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Sprendlingen (VG Sprendlingen-Gensingen,
Kreis Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden Sprendlingen
bestand eine jüdische Gemeinde bis um 1930. Erstmals lebten in der Zeit des 17.
Jahrhunderts einige jüdische Personen am Ort. Am 7. Dezember 1695
wurde in der Gemeinderechnung eingetragen, dass die Erhebung des
Juden-Weidegeldes nun aufhöre, weil der letzte Jude fortgezogen sei.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts zogen wieder Juden zu, die jedoch erstmals
wieder 1765 genannt werden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte
sich die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder wie folgt: 1824 130 Personen (mit
St. Johann), 1828 132 Personen, 1861 177 Personen (9,4 % der
Gesamteinwohnerschaft von 1.878 Personen), 1880 146 (7,3 % von 1.998), 1890 128,
1893 121 (in 27 Familien), 1898 103 (in 27 Haushaltungen), 1905 113 (4,9 % von 2.300), 1910 74 (3,5 % von 2.122). Die Zahlen zeigen, dass
erst nach 1900 eine größere Zahl jüdischer Personen durch Aus- und
Abwanderung Sprendlingen verließ.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule,
ein rituelles Bad und ein jüdischer Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet (Schächter) tätig war. Um
1900 hatte die Gemeinde noch 14 schulpflichtige Kinder. Die Lehrerstelle musste
bei Neubesetzungen immer wieder ausgeschrieben werden (vgl. Ausschreibungstexte
unten). Als Lehrer werden genannt: 1888 bis 1907 Aron Salomon (unterrichtete
an der Simultan-Schule des Ortes 17 Kinder; zugleich unterrichtete er die Kinder
in Gau-Bickelheim und in
Wallertheim, hier 1892 14 Kinder, um 1898
auch in Wöllstein). Nachfolger von Lehrer
Salomon (wechselte 1907 nach Gießen) war ab 1907 Lehrer Strauß.
Als Schochet
(Schächter) werden genannt: um 1893/98 M. Diewald, als Synagogendiener:
um 1893/94 A. Löb.
Von den jüdischen Vereinen werden genannt: ein Israelitischer
Männerverein (um 1893 unter Leitung von H. Koppel, H. Feist und A. Metzger)
und ein Israelitischer Frauenverein (um 1893 unter Leitung der Frau von
K. Marum und der Frau von S. Metzger).
Als Gemeindevorsteher werden genannt: um 1893/99 Ludwig Schloss, S.
Schloss und H. Koppel.
Im Ersten Weltkrieg ist ein jüdischer Mann aus Sprendlingen gefallen:
Otto Michael Metzger (vermisst).
1925 wurden auf Grund des Rückgangs der Zahl der Gemeindeglieder nur
noch 39 jüdische Einwohner gezählt (1,7 % von insgesamt ca. 2.300 Einwohnern).
Der Religionsunterricht wurde damals den Kindern von Fürfeld, Sprendlingen und
Wöllstein von einem gemeinsamen Religionslehrer erteilt. Den Gemeindevorstand
bildeten um 1925 Ludwig Schloß, Adolf Metzger und Jakob Landsberg. Als Kantor
war Isaak Löb tätig. Den jüdischen Religionsunterricht besuchten noch zwei
Kinder. An jüdischen Vereinen war ein Wohltätigkeitsverein unter
Leitung von Adolf Metzger tätig. Die jüdische Gemeinde in Sprendlingen war dem
Rabbinat Bingen zugeteilt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge verwüstet (s.u.), jüdische
Männer wurden geschlagen und in ein Konzentrationslager verbracht. 1939 lebten
noch 15 jüdische Personen in Sprendlingen. Die letzten der jüdischen Einwohner
wurden nach 1940 deportiert.
Von den in Sprendlingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
Thekla
Diewald (1879), Albert Kohn (1893), Clara Koppel geb. Koppel (1878), Margot
(Margarete) Koppel (1905), Alfred Landsberg (1892), Elisabeth (Else) Landsberg
geb. Wolf (1898), Julie Landsberg geb. Simon (1864), Otto Landsberg (1894), Emma
Laubmeister geb. Ullmann (1868), Ernestine (Erna) Katharina Löb (1898), Emma
Merdinger geb. Diewald (1877), Elisabeth Metzler geb. Vogel (1888), Karoline
Neuberger geb. Kaufmann (1864), Rosa (Rosalie) Rector geb. Stern (1883), Walter
Rector (1928), Wolfram Rector (1885), Anna Schloss (1894), Irma Schloss (1901),
Martha Schloss (1892), Oskar Leopold Schloß (1885; Gedenkstein im
Friedhof), Martha Seelig (1886),
Herbert Strauss (1911), Hildegard Strauss (1909), Bertha Wertheimer geb. Wolff
(1859), Emil Wolff (1865).
Anmerkung: In einzelnen Fällen kann es zu Verwechslungen mit
Sprendlingen
(Kreis Offenbach) kommen.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers und Vorbeters 1893 /
Hilfsvorbeters 1900
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Dezember 1893:
"Die Stelle eines Vorbeters, verbunden mit der Erteilung des
hebräischen Unterrichts, ist sofort in hiesiger Gemeinde zu besetzen.
Gehalt beträgt Fixum Mark 700. Auch Nebenverdienste werden zugesichert.
Bewerber ledigen Standes werden berücksichtigt. Gesuche mit Zeugnissen
versehen sind sofort einzusehen".
Der Vorstand der israelitischen Gemeinde
Sprendlingen in Rheinhessen:
Ludwig Schloß". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1900:
"Auf die hohen Feiertage suche einen
Hilfsvorbeter gegen anständige
Belohnung.
Der Vorstand: Ludwig Schloß, Sprendlingen in
Rheinhessen." |
Lobende Erwähnung der Religionsschule
in Sprendlingen (1858)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Juli 1858: "Wenn in einer
Korrespondenz aus Worms neulich (in No. 22 dieser Zeitung) von der
Gleichgültigkeit mehrerer Landgemeinden des Kreises Worms gegen allen
Religionsunterricht gesprochen wurde, so muss andererseits wieder
hervorgehoben werden, dass in einem anderen Teile Rheinhessens gerade die
bestgestellten Schulen des Großherzogtums sich befinden, dass zum Beispiel
in Oppenheim, Guntersblum,
Odernheim,
Niederwiesen und
Bechtheim gut dotierte Elementarschulen
mit definitiv vom Großherzoge angestellten Lehrern sich befinden, die
zumeist seit langen Jahren dort wirken, und dass außerdem die Lehrer in
Schornsheim,
Sprendlingen von ihren Gemeinden
freiwillig als Religionslehrer etc. definitiv angestellt sind, außer
anderen, die wir vielleicht nicht wissen; und dass aus all diesem zu
schließen ist, dass es um das jüdische Schulwesen hierzulande nicht so
schlecht bestellt ist." |
Abschied von Lehrer Aron Salomon
aus Sprendlingen (1907)
Anmerkung: Aron Salomon ist 1861 in
Beerfelden geboren, arbeitete zunächst als israelitischer Religionslehrer in
verschiedenen Orten Rheinhessens, bis er 1888 in Sprendlingen als
Volksschullehrer eine Anstellung fand. Hier war er zugleich als Kantor der
Gemeinde tätig. Er war seit 1890 verheiratet mit Sara geb. Löwenstein
(geb. 1867 in Gau-Bickelheim),
mit der er zwei Söhne hatte: Friedrich/Fritz Moses (1891-1927) und Markus/Max
(1893-1957). Im Herbst 1907 wurde er an das Realgymnasium und die Oberrealschule
nach Gießen berufen. Im Dezember 1920 ließ er sich in den Ruhestand versetzen
und verzog mit seiner Frau nach Worms, wo sich der Sohn Dr. Fritz Salomon als
Arzt niedergelassen hatte. Nach dem frühen Tod von Fritz (gest. 1927) ließ sich
Aron Salomon als Wanderlehrer einsetzen in den Gemeinden
Eich, Heßloch,
Monzernheim,
Wachenheim (Pfrimm) und
Wöllstein. 1942 wurde Aron Salomon mit
seiner Frau aus Frankfurt in das Ghetto Thersienstadt deportiert, wo beide
umgekommen sind.
Zu Lehrer Salomon vgl.: Gabriele Hannah und Hans-Dieter Graf: Aron
Salomon (1861-1942) - der letzte israelitische Religionslehrer am Altrhein.
In Heimatjahrbuch 2022. Landkreis Alzey Worms. S. 140 – 143.
Eingestellt als pdf-Datei.
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 25. Dezember 1907: "Heldenbergen,
im Dezember. Herr Kollege Salomon, der 19 Jahre an der Simultanschule zu
Sprendlingen, Rheinhessen, zur größten Zufriedenheit sämtlicher vorgesetzten
Behörden, der Gesamtgemeinde ohne Unterschied der Konfession, wirkte, wurde
vor einigen Monaten an das Großherzogliche Realgymnasium zu Gießen versetzt.
Das ist eine sehr ehrenvolle und wirtschaftlich vorteilhafte Beförderung für
unseren verehrten Kollegen. Die hohe Schulbehörde wollte damit sicher seine
bekannte Gewissenhaftigkeit und pädagogische Begabung anerkennen und
belohnen. Der Herr Bürgermeister des Städtchens hob in der
Gemeinderatssitzung, in welcher er die Versetzung des verehrten Lehrers
anzeigte, dessen Gewissenhaftigkeit, Begabung und Bescheidenheit in sehr
anerkennenswerter Weise hervor, einerseits den Weggang bedauernd,
andererseits aber die Verbesserung und Anerkennung begrüßend. Der Scheidende
war ebenso beliebt bei den Ortskollegen, wie bei denen des ganzen Kreises.
Kollege Salomon begleitete noch nebenbei das Amt eines Religionslehrer und
Kantors bei der israelitischen Gemeinde Sprendlingen, die seine Versetzung
ebenfalls sehr bedauert. Um nun ein dauerndes Zeichen ihrer Liebe und
Verehrung zu stiften, erfreute sie dieser Tage den Kollegen mit einem
prachtvollen, silbernen Pokal mit entsprechender Widmung. Dass sich der
Kollege über diese schöne, dankbare Anerkennung herzlich freut, lässt sich
nachempfinden. Die jüdische Gemeinde Sprendlingen hat sich mit dieser
Aufmerksamkeit ein schönes Attest ausgestellt, denn: 'Wer einen Anderen
ehrt, ehrt sich selbst!' Dem Nachfolger Salomons, Herrn Kollegen Strauß,
dürfte es sicher nicht schwer fallen, sich das Vertrauen und die Liebe einer
solchen Gemeinde recht rasch zu erwerben."
|
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Thekla Binge geb. Vogel in Bad
Homburg 1879, "der sehr würdigen und frommen Familie Vogel aus
Sprendlingen in Rheinhessen entstammend"
Nekrolog
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1879
(Anmerkung: es handelt sich nur um den ersten Teil des wesentlich
längeren Nekrologs mit dem Hinweis auf die Familie Vogel aus
Sprendlingen, der ganze Text siehe
Seite zu Homburg): "Bad Homburg. Mit dem letzten Sonnenstrahl des bereits
hingeschiedenen Jahres 5639 (d.h. am 17. September 1879) schied ein an
Frömmigkeit und Tugend reiches Leben aus unserer Mitte, und brachte
Trauer und Schmerz sowohl in den engeren Familienkreis desselben, als auch
in den Kreis unserer ganzen Gemeinde, indem Frau Thekla Binge, die tugendhafte
Gattin des Königlichen Regierungs-Anwalts Herrn S. Binge, das zeitige
Leben verlassen, um in die reichen Gefilde des Jenseits einzutreten.
Dieselbe, der sehr würdigen und frommen Familie Vogel aus Sprendlingen in
Rheinhessen entstammend, war eine Eschet Chajal (eine tüchtige
Frau) im wahrsten Sinne des Wortes zu nennen. Sie war es, die ihrem
geehrten Gatten ratend und ermunternd zur Seite stand, damit dieser, trotz
seiner großen Praxis, die heiligen Schabbate und die Feiertage in
schönster Weise heiligen und feiern konnte, ja es ihm möglich machte,
täglich Abends und Morgens die Synagoge zu besuchen, sogar stets von den
zehn ersten zu sein, seine segensreiche Tätigkeit und einflussreiche
Stellung zu Gunsten der ungetrübten Entfaltung und Stärkung der
religiösen Interessen als Vorstand der israelitischen Gemeinde zu
verwenden..." |
90. Geburtstag von Leopold Metzger
(1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. März
1905: "Sprendlingen (Rheinhessen). Aus Anlass des 90.
Geburtstages unseres ältesten Gemeindemitgliedes Herrn Leopold Metzger
fand in der hiesigen Synagoge eine erhebende Feier
statt." |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Sprendlingen geboren sind |
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KK (Mainz 1939) für Hugo
Philipp Bayerthal
(geb. 24. Mai 1872 in Sprendlingen),
Apotheker
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KK (Mainz 1939) für Rosalie
Rector geb. Stern (geb.
13. Juni 1883 in Sprendlingen), wohnhaft in Mainz;
am 25. März 1942 ab Mainz - Darmstadt in das
Ghetto Piaski deportiert und umgekommen |
KK (Mainz 1939) für
Antonie Weiß geb. Feist
(geb. 19. Dezember 1885 in Sprendlingen)
|
Zur Geschichte der Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Manfred Schneider, Vorsitzender
des Blasorchesters und Mitglied des Ortsgemeinderates Sprendlingen)
Zunächst war nach einem Bericht in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
(vom 20. Februar 1925, siehe unten) ein Betsaal in einer Stube des Herrn Josef
Salenen im St. Johannerviertel (Bereich der St. Johannerstraße) vorhanden.
Diese Stube war allerdings "niedrig und beengt". Vermutlich kurz nach
1820 wurde von der israelitischen Gemeinde in der St. Gertrudenstraße ein
Grundstück gekauft und auf ihm eine Synagoge erbaut, die 1825 fertiggestellt
werden konnte. Die Einweihung war am 19. März 1825. Sie soll
"feierlich und glänzend" gewesen sein: 12 jüdische Musikanten sangen
und musizierten. Dieselben begleiteten auch den Zug, auf welchem die Kultgegenstände
aus dem bisherigen Betsaal in die neue Synagoge gebracht wurden und bereicherten
wesentlich den Einweihungsgottesdienst. Die schmale Gasse, in der die Synagoge
erbaut wurde, bekam den Namen "Synagogengasse.
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 20. Februar 1925:
"Mainz. Dem 'Mainzer Anzeiger' entnehmen wir folgende Nachricht: Die
hiesige israelitische Gemeinde kann in diesem Jahre einen besonderen
Gedenktag feiern. Am 19. März sind es gerade 100 Jahre, dass die
Einweihung der neu erbauten Synagoge erfolgte. Dieser Tag bedeutet einen
Markstein in der so wechselvollen Geschichte der hiesigen
Synagogengemeinde. Weiß doch der Chronist folgendes zu berichten. Am 7.
Dezember 1695 wurde in der Gemeinderechnung eingetragen, dass die Erhebung
des Juden-Weidegeldes nun aufhöre, weil der letzte Jude fortgezogen ist.
Es dauerte mehrere Jahre, bis wieder Juden eingezogen waren. - Zur
Einweihungsfeier selbst überliefert der Chronist was folgt: Die
Israeliten zu Sprendlingen hielten ihre gottesdienstlichen
Versammlungen seit langen Jahren in einer Stube der Herrn Josef Salenen im
St. Johannerviertel. Die Stube war niedrig und beengt. Da wurde von der
israelitischen Gemeinde in der St. Gertrudenstraße ein Platz gekauft und
eine Synagoge erbaut. Die Einweihung derselben am 19. März 1825 war
feierlich und glänzend. 12 israelitische Musikanten sangen und
musizierten; dieselben begleiteten den Zug, auf welchem die heiligen
Geräte aus dem früheren Versammlungshaus in den neuen Tempel gebracht
wurden, und im Tempel die religiösen Stücke und Hymnen, durch deren
Vortrag diese seltene Feier erhöht und verschönert wurde. Wie verlautet,
soll der Gedenktag von der israelitischen Gemeinde würdig gefeiert
werden." |
Bei
der Synagoge in Sprendlingen handelt sich um ein auf quadratischem Grundriss erbautes
Gebäude mit neoromanischen und neobarocken Stilelementen. Der Saalbau umfasst
eine Größe von 11,30 x 10,30 m. Der Versammlungsraum (ehemaliger Betsaal) hat
eine lichte Raumhöhe von fünf Metern. Das Satteldach steht in Traufstellung
parallel zur Synagogengasse.
An der Westseite sind zwei Eingangstüren, durch die Frauen und Männer
getrennt in den Versammelungsraum gelangten. Im Giebel der Westfassade befindet
sich eine runde, in Sandstein gefasste Rosette mit einem Davidstern. Neben dem
Männereingang ist eine kleine Nische in die Wand eingelassen, in welcher die
Männer beim Betreten der Synagoge die rituelle Waschung vornahmen. Im
Gebäudeinneren (Männerbereich) ist ein ringsumlaufendes, profiliertes
Sandsteingesims zum Aufstellen von Herzen und Leuchtern eingebaut. Die Frauen
nahmen hinter einer eingebauten Trennwand am Gottesdienst teil.
Die Nordseite ist gleichmäßig in vier mit Rundbogen und
Sandsteingewänden eingefasste Fensterfelder gegliedert.
Die Südseite gleicht von der Gliederung her der Nordseite, wobei eines
der Fenster durch eine Tür ersetzt wurde.
In der Ostseite befinden sich keine Fenster. Hier befand sich zur
Synagogenzeit die Tora-Nische - in die Wand eingelassen.
Dem Untersuchungsbericht des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz
zufolge, waren die Wandflächen ursprünglich mit einem weißen
Kalkanstrich grundiert. Sie wurden dann monochrom in einem gebrochenen weiß gestrichen.
Lediglich die Stuckleiste war in Ocker abgesetzt und darunter durch ein 3 cm
breiter blaugrünes Band betont. Die darüber liegenden Flächen an der Ost- und
Westwand waren mittelgrau gestrichen. Die Decke war - wenigen Spuren zufolge -
möglicherweise mit einem hellblauen Anstrich versehen.
Um die Jahrhundertwende wurde die Synagoge zum ersten Mal umgestaltet.
Die Tora-Nische wurde verschlossen und ein schwerer, geschnitzter Tora-Schrank
eingebaut. Die Synagoge wurde farblich umgestaltet. Die heutige Farbgestaltet
der Synagoge entspricht, dem Untersuchungsbericht des Landesamts für
Denkmalpflege zufolge, der originalen Farbgebung dieser ersten großen
Synagogenrestaurierung. Die Position des Tora-Schrankes ist durch die bewusste
farbliche Absetzung ind er Ostwand ersichtlich. Die darüber liegende
hebräische Inschrift bedeutet: "Geheiligt dem Ewigen".
Über 100 Jahre war die Sprendlinger Synagoge
Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens. 1925 wurde das hundertjährige
Bestehen der Synagoge feierlich begangen. Darüber liegt ein Bericht aus der
"Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 24. April 1925 vor:
Synagogen-Jubiläum
in Sprendlingen. Dem Mainzer Anzeiger vom 7. April entnehmen wir:
Anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Synagoge fand am Sonntag unter
Beteiligung der gesamten Bevölkerung und Anwesenheit des Bürgermeisters und
der beiden Beigeordneten sowie der Geistlichen beider Konfessionen ein
erhebender Festgottesdienst statt. Die Synagoge war herrlich geschmückt und bis
auf den letzten Platz auch durch Gäste aus umliegenden Ortschaften gefüllt.
Nach einem kurzen Gebet hielt Herr Kreisrabbiner Dr. Appel-Bingen eine
tiefempfundene Rede. Mit einem Gebet für das Wohl der Gemeinde und des
Vaterlandes schloss die würdige Feier. Herr Ludwig Schloss dankte im Namen der
israelitischen Gemeinde den beiden Geistlichen, Bürgermeister und Beigeordnete
für ihr Erscheinen. Herr Oppenheimer-Gau-Bischofsheim überbrachte die
Glückwünsche der jüdischen Landgemeinden. In schönster Harmonie verlief so
die hundertjährige Feier. Möge die Einigkeit in unserer Gemeinde immerwährend
bestehen.
|
Obwohl die Synagoge auf Grund des Wegzuges der jüdischen Einwohner bereits
seit 1932 nicht mehr als Gotteshaus verwendet wurde, ist sie beim Novemberpogrom
1938 verwüstet und geplündert worden. Noch im selben Jahr wurde sie an
einen Schreiner verkauft, der in dem Gebäude seine Werkstatt einrichtete. Das
Schlachthaus wurde an einen Nachbarn verkauft; die "Synagogengasse"
wurde umbenannt in "Berggasse".
1978
wurde eine Gedenktafel an dem Gebäude angebracht und die "Berggasse"
bekam wieder ihren ursprünglichen Namen "Synagogengasse".
Chancen für eine Renovierung der ehemaligen Synagoge gab es seit den
1990er-Jahren, nachdem die Ortsgemeinde Sprendlingen in das
Städtebauförderungsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz aufgenommen wurde. 1996
kaufte die Ortsgemeinde das seit 1984 als Kulturdenkmal unter Schutz stehende
Gebäude. 2003-04
wurde das Gebäude restauriert. Die Gesamtkosten für den Umbau und die
Modernisierungsmaßnahmen der ehemaligen Synagoge zu einer
Gemeinschaftseinrichtung beliefen sich auf etwa 610.000 € (60 % aus Mitteln
des Innenministeriums Rheinland-Pfalz). Das Gebäude wird für musikalische und
kulturelle Veranstaltungen genutzt (Proberaum für das Blasorchester
Sprendlingen; im angrenzenden und in die Restaurierung einbezogenen
Nachbargebäude weitere Gemeinschaftsräume).
Adresse/Standort der Synagoge: Synagogengasse 8
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum am "Tag des offenen
Denkmals", 11.9.2005)
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Straßenschild
"Synagogengasse" |
Hinweistafel zur Synagoge |
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Eingangsbereich zur Synagoge |
Gedenktafel |
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Innenansicht der
ehemaligen Synagoge |
Rechts des ehemaligen
Toraschreines:
Torarolle und Gebetsschal (Tallit) |
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Wasserkanne im Bereich der
früheren
Gelegenheit zur rituellen Waschung
am Eingang zur Synagoge |
Sandsteinkonsole -
Originalteil aus der
Entstehungszeit 1825. abgeschlagen nach
1938,
anschließend in einer Mauernische
vermauert, 2004 wieder entdeckt und an
der ursprünglichen Stelle angebracht. |
Der Dachstuhl über dem
früheren Betsaal |
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Das ehemalige jüdische
Schlachthaus
bei der Synagoge |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
März 2009:
Erste "Stolpersteine"-Verlegung
in Sprendlingen |
Artikel von Bernhard Brühl vom 31. März
2009 in der "Allgemeinen Zeitung" (Main-Rheiner, Artikel):
Stolpersteine gegen Gleichgültigkeit - Erste Messingplatten in Sprendlingen verlegt/Erinnerung an jüdische Mitbürger.
SPRENDLINGEN. "Auch in Sprendlingen gab es Menschen, die aus ihrem Zuhause deportiert und ermordet wurden. Ihrer wollen wir mit den `Stolpersteinen` gedenken", sagte Ortsbürgermeister Karl Heinz Weller bei der Verlegung von ersten Stolpersteinen im Ort.
"Denn wer über die Steine stolpert, kann nicht gleichgültig bleiben", ergänzte Weller während der Aktion. Der Kölner Künstler Gunter Demnig will mit diesen, in den Bürgersteig eingelassenen Messingplatten, auf den letzten frei gewählten Wohnsitz jüdischer Menschen hinweisen. Die Steine enthalten den Namen, den Geburtstag und Angaben über das Schicksal des Betroffenen. In Sprendlingen wurden in der Schulstraße, in der Gau-Bickelheimer Straße und in der St. Johanner Straße sieben "Stolpersteine" verlegt. Sie erinnern an die Sprendlinger Bürger Oskar Schloß, die Familien Rector-Stern und Landsberg..."
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Juli 2012:
Zweite "Stolpersteine"-Verlegung in
Sprendlingen |
Artikel von Bernhard Brühl in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 6. Juli 2012: "Künstler Gunter
Demnig erinnert mit Verlegen von Stolpersteinen in Sprenglingen an
Nazi-Opfer..."
Link zum Artikel: Künstler Gunter Demnig erinnert mit Verlegen von Stolpersteinen in Sprendlingen an Nazi-Opfer
(AZ, 06.07.2012)
Anmerkung: In Sprendlingen wurden in der St. Johanner Straße 16
(Ehepaar Caroline und Julius Neuberger) und in der Gau-Bickelheimer
Straße 5 (Clara Koppel und ihre Tochter Margot Koppel) und 59 (Familie
Friedrich, Berta und Ferdinand Stern) insgesamt sechs Stolpersteine
verlegt. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen.
1971 Bd. II, S. 264-265. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 356-357 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 315-316. |
| Gabriele Hannah und Hans-Dieter Graf: Aron
Salomon (1861-1942) - der letzte israelitische Religionslehrer am Altrhein.
In Heimatjahrbuch 2022. Landkreis Alzey Worms. S. 140 – 143.
Eingestellt als pdf-Datei. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Sprendlingen. Mainz-Bingen
district. Jews lived there in the 17th century and founded one of the largest
village communities in the region, numbering 177 (9 % of the total) in 1861.
Only 39 Jews were left, however, to mark their synagogue's 100th anniversary in
1925. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was vandalized
and Jewish men were beaten and then sent to a concentration camp. Fifteen Jews
still remained in 1939.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|