW 365,179 Sterberegister der Juden von Frankenberg 1856 -
1874 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4782867
|
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 237-238; kein Artikel in
ebd. III,1. |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 190-192. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 54 (Foto von Emil Plaut, s.o.). |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 66-67. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 65 (keine weiteren
Informationen). |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bücher. 2007 S. 182. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 215-216. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 544-546. |
| Uli Dolenschall: Hier lebte... Zur
Vertreibung der jüdischen Bevölkerung Frankenbergs. Hg. VHS
Kreis-Volkshochschule 1994. Online
zugänglich. |
| Horst Hecker: Jüdische Ärzte in Frankenberg. Online
zugänglich auf der Website des Geschichtsvereins
Frankenberg. |
| Monica Kingreen: Die Namen der ermordeten jüdischen
Frankenberger. Synagoge Vöhl. http://www.synagoge-voehl.de/Juden_im_Landkreis/frankenberg/veroeff/artikel/05_11%20kingreen.htm
Eingestellt November 2005. |
| Initiativgruppe
Stolpersteine Frankenberg (Hrsg.): Hier wohnte... Stolpersteine in
Frankenberg (Eder) - Erinnern an die Opfer des NS-Regimes. Frankenberg
2008. |
|
Horst
Hecker: Jüdisches Leben in Frankenberg.
Geschichte der Gemeinde und ihrer Familien.
Mit Beiträgen über die Juden in Geismar und Röddenau sowie einer
Dokumentation des jüdischen Friedhofs
(592 Seiten, reich bebildert, Farbteil mit sämtlichen
Grabsteinen).
Schon im Mittelalter lebten in Frankenberg Juden. Am Ende des
Dreißigjährigen Krieges entstand eine dauerhaft jüdische Gemeinde, die
auf dem Höhepunkt über 130 Mitglieder zählte. Während der frühen
Neuzeit führten sie eine höchst unsichere Existenz am Rande der
Gesellschaft; bis zur Emanzipation im 19. Jahrhundert war ihr Leben
geprägt von vielfältiger rechtlicher, sozialer und wirtschaftlicher
Diskriminierung. Aufgrund ihrer beruflichen Beschränkungen mussten sie
ihr Auskommen überwiegend als Vieh- und Warenhändler suchen, im 19. und
20. Jahrhundert spielte der Textilhandel eine große Rolle.
Seit dem Kaiserreich waren die Juden in Frankenberg weitgehend integriert,
mit der christlichen Bevölkerung lebten sie in guter Nachbarschaft. Viele
von ihnen waren Mitglieder in städtischen Vereinen, sie engagierten sich
auf sozialem Gebiet und waren gute Patrioten, die ihre Heimat
liebten.
Mit dem Machtantritt der Nazis 1933 änderte sich dies alles grundlegend:
Systematische Verfolgung und Demütigung bestimmten fortan den Alltag der
Juden auch in Frankenberg. Wer nicht rechtzeitig emigrieren konnte, wurde
in den Konzentrationslagern und Vernichtungslagern umgebracht. Über 30
jüdische Frankenberger, Männer, Frauen und Kinder, fielen dem
nationalsozialistischen Judenmord zum Opfer. Das
Buch ist online zugänglich (pdf-Datei, auch über
http://vhghessen.de/frankenberg/Hecker_Juedisches%20Leben%20in%20Frankenberg_web.pdf) |
In
den fast sieben Jahrzehnten, die seit der Deportation der letzten Juden
vergangen sind, ist die Erinnerung an die jüdische Geschichte
Frankenbergs weitgehend verblasst, nur wenig zeugt heute noch von der
einstmals blühenden Gemeinde. Um diesen wichtigen Teil der Stadtgeschichte
im Gedächtnis künftiger Generationen zu bewahren und zugleich als
Mahnung, Vorurteilen, Intoleranz und Rassenhass keinen Raum zu geben, hat
der Frankenberger Stadtarchivar Dr. Horst Hecker dieses Buch mit großer
wissenschaftlicher Gründlichkeit geschrieben, dabei eine Fülle von
genealogischen Daten gesichert und sie mit vielen Bildzeugnissen aus dem
Leben der jüdischen Bürger der Stadt illustriert.
Das Buch "Jüdisches Leben in Frankenberg" ist erhältlich
beim Verein für hessische Geschichte und Landeskunde Kassel, Zweigverein
Frankenberg, zum Preis von 30 Euro.
Bestelladresse: Karl-Hermann Völker, Waldenserstraße 3, 35099
Burgwald. Mail
(Karl-Hermann.Voelker[et]t-online.de). |
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Frankenberg
Hesse-Nassau. Although Jews lived there in medieval times, the community dated
from the 17th century. It maintained an elementary school from 1828 to 1939 and
a synagogue was established on 1838. The community numbered 133 (4 % of the
total) in 1905. Zionism gained support after 1933. On Kristallnacht (9-10
November 1938) both the synagogue and a Jewish teacher fell victim to the pogrom.
Of the 101 Jews registered in 1933, 57 emigrated (mostly to the United States);
others were sent to Nazi death camps in 1942.
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