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Kronach (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Zur Geschichte und gegenwärtigen Nutzung
der Synagoge in Kronach siehe
die Seiten
des Aktionskreises Kronacher Synagoge e.V. www.synagoge-kronach.de
Aktueller Hinweis: ein
virtueller Rundgang durch das Synagogengebäude Kronach - erstellt von Konstantin
Gayvoronski - ist möglich über
https://my.matterport.com/show/?m=qSubE34qYAL (verlinkt von der Seite des
Arbeitskreises Konacher Synagoge e.V.:
https://www.tag-des-offenen-denkmals.de/veranstaltungen/virtueller-rundgang-durch-die-kronacher-synagoge).
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Kronach bestand eine jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter.
Eine erste Erwähnung liegt in den sogenannten "Memorbüchern" vor, in denen
die von
der sogenannten "Rindfleisch-Verfolgung" im Jahr 1298
betroffenen Orte genannt werden. In Kronach sollen damals zehn Juden erschlagen
worden sein. Wann wiederum jüdische Personen in der Stadt zugezogen sind und ob
diese von der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49 betroffen waren, ist nicht
bekannt. 1383 wurde der Jude Samiel von Kronach in Coburg genannt, 1403
ein Kronacher Jude in Bamberg, 1448 einer in Kulmbach, 1450 zwei in
Lichtenfels.
Zwischen 1390 und 1395 werden in Rechnungsbüchern der Stadt fünf jüdische
Personen aufgeführt, 1403 vier. Insgesamt waren in diesen Jahren acht
verschiedene jüdische Personen (vermutlich Familienoberhäupter) in der Stadt; die Namen
waren Abel, Moses, Simon, Gotsmann, Joseph, Jakob, Seligmann, Samuel. Die jüdischen
Familien lebten damals unter dem Schutz des Bischofs von Bamberg. Ihren
Lebensunterhalt verdienten sie durch den Geldhandel. Das Wohngebiet der jüdischen Familien
war insbesondere im Bereich der (1577 erstmals genannten)
"Judengasse". Bereits im 15. Jahrhundert lassen sich Juden jedoch auch in
anderen Stadtvierteln nachweisen.
Von einer Vertreibung der jüdischen Einwohner im 16. Jahrhundert ist
nichts bekannt. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zogen jüdische
Familien auch von umliegenden Dörfern zu, wo sie sich über mehrere Jahre -
noch mehr als die christliche Bevölkerung - in ständiger Lebensgefahr
befanden. 1635 gab es allerdings Bemühungen, sie aus der Stadt zu verweisen.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg ging die Zahl der Juden in der Stadt zurück.
Bis Mitte des 18. Jahrhundert war die Zahl auf fünf Schutzjuden(-familien)
zurückgegangen (1747/48). Grund für den Rückgang war die judenfeindliche
Haltung in der Stadt und die ständigen Bemühungen der Bürgerschaft und des
Rates, die Zahl der Juden in Kronach auf eine möglichst kleine Zahl zu
beschränken oder die Juden ganz auszuweisen. Zu einem Überfall auf die
jüdischen Familien in Kronach kam es im Zusammenhang mit dem allgemeinen
Aufstand gegen die Juden im Hochstift Bamberg 1699. Die Regierung
veranlasste eine Untersuchung der Ausschreitungen und die Entschädigung der
beraubten Familien. Die beschädigten jüdischen Häuser mussten auf Befehl der
Regierung wieder hergestellt werden. Die jüdischen Familien lebten im 17./18.
Jahrhundert inzwischen überwiegend vom Handel mit Vieh, Pferden,
Landesprodukten und Waren aller Art.
Erst im 19. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner wieder
stärker zu: 1809/10 waren es 20 jüdische Einwohner (0,8 % von insgesamt 2.369
Einwohnern), 1867 20 (0,8 % von 3.779), 1880 71 (1,8 % von 4.037), 1890 101 (2,4
% von 4.140), 1910 68 (1,3 % von 5.434).
An Einrichtungen hatte die erst 1883 offiziell gegründete jüdische Gemeinde
(zuvor gehörten die Kronacher Juden zur Gemeinde in Friesen)
eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. Verschiedene Anzeigen (siehe unten) aus dem 19. Jahrhundert berichten von der
Entwicklung der Lehrerstelle in Kronach: 1845 suchte eine der ersten in
Kronach zugezogenen Familien (Süsheim) einen privaten Lehrer, 1865 wurde
gemeinsam mit der Nachbargemeinde Friesen ein Lehrer angestellt, 1877
gemeinsam mit der Nachbargemeinde Oberlangenstadt. Im Jahr vor der Einweihung
der Synagoge (1882) hat die Kronacher Gemeinde erstmals einen eigenen
Lehrer angestellt. Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat Burgkunstadt,
später zum Bezirksrabbinat Bayreuth.
Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in älteren Zeiten möglicherweise auf
einem jüdischen Friedhof in Kronach beigesetzt, der sich am Abhang des
Rosenberges am Dörfleser Weg befunden haben soll. Später beerdigten die
Kronacher Juden ihre Verstorbenen auf dem Friedhof am Ebnether Berg bei Burgkunstadt.
Inwieweit auch der Friedhof in Küps von den
Kronacher Juden benutzt wurde, kann nicht mehr eindeutig nachgewiesen
werden.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Leutnant Julius
Roßmann (geb. 13.8.1886 in Kronach, gef. 24.3.1918; ruht auf der
Kriegsgräberstätte in Neuville - St. Vaast), Siegmund Bernhard Roßmann
(geb. 11.3.1885 in Kronach, gef. 20.7.1915; ruht auf der Kriegsgräberstätte in
Hohrod). Außerdem sind gefallen:
Unteroffizier Max Heimann (geb. 8.4.1894 in Kronach, vor 1914 in Burgkunstadt
wohnhaft, gef. 13.11.1916), Gefreiter Richard Heimann (geb. 3.5.1891 in Kronach,
vor 1914 in Burgkunstadt wohnhaft, gef. 6.5.1917). Die
Namen der beiden Brüder Roßmann werden auf dem Ehrenmal der Stadt Kronach
unterhalb der Festung Rosenberg genannt (Link);
der Name von Julius Rossmann auch auf der Gedenktafel im Schützenhaus Kronach
für die gefallenen Mitglieder des Schützenvereins Kronach.
Um 1924, als nur noch 32 jüdische Personen in der Stadt
lebten (0,5 % von 6.244), waren die Vorsteher der Gemeinde Felix Strauß,
Jakob Fleischmann und Leo Adler. Inzwischen hatte die Gemeinde keinen eigenen
Religionslehrer mehr. Den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen (für
nur noch zwei Kinder) erteilte Lehrer Salli Schmid aus Lichtenfels. 1932
war 1. Vorsteher der Gemeinde (und Schatzmeister) Felix Strauß, 2. Vorsteher
(und Schriftführer) L. Mosbacher. Jüdischer Religionslehrer für die damals
vier schulpflichtigen jüdischen Kinder war Lehrer Arnold Seliger aus Lichtenfels. Der jüdischen Gemeinde in Kronach war der in
Gundelsdorf lebende
jüdische Ziegeleibesitzer Julius Obermeier angeschlossen (gest. 1936 im
Amtsgerichtsgefängnis Kronach an Herzschwäche nach Verhaftung auf Grund von
angeblicher 'Rassenschande').
1933 wurden 35 jüdische Einwohner in der Stadt gezählt (0,5 % von 6.706). Auf
Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und
der Repressalien entschlossen sich alsbald mehrere der jüdischen Einwohner zur
Aus- beziehungsweise Abwanderung. Im Oktober 1935 wurden auf dem
städtischen Viehmarkt Schilder mit der Aufsicht "Juden unerwünscht"
angebracht. Dennoch konnten die jüdischen Viehhändler noch einige Zeit ihren
Geschäften nachkommen. Zwischen 1933 und 1939 konnten sieben jüdische
Einwohner emigrieren (drei nach England, zwei nach Frankfurt, je einer nach
Palästina/Erez Jisrael und in die Schweiz). Acht jüdische Personen verzogen in
andere Ort, drei davon nach Nürnberg. Zwei starben in Kronach. Beim Novemberpogrom
1938 kam es zu schweren Ausschreitungen gegen die jüdischen Familien, bei
denen das Haus der Familie Strauss zerstört worden ist. Im Frühjahr 1942
lebten noch zehn jüdische Personen in Kronach. Von ihnen wurden acht am 25.
April über Bamberg nach Izbica bei Lublin deportiert, die beiden anderen am 9.
September 1942 ins Ghetto Theresienstadt.
Von den in Kronach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Benno Bamberger (1877), Ernst
Bamberger (1878), Fritz Bamberger (1862), Fritz Bamberger (1876), Ida Bamberger (1886),
Karl Bamberger (1880), Theodor
Bamberger (1870), Amalie Behr geb. Mosbacher (1865), Bertha Bettmann geb.
Roßmann (1883), Bernhard Böhm (1883), Hedwig Böhm geb. Frank (1894), Amalie
Behr geb. Mosbacher (1865), Bernhard Bettmann (1875), Fritz Cohn (1909),
Sofie Fleischmann geb. Hellmann (1883), Betty Fried geb. Bachmann (1867), Frieda Lamm geb. Walter (1890), Hilda Lamm geb. Loewy (1885), Joseph
Lamm (1888), Ludwig Lamm (1888), Ernst Loewy (1927), Grete (Gretchen) Maienthau
geb. Bamberger (1882),
Siegbert Meyer (1919), Josef Mosbacher (1872), Kurt Mosbacher (1907), Ludwig
Mosbacher (1874), Julie Rainer geb. Gerson (ca. 1900), Ida Maria Senger geb. May
(1883), Max Markus Tannenbaum (1879), Selma Tannenbaum geb. Lamm (1884), Frida
Weil geb. Tannenbach (1909), Johanna Wolf (1868), Martha Zimmer geb. Bachmann
(1870).
Im städtischen Friedhof Kronach (Friedhofstraße) befindet sich eine Gedenkstätte
zur Erinnerung an die aus der Stadt in der NS-Zeit umgekommenen/ermordeten
jüdischen Personen mit der Inschrift: "Die Stadt Kronach gedenkt voll
Wegmut ihrer jüdischen Mitbürger, welche Opfer der Gewaltherrschaft des
Dritten Reiches geworden sind". Die in der Inschrift des Steines
verzeichneten deportierten Familien entsprechen allerdings nicht mehr den
neuesten geschichtlichen Erkenntnissen (Fotos der Gedenkstätte siehe
unten).
Anmerkung: die in verschiedenen Listen angegebene Johanna (Hannchen)
Babtschinsky geb. Tannenbaum (1920) ist nicht in der NS-Zeit umgekommen. Sie
konnte mit ihrem Ehemann nach Kronach zurückkehren und betrieb in den
1950er-Jahren eine Reifenvulkanisierungswerlstatt in Kronach (Hinweis von
Christian Porzelt auf Grund der Angaben in: Katha B. Zaich/Willi Zaich s.Lit.
und Christoph Zeckai s.Lit.)
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers, Vorbeters, Schochet 1845
Der erste in Kronach angestellte jüdische
Lehrer wurde privat von Familie M. Süsheim angestellt. |
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Februar 1845:
"Anzeige.
(Lehrerstelle). Ein Lehrer, welcher das Seminar absolviert, mit guten
Zeugnissen versehen, im Hebräischen, Deutschen, womöglich auch in der
französischen Sprache und Klavier Unterricht erteilen kann, kann unter
sehr annehmbaren Bedingnissen, stündlich oder auch erst bis Mitte Mai,
bei dem Unterzeichneten Unterkunft finden. Näheres auf portofreie
Briefe.
Kronach in Oberfranken in Bayern. M. Süsheim" |
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1865 stellte die Gemeinde gemeinsam
mit der israelitischen Gemeinde in Friesen einen Lehrer an, wobei Kronach
damals Filialgemeinde zu Friesen war. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. April 1865: "Israelitische Religionslehrerstelle vakant. In der israelitischen
Gemeinde Friesen mit Kronach ist die Stelle eines Religionslehrers,
Vorsängers und Schochet alsbald zu besetzen. Fixer Gehalt 200 Gulden.
Nebeneinkünfte 100 Gulden nebst freier Wohnung. Bewerber wollen ihre
Gesuche mit entsprechenden Zeugnissen über strenge Religiosität und
seitherigen Wirkungskreis längstens in 4 Wochen franco einsenden.
Friesen und Kronach (Bayern), 20. März 1865. Der israelitische
Kultusvorstand. S. Friedmann." |
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1877 stellten die Gemeinden Kronach
und Oberlangenstadt gemeinsam
einen Lehrer an: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August 1877: "Die beiden
israelitischen Gemeinden Stadt-Kronach und Oberlangenstadt, beide durch
die Eisenbahn sehr nahe verbunden, beabsichtigen in Gemeinschaft einen
Religionslehrer, der zugleich den Vorsänger- und Schächterdienst
verstehen muss, aufzunehmen. Es steht demselben ohne andere
Nebenverdienste, ein Jahresgehalt von eintausend Mark und freier Wohnung
offen, sowie noch der Ertrag des Schächterdienstes, der sich zwischen
vier bis fünfhundert Mark entziffert. - Reflektanten belieben sich an die
Unterfertigte zu wenden.
Oberlangenstadt, 15. Juli 1877. Die israelitische Kultus-Verwaltung
Fleischmann jr. |
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1882 wurde der erste nur für Kronach
zuständige Religionslehrer angestellt: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1882: "Bei der
israelitischen Kultusgemeinde Kronach in Bayern ist die Religionslehrer-,
Vorsänger- und Schächterstelle baldigst zu besetzen. Mit dieser Funktion
ist ein fixer Gehalt von jährlich Mark 800 und circa Mark 300 als
Nebeneinnahmen für den Schächterposten verbunden. Außerdem bezieht der
Lehrer jährlich Mark 125 für den Religionsunterricht an der Realschule
und können demselben weitere Nebeneinkünfte von ca. Mark 300 in Aussicht
gestellt werden.
Gut qualifizierte verheiratete Bewerber wollen sich schriftlich unter
Beilage von Zeugnisabschriften wenden an den Kultus-Vorstand Z.
Mosbacher." |
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1891 war die Stelle ausgeschrieben in
Verbindung mit der inzwischen gleichzeitig zu betreuenden Stelle in Oberlangenstadt. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1891: "Religions-Lehrer-Stelle.
Am 1. Oktober dieses Jahres erledigt sich dahier die israelitische
Religions-Lehrer-Stelle, verbunden mit vorbeter- und Schächterfunktion.
Der Posten wird mit Mark 900,- inklusive Wohnungszuschuss und
Schechita-Aversum pro Anno honoriert und trägt durch Übernahme der
Verwesung einer Nachgemeinde, 'Oberlangenstadt', mit wöchentlich
zweimaligem Religionsunterricht, gleicher Funktion an diesiger
königlicher Realschule und sonstigen Nebeneinkünften circa weitere Mark
6-800. Bewerber wollen sich unter Vorlage nötiger Zeugnisse an den
Unterfertigten wenden.
Kronach, 2. August 1891. Die israelitische Kultus-Gemeinde. Der Vorstand:
Wilhelm May." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Juli 1909: "Wir
suchen für die Festtage Neujahr und Versöhnungstag zur Unterstützung
unseres Vorbeters 1 Aushilfs-Vorbeter, der auch Schofar
blasen kann. Geeignete Bewerber wollen ihre Meldungen mit Angabe ihrer
Anspruche an die unterzeichnete Vorstandschaft bis 1. August dieses Jahres
einsenden. Kronach, Bayern, im Juli 1909.
Die Vorstandschaft der israelitischen Kultusgemeinde Kronach." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1911:
"Wir
suchen für das Neujahrs- und Versöhnungsfest neben unserem Vorbeter
einen
Aushilfs-Vorbeter,
der auch Schofarblasen kann.
Bewerber wollen sich mit Angabe ihrer Ansprüche an Unterzeichnete wenden.
Israelitische Kultus-Gemeinde Kronach." |
Lehrer Moses Wetzler wirbt für sein Schülerpensionat (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. August 1890:
"Israelitische Schüler, welche die Königliche Realschule in Kronach
besuchen wollen, finden in meinem Hause gewissenhafte Verpflegung und
angelegentlichst Beaufsichtigung bei mäßigem Preise. Beste Referenzen.
M. Wetzler, israelitischer Religionslehrer der Königlichen Realschule und
der israelitischen Kultusgemeinde in Kronach." |
Anzeige von Lehrer Moses Wetzler (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 18. Januar 1907:
"Suche per sofort oder etwas später ein religiöses jüdisches
Mädchen gesetzten Alters, Witwe nicht ausgeschlossen, als
Stütze
auf dem Lande für bürgerliche Küche und Halthalt. Dienstmädchen
vorhanden. Familienanschluss zugesichert. Nähere Auskünfte über Familie
und Gehalt erteilt
Lehrer M. Wetzler in Kronach, Bayern,
Oberfranken." |
25-jähriges Dienstjubiläum des Lehrers Moses Wetzler (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1907:
"Kronach, 1. November (1907). Samstag, den 19. dieses Monats, waren
25 Jahre verflossen, seitdem unser bei der hiesigen Bevölkerung ohne
Unterschied des Glaubens überaus beliebter und geachteter Lehrer und
Kantor Herr M. Wetzler seine Wirksamkeit in der hiesigen Kultusgemeinde
begonnen hat. Das Jubiläum gestaltete sich zu einer würdigen und sehr
herzlichen Feier. Am Freitagabend brachte der Gesangverein 'Cäcilia' dem
Jubilar ein Ständchen, wobei auch treffliche Ansprachen gehalten wurden.
In der Synagoge predigte Samstag morgens Herr Bezirksrabbiner Dr. Goitein;
er gedachte in seiner Rede der Verdienste des Jubilars und betonte
besonders, dass dieser die Tora nicht nur lehre, sondern der Jugend und
der Gemeinde in ihrer Erfüllung mit vorbildlicher Weise vorangehe. Nach
dem Gottesdienst versammelte sich die Gemeinde in der Wohnung des Herrn
Wetzler, wo ihm Herr Roßmann als stellvertretender Vorstand herzliche
Worte des Dankes und der Anerkennung aussprach und wertvolle Geschenke im
Namen der Gemeinde überreichte. Das Gleiche besorgte dann Herr Marx als
Vorsteher der Gemeinde Oberlangenstadt. Viele Glückwunschschreiben und
Depeschen waren eingelaufen. Es war eine verdiente, für den Jubilar und
seine Gattin erhebende, unvergessliche Ehrung." |
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Das Foto rechts von 1891 zeigt die
ehemalige Realschule, Kulmbacher Straße 1 in Kronach. Da an dieser Realschule Moses Wetzler von 1883 bis
zum 1. Mai 1921 tätig war, ist anzunehmen, dass sich auch Moses Wetzler unter den abgebildeten Lehrern befindet. Ein Foto nur von Herrn Moses Wetzler
konnte bisher noch nicht gefunden werden.
(Quelle: Sammlung Stefan Wicklein, Kronach; freundliche Vermittlung
über Jürgen Hanke, Kronach) |
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Zum Tod von Lehrer Moses Wetzler
(1923)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August 1923:
"Moses Wetzler - er ruhe in Frieden. Am 11. Juli (1923) verstarb hier
im 76. Lebensjahre Herr Hauptlehrer a.D. Moses Wetzler, der mehr als 50
Jahre als Religionslehrer sich vorbildlich und pflichtgetreu betätigt und
bewährt hat. Nach fast 40jähriger Amtsführung in Kronach (Oberfranken)
setzte er sich vor etwa 2 Jahren zur wohl verdienten Ruhe, um an der Seite
seiner Gattin, mit welcher er 50 Jahre in trefflicher Eheharmonie lebte,
seinen Lebensabend in Frankfurt am Main zu beschließen, wie er sich's in
jungen Jahren schon gewünscht hatte. Zwölf Kinder, alle versorgt,
trauern um den Tod eines Vaters, welcher die vielen Nöte eines jüdischen
Lehrers und die wenigen Freuden eines solchen zur Genüge kennen lernte.
Sein tief religiöses Empfinden und seine Berufsfreudigkeit ließen erst
im hohen Greisenalter den Entschluss in ihm reifen, Kronach als den
letzten Ort seiner Wirksamkeit zu verlassen, um zu seinem Sohne nach
Frankfurt am Main überzusiedeln. Mit ihm ist ein Lehrerveteran, der seine
ganze Lebenszeit und Lebenskraft jüdischen Gemeinden widmete und sich
überdies noch als Mohel (sc. Beschneider) mit reicher Erfahrung in
Nordbayern viele Jahrzehnte betätigte, aus dem Leben geschieden. Am Grabe
sprach sein Sohn Siegfried Wetzler aus Wilhelmshaven,
der selbst früher Lehrer war und zeichnete in ergreifender Rede das
Lebensbild seines Vaters, der wie einst Moses die 12 Stämme durch die
Wüste führte, seinen 12 Kindern ein treuer, frommer Berater und Erzieher
auf ihrem Lebenswege gewesen war. Die rührenden Abschiedsworte des Sohnes
an den Vater machten einen erhebenden nachhaltigen Eindruck auf alle
Teilnehmer der Vorstands-Ersatzwahl in der Aguda-Jugend- und
Mädchengruppe...". |
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Plan links (Ausschnitt aus dem Friedhofsplan Rat-Beil-Straße in Frankfurt): Das Grab von Moses Wetzler
und seiner Frau Jeanette Wetzler geb. Heidelberger findet sich im Friedhof
Rat-Beil-Straße in Frankfurt Abt. 127.
(Quelle: Jüdische Gemeinde Frankfurt, Friedhofsverwaltung;
rechts: Foto des Grabsteines) |
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Hinweis auf die
Urenkelin von Moses Wetzler: Laura Wetzler |
Laura
Wetzler (geb. 1957 in Bayshore, NY) ist eine weltberühmte Sängerin
insbesondere jüdischer Lieder in hebräischer, jiddischer und
Ladino-Sprache. Sie hat zahlreiche CDs publiziert und ist in der ganzen
Welt zu Konzertreisen unterwegs.
Pete Seeger: "Laura is one of the very best".
Artikel "Laura
Wetzler" in jmwc.org
Link: Website von Laura Wetzler
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Konzert mit Laura
Wetzler in der ehemaligen Synagoge
in Kronach am 16. Juni 2013
(Fotos: Jürgen Hanke) |
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Während dem
Konzert
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Gruppenaufnahme vor der
ehemaligen Synagoge |
Laura Wetzler und
Jürgen Hanke (Kronach) |
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Presseartikel
zum Konzert mit Laura Wetzler
(erhalten von Jürgen Hanke) |
Link: https://www.youtube.com/watch?v=1okSpQ3Ypj0
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Artikel in der
"Neuen Presse
Kronach" vom 3. Juni 2013 |
Artikel im "Fränkischen
Tag"
Nr. 138 vom 18. Juni 2013 |
Artikel in der
"Neuen Presse Kronach" Nr. 140
vom 20. Juni 2013 |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Zunahme der Gemeindegliederzahl im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Oktober 1883:
"Altenkunstadt
(Bayern), 6. Oktober (1883). Seit Jahren musste es das Herz eines jeden
Glaubensgenossen mit Wehmut erfüllen, wenn er die einst großen und blühenden
jüdischen Landgemeinden in unserer Gegend sich auflösen sah. So hat sich die
jüdische Gemeinde Redwitz, welche einst 40 Mitglieder zählte und einen eigenen
Rabbiner hatte, den gelehrten Gutmann, welcher auch in der literarischen Welt
durch seine in Geiger's Zeitschrift veröffentlichten Aufsätze über die
Leviratsehe einen Namen sich erworben hatte, fast ganz aufgelöst. In Maineck,
in Mitwitz, Horb wohnt noch eine jüdische Familie. In
Oberlangenstadt und
Küps ist auch eine bedeutende Reduktion der Gemeindemitglieder
eingetreten.
Umso erfreulicher ist es nun, Ihnen berichten zu können, dass in Kronach, einem
Städtchen von 4.000 Einwohnern, sich eine jüdische Gemeinde neu konstituiert
hat. Vor einem halben Jahre hat die Gemeinde einen Lehrer engagiert und den
Grund zum Neubau einer Synagoge gelegt. - Freitag, den 5. Oktober (1883) fand
die feierliche Einweihung derselben statt. Sämtliche Behörden der Stadt waren
zu derselben erschienen. Herr Rabbiner Dr. Flaschner in Burgkunstadt hielt die
Weiherede. Sein Thema war: Was suchen wir in einem Gotteshause, was soll es uns
bieten? Die Antwort auf diese Fragen gab der Redner mit den Worten: 1) Die
Wahrheit - die Wahrheit in Gott, vor Gott und vor den Menschen; 2) die Liebe -
die Liebe Gottes zu uns (Gnade), die Liebe zu Gott und den Nebenmenschen. Die
Gesänge wurden trefflich exekutiert, einen ergreifenden Eindruck machte das vom
Lehrer Geßlain (Christ) komponierte und unter seiner Direktion vorgetragene 'Ma
tobu' auf die Zuhörer. Auch die Pièce auf 'Elias' von Mendelssohn wurde sehr
schön von dem Chore, bestehend aus christlichen Lehrern Kronachs, gesungen.
Dieses friedliche Zusammenwirken der Konfessionen zur Verherrlichung einer
solchen Feier hat gewiss etwas Erhebendes und Tröstendes, für die Zukunft
Beruhigendes.
Nordhäuser, Lehrer".
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Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod von Charlotte Strauß (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Dezember 1890: "Kronach
(Oberfranken). 16. Kislew (28. November 1890). Trauernd folgten wir
heute dem Sarge eines Biederweibes, das alle Vorzüge in sich vereinte,
die ein jüdisches Weib schmücken sollen. Frau Charlotte Strauß, die
selige Gattin des sie überlebenden und ihr ebenbürtigen Gatten Herrn
Isac Strauß von hier, weilt nicht mehr in unserer Mitte. Am 14.
Kislew (26. November 1890) hauchte sie im Greisenalter von 80 Jahren
nach kaum vierwöchentlichem Unwohlsein ihre reine Seele aus. Schon das
stattliche Leichenbegängnis gab beredtes Zeugnis von der Liebe und
Achtung, deren sich die Dahingeschiedene in hiesiger Stadt erfreute und
sie war derselben auch würdig; denn ungeheuchelte Frömmigkeit, welche
leider in unserer Zeit immer seltener wird, leitete sie auf ihrem
Lebenswege; treu und streng erfüllte sie alle Pflichten, die das Judentum
dem jüdischen Weibe auferlegt. Sie war während ihrer fast
siebenundfünfzigjährigen Ehe eine treue Gattin, eine liebevolle Mutter
und eine fromme Priesterin ihres Hauses; gegen ihre Mitmenschen war sie
stets freundlich, Hilfe gewährend in Rat und Tat, so oft sich Gelegenheit
hierzu bot. Möge ihr Andenken fortdauernd zum Segen sein; im Jenseits
geht ihre Frömmigkeit vor ihr her und ebnet ihren Schritten den Pfad.
(Hebräisch dto:) Ihre Frömmigkeit geht vor ihr her und ebnet ihren
Schritten den Pfad (Psalm 85,14). Amen.
W." |
Über die Kronacher Familie Bamberger
(Informationen zusammengestellt von Jürgen Hanke)
Zur Familiengeschichte:
Max Bamberger (geb. 21.2.1841 in Friesen,
gest. am 14.11.1897 in Kronach und beigesetzt im jüdischen Friedhof
Burgkunstadt) war verheiratet mit Marie geb. Iglauer aus Burgkunstadt (geb. 21.11.1844, gest.
22.2.1917 in Kronach und beigesetzt im jüdischen Friedhof
Burgkunstadt). Das Ehepaar hatte neun Kinder:
der älteste Sohn war Theodor Bamberger (geb.
am 21.5.1870 noch in Friesen, war
später als kaufmännischer Angestellter tätig). 1870 oder 1871 zog die Familie Bamberger nach
Kronach, wo die anderen Kinder geboren sind: Elise (geb. 5.12.1871,
gest. 28.4.1926 in Nürnberg), Simon (geb. 29.8.1873, war als Arzt
tätig: Dr. Simon Bamberger, gest.
12.10.1927 in München), Heinrich (geb. 8.1.1875), Fritz (geb. 19.9.1876),
Ernst (geb. 23.4.1878), Karl (geb. 9.8.1880), Grete (geb. 9.7.1882) und
Ida (geb. 7.4.1886).
Von diesen neun Geschwistern wurden - nachdem Elise und Simon bereits
gestorben waren - sechs 1942 deportiert und ermordet; nur Heinrich Bamberger
überlebte die NS-Zeit. Er war bereits vor 1933 nach Basel ausgewandert und starb am 16.9.1946. Über
ihn ist in Kronach nur wenig bekannt. |
|
Vgl. zur Familiengeschichte:
Artikel von Carolin Münzel und Georges
Segal in der "Neuen Presse Coburg" vom 1. September 2011
(Link
zum Presseartikel): "Kronacher Jude auf Spurensuche. Heinrich Bamberger hat als
einziges Mitglied seiner Familie den Holocaust überlebt. Sein Enkel
Georges Segal ist derzeit in Kronach. Eine Dauerausstellung in der
Synagoge soll die Geschichte seines Großvaters erzählen.
Artikel
eingestellt als pdf-Datei. |
|
Links: Foto vom Mietshaus in Kronach, Strauer Straße 2 (heute Ambiente-Galerie) beigefügt in dem sich Wohnung und Praxis von
Dr. Simon Bamberger
befanden (Foto erhalten von Jürgen Hanke) |
|
Ein
Bruder von Max Bamberger war Sigmund Bamberger, der gleichfalls von
Friesen nach Kronach gezogen war (hier wohnhaft Spitalstraße 2 (im Plan
unten mit der alten Haus-Nummer 217). Eine Tochter von Sigmund Bamberger
war Gusti (eigentlich Gusta) Bamberger (geb. 26.11.1883 in Kronach).
Das Foto links zeigt das Anwesen Bamberger Spitalstraße 2 (alt Nr. 217);
Quelle: Stadtarchiv Kronach Fotoordner 21. |
Über die Familie von Felix Strauß (verheiratet mit
Gusti geb. Bamberger)
(Informationen zusammengestellt von Jürgen Hanke)
Die
Familie Strauß wohnte
im Gebäude Marienplatz 5 (im Plan links mit der alten Haus-Nummer 224). Felix
Straus (geb. 6.9.1873 in Friesen
war eines der sechs Kinder von Josef Strauß, der am 4. Juli 1873 das
Anwesen Marienplatz 5 um 7.400 Gulden von Josef und Katharina Scheftlein
kaufte. Die fünf Geschwister war Felix waren: Lois, Max, Emma, Jenny und
Grete Strauß. Am 27. Mai 1906 heiratete Felix Strauß die oben genannte Gusti
geb. Bamberger. Er betrieb einen Großhandel für Schuhe. Die Familie
Strauß erfreute sich in Kronach allgemeiner Beliebtheit. Zu Weihnachten
und zur Erstkommunion bekamen arme Kronacher Kinder von Strauß Felix
Schuhe geschenkt. Felix Strauß war nach 1933 der letzte Vorsitzende der jüdischen
Gemeinde Kronach (vgl. Nennung beim Verkauf der Synagoge unten). Das
Ehepaar Strauß ist 1938 nach England emigriert. |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Tuch- und Modewaren-Geschäftes Ludwig Mosbacher
(1869)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Februar 1869: "Offene
Lehrlingsstelle. Ich suche für mein Tuch- und Modewaren-Geschäft,
welches Samstag und Feiertage streng geschlossen ist, einen mit den
nötigen Vorkenntnissen versehenen jungen Mann als Lehrling von achtbaren
Eltern zum sofortigen Eintritt. Kost und Logis im Hause.
Kronach in Bayern, den 12. Februar 1869. Ludwig Mosbacher." |
Anzeige für die unter Aufsicht von Lehrer und Schochet
Moses Wetzler hergestellten Fleischwürste (1884)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Januar 1884: "Offert.
Koscher. Hierdurch empfehle ich einem geehrten israelitischen
Publikum meine anerkannt guten, aus Mastochsenfleisch unter Aufsicht des
hiesigen israelitischen Lehrers und Schächters, Moses Wetzler, bereiteten
Fleischwürste, welche stets frisch auf Lager führe. Ich verkaufe
dieselben geräuchert à Pfund zu 80 Pfennig. Auswärtige Aufträge werde
stets prompt effektuieren.
Kronach, im Januar 1884. Christian Köcher, Metzgermeister.
Der Unterzeichnete bezeugt gerne, dass vorstehend offerierte Würste aus
dem von ihm geschlachteten Vieh unter seiner mit größter
Gewissenhaftigkeit führenden Aufsicht bereitet und mit einem
Koscher-Siegel versehen werden.
Moses Wetzler, Lehrer." |
Anzeigen von Frau Adler (1901 / 1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1901:
"Israelitische Köchin
gesucht.
Jüngeres kinderloses Ehepaar sucht, da Frau im Geschäfte tätig, eine
tüchtige, umsichtige Person, gesetzten Alters, die gut bürgerlich kochen
und den kleinen Haushalt möglichst selbstständig führen kann.
Dienstmädchen zur Seite. Dauernde Stellung, Reisevergütung. Offerten mit
Zeugnissen, Photographie und Gehaltsanspruch an Frau Adler in
Kronbach, Bayern." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1904:
"Suche für kleinen Haushalt ein tüchtiges, jüdisches Mädchen,
das gut bürgerlich kocht, und in allen häuslichen Arbeiten bewandert ist
und schon in kleiner Stadt konditioniert hat. Christliches Mädchen zur
Seite. Reise vergütet. Offerten mit Angabe des Alters, Zeugnisabschriften
und Gehaltsansprüche an
Frau Adler, Kronach in
Bayern." |
Anzeigen der Geschwister Krell (1901 / 1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Oktober 1901:
"Tüchtige, erfahrene Köchin, die gut bürgerlich kochen,
sowie einen kleinen Haushalt selbstständig leiten kann, für ein
jüngeres Ehepaar ohne Kinder in kleiner Stadt Bayerns per sofort oder 1
November gesucht. Dienstmädchen zur Seite.
Geschwister Krell, Kronacb,
Bayern." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1904:
"Erfahrene, zuverlässige Haushälterin, die gut bürgerlich
kochen, sowie einen kleinen Haushalt fast selbstständig leiten kann, die
Frau im Geschäft tätig, sofort für kleine Stadt in Bayern gesucht.
Mädchen zur Seite. Reise wird vergütet. Offerten nebst
Zeugnisabschriften und Gehaltsansprüche erbeten.
Geschwister Krell, Kronach
(Bayern)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Im Mittelalter könnte sich eine Synagoge beziehungsweise ein
Betsaal im Bereich der "Judengasse" befunden haben. Doch gibt es
dafür keine Quellen oder Nachweise.
Ende des 17. Jahrhunderts (1682) war ein Betsaal im Haus Nr. 45 am Marktplatz. Dieses
Haus wurde im Zusammenhang mit dem Rathausbau 1972 abgebrochen.
Seit 1711 war der Betsaal ("Alte Synagoge") in einem
Privathaus in der heutigen Amtsgerichtsstraße. Das
Gebäude steht bis heute; eine Renovierung ist geplant.
Nachdem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die jüdischen Familien in
Kronach zahlreicher wurden und sich die bisherige Muttergemeinde Friesen
auflöste, konnte man nach 1880 an die Planungen einer Synagoge gehen. Sie wurde
in der "Unteren Stadt" gebaut, wo 1861 bereits die evangelische Kirche
erstellt worden war. Die Synagoge wurde im romanischen Stil erbaut. Am 5.
Oktober 1883 wurde die neue Synagoge eingeweiht. Lehrer Nordhäuser aus
Altenkunstadt berichtete über die Einweihung:
Aus
einem Artikel über die Situation oberfränkischer jüdischer Gemeinden:
"Umso erfreulicher ist es nun, Ihnen berichten zu können, dass in Kronach,
einem Städtchen von 4.000 Einwohnern, sich eine jüdische Gemeinde neu
konstituiert hat. vor einem halben Jahre hat die Gemeinde einen Lehrer
engagiert und den Grund zum Neubau einer Synagoge gelegt. Freitag, den 5.
Oktober fand die feierliche Einweihung derselben statt. Sämtliche
Behörden der Stadt waren zu derselben erschienen. Herr Rabbiner Dr.
Flaschner in Burgkunstadt hielt die Weiherede. Sein Thema war: Was suchen
wir in einem Gotteshause, was soll es uns bieten? Die Antwort auf diese
Fragen gab der Redner mit den Worten: 1) Die Wahrheit - die Wahrheit in
Gott, vor Gott und vor den Menschen; 2) die Liebe - die Liebe Gottes zu
uns (Gnade), die Liebe zu Gott und den Nebenmenschen. Die Gesänge wurden
trefflich exekutiert, einen ergreifenden Eindruck machte das vom Lehrer
Geßlain (Christ) komponierte und unter seiner Direktion vorgetragene 'Ma
tobu' auf die Zuhörer. Auch die Pièce aus 'Elias' von Mendelssohn wurde
sehr schön von dem Chore, bestehend aus christlichen Lehrern Kronachs,
gesungen. Dieses friedliche Zusammenwirken der Konfessionen zur
Verherrlichung einer solchen Feier hat gewiss etwas Erhebendes und
Tröstendes, für die Zukunft Beruhigendes. Nordhäuser,
Lehrer." |
Nur 50 Jahre war die neue Synagoge Zentrum des jüdischen Gemeindelebens in der
Stadt. Auf Grund der starken Abwanderung nach 1933 konnten Gottesdienste
nur bis 1936 abgehalten werden. Nachdem abzusehen war, dass der Minjan auch in Zukunft nicht mehr erreicht werden würde, entschloss sich der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, der Schuhgroßhändler Strauß Felix, das Gebäude der Synagoge an die Stadt Kronach zu verkaufen.
Am 4. Februar 1938 wurde der Kaufvertrag zwischen ihm und Bürgermeister Wachter abgeschlossen und kurz darauf der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen.
Der Kaufpreis von 6.000 RM lag weit unter dem wahren Wert und es ist ungewiss, ob das Geld überhaupt "geflossen" ist, zumal es keine direkten rechtmäßigen Anspruchsberechtigte gab. Die Baugenehmigung für den Umbau der Synagoge wurde der Stadt Kronach bereits am
7. April 1938 durch Bezirksbaumeister Stölzel (?) erteilt zum Zweck des Ausbaus in ein Sanitätsdepot.
Im Jahr 1938 emigrierte das Ehepaar Strauß nach England. Da das
Synagogengebäude im Besitz der Stadt war, entging es immerhin der Zerstörung beim Novemberpogrom 1938.
Die Ritualien waren nach Bamberg gebracht worden, wo sie beim Novemberpogrom
zerstört wurden.
Noch 1938 wurde die ehemalige Synagoge umgebaut: das Sanitätsdepot wurde
durch das Rote Kreuz eingerichtet. Beim Umbau wurde im Betsaal eine hölzerne Zwischendecke
eingezogen. Bis 1972 blieb das Rote Kreuz in der ehemaligen Synagoge,
danach wurde das Gebäude als Lagerraum verwendet. Seit 1988 gab es
Pläne für eine würdigere Nutzung der ehemaligen Synagoge. 1992 wurde der
"Aktionskreis Kronacher Synagoge e.V." gegründet, dem an einer
Instandsetzung der ehemaligen Synagoge und einer Nutzung als Gedenk- und
kulturelle Begegnungsstätte lag. Über mehrere Jahre wurden verschiedene
Veranstaltungen des Vereins in der Stadt durchgeführt. 1998/99 wurde
erste Umbau- und Restaurierungsmaßnahmen mit Hilfe einer Gruppe von
Jugendlichen aus mehreren Nationen durchgeführt. Dabei wurden u.a.
Holzverschläge und Einbauten entfernt, die zugemauerte Toranische freigelegt
u.a.m. 2002 wurden umfassende Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt. Am 2.
Oktober 2002 wurde das restaurierte Gebäude neu eingeweiht. Seitdem dient
die ehemalige Synagoge als Gedenkstätte und als Veranstaltungsraum für
Ausstellungen, Vorträge und Konzerte.
Am 5. Oktober 2008 konnte mit einer Feier an die Einweihung der Synagoge
vor 125 Jahren erinnert werden.
Adresse/Standort der Synagoge:
Nikolaus-Zitter-Straße 27
Hinweise zum Aktionskreis Kronacher Synagoge e.V.:
Informationen über die Seite www.synagoge-kronach.de
Fotos
Die mittelalterliche
"Judengasse"
in der Altstadt |
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Ansichten der
"Judengasse" |
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Straßenschild
"Judengasse" mit Hinweistafel: "Die Judengasse wurde
namentlich erstmals 1577 erwähnt. Sie war bis ins 16. Jahrhundert das
Wohnzentrum der 'Judischheit' in Kronach. Aber bereits im 15. Jahrhundert
siedelte sie sich auch in anderen Stadtvierteln an; so gab es z.B. 1739 in
der Rosenau eine 'Judenherbergsgasse'. |
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Die Alte Synagoge |
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Links:
frühere, mehrfach gestohlene Hinweistafel am Haus Amtsgerichtsstraße
25 (Foto Mitte, Eingang rechts) - früheres Haus des jüdischen Arztes
Dr. Leonhard Seeligsberg mit Betraum - und dem Text: "Alte
Synagoge. Das Gebäude stammt im Kern aus dem 14. Jahrhundert und
befindet sich am östlichen Rand des ehemaligen Stadtbereichs der 'Jüdischheit'.
Ab 1711 wurde es als Synagoge und Judenschule genutzt; aus dieser Zeit
stammt wahrscheinlich auch das zweite Obergeschoss. Die Straßenfassade
zeigt eine schlicht gerahmte Tür und ein vergittertes Rundbogenfenster;
im Hof befindet sich ein spitzbogiges Portal mit profiliertem Gewände.
Der südöstliche Raum des Erdgeschosses hat ein Kreuzratgewölbe. Heute
wird das Gebäude als Wohnhaus genutzt".
(Foto der Hinweistafel von Jürgen Hanke, Kronach, Aufnahme vom März 2000;
Foto rechts: Spuren der einst angebrachten Mesusa - Foto von Christian
Porzelt) |
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Erinnerungen an den Arzt
Dr. Leonhard Seeligsberg
(Fotos: Jürgen Hanke, Kronach) |
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Praxisschild Dr. Leonhard
Seeligsberg (heute
in der Ausstellung auf der Empore der
ehemaligen Synagoge in
Altenkunstadt) |
Grabstein für Dr. Leonhard
Seeligsberg
im jüdischen Friedhof in Burgkunstadt
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Die 1883 eingeweihte
Synagoge |
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Ansicht von Westen |
Drillingsfenster über dem
Eingangstor |
Die seitlichen
Rundbogenfenster |
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Apsis des Toraschreines von
Osten |
Blick in die ehemalige
Synagoge |
Hinweistafel |
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Hinweistafel zur
Geschichte |
Informationstafel für
aktuelle
Veranstaltungen |
In den Fenster:
Namensverzeichnis der aus
Kronach stammenden, deportierten Juden |
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Innenaufnahmen
(Quelle: www.synagoge-kronach.de) |
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Die ehemalige Synagoge im
Herbst 2011
(Fotos: Jürgen Hanke,
Aufnahmedatum: 23. Oktober 2011) |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge in seiner Umgebung |
Blick auf die Apsis von
Osten |
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Das Eingangstor |
Eingangsbereich |
Blick zurück zum
Eingangstor |
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Blick zum Bereich
des ehemaligen Toraschreines mit der leeren Toranische |
Reste der Ausmalung rechts der
Toranische |
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Blick zur Empore |
Glasfenster |
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Gedenkstätte im Friedhof
Kronach
(Fotos erhalten von Jürgen Hanke, Kronach) |
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Der 1964
aufgestellte Gedenkstein |
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Inschriften von
1964 |
Der auf der rechten Tafel neue
Text von 2015 |
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Gedenktafel im
Schützenhaus Kronach
(Foto erhalten von Christian Porzelt, Kronach) |
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Gedenktafel im
Schützenhaus Kronach für die gefallenen Mitglieder des Schützenvereins
Kronach.
Unter den vier genannten Gefallenen befindet sich auch Julius Rossmann,
Sohn des Textilhändlers Arnold Rossmann, der 1918 in Frankreich
fiel.
Sein Namen sowie der seines Bruders Siegmund befindet sich auch auf dem
Ehrenmal der Stadt Kronach. |
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Erinnerung an Julius
Obermeier
(1867 in Bamberg - 1936 Kronach)
(Fotos: Jürgen Hanke, Kronach) |
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zu Julius Obermeier
siehe auch
https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Obermeier |
Gebäude
Thüringer Straße 21 in Gundelsdorf (1910 erbaute ehemalige "Villa
Obermeier") mit dem am 16. Juli 2022 verlegten "Stolperstein": "Hier wohnte
Julius Obermeier - Jg. 1867 - seit März 1933 mehrmals verhaftet -
'Schutzhaft' März 1936 - sog. Rassenschande - Gefängnis Kronach - tot
14.4.1936 - Umstände nie geklärt" |
Berichte
zur Jubiläumsfeier in der ehemaligen Synagoge Kronach am 5. Oktober 2008
(erhalten von Jürgen Hanke, Kronach)
Oktober 2008:
125 Jahre Kronacher Synagoge. Die Jubiläumsfeier war am 5. Oktober
2008.
Pressemitteilung vom 4. Oktober 2008: Seit 125 Jahren steht in der Kronacher Innenstadt eine Synagoge. Am Sonntagnachmittag ab 16 Uhr wird dieses Jubiläum gefeiert. Gepflegt und
erhalten wurde die Synagoge in den vergangenen Jahren vom Aktionskreis Kronacher Synagoge;
deren 1. Vorsitzende Odette Eisenträger freut sich auf einen glanzvollen Festakt im ehemaligen
Gotteshaus. Insgesamt 100 Mitglieder gehören dem Aktionskreis Kronacher Synagoge an. Zur Jubiläumsveranstaltung am Sonntag wird neben jüdischen und christlichen Würdenträgern u.a.
Rabbiner David Goldberg (Hof) und der oberfränkische Regierungspräsident Wilhelm
Wenning.
Informationen, Fotos und Presseberichte siehe unten
sowie in der Website des Aktionskreises www.synagoge-kronach.de. |
September 2011:
Eine Dauerausstellung zur Geschichte von Heinrich
Bamberger ist geplant |
Artikel von Carolin Münzel und Georges
Segal in der "Neuen Presse Coburg" vom 1. September 2011 (Link
zum Presseartikel):
"Kronacher Jude auf Spurensuche. Heinrich Bamberger hat als
einziges Mitglied seiner Familie den Holocaust überlebt. Sein Engel
Georges Segal ist derzeit in Kronach. Eine Dauerausstellung in der
Synagoge soll die Geschichte seines Großvaters erzählen. Artikel
eingestellt als pdf-Datei. |
Juni 2014: Laura
Wetzler gibt erneut ein Konzert in der ehemaligen Synagoge
Artikel in "inFranken.de" vom 3.
Juni 2014: "Shalom und Hello in Kronach
Die amerikanische Sänger- und Songwriterin Laura Wetzler, begeisterte das Publikum in der Kronacher Synagoge nicht nur mit ihrer Musik.
"Es bedeutet mir so viel, Freunde in Kronach zu haben", sagte die amerikanische Sängerin und Songwriterin Laura Wetzler bei ihrem Konzert in der Kronacher Synagoge. Bereits zum zweiten Mal trat sie in der Synagoge auf, in der auch ihr Urgroßvater, Moses Wetzler, fast 40 Jahre lang als Vorsänger tätig war. Die Einkünfte aus den Eintrittsgeldern gehen an die
Willi-Zaich-Stiftung..."
Link
zum Artikel |
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Hinweis: Zur
Familiengeschichte von Laura Wetzler und über ihr Konzert 2013 in der
ehemaligen Synagoge Kronach gibt es ein Video:
https://www.youtube.com/watch?v=1okSpQ3Ypj0
. |
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November 2014:
Gedenken an den Novemberpogrom
1938 |
Artikel von Friedwald Schedel in
"Fränkischer Tag" vom 7. November 2014: "Feier. Gedenkstein erhält neue
Schrift
Am Sonntag wird um 16 Uhr auf dem Friedhof in Kronach an die
Reichspogromnacht im Jahr 1938 erinnert. Auf dem vor 50 Jahren errichteten
Gedenkstein werden die Namen der 16 ermordeten Kronacher Juden eingraviert.
Auf dem Kronacher Friedhof findet am Sonntag um 16 Uhr eine Feier am
Gedenkstein für die unter der Naziherrschaft ermordeten 16 Kronacher Juden
statt. Damit wird an die Reichspogromnacht 1938 erinnert. Dekanin Dorothea
Richter, Regionaldekan Thomas Teuchgräber und der evangelische Posaunenchor
unter der Leitung von Kantor Marius Popp gestalten die Feier in
Zusammenarbeit mit dem Aktionskreis Kronacher Synagoge. Bei Regen findet die
Feier wegen der Instrumente in der Synagoge statt. Der Aktionskreis
Kronacher Synagoge sprach sich am Donnerstagabend einstimmig dafür aus, dass
der vor 50 Jahren errichtete Gedenkstein im Friedhof von der Stadt Kronach
erneuert wird. Dieses Anliegen hatte der Aktionskreis an die Stadt
herangetragen. Es gab Unstimmigkeiten bei der bisherigen Inschrift auf dem
Stein. So sollen künftig keine Familien pauschal benannt werden, sondern die
Namen der 16 Kronacher Juden, die von den Nazis ermordet wurden, in den
Stein eingearbeitet werden. Stefan Wicklein von der Stadtverwaltung, der an
der Versammlung des Aktionskreises teilnahm, berichtete, dass es bei der vor
50 Jahren angebrachten Inschrift Ungenauigkeiten gebe. So fehlten Namen von
ermordeten Juden, oder es seien Namen von Juden eingraviert, die Kronach
schon vorher verlassen hätten. Diese Ungereimtheiten gelte es zu bereinigen.
Der Gedenkstein wurde 1964 vom damaligen Kronacher Stadtrat unter
Bürgermeister Konrad Popp (SPD) in Erinnerung an die deportierten jüdischen
Mitbürger aus Kronach errichtet."
Link zum Artikel |
Juni/August 2015:
Rückblick
auf eine Ausstellung vom 1. Juni bis 30. August 2015:
"Die
Bambergers - Eine jüdische Familie aus Kronach"
Ausstellung in der Kronacher Synagoge
Für weitere Informationen bitte die
Abbildungen des Flyers zur Ausstellung anklicken |
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Artikel
von Heike Schülein im "Fränkischen Tag" vom 29. Mai 2015: "Erinnerungen.
Ein Familienname bekommt ein Gesicht
'Die Bambergers' heißt eine Ausstellung über die Geschichte einer jüdischen
Familie aus Kronach. Sie wird am Montag um 16 Uhr in der Synagoge eröffnet.
Rund 20 Nachkommen von Marie und Max Bamberger werden - zum Teil von weit
her - anreisen.
Odette Eisenträger-Sarter und Gisela Zaich stehen vor einer großen Tafel,
auf der unter anderem Ernst Bamberger und seine Ehefrau Martha zu sehen
sind. Das Ehepaar lebte in Frankfurt am Main mit den beiden Söhnen Max und
Werner. Im Zuge der Novemberpogrome verhaftete man Ernst Bamberger und
verschleppte ihn in das Konzentrationslager Buchenwald, wo er unter den
grausamen Misshandlungen und Haftbedingungen am 9. Dezember 1938 starb. Der
Prokurist war eines von neun Kindern von Marie und Max Bamberger - einer in
Kronach verwurzelten, sehr angesehenen Familie. Nach der
nationalsozialistischen Machtübernahme wurden sie Opfer von Mord und
Vertreibung. Es ist eine 'schlichte' Ausstellung, die in der Kronacher
Synagoge zu sehen ist. Große Tafeln mit Texten, Bildern zu
Familienereignissen, Kindheitsbildern aber auch Diplomen und Zeugnissen
sowie einem Stammbaum informieren über die Bambergers.
Einzigartige Dokumente. Georges Segal, Enkel des in die Schweiz
ausgewanderten Bamberger-Sohnes Heinrich, hat vor drei Jahren Kontakt zum
Aktionskreis Kronacher Synagoge aufgenommen. Er bot Hunderte von
Familienfotos, Ansichtskarten, Briefe und Dokumente aus der Zeit seiner
Groß- und Urgroßeltern für eine Ausstellung an. Diese Zeitdokumente stellen
einen so umfassenden Fund dar, wie er für eine jüdische Familie aus
Deutschland einzigartig ist. Die Ausstellung beleuchtet anhand der
Geschichte der Familie Bamberger exemplarisch die deutsch-jüdische
Geschichte in der Zeit zwischen deutscher Reichsgründung 1871 und Drittem
Reich beziehungsweise den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Die
weitverzweigte Familie, deren Kern die neun zwischen 1870 und 1886 geborenen
Geschwister bilden, ist in vielerlei Hinsicht repräsentativ für die
Geschichte der deutschen Juden in dieser Zeit. So berichten die einzelnen
Biografien der Familienmitglieder ebenso von erfolgreicher Emanzipation und
beruflichem Aufstieg wie auch von gelungener oder gescheiterter Auswanderung
in Zeiten des Nationalsozialismus.
Gebildete, vornehme Familie. 'Die Ausstellung dokumentiert die
Geschichte einer gebildeten, vornehmen Kronacher Familie jüdischen Glaubens,
für die sich ab 1933 alles grundlegend verändert hat. Wir wollen damit auch
zeigen, wie rechtschaffenen und anständigen Menschen von heute auf morgen
die Lebensgrundlage entzogen, das Leben bedroht und genommen wurde', erklärt
Odette Eisenträger-Sarter, Vorsitzende des Aktionskreises Kronacher
Synagoge. Viele der Mitglieder arbeiteten in ihrer Freizeit an der Umsetzung
dieser umfangreichen Ausstellung. Die Mutter von Georges hatte nie die Kraft
oder Zeit, die Fotos zu ordnen oder Hinweise auf ihre Herkunft zu geben.
Aufbewahrt wurden die Dokumente in einer Wäschekommode, die auch in der
Ausstellung zu sehen ist. Sie stammte wohl aus dem Besitz der Großeltern
Bamberger. Als Georges Segal und seine Ehefrau Margaret sein Elternhaus vor
über 20 Jahren übernahmen, wanderte der Inhalt der Kommode in einen
hölzernen Offizierskoffer. Die Sammlung geheimnisvoller Fotos und Papiere
weckte das Interesse von Margaret, einer passionierten Ahnenforscherin, und
wurde Ausgangspunkt ihrer akribischen Forschung. Vor zwei Jahren reiste das
Ehepaar Segal nach Kronach. Hier sichteten Gisela Zaich sowie Peter und
Ingrid Steinhäußer erstmals das Material. Bis dahin hatte der Aktionskreis
keine Fotos von den einst in Kronach lebenden jüdischen Familien. Bald
kristallisierte sich die Idee heraus, in der Synagoge eine Ausstellung zu
organisieren. Für die grafische Umsetzung wandte man sich an das Büro Rolf
Hering. Christian Porzelt, der Geschichte studiert, bereitete den
geschichtlichen Hintergrund wissenschaftlich auf. Alle vorhandenen, mehr als
200 Bilder und Dokumente wurden eingescannt. Nahezu alle wurden in den
Begleit-Katalog zur Ausstellung aufgenommen und erklärt. Die Sammlung war so
umfangreich, dass man nicht alles bei der Ausstellung zeigen kann. Bei der
Ausstellung laufen die Bilder in einer Diashow in einem Fernseher.
Originaldokumente sind in zwei Vitrinen ausgestellt. Georges Segal hat einen
Text aufgesprochen, der an einer Hörstation abgerufen werden kann. Dass rund
20 Nachkommen der Bambergers im Alter von 20 bis 90 Jahren zur Ausstellung
anreisen freut Odette Eisenträger-Sarter und ihre Stellvertreterin Gisela
Zaich ganz besonders. Die Gäste kommen am Sonntagabend mit dem Zug oder Auto
in Kronach an. Am Montagmorgen ist ein Empfang bei Bürgermeister Wolfgang
Beiergrößlein vorgesehen sowie ein Stadtrundgang mit Christian Porzelt. Um
16 Uhr wird die Ausstellung eröffnet. Am Dienstag begibt sich die Familie
auf Spurensuche in Oberfranken. 'Wir sind schon voller gespannter Vorfreude
auf die Gäste und sehr aufgeregt', gestehen Eisenträger-Sarter und Zaich.
Die Beiden hoffen, dass viele Interessierte - gerade auch junge Leute und
Schulklassen mit ihren Lehrern - die Ausstellung besuchen. Am 9. Juni findet
hierfür auch eine Lehrer-Fortbildung statt. Die Schau ist als
Dauerausstellung konzipiert, die auch portabel ist. Nach der 'offiziellen'
Ausstellungsdauer bis zum 30. August wird sie ab September auf der
Frauen-Empore der Synagoge aufgebaut. Die Öffnungszeiten sind Sonntag,
Dienstag bis Freitag: 14 bis 17 Uhr, Samstag 10 bis 13 Uhr und nach
Vereinbarung. Montag geschlossen. Der Eintritt ist frei."
Link zum Artikel |
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September 2017:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Kronach (Fotos von Jürgen Hanke)
Am 17. September 2017 wurden durch Gunter Demnig unter Beteiligung von
etwa 100 Personen die ersten 16 "Stolpersteine" verlegt. Die
Verlegung von weiteren Gedenksteinen ist geplant.
Berichte/Presseartikel sind über Internetrecherche zugänglich, u.a.
Artikel in inFranken.de vom 15. September 2017: "Geschichte. Erinnerung an Opfer des NS-Regimes
Bildhauer Gunther Demnig wird am Sonntag in Kronach "Stolpersteine" einmauern. Diese erinnern an NS-Opfer, die aus Kronach stammen.
'Sie geben den NS-Opfern, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden, ihre Namen zurück. Und wenn wir uns bücken, um die Texte auf den Stolpersteinen lesen zu können, dann verbeugen wir uns symbolisch vor den Opfern. Wir stolpern nicht und fallen hin, aber wir stolpern mit dem Kopf und dem
Herzen' - Das sagt der Künstler Gunter Demnig, der an die Opfer der NS-Zeit erinnert, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort kleine, mit wenigen Worten beschriftete Gedenktafeln aus Messing in das Pflaster beziehungsweise den Belag des jeweiligen Gehwegs einlässt.
Verwurzelt waren sie Menschen in Kronach, bis sie nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Opfer von Vertreibung und Mord wurden: Kronacher Familien jüdischen Glaubens, für die sich ab 1933 alles grundlegend veränderte. Über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und nachdem die letzen jüdischen Einwohner Kronachs deportiert wurden, will der Aktionskreis Kronacher Synagoge der Bevölkerung die Schicksale jener jüdischer Familien hinter den nicht
'greifbaren' Zahlen lebendig werden lassen - durch die Verlegung sogenannter Stolpersteine auch in Kronach.
Die Verlegung erfolgt durch den Kölner Künstler Gunter Demnig, der das Stolperstein-Projekt 1992 begründete.
'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist', zitiert Demnig den Talmud. Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten. Damit will er sein ganz persönliches Zeichen gegen das Vergessen setzen. Genau das sollen nämlich die Pflastersteine sein, eine Mahnung, die an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Dritten Reich erinnert.
Die quadratischen Messingtafeln mit abgerundeten Ecken und Kanten sind mit von Hand eingeschlagenen Lettern beschriftet und werden von einem angegossenen Betonwürfel getragen.
Mittlerweile wurden - Stand Juli 2017 - rund 61 000 solcher Steine nicht nur in Deutschland, sondern auch in 21 weiteren europäischen Ländern angebracht. Sie sind damit das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Am Sonntag erfolgt nun erstmals eine Verlegung von 15 Stolpersteinen in Kronach. Eine Reihe jüdischer Mitbürger, denen eine solche Gedenktafel gewidmet sein soll, wurde von Christian Porzelt ermittelt. Dieser hat sich in seinem Studium schwerpunktmäßig mit jüdischer Geschichte beschäftigt. Die Steine werden über Spenden von Privatleuten oder Organisationen finanziert.
Der Treffpunkt zur Verlegung ist um 12 Uhr die Synagoge in Kronach. Von dort aus führt der Weg in die Friesener Straße, in die Strau, in die Johann-Knoch-Gasse und in die Kulmbacher Straße. Der Aktionskreis Kronacher Synagoge unter Vorsitz von Odette Eisenträger-Sarter würde sich über eine rege Beteiligung der Bevölkerung sehr freuen.
Bereits vor 25 Jahren schrieb Christoph Zeckai über die Juden in Kronach. Der
damalige Archivpfleger, Realschullehrer und Kreisrat gab am 24. April 1992, an dem Tag, an dem 5o Jahre vorher die letzten jüdischen Bürger Kronachs ihren Weg in die Todeslager antreten mussten, sein Buch
'Ein Stück Matzen, Nachbarin! Erinnerungen an die jüdischen Familien in
Kronach' heraus. In einem Interview sprach der Autor über seine damalige Motivation.
FT: Was hat Sie als 'Neubürger' in Kronach damals veranlasst, diese Gedenkschrift zu verfassen?
Christoph Zeckai: Schon während meines Studiums der Geschichte hat mich das Schicksal der
Juden im Nazi-Deutschland sehr beschäftigt. Damals wurde der Begriff der 'Kollektivscham' - statt
'Kollektivschuld' - geprägt. Im Frühjahr 1945 erlebte ich als Kind, wie deutsche Soldaten einen Zug Häftlinge mit brutaler Gewalt durch Schwarzenbach an der Saale trieben. Wir waren dorthin aus Schlesien geflohen. Diese furchtbaren Szenen ließen mich nicht mehr los. In meiner neuen Heimatstadt Kronach versuchte ich etwas über die früheren jüdischen Einwohner zu erfahren. Aber es gab keinerlei schriftliche Aufzeichnungen. Lediglich auf dem Gedenkstein auf dem Friedhof fand ich einige Namen. Da begann ich selbst mit Nachforschungen. Ich befragte zwei Jahre lang Nachbarn und Schulfreunde jüdischer Kronacher und suchte in den Staatsarchiven. Leider fand ich im Stadtarchiv Kronach fast nichts. Heute ist das allerdings anders. Als ich anlässlich einer Religionstagung in Vierzehnheiligen den jüdischen Dozenten und Schriftsteller Pinchas Lapide kennen lernte, gab mir dieser wertvolle Hinweise auf Quellen in Israel. Am 50. Jahrestag der Deportation der letzten Kronacher Juden konnte ich die Gedenkschrift der Öffentlichkeit übergeben.
FT: 18 Jahre später gab es dann eine zweite Auflage, die sogar von der damaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, in der Synagoge in Kronach vorgestellt wurde...
Christoph Zeckai: Ich hatte Frau Knobloch die erste Auflage nach München geschickt und sie um ein Geleitwort zur zweiten Auflage gebeten. Sie war von meiner Arbeit sehr angetan und schickte mir nicht nur ein Geleitwort, sondern versprach sogar, zur Repräsentation der Gedenkschrift nach Kronach zu kommen. Inzwischen war sie auch vom
'Verein zur Erhaltung der Kronacher Synagoge', den ich 1992 mit gegründet hatte, nach Kronach eingeladen worden. Ihr Besuch in Kronach am 16. November 2010 war für Kronach ein großes Ereignis.
FT: Ohne Ihre Gedenkschrift gäbe es also auch keine 'Stolpersteine' in Kronach?
Christoph Zeckai: Das glaube ich nicht. Die Häuser und Wohnungen der Kronacher Juden sind inzwischen von Ruppert Konrad in seiner
'Häuserchronik von Kronach' dokumentiert. Internationale Archive waren nun dank Internet jedermann zugänglich. Wir hatten den
'Verein zur Erhaltung der Synagoge in Kronach' gegründet. Die Zeit war überreif, sich mit der
'Shoa' (Bezeichnung für den Mord an den Juden im Dritten Reich, Anm. d. Red.) und deren lokalen Folgen zu beschäftigen. Ich war lediglich der erste in Kronach, der sich dieses Themas annahm.'
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Artikel
von Heike Schülein in "Fränkischer Tag" (inFranken.de) vom 18. September
2017: "Kronach. Gedenken. Erinnerungsarbeit mit Hammer und Spachtel
Erstmals wurden in Kronach sogenannte Stolpersteine in Kronach verlegt. Sie
erinnern an ehemalige Kronacher Familien jüdischen Glaubens.
Gunter Demnig kniet am Sonntagmittag auf dem Bürgersteig in der Friesener
Straße 2. Versunken in gedanklicher Konzentration verlegt er sechs Steine.
Sein wettergegerbtes Gesicht ist für die Zuschauer um ihn herum nicht zu
sehen. Es wird verborgen von einem grauen Hut mit einer breiten Krempe. Die
Arbeitsschritte mit Spachtel, Hammer und weiteren Werkzeugen gehen ihm
schnell und routiniert von der Hand. Tausende Male hat er sie schon
ausgeführt - und doch geht ihm seine Erinnerungsarbeit offensichtlich noch
immer sehr nahe. 'Jeder Stein ist ein Schicksal, jeder Stein ein Mensch',
sagt er. Vielleicht daher auch der Hut, das Verdecken seines Gesichtes -
sicherlich nicht nur Sonnenschutz...
'Hier wohnte Max Tannenbaum Jahrgang 1879 deportiert 1942 Krasnystaw
ermordet' - So lautet die eingeschlagene Inschrift des ersten der 16 an
diesem Tage verlegten goldfarbenen - 10 x 10 x 10 cm großen - Betonquaders.
Gewidmet ist er Max Tannenbaum, der mit seiner Familie in der Friesener
Straße 2 lebte. Er, seine Ehefrau Selma und die älteste Tochter Frieda
überlebten die Schreckensherrschaft nicht. Gunter Demnig lässt Menschen
stolpern - im übertragenen Sinn. Über die von ihm verlegten Pflastersteine -
mittlerweile über 63 000 in 21 Ländern Europas - stolpert man beim Laufen
natürlich nicht. 'Ein Hauptschüler sagte einmal: Wir stolpern nicht und
fallen hin, aber wir stolpern mit dem Kopf und dem Herzen' - Das drückt
genau das aus, was ich erreichen möchte. Man muss sich bücken, um die
Inschrift zu lesen. Dadurch verbeugt man sich vor den Opfern', so der
Künstler, der im Oktober 70 Jahre alt wird.
Schnell redet er, in kurzen Sätzen - wie jemand, der noch viel zu tun hat.
'Wir werden es nicht schaffen, alle Opfer mit einem Stein zu ehren. Aber wir
können klein anfangen' - Es hört sich fast wie eine Entschuldigung an. Seit
1996 verlegt der gebürtige Berliner seine mit jeweils einer ein Millimeter
dicken Messing-Schicht belegten Steine in den Gehweg vor dem letzten
freiwilligen Wohnort von NS-Opfern. Die ersten Jahre geschah dies illegal,
später mit behördlicher Genehmigung. 'Richtig angefangen hat es im Jahr
2000', erzählt er. Seitdem ist er rastlos. Die meisten Steine hat er selbst
gesetzt. Der Terminkalender ist voll. Die in Handarbeit angefertigten
Gedenktafeln stellen mittlerweile Mitarbeiter her. Dass der
Bundesverdienstkreuzträger in Kronach selbst die Steine verlegt, ist dem
Umstand zu verdanken, dass er am Sonntag für seine Mission auf den Weg nach
Tschechien war. 'Der Hintergrund ist kein Grund zur Freude, der Stein
schon', sagt er über sein konzeptionelles Kunstwerk, größtes dezentrales
Mahnmal der Welt. Er will damit das Gedenken aufrecht erhalten - an die
sechs Millionen ermordeten Juden, aber auch an die Millionen anderen Opfer
des NS Regimes: Homosexuelle, politisch Verfolgte, Zeugen Jehovas, Menschen
mit Behinderung, Roma, Sinti, Wehrdienstverweigerer. 'Hinter den Zahlen kann
sich niemand etwas vorstellen', ist er sicher. Am meisten berühre es ihn,
wenn Angehörige an den Verlegungen teilnehmen - so wie ein Mann, der von
seinen Eltern nach England in Sicherheit gebracht wurde. 'Er ist danach
wieder nach England zurückgekehrt. Aber er sagte auch, dass er jetzt wieder
nach Deutschland reisen könne. Dafür weiß man, warum man so etwas tut und
warum es meine Stiftung gibt', erklärt Demnig, dessen Erinnerungsarbeit
nicht jedem gefällt. 'Mit drei Morddrohungen in 20 Jahren kann ich leben',
meint er lapidar. Was ihm offensichtlich mehr trifft, ist das - in seinen
Augen - 'unsägliche Argument', man würde nach ihrem Tod wieder auf den
Opfern herum trampeln. So bezeichnet es seine Kritikerin, Charlotte
Knobloch, Präsidentin der israelischen Kultusgemeinde München und
Oberbayern. Auf den Grabplatten in den Kirchen lägen auch Grabplatten.
Quellen belegten, je mehr darüber laufen, umso größer die Ehre für den
Verstorbenen. Zunächst habe er aber tatsächlich an Wandtafeln gedacht. Da
wären aber sicherlich 80 bis 90 Prozent der Hauseigentümer dagegen gewesen.
Seine Auftraggeber sind Gemeinden, Angehörige, Vereine mit geschichtlichem
Interesse - so wie der Aktionskreis Kronacher Synagoge. Dessen Vorsitzende,
Odette Eisenträger-Sarter zeigte sich gerührt über die überwältigende Anzahl
an Teilnehmern. Sie dankte den Spendern - private, Institutionen und
Parteien, ohne die man die Steine nicht würde verlegen können. Dies gelte
insbesondere auch für Christian Porzelt und dessen unermüdlicher
Recherchearbeit. Ein großer Dank gebühre dem Bauhof und den Mitarbeitern für
die Sonderschicht am Sonntag sowie der Stadtverwaltung mit Stefan Wicklein
für das Absegnen. Die Stadt Kronach wurde vertreten durch 2. Bürgermeisterin
Angela Hofmann. Diese freute sich auch über die Anwesenheit
von Vertretern der Kirche - wie Dekanin Dorothea Richter, Regionaldekan
Thomas Teuchgräber sowie Pastoralreferentin Birgitta Staufer-Neubauer. Der
Stadtrat habe im Juni 2016 die Verlegung der Stolpersteine einstimmig
beschlossen. 'Die Menschen, die wir heute ehren, waren Menschen wie du und
ich. Menschen, die sich nichts zu Schulden kommen ließen. Kronach war ihre
Heimat - unsere Nachbarn', zeigte sie sich fassungslos. Größten Respekt
zollte sie dem Aktionskreis sowie Christian Porzelt, sich deren Geschichte
angenommen zu haben. Der Weg führte alle Teilnehmer nach der Friesener
Straße, in die Strauer Straße 2, in die Johann-Knoch-Gasse 8 vor AWK sowie
in die Kulmbacher Straße 21 vor die Orthopädie Preuß. Während an den ersten
drei Plätzen das Verlegen relativ leicht und schnell erfolgte, musste der
Bauhof an der letzten Station mit der Motorsäge anrücken. In der Strauer
Straße erinnerte Dr.Angela Degen-Madaus an den hier seine Praxis
unterhaltenden Dr. Simon Bamberger, dem Hausarzt ihrer Großeltern. Er sei
ein ausgezeichneter Arzt gewesen, der seine Hausbesuche mit seinem Landauer
gemacht habe.
Bei den 16 Steinen handelt es sich um die ersten von 25 Gedenktafeln, für
die alle bereits Sponsoren gefunden wurden. Die Recherchearbeit dauert an;
weitere folgen. Am Kaspar-Zeuß-Gymnasium widmet sich der Thematik ein
P-Seminar unter Leitung von Ulrike Konrad. Einige der zwölf Teilnehmer waren
am Sonntag anwesend. 'Es ist wichtig, daran zu erinnern, was diesen Menschen
passiert ist - und es ist richtig, dass sie heute geehrt werden', bekundete
die 15-jährige Joane. Eine besondere Würdigung sei es, dass der Künstler die
Verlegung - trotz vollen Terminkalenders - selbst vornehme. Dem schließt
sich die ein Jahr ältere Sophie an. Die Steine blieben auch für spätere
Generationen erhalten. 'Wir bringen den Menschen damit den Respekt entgegen,
den sie zu Lebzeiten nicht erfuhren', meint sie. Voraussichtlich wird es
auch ein P-Seminar über das Zapfenhaus geben. Dem Künstler war die
Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Noch schnell einen Kaffee trinken, dann
ging es weiter nach Tschechien - unermüdlich, rastlos, unbeugsam!
Bezuschussung: Die Projekte Stolpersteine, die Erhaltung des Zapfenhauses in
Mitwitz sowie das P-Seminar werden über
das Bundesprogramm 'Demokratie leben!' gefördert.
Friesener Straße 2 - Max und Selma Tannenbaum: Max Markus
Tannenbaum wurde 1879 in Mansbach in
Osthessen geboren. Der gelernte Metzger kam 1908 nach Kronach, wo er
heiratete und später in der Lucas-Cranach-Straße eine Metzgerei betrieb. Als
Teilnehmer am ersten Weltkrieg kämpfte er an der Front und wurde mit
mehreren Verdienstorden ausgezeichnet. Seine Frau Selma geborene Lamm, kam
1884 in Friesen zur Welt. Gemeinsam mit
ihrem Mann zog sie die drei Kinder groß und versorgte den Haushalt. Max
Tannenbaum war bis 1935, also 28 Jahre lang, als Viehhändler in Kronach
tätig. Unter den Nationalsozialisten wurde ihm zunächst die erforderliche
Zuverlässigkeit für den Viehhandel abgesprochen und die Ausübung des
Viehhandels untersagt. Wie lange er seinen Metzgereibetrieb noch
weiterführen konnte, ist nicht bekannt. Ab dem 1. Januar 1939 war Juden das
Betreiben von Einzelhandelsgeschäften sowie das Anbieten von Waren und
Dienstleistungen untersagt, sodass er spätestens zu diesem Zeitpunkt sein
Geschäft schließen musste. Beide lebten von nun an unter drückender Armut
und versuchten wenigstens ihren Kindern die Flucht ins Ausland zu
ermöglichen. Ihnen selbst gelang es nicht mehr, Deutschland zu verlassen.
Die Eheleute kamen am 24. April 1942 mit einem Sammeltransport von Kronach
nach Bamberg und wurden einen Tag später nach Polen deportiert. Sie wurden
entweder im Ghetto von Krasniczyn oder in Sobibor ermordet.
Friesener Straße 2 - Frieda Weil geborene Tannenbaum. Frieda
Tannenbaum, geboren 1909, verließ 1930 ihre Elternhaus und heiratete ein
Jahr später den Schuhmacher Johann Weil, der nichtjüdisch war. Gemeinsam
hatte das Paar einen Sohn. Obwohl sie in einer sogenannten 'privilegierten
Mischehe' lebte, drohte Frieda Weil 1943 die Gefangennahme durch die
Gestapo. Am Vorabend ihrer Verhaftung unternahm sie daher einen
Selbstmordversuch und kam daraufhin nach Frankfurt in ein Krankenhaus. Hier
wurde sie verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Sie wurde dort am 10.
Dezember 1943 ermordet.
Friesener Straße 2 - Leo Tannenbaum, geboren 1913, lernte
vermutlich zunächst bei seinem Vater das Metzgerhandwerk und unterstützte
diesen in seinem Geschäft. Nachdem eine Zukunft in Deutschland nicht mehr
aussichtsreich war, besuchte er das Hachschara-Lager Gut Winkel bei
Spreenhagen (Brandenburg), um auf seine Auswanderung nach Palästina
vorbereitet zu werden. Im Oktober 1939 gelang ihm die Ausreise nach Israel.
Friesener Straße 2 - Hanna Babtschinsky und Ernst Babtschinsky.
Hanna Babtschinsky, geborene Tannenbaum, wurde 1920 als jüngstes Kind
des Ehepaars Tannenbaum in Kronach geboren. Ihr Mann Ernst Babtschinsky
wurde 1921 in Berlin geboren. Beide lernen sich wohl bei einem
Auswanderer-Lager für junge Juden kennen, die nach Palästina auswandern
wollten. Sie heirateten 1942, doch die erhoffte Ausreise gelang ihnen nicht
mehr. Das Ehepaar kam mit einem Transport am 19. April 1943 in das
Konzentrationslager Auschwitz. Dort wurden beide voneinander getrennt.
Ernst Babtschinsky erhielt in Auschwitz die Häftlingsnummer 116.940
tätowiert. Später wurde er in KZ-Außenlager Golleschau verlegt und 1945 auf
einem sogenannten Todesmarsch in das KZ Sachsenhausen geschickt. Wenig
später wurde er weiter nach Mauthausen und zuletzt in das
oberösterreichische Konzentrationslager Gusen gebracht. Dort erlebte er im
Mai 1945 die Befreiung durch amerikanische Truppen und kehrte nach Kronach
zurück. Hanna Babtschinsky war fast zwei Jahre in Auschwitz, ehe sie
Anfang des Jahres 1945 in das KZ Ravensbrück überführt wurde. Auch sie
überlebte und kehrte nach Kriegsende nach Kronach in die Friesener Straße
zurück. Das Ehepaar wanderte 1949 aus. Ernst Babtschinsky starb 1995, seine
Frau 2000 in den USA.
Strauer Straße 2 - Theodor und Ida Bamberger. Theodor
Bamberger wurde 1870 in Friesen geboren.
Ein Jahr später zogen seine Eltern nach Kronach, wo er aufwuchs und auch die
Realschule besuchte. Später lebte er als kaufmännischer Angestellter in
Nürnberg. Seine Schwester Ida wurde als neuntes und letztes Kind der Familie
Bamberger 1886 in Kronach geboren. Sie blieb unverheiratet und zog nach dem
Tod ihres Vaters mit ihrer Mutter in das Haus. Später betrieb hier auch ihr
Bruder, Dr. Simon Bamberger, für den sie den Haushalt führte, viele Jahre
lang eine Arztpraxis. Theo Bamberger kehrte 1931 wieder nach Kronach zurück
und lebte mit seiner Schwester in der Strau. Theo und Ida mussten nach
Inkrafttreten des 'Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden' im Mai 1939
ihre Mietwohnung aufgeben und wohnten seitdem zwangsweise im Wohnhaus der
Familie Lamm in der Kulmbacher Straße. Am 24. April 1942 brachte man Theo
und seine Schwester Ida mit einem Sammeltransport von Kronach nach Bamberg.
Ida Bamberger kam einen Tag später mit einem Transport nach Krasnystwa in
Polen. Sie starb entweder im Ghetto von Krasniczyn oder wurde in Sobibor
ermordet. Ihr Bruder Theo wurde mit einem Transport am 10. September 1942
von Nürnberg in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht und am 29.
September weiter ins Vernichtungslager Treblinka transportiert. Dort wurde
er im Gas ermordet.
Johann-Knochgasse 8 - Ludwig und Frieda Lamm: Ludwig Lamm
wurde 1888 in Friesen geboren. Er
heiratete Frieda Walter, die 1890 in
Sugenheim geboren wurde. Bis 1936 lebte die Familie am Scharfengarten,
bevor Ludwig Lamm in die Knochgasse 8 zog, um hier seine Eltern im Alter zu
unterstützen. Ludwig Lamm war wie sein Vater und sein Bruder viele Jahre
lang in Kronach und Umgebung als Viehhändler tätig. Unter den
Nationalsozialisten wurde ihm allerdings 1936 die Erlaubnis zum Viehhandel
entzogen, wodurch die Familie erwerbslos wurde. Ludwig und Frieda Lamm
wohnte bis zu ihrer Deportation hier. Im April 1942 kamen sie nach Polen, wo
sie im Ghetto von Krasniczyn oder in Sobibor ermordet wurden.
Johann- Knochgasse 8 - Susanna und Siegfried Lamm: Das Ehepaar
Lamm hatte zwei Kinder: Susanna, geboren 1921, und Siegfried, geboren 1924.
Susanna Lamm verließ Kronach 1936 zunächst nach Nürnberg und konnte als
17-Jährige 1938 nach Amerika emigrieren. Dort heiratete sie den aus Nürnberg
stammenden Robert Geissenberger. Susanna Geissenberger starb 2008 in
Scottsdale, Arizona. Ihr jüngerer Bruder Siegfried konnte 1939 nach England
auswandern und ging 1949 ebenfalls nach Amerika. Dort änderte er seinen
Namen in Fred. Er starb 2005 in Alter von 81 Jahren in Westwood, New Jersey.
Kulmbacher Straße 21 - Josef und Hilde Lamm: Nach seiner
Hochzeit lebte er zuerst im Haushalt seines Schwiegervaters Benjamin Loewy
in Weiden. Im Juni 1921 kehrte er
allerdings nach Kronach zurück. Seine Frau und der Sohn Ernst folgten im
Jahr darauf. 1928 baut Josef Lamm für sich und seine Familie das Haus in der
Kulmbacher Straße. 1939 musste das Ehepaar hier zwangsweise andere Juden
aufnehmen, nachdem diesen ihre Mietwohnungen entzogen worden waren. Nachdem
man Josef Lamm seine Viehhandelskonzession entzogen hatte, war die Familie
seit Beginn des Jahres 1936 erwerbslos. Hochverschuldet drohte schließlich
sogar die Zwangsversteigerung, nachdem die Familie Kredite nicht mehr
zurückzahlen konnte. Josef und Hilde Lamm wohnte bis zu ihrer Deportation im
April 1942 hier. Wie die restlichen Kronacher Juden wurden sie im Ghetto von
Krasniczyn oder in Sobibor ermordet.
Kulmbacher Straße 21 - Ernst Leopold Lamm: Ihr Sohn Ernst
Leopold Lamm wurde 1921 in Weiden geboren.
Nach seinem Volksschulbesuch trat er auf die Realschule über, die er 1935
verließ und eine Lehre als Textilkaufmann begann. 1936 verzog er nach
München und konnte drei Jahre später über Holland nach England gehen. 1945
wanderte er von dort nach Palästina aus.
Kulmbacher Straße 21 - Ernst Loewy: Der 1927 in
Freiburg im Breisgau geborene Ernst
Loewy kam 1937 nach dem Tod seiner Eltern nach Kronach. Er lebte im Haushalt
seiner Tante Hilde und deren Mann, Josef Lamm. Gemeinsam mit ihnen wurde er
1942 deportiert und ermordet. Mit 15 Jahre ist er das jüngste Opfer aus
Kronach."
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Stolpersteine
Friesener Straße 2 für Max Tannenbaum,
Selma Tannenbaum geb.
Lamm, Frieda Tannenbaum
verh. Weil, Leo Tannenbaum,
Ernst Babtschinsky und
Hanna Babtschinsky geb. Tannenbaum |
Stolpersteine in
der Johann-Knoch-Gasse 8
für Ludwig Lamm, Frieda Lamm geb. Walter,
Susanna (Susi) Lamm und Siegfried (Fritz) Lamm
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Stolpersteine
in der Kulmbacher Straße 21 für
Josef Lamm, Hilda Kamm geb. Loewy,
Ernst Leopold Lamm und Ernst Loewy
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Stolpersteine in
der Strauer Straße 2 für
Theodor Bamberger und Ida Bamberger |
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November
2017: Gedenkstunde zur Erinnerung an
den Novemberpogrom 1938 |
Artikel
von Heike Schülein in inFranken.de vom 10. November 2017: "Gedenken.
Die Erinnerung wachhalten
In der Kronacher Synagoge wurde den Opfern der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 gedacht. Die berührende Gedenkstunde ließ Geschichte lebendig werden.
Das feierliche Spiel der Blechblasinstrumente mit ihrem majestätischen Klang: Die anmutig klangvollen Töne des Posaunenchors der evangelischen Christuskirche unter Leitung von Dekanatskantor Marius Popp - Sie schweben an diesem Abend nur so durch die Kronacher Synagoge. Über was für eine Klangvielfalt verfügt doch so ein schlichter Posaunenchor - wahrlich zum Träumen schön!
Zum Träumen schön war auch die Auswahl der zum Klingen gebrachten musikalischen Glaubensbekenntnisse. Schon die strahlend festlichen Klänge des gleich zu Beginn dargebotenen
'Herr Gott, dich loben wir' aus der Feder von Friedrich Silcher (1789 bis 1860) ließen die Besucher der Gedenkveranstaltung wie gebannt zuhören - in sich versunken, losgelöst! Im Laufe des Abends erklangen vier Stücke von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 bis 1847): die beiden großartigen Werke
'Hebe deine Augen auf' sowie 'Sei stille dem Herrn' aus dem berühmten Elias-Oratorium, der Psalm 100
'Jauchzet dem Herrn' und die Motette 'Richte mich Gott'. Mendelssohn - einer der bedeutendsten Musiker der Romantik - entstammte einer angesehenen und wohlhabenden bürgerlichen jüdischen Familie. Wenngleich protestantisch getauft, durfte seine Musik zu Zeiten des NS-Regimes nicht gespielt werden - unfassbar!
Doch nicht nur die exzellent ausgesuchte Musik trug dazu bei, dass die Besucher an diesem so geschichtsträchtigen Datum berührt und zum Nachdenken angebracht wurden. Auch die Wortbeiträge waren von Pfarrerin Alina Ellgring sowie Pastoralreferentin Birgitta Staufer-Neubauer dem Anlass entsprechend mit viel Bedacht ausgewählt worden. Die 1. Vorsitzende Odette Eisenträger-Sarter und ihre Stellvertreterin Gisela Zaich hatten seitens des Aktionskreises Kronacher Synagoge die Besucher zu dieser - so Zaich -
'kleinen, aber wichtigen Veranstaltung' willkommen geheißen. Eisenträger-Sarter erinnerte an die Anfänge des Aktionskreises, der im Sommer 1992 - also vor 25 Jahren - von nichtjüdischen Kronacher Bürgerinnen und Bürgern ins Leben gerufen worden war, um das Synagogen-Gebäude aus dem Jahr 1883 vor dem Verfall zu retten. So lange gebe es auch schon diese Gedenkstunde. Viele der heutigen Besucher seien bereits damals - anfangs noch in der Kälte draußen vor dem Gebäude - dabei gewesen.
'Wir standen vor dem alten Eingangstor des ehemaligen Sanitätsdepots im Kreis und gedachten - mit Kerzen in der Hand - der Opfer von damals: Menschen, die im 3. Reich entrechtet, gequält und ermordet, deren Geschäfte in der Nacht am 9. November zerstört und Synagogen angezündet wurden
', zeigte sie sich erschüttert.
Die Kronacher Synagoge wurde von den Nazis nur deshalb verschont, da sie bereits im Januar 1939 an die Stadt Kronach verkauft, zum Sanitätsdepot umfunktioniert und damit arisch geworden war. Solche Sanitätsdepots seien damals überall entstanden - in Vorbereitung für den Krieg, der ja damals schon von den Nazis beabsichtigt gewesen sei. Durch die Fremdnutzung habe sich zwar das Erscheinungsbild der Synagoge verändert, aber das Gebäude habe zumindest überleben können. Stolz zeigte sie sich darauf, dass man die Gedenkveranstaltung nun schon über so viele Jahre aufrecht erhalte. 79 Jahre sei es nun her, führte die Pfarrerin aus, dass die jüdischen Geschäfte, Häuser und Synagogen angezündet wurden - und damit die systematische Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden ihren öffentlichen Auftakt fand. Nach außen inszeniert als Empörung der Bevölkerung, sei dies von den Nazis gezielt gesteuert gewesen. Die Reichskristallnacht, wie sie die Nazis nannten, klinge nicht nur nach zerbrochenem Glas, sondern gebe der Zerstörung einen festlichen Schein. Pogromnacht sei daher das passendere Wort; bedeute doch Pogrom eine gezielte Verfolgung bestimmter Menschengruppen.
'Es war keine Naturkatastrophe, die über die Menschen hereingebrochen ist. Es waren Menschen, die das getan haben und es waren Menschen, die weggeschaut haben. Gewalt, Unrecht und Krieg: Es waren Menschen, die so schrecklich
handelten', betonte sie. Diese Tatsache schenke ihr aber auch Hoffnung, dass man nämlich etwas dagegen tun und dass man Dinge anders machen könne. Sie appellierte, die Opfer nicht zu vergessen. Die Erinnerung sei wichtig, damit wir anders handelten und lebten - für den Frieden, weil wir es können! Die Heilige Schrift des Judentums sei auch den Christen heilig. Um dies zu verdeutlichen, verlas sie den Psalm 122:
'Herr, höre mein Gebet und lass mein Schreien zu Dir kommen ...' Die Pastoralreferentin trug zwei eindringliche Gedichte des deutschen Kabarettisten und Schriftstellers Hanns Dieter Hüsch (1925 bis 2005) vor, in denen die Verallgemeinerungen in alle Richtungen sowie die pauschale Bewertung beziehungsweise Verurteilung von Menschengruppen anprangert:
'Bedenkt' und 'Das Phänomen'. Letzteres endet mit den Zeilen '...Nur wenn wir eins sind überall - Dann gibt es keinen neuen Fall - Von Auschwitz bis nach Buchenwald - Und wer's nicht spürt der merkt es bald - Nur wenn wir in uns alle sehn - Besiegen wir das Phänomen - Nur wenn wir alle in uns sind - Fliegt keine Asche mehr im
Wind'. Die tief beeindruckende Gedenkstunde endete mit dem innigen Appell an unsere Wachsamkeit und dem Leisten von Widerstand - für ein friedliches Miteinander aller Konfessionen überall auf der Welt!"
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April 2018:
Vortrag von Michaela
Schmölz-Häberlein zum Forschungsstand zur jüdischen Geschichte der Region
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Artikel
von Maria Löffler in "Fränkischer Tag" vom April 2018: "'Forschungslücken
schließen'. Michaela Schmölz-Häberlein referierte in der Synagoge. Der
Verein '1000 Jahre Kronach' stellte den Sammelband 'Jüdisches Leben in der
Region' vor.
Die Geschichte der jüdischen Minderheit in Franken während des späten
Mittelalters und der frühen Neuzeit war Kernthema eines Vortrages von
Michaela Schmölz-Häberlein von der Universität Bamberg. Eingeladen in die
Synagoge hatte sie der Verein '1000 Jahre Kronach', vor allem, um auch den
Sammelband 'Jüdisches Leben in der Region - Herrschaft, Wirtschaft und
Gesellschaft im Süden des Alten Reiches' vorzustellen. Michaela
Schmölz-Häberlein räumte gleich zu Beginn ein, dass 'wir noch wenig über die
christlich-jüdische Geschichte in der Region wissen und dass die jüngst
erschienen Studien nur punktuell Einblicke geben.' Sie fand es umso
erstaunlicher, weil in dieser Region einige der größten, wirtschaftlich und
kulturell bedeutendsten Judengemeinden bestanden hätten. Der Sammelband
versuche, einige Forschungslücken zu schließen. Anschließend nahm sie ihre
aufmerksamen Zuhörer mit auf eine Zeitreise in die Orte Kronach, Thurnau,
Zeckendorf,
Bischberg und
Burgkunstadt. Anhand von Beispielen
zeichnete sie ein Bild komplexer Herrschaftsverhältnisse und der
vorherrschenden Kleinkammerung in den untersuchten Regionen.
Schmölz-Häberlein: 'Oder banal gesagt, dem üblichen, herrschaftlichen
Flickenteppich.' Untersucht werde im Sammelband vor allem jüdisches Leben
und Einzelschicksale. Und zwar vor allem in katholischen, evangelischen und
reformierten Gemeinden und Territorien. Migrationen, Bildungswege und
gelehrter Austausch seien wichtige, räumliche Orientierungspunkte innerhalb
der jüdischen Diaspora gewesen. 'Sie brachten Netzwerke hervor und
ermöglichten die Bildung von Strukturen jüdischer Selbstverwaltung.
Überscheidungen habe es zwischen der jüdischen und christlichen Lebenswelt
vor allem in Kauf- und Kreditgeschäften, in nachbarschaftlichen Kontakten
und Streit auf Märkten, in Versammlungen, oder bei gesellschaftlichen
Anlässen gegeben. Die Referentin erzählte abschließend auch vom Schicksal
des zehnjährigen Schloma Löw aus
Burgkunstadt: 'Er kehrte, nachdem er das Vieh des Bäckers gemeinsam mit
dessen Kindern auf die Weide getrieben hatte, nicht nach Hause zurück. Sein
Vater Moses Löw machte sich auf die Suche und fand seinen Sohn Schloma im
katholischen Pfarrhof bei Pfarrer Johann Bartholomäus Schlör. Die Eltern
bekamen ihr Kind nie zurück, ihnen wurde der Zugang verweigert und der Junge
wurde christlich erzogen. Getauft wurde er schließlich auf dem Namen Anton
Michael Schlömann.' Konversionen seien in katholischen Gebieten durchaus
häufiger vorgekommen, als angenommen: 'Bis dato konnte ich 140 Taufen in 120
Jahren ermitteln. Für die Statistik ist Schloma ebenfalls typisch, fast 70
Prozent der ermittelten Personen waren männlich.' Die Diskussion drehte sich
vor allem um Schutzgelder, Ausweisungen und die Rechtssicherheit der
jüdischen Bevölkerung. Michaela Schmölz-Häberlein betonte, dass es damals
sowohl Sammelschutzbriefe, als auch individuelle Schutzbriefe gegeben habe.
Auf die Frage nach den Wucherzinsen der Juden antwortete sie: 'Die
Bedingungen für normale Kredite waren allgemein geregelt. Bei kurzfristigen
Krediten herrschte meist ein viel höheres Risiko für den Geldgeber. Deshalb
fielen auch mehr Zinsen an. Das ist heute ja nicht viel anders.'
Vorsitzender Manfred Raum freute sich, 'dass die Geschichte jüdischer
Mitbürger die hier gewohnt haben oder verschwunden sind', vom Aktionskreis
verbreitet werde: 'Es ist gerade in der heutigen Zeit eine Herausforderung,
sich mit diesem Thema zu beschäftigen."
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Juli
2018: Weitere Verlegung von "Stolpersteinen" |
Am 18.
Juli 2018 verlegte Gunter Demnig weitere neun "Stolpersteine" (siehe Anhang)
in der Bahnhofstraße 13 (Ludwig Mosbacher, Luise Mosbacher geb. Kamm),
Bahnhofstraße 10 (Josef Mosbacher und Luise Mosbacher geb. Kamm),
Adolf-Kolping-Straße 8 (Julius Strauß), Adolf-Kolping-Straße 11 (Emil Adler)
und in der Alten Ludwigstädter Straße 5 (Bernhard Böhm, Hedwig Böhm geb.
Frank, Helene Böhm). |
Presseartikel in "inFranken.de" vom 18. Juli 2018: "Aufarbeitung.
Stolpersteine in Kronach: Erinnerungsarbeit gegen das Vergessen
Am Mittwoch wurden erneut Stolpersteine in Kronach verlegt. Sie erinnern an
ehemalige Kronacher Familien jüdischen Glaubens.
'Hier wohnte Ludwig Mosbacher Jg. 1874 deportiert 1942 Krasnystaw ermordet'
und 'Hier wohnte Luise Mosbacher geb. Kamm Jg. 1876 deportiert 1942
Krasnystaw ermordet': Während in der Bahnhofstraße 13 ein Auto nach dem
anderen vorbeirollt, tragen die Elftklässlerinnen Alexandra und Anna die
Vita des von den Nationalsozialisten ermordeten Ehepaars vor. Einige Male
müssen die beiden unterbrechen, da ihre Worte im Straßenverkehr untergehen.
Unbeeindruckt von alledem verlegt Gunter Demnig, auf dem Boden kniend, die
beiden Stolpersteine. Verwurzelt waren sie, hier in ihrer geliebten Heimat
über Jahrhunderte hinweg, bis sie nach der Machtübernahme Opfer von
Vertreibung und Mord wurden: Kronacher Familien jüdischen Glaubens, für die
sich ab 1933 alles änderte. Über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges
und nachdem die letzen jüdischen Einwohner Kronachs deportiert wurden, will
der Aktionskreis Kronacher Synagoge für die Bevölkerung die Schicksale jener
jüdischen Familien lebendig werden lassen: mit der Verlegung sogenannter
Stolpersteine. Bereits 2017 wurden 16 solcher Gedenktafeln in der Kreisstadt
verlegt. Am Mittwochmorgen kamen neun weitere hinzu. Verlegt wurden sie
wieder von Gunter Demnig, dem Erfinder der Stolperstein-Aktion. Seit 1996
bringt der gebürtige Berliner seine mit jeweils einer ein Millimeter dicken
Messing-Schicht belegten Steine in den Gehweg vor dem letzten freiwilligen
Wohnort von NS-Opfern ein - zunächst illegal, nunmehr mit behördlicher
Genehmigung. Seit 2000 ist sein Terminkalender voll und der
Bundesverdienstkreuzträger ständig auf der Durchreise. Die in Handarbeit
angefertigten Gedenktafeln stellen mittlerweile Mitarbeiter her. Mit seinem
konzeptionellen Kunstwerk - größtes dezentrales Mahnmal der Welt - will er
das Gedenken aufrechterhalten an die Millionen Opfer des
Nationalsozialismus. Die Vorsitzende des Aktionskreises Kronacher Synagoge,
Odette Eisenträger-Sarter, zeigte sich überwältigt von der großen Anzahl an
Teilnehmern. Sie dankte den Spendern der Steine, dem Bauhof und seinen
Mitarbeitern sowie Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein mit dem Stadtrat für
die Absegnung des Projekts. Einige Stadt- beziehungsweise Kreisräte nahmen
an der Verlegung ebenso teil wie das Stadtoberhaupt selbst sowie
Pastoralreferentin Birgitta Staufer-Neubauer für die katholische Kirche.
Größten Respekt zollte Eisenträger-Sarter den Elftklässlern des P-Seminars
'Stolpersteine' am Kaspar-Zeuß-Gymnasium unter Leitung von Ulrike Konrad.
Unter wissenschaftlicher Leitung von Christian Porzelt entsteht dabei -
gefördert im Rahmen des Bundesprogramms 'Demokratie leben!' - eine Broschüre
mit kurzen Lebensläufen der jüdischen Mitbürger, denen die Stolpersteine
gewidmet sind.
'Jeder Stein - ein Mensch', appellierte Beiergrößlein, die Erinnerung an die
Opfer des Nationalsozialismus aufrecht zu erhalten. Was mit all diesen
Menschen gesehen sei, dürfe nicht in Vergessenheit geraten - gerade in
unseren jetzigen, so unruhigen Zeiten. 'Unsere Demokratie, die so mühevoll
aufgebaut wurde, ist in Gefahr', mahnte er. Deshalb sei es wichtig, Zeichen
zu setzen - so wie es die jungen Leute des Kaspar-Zeuß-Gymnasiums in ihrem
P-Seminar. Die Broschüre soll bis zum 9. November - dem 80. Jahrestag der
Reichspogromnacht 1938 - fertig sein und an dem Tag vorgestellt werden.
Die Biografien der an diesem Tage durch die Stolpersteine gewürdigten Opfer
lasen sie bei der Verlegung vor. Die Route führte in die Bahnhofstraße 10
und 13, die Adolf-Kolping-Straße 8 und 11 sowie die
Alte-Ludwigsstädter-Straße 5. Ein Film-Team der Schule nahm die
Verlegungsaktion auf. Der Film wird bei der 'Langen Nacht der Demokratie' am
15. September zwischen 18 Uhr und 24 Uhr in der Kühnlenzpassage gezeigt.
Stationen: Bahnhofstraße 10: Sophie Mosbacher und Josef Mosbacher
Sophie Mosbacher wurde am 25. Juli 1875 in Bamberg als Tochter des Kaufmanns
Abraham Koburger und dessen Frau Babette, geborene Gutherz, geboren. Am 19.
Juni 1898 heiratete sie den Kronacher Josef Mosbacher, mit dem sie den
gemeinsamen Sohn Ernst, geboren am 6. Februar 1900, hatte. Sie engagierte
sich jahrzehntelang in der Kronacher Ortsgruppe des Bayerischen
Frauenvereins. 1934 zog das Paar von Kronach nach Nürnberg und wurde am 10.
September 1942 nach Theresienstadt, dem sogenannten 'Altersgetto', im
heutigen Tschechien deportiert. Hier mussten sie wie weitere etwa 40 000
ältere Juden ihren Lebensabend unter miserablen Bedingungen verbringen. Sie
starb laut offizieller Todesurkunde am 13. Februar 1943 an den Folgen einer
Lungenentzündung.
Josef Mosbacher wurde am 22. August 1872 als Sohn des Kaufmanns Zacharias
Mosbacher und dessen Frau Babette Schmitt in Kronach geboren. Dort lebte er
mit seiner Familie unter anderem mit seinem Bruder Ludwig Mosbacher in der
Bahnhofstraße 10. Von Beruf war er Kaufmann. Privat war er unter anderem
Mitglied der Kronacher Schützengesellschaft. Bevor er mit seiner Ehefrau
nach Theresienstadt deportiert wurde waren er und seine Ehefrau Sophie zum
Abschluss von 'Heimeinkaufsverträgen' gezwungen worden, die ihnen den
Transport in ein jüdisches Altersheim suggerierten. Tatsächlich kamen in
Theresienstadt innerhalb kurzer Zeit viele der Häftlinge durch
Lebensmittelmangel, unzureichende Hygiene und fehlende medizinische
Versorgung um. Josef Mosbacher starb dort am 26. Juni 1943 laut offizieller
Todesurkunde an einem Schlaganfall.
Bahnhofstraße 13: Luise Mosbacher und Ludwig Mosbacher. Luise
Mosbacher, geborene Kamm, kam am 19. September 1876 in Ober Heiduck, dem
heutigen Chorzow in Polen, zur Welt. Zusammen mit ihrem Ehemann Ludwig
Mosbacher, einem Eisenwarenhändler, lebte sie seit ihrer Hochzeit 1898 in
Kronach. Hier unterstützte sie ihren Ehemann in dessen Geschäft und kümmerte
sich um die drei Kinder Kurt (geb. 1907), Emmy (geb. 1899) und Else (geb.
1900). Ende April 1933 zog das Ehepaar nach Bamberg. Ab 1939 wohnten sie
zwangsweise in einem sogenannten 'Judenhaus'. Im Zug der Deportation
jüdischer Bürger wurde die 65-Jährige mit ihrem Ehemann am 25. April 1942
nach Polen gebracht. Für die Zugfahrt nach Kranistaw bei Lublin musste jede
Person 80 Reichsmark bar bezahlen. Im Verlauf des Sommers 1942 kam sie
aufgrund der unsäglichen Lebensbedingungen in diesem oder in einem anderen
Lager um oder wurde in einem Vernichtungslager in der Region ermordet.
Ludwig Mosbacher wurde als Sohn des Kaufmanns Zacharias Mosbacher und
Babette, geborene Schmitt, am 23. Januar 1874 in Kronach geboren. Seit 1898
war er mit Luise Mosbacher verheiratet. Gemeinsam mit seinem Bruder Josef
Mosbacher führte er einen Eisenwarenhandel im Haus der heutigen
Löwenapotheke. Ende April 1933 zogen Ludwig und Luise Mosbacher nach
Bamberg, wo zwei ihrer Kinder lebten. Aufgrund des November-Pogroms wurde
Ludwig Mosbacher am 10. November 1938 festgenommen, ins Landesgefängnis
Bamberg eingeliefert, jedoch wieder entlassen. Mit seiner Ehefrau Luise
Mosbacher deportierte man ihm am 25. April 1942 in das Getto von Krasniczyn.
Von dort wurden zahlreiche Juden in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor
gebracht. Sein weiteres Schicksal und die Umstände seiner Ermordung sind
nicht bekannt.
Adolf-Kolping-Straße 8: Julius Strauß. Julius Strauß, geboren am 30.
August 1901 in Kronach, wurde bereits mit 18 Jahren das erste Mal aufgrund
von Depressionen in ein Sanatorium eingewiesen. Im Juni 1925 kam er auf
Veranlassung seiner Verwandten schließlich in die Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg. Wie bereits bei seinem Vater diagnostizierte man bei ihm eine
manische Depression, weshalb er nur wenige Monate nach seiner Entlassung im
März 1927 erneut nach Kutzenberg gebracht wurde. Dieses Mal dauerte der
Aufenthalt fast zwölfeinhalb Jahre. In seinem letzten Brief vom 12.
September 1940 an den Direktor der Anstalt berichtet Julius Strauß, dass er
'Samstag Kutzenberg verlasse, worüber ich bestimmt nicht erzürnt bin'. Er
gehörte zu den zehn jüdischen Menschen, die am 14. September von Kutzenberg
in die Anstalt Eglfing-Haar in Oberbayern verlegt wurden. Schon sechs Tage
darauf erfolgte ein Weitertransport in eine sogenannte Tötungsanstalt, wo er
neben anderen jüdischen Patienten Opfer der sogenannten Euthanasie wurde.
Adolf-Kolping-Straße 11: Emil Adler. Emil Adler kam am 3. Februar 1903
als einziges Kind des Kaufmanns Leopold Adler und seiner Frau Rosa, geborene
Krell, in Kronach zur Welt. Er besuchte hier die örtliche Realschule und
absolvierte anschließend eine kaufmännische Ausbildung. Nach dem Tod seiner
Mutter 1932 - sein Vater war bereits zwei Jahre vorher verstorben - übernahm
er das von ihr gegründete Textilgeschäft 'Geschwister Krell' in der
Bahnhofstraße. Vermutlich gehörte er zu den Geschäftsleuten, die man bereits
im März/April 1933 verhaftete. Unter dem Druck der Nazis musste er noch im
gleichen Jahr sein Geschäft verkaufen. Er verließ Kronach und ging nach
Berlin, wo er 1934 heiratete.
Zusammen mit seiner Ehefrau Charlotte, geborene Mayer, gelang es ihm im Juli
1936 nach Argentinien zu emigrieren. Hier starb er am 25. Juni 1976.
Alte-Ludwigsstädter-Straße 5: Bernhard Böhm, Hedwig Böhm, Helene Böhm.
Bernhard Böhm wurde am 12. Dezember 1883 in
Oberlangenstadt geboren, wo er
bis 1929 lebte. 1920 heiratete er Hedwig Frank. Beide zogen neun Jahre
später nach Kronach in die Johann-Nikolaus-Zitter-Straße, wo er ein
Textilgeschäft eröffnete. 1937 zogen die beiden nach Würzburg in die
Augustinerstraße 4. Wie alle anderen Juden mussten sie 1939 ihre sämtlichen
Silber-, Gold- und Schmucksachen abliefern. Während ihrer Tochter die
Ausreise gelang, leistete Bernhard Böhm Zwangsarbeit. Ende November 1941
wurde das Ehepaar ins Konzentrationslager Riga-Jungfernhof deportiert. In
diesem sehr provisorisch eingerichteten Lager erlebten die Insassen den
Winter in grimmiger Kälte bis zu minus 45 Grad, da es in den als
Schlafräumen verwendeten Scheunen keine Heizungsmöglichkeit gab. Täglich
starben 20 bis 30 Menschen, die man nicht begraben konnte, weil die Erde
gefroren war. Von den aus Würzburg Deportierten überlebten nur zwei
Personen. Zu den Hunderten dort Getöteten zählt Bernhard Böhm.
Hedwig Böhm wurde am 24. Dezember 1883 im unterfränkischen
Bad Brückenau mit
dem Mädchennamen Frank geboren. Sie gehörte von Geburt an dem jüdischen
Glauben an. Sie wohnte zeitweise in Nürnberg und arbeitete dort als
Verkäuferin, ehe sie mit 37 Jahren Bernhard Böhm heiratete. 1929 zog sie mit
ihrem Ehemann und ihrer sechsjährigen Tochter Hella in die
Johann-Nikolaus-Zitter-Straße und wohnte später in der Ludwigsstädter Straße
5. 1937 zog Hedwig mit ihrem Mann nach Würzburg zu ihrer Mutter. Nachdem sie
ihr gesamtes Vermögen aufgeben mussten, wurden sie 1941 in das Zwischenlager
Jungfernhof bei Riga deportiert, wo Hedwig und Bernhard Böhm unter grausamen
Bedingungen ihre letzten Lebenstage verbrachten. Hedwig Böhm kam entweder im
Winter 1941/42 im Lager durch Hunger, Zwangsarbeit und Kälte um oder wurde
mit einem Großteil der Häftlinge im März 1942 im nahegelegenen Wald von
Bikernieki erschossen.
Helene 'Hella' Böhm wurde am 17. August 1923 in
Bamberg geboren. Sie lebte
bis zu ihrem zehnten Lebensjahr in Kronach. 1934 schickten ihre Eltern sie
zu Verwandten nach Würzburg, wo sie zur Schule ging. Wegen akuter Gefahr
durch die Nationalsozialisten musste sie fünf Jahre später auswandern. Mit
15 Jahren immigrierte sie im Juni 1939 nach London. In den folgenden Jahren
heiratete sie und nahm den Namen Axelrad an. Sie kehrte nicht mehr nach
Deutschland zurück."
Link zum Artikel |
Fotos (erhalten von Jürgen Hanke, Kronach) |
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Stolperstein für
Emil Adler (1903), 1938 nach Argentinien
emigriert und rechts für Julius Strauss (1901) Opfer der
"Euthanasie"-Aktion 1940
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Stolpersteine für
Bernhard Böhm (1883) und Hedwig
Böhm geb. Frank (1883), beide über Würzburg nach Riga
deportiert und ermordet, sowie für Helene Böhm (1923),
1938 nach England emigriert |
Stolpersteine für
Ludwig Mosbacher (1874) und
Luise Mosbacher geb. Kamm (1876), beide 1942
nach Krasnystow deportiert und ermordet
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Rechts:
Stolpersteine für Josef Mosbacher (1872)
und Sofie Mosbacher geb. Koburger (1875), beide 1942
nach Theresienstadt deportiert und umgekommen. |
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März 2019:
Neue Ausstellung in der ehemaligen
Synagoge |
Artikel
von Heike Schülein im "Sonntagsblatt" vom 1. März 2019: "Nationalsozialismus.
Kronacher Synagoge zeigt die Ausstellung '13 Führerscheine – 13 jüdische
Schicksale'
Die Kronacher Synagoge zeigt derzeit die preisgekrönte Ausstellung '13
Führerscheine – 13 jüdische Schicksale'. Dafür haben Lichtenfelser
Gymnasiasten die Biografien von 13 Juden aus ihrer Region erforscht.
Am Anfang waren es nur 13 vergilbte Führerscheine – am Ende wurden sie zu
greifbarer Geschichte: Nach der Reichspogromnacht 1938 hatte ein Erlass von
Heinrich Himmler, oberster Polizeichef des NS-Regimes, alle Juden zur Abgabe
ihrer Führerscheine gezwungen, darunter auch 13 aus dem Landkreis
Lichtenfels. 2017 stießen Landratsamt-Mitarbeiter bei der Digitalisierung
alter Akten auf einen Umschlag mit den 13 Führerscheinen. Landrat Christian
Meißner (CSU) übergab diese dem Meranier-Gymnasium. Unter Leitung von
Studiendirektor Manfred Brösamle-Lambrecht erforschten dort Schüler des
P-Seminars 'Geschichte' die Lebenswege der 13 Führerschein-Inhaber. 'Jeder
von uns suchte sich einen Führerschein aus. Wir wussten nicht, worauf wir
uns einlassen', erklärt die Gymnasiastin Francesca Schütz bei der
Ausstellungseröffnung, die derzeit in Kooperation des Evangelischen
Bildungswerks (EBW) Kronach-Ludwigsstadt-Michelau und dem Aktionskreis
Kronacher Synagoge zu sehen ist. Die Seminaristin entschied sich für Leo
Banemann: ein Kaufmann, der mit seinem Bruder das kleine
Metzgereibedarf-Unternehmen des verstorbenen Vaters führte; ein
treusorgender Ehemann und Vater einer kleinen Tochter; ein Ordensträger, der
im Ersten Weltkrieg von 1916 bis 1918 an der Westfront kämpfte.
'13 Führerscheine - 13 Schicksale' von Gymnasiasten erarbeitet.
Seinen Führerschein macht er am 29. Juni 1925. Der Familie geht es sehr gut.
Sie ist voll im gesellschaftlichen Leben in Burgkunstadt integriert. Das
ändert sich mit Beginn der NS-Diktatur. Zunehmende Repressalien gegen Juden
führen zu gesellschaftlicher Isolation. Während der Novemberpogrome wird das
Haus der Banemanns von fanatisierten Nazis heimgesucht. Am nächsten Tag wird
Leo Banemann wie alle anderen jüdischen Männer als 'Schutzhäftling' in das
Gefängnis in Hof verfrachtet. Das eigentliche Ziel Dachau war überfüllt.
Erst nach Wochen werden die Männer entlassen. Im April 1939 schafft es die
Familie gerade noch rechtzeitig, Deutschland zu verlassen und nach Baltimore
zu gelangen. Ihren Besitz müssen sie zurücklassen. Aber sie kommen mit dem
Leben davon wie auch weitere sieben dieser Führerschein-Inhaber; fünf wurden
ermordet. 'Sie schrieb, sie habe Tränen in den Augen – der Freude und der
Wut', erinnert sich Schütz an den ersten Kontakt mit der Enkelin von Leo
Banemann. Dieser wie auch weiteren Nachfahren aus aller Welt konnten sie in
Lichtenfels die Führerscheine persönlich übergeben – zutiefst bewegende
Momente für alle Beteiligten.
Dekanin Richter: Zugang über Personen wichtig. 'Die Schülerinnen und
Schüler hat die Rekonstruktion der 13 Biografien geprägt und verändert', so
EBW-Leiter Joachim Wegner. Sie seien Menschen begegnet – Lebenden und
Gestorbenen, die sie beeindruckt, ermutigt, gefordert und ihnen geholfen
haben. Tief beeindruckt zeigte sich Dekanin Dorothea Richter. Ihrer Meinung
nach bekämpfe man Antisemitismus am besten, indem man Einzelschicksale
aufzeige. 'Der Zugang über Personen erscheint mir sehr wichtig', betonte
sie. Christian Porzelt, der sich in seinem Studium schwerpunktmäßig mit
jüdischer Geschichte beschäftigt hat, stellt die Ergebnisse neuer
Nachforschungen in Kronach vor. Die ersten Führerschein-Inhaber waren
Geschäftsleute beziehungsweise Personen, die einen Führerschein beruflich
brauchten. Bis zum Ersten Weltkrieg hatten nur 33 Personen in Kronach einen
Führerschein. An 16. Stelle stand der jüdische Kaufmann Julius Obermeimer.
Nach dem Krieg nahm die Anzahl stark zu. 1924 gab es 49, 1925 schon 127
Neuanmeldungen. Weibliche Führerschein-Besitzerinnen waren die Ausnahme.
Ende 1920 waren es weniger als ein Dutzend in Kronach.
Ausstellung geht auch nach Amerika und Argentinien. Auf den sehr
anschaulich gestalteten Ausstellungsbannern sind nicht nur die Ergebnisse
der Recherche zu den 13 Personen zu sehen, sondern auch weitergehende
Informationen zur Entwicklung der jüdischen Gemeinden im Landkreis
Lichtenfels, zum Führerschein in den 1930er-Jahren, zum Bezirksamt und zu
den wenigen Lichtenfelsern, die den jüdischen Mitbürgern halfen. Zur
Ausstellung ist ein über 100 Seiten starkes Begleitheft erschienen, das
derzeit nachgedruckt wird. Die Ausstellung wird auch ins Englische übersetzt
und geht nach Amerika und Argentinien. Die Ausstellung wurde als bestes
P-Seminar in Oberfranken ausgezeichnet. Bayernweit landete es unter den
besten vier. 'Wir hätten nie gedacht, dass wir eine derartige Wirkung
erzielen', meinte Francesca Schütz und ergänzt: 'Wir wollen damit einen Teil
beitragen, dass so etwas nie wieder passiert und dass das nicht vergessen
wird, was nicht vergessen werden darf.'
Ausstellungsinfo. Die Ausstellung ist bis zum 9. März 2019 in der
Kronacher Synagoge zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag und
Sonntag 14-17 Uhr, Samstag 10-13 Uhr."
Link zum Artikel
Weiterer Artikel im "Fränkischen Tag" (infranken.de) vom 18. Februar 2019:
"Kronach. Geschichte wird greifbar..."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 457; III,1 S. 691-692. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 138-139. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1992² S. 226. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 253-255.
|
| Christoph Zeckai: "Ein Stück Matzen,
Nachbarin!". Erinnerungen an die jüdischen Familien in Kronach.
Kronach 1992. 2., erweiterte Auflage 2010. |
|
"Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I:
Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu Kronach S. 178-185 (die Forschungsergebnisse
konnten auf dieser Seite von "Alemannia Judaica" noch
nicht eingearbeitet werden). |
|
| Katja B. Zaich und Willi Zaich: 'Gern
gesehen und wohl gelitten'. Zur Geschichte der Kronacher Juden und ihrer
Synagoge. Mit einer historischen Einführung von Josef Motschmann.
Kronach 2009. 148 S. ISBN 978-3-00-028313-0. Nähere Informationen siehe
den Presseartikel und den Buchprospekt oben. |
| Hans-Peter
Süss: Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und
Oberfranken. Verlag Dr. Faustus Büchenbach 2010 (Reihe: Arbeiten zur
Archäologie Süddeutschlands Band 25). Zu Kronach S. 78-79.
|
| Walter M. Brod: Leonhard Seeligsberg. Werdegang
eines Kronacher Arztes des 19. Jahrhunderts. In: 1000 Jahre Kronach.
Zeitschrift des Vereins 1000 Jahre Kronach e.V. Nr. 24/1999 9. Jahrgang S.
31-33. Online
zugänglich - als pdf-Datei eingestellt. |
| Günter Dippold: Dr. Leonhard Seeligsberg - Arzt und
Revolutionär. Neue Erkenntnisse zu einem Kronacher des 19. Jahrhunderts.
In: 1000 Jahre Kronach. Zeitschrift des Vereins 1000 Jahre Kronach e.V. Nr.
25/1999 S. 16-18. Online
zugänglich - als pdf-Datei eingestellt. |
| Hans Götz: Der Friesener Moschaweg. 250 Jahre
deutsch-jüdische Ortsgeschichte. In: Cranach. Zeitschrift des Vereins
"1000 Jahre Kronach" e.V. Nr. 44/2011. 21. Jahrgang. S.
20-22. Online
zugänglich - als pdf-Datei eingestellt. |
| Christian Porzelt: Wilhelm (William) Seeligsberg.
Eine deutsch-jüdische Auswandererbiographie aus der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. In: Cranach. Zeitschrift des Vereins "1000 Jahre
Kronach" e.V. Nr. 46/2013. 23. Jahrgang S. 27-28. Online
zugänglich - als pdf-Datei eingestellt. |
| ders.: Jüdisches Leben in der bambergischen Amtsstadt
Kronach 1633-1802/03. In: Michaela Schmölz-Häberlein (Hrsg.): Jüdisches
Leben in der Region. Herrschaft, Wirtschaft und Gesellschaft im Süden des
Alten Reiches (= Stadt und Region in der Vormoderne; Bd. 7). Würzburg 2018.
S. 219-247. |
| ders.: Die Familie Süßheim in Kronach bis 1870. In:
Michael Diefenbacher (Hrsg.): Die Süßheims. Jüdische Bürger, Politiker,
Wissenschaftler in Bayern (= Quellen und Forschungen zur Geschichte und
Kultur der Stadt Nürnberg 39). S. 1-12. |
| ders.: Die Familie May. Geschichte und Schicksal einer
jüdisch-fränkischen Familie. In: Landkreis Kronach (Hrsg.): Heimatkundliches
Jahrbuch des Landkreises Kronach 29 (2019). S. 85-92. |
| ders.: Esther und ihre Töchter. Geschlechterrollen und
Wirtschaftstätigkeit jüdischer Frauen in der Vormoderne. In: Aschkenas 31/2
(2021), S. 297-324. |
| Christian Porzelt: Eine Lücke, die schmerzt.
Artikel in "Neue Presse" vom 9. April 2021 (Lokalteil Kronach) S. 13.
Eingestellt als pdf-Datei.
Vor 79 Jahren fand auf dem jüdischen Friedhof von Burgkunstadt die letzte
Beerdigung statt. Jette Lamm aus Kronach wurde dort nur wenige Tage vor der Deportation
der verbliebenen Juden in der Region beigesetzt. Einen Grabstein erhielt die
Kronacherin nicht mehr. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kronach Upper Franconia. Ten
Jews were murdered during the Rindfleisch massacres of 1298. Jews are again
mentioned in 1636 and 1644 under letters of protection. In 1760 Jews were
allotted a street outside the city walls and in 1824 the Matrikel law limited
Jewish residence to three families. The community revived with the arrival of
Jews from Friesen in the 1870s, the Jewish population increasing to 101 in 1890
(total 4.140). Thereafter it declined to 35 in 1933. The synagogue was sold in
1938 and by 1939 seven Jews emigrated and eight left for other German cities;
eight were expelled on 25 April 1942 to Izbica in the Lublin district (Poland)
via Bamberg.
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