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Mansbach (Gemeinde
Hohenroda, Kreis Hersfeld-Rotenburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Mansbach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Es war die zeitweise größte
jüdische Gemeinde im Altkreis Hünfeld (um 1830). Ihre Entstehung geht in die
Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück. Bereits im 16. Jahrhundert lebten
unter dem Schutz der Herren von Mansbach einzelne Juden im Dorf (seit 1571
genannt: Isaac 1571-1585, Moses/Mosche 1571, Joseph 1585, Saul 1599, Abraham,
Sohn des Saul 1599 [später in Marköbel]).
Auch die seit 1632 am Ort residierenden Herren von Geyso nahmen jüdische
Familien auf. Neben den von den jüdischen Familien zu leistenden Abgaben an die
Ortsherrschaft war auch die evangelische Kirchengemeinde beziehungsweise der
Pfarrer zu beliefern (die Regel galt bis 1931): jedes Jahr zu Michaelis war von
jedem "beweibten Juden" eine Gans und ein Pfund Gewürze oder ein
umgerechneter Geldbetrag abzuliefern.
Das jüdische Wohngebiet war das Viertel östlich des Ortszentrums in der
"Judengasse", der heutigen Oststraße.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1823 290, 1835 204 jüdische Einwohner, 1861 199 (20,6 % von
insgesamt 966 Einwohnern), 1871 162 (18,2 % von 891), 1875 148, 1885 122 (15,4 %
von 791), 1895 92 (12,7 % von 725), 1905 83 (11,7 % von 709), 1910 63. Die jüdischen
Haushaltsvorsteher lebten zunächst vom Handel mit Fellen und Wolle, Vieh oder
Kramwaren, dazu gab es mehrere jüdische Metzger. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts
lagen die Haupterwerbszweige im Vieh- und Textilhandel. Einige waren als Makler
tätig. Mehrere hatte Geschäften und Läden am Ort eröffnet, die für das
Wirtschaftsleben des Ortes von großer Bedeutung waren (zwei Textilgeschäfte,
ein Eisenwarenladen, zwei Lebensmittel- beziehungsweise Gemischtwarenläden, ein
Schuhwarengeschäft, eine Metzgerei und eine Bäckerei mit Lebensmitteln). Seit
der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner durch
Auswanderung nach Amerika oder Abwanderung in kleinere (z.B. Bad Hersfeld) oder
größere Stadt kontinuierlich zurück.
Die häufigsten Familiennamen am Ort waren Tannenbaum, Bacharach, Nußbaum
und Grünebaum; dazu gab es je eine Familie Appel, Weiß, Schmidt und
Rosenblatt.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule (öffentliche
israelitische Elementarschule seit Mitte des 19. Jahrhunderts), ein rituelles
Bad (im Keller der Synagoge) und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet wirkte (vgl. Ausschreibungen
der Stelle unten). An Lehrern sind insbesondere zu nennen: Hirsch Brandes
(um 1841/42, stammte aus Witzenhausen), Jakob Boley (geb. 1825), der von
1854 bis 1894 als Lehrer in der Gemeinde tätig war (siehe Bericht zu seinem Tod
unten), Simon Strauß, seit 1895 in Mansbach, 1902 nach Burghaun
versetzt, Lehrer J. Stein (um 1915), Naftali Berlinger (aus Berlichingen,
1922 bis 1924 in Mansbach, dann in Burghaun),
Lehrer Hatz (ab 1925). Die Schule war in einem eigenen Schulhaus
untergebracht; die Schülerzahl ging seit Mitte des 19. Jahrhunderts ständig
zurück: 1868 noch 37 Kinder, 1902 18, 1903/10 11). Die Gemeinde gehörte zum
Rabbinatsbezirk Fulda.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Josef Nußbaum
(geb. 14.2.1897 in Mansbach, gef. 25.3.1918), Isidor Tannenbaum (geb. 27.8.1896
in Mansbach, gef. 9.6.1918), Julius Tannenbach (geb. 11.5.1898 in Mansbach, gef.
15.7.1918), Marcus Max Tannenbaum (geb. 3.10.1898 in Mansbach, gef. 19.7.1918),
Moritz Tannenbaum (geb. 3.5.1894 in Mansbach, gef. 9.8.1916) und Unteroffizier
Arthur Weiß (geb. 26.8.1893 in Mansbach, gef. 23.1.1917). Außerdem ist
gefallen der aus Mansbach stammende Unteroffizier Sally Nußbaum, Sohn des
Gemeindevorstehers Jakob Nußbaum (siehe Bericht unten, geb. 2.6.1892 in
Mansbach, vor 1914 in Zimmersrode wohnhaft, gef. 24.4.1915).
Um 1924, als noch 50 jüdische Personen in Mansbach lebten (6,1 % von 831
Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde der eben genannte Jakob Nußbaum
sowie Moritz Bacharach. Als Lehrer wirkte noch der bereits genannte Naftali
Berlinger. Er unterrichtete an der jüdischen Schule neun Kinder (die Schule
wurde 1926 geschlossen; erwähnt im Bericht zum 25-jährigen Amtsjubiläum von
Vorsteher Nußbaum, s.u.). An jüdischen Vereinen gab es insbesondere den
Wohltätigkeitsvereins Chevro Gemillus Chassodim (gegründet 1872, 1924
unter Leitung von Joh. Nußbaum und Th. Appel, 1932 unter Leitung von Simon
Bacharach mit 12 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiete: Unterstützung Hilfsbedürftiger,
Krankenpflege, Bestattungswesen) sowie den Israelitischen Frauenverein
(1924 unter Leitung von Hannchen Nußbaum und Ida Rosenblatt). 1932 war
Vorsteher der Gemeinde Moritz Bacharach (1. Vors., seit 1929 siehe Bericht unten), als Schriftführer wird J. Grünebaum
angegeben (gleichfalls seit 1929, siehe Bericht unten). Religionsunterricht erhielten im Schuljahr 1931/32 nur noch zwei
Kinder der Gemeinde.
1933 lebten noch elf jüdische Familien mit etwa 35 Personen am Ort.
In den folgenden Jahren sind die meisten von ihnen auf Grund der zunehmenden
Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Viele
verzogen nach Fulda, andere konnten nach Palästina Argentinien, Schweden und in
die USA emigrieren. Bereits 1935 war es zu Gewalttätigkeiten gegenüber
den jüdischen Ortsbewohnern gekommen. 1936 wurden noch 25, 1939 nur noch acht jüdische
Personen gezählt; die letzten jüdischen Einwohner sind 1941/42 von Mansbach
deportiert worden (vier Anfang Dezember 1941 nach Riga, die beiden letzten 1942
in das KZ Theresienstadt).
Von den in Mansbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jeanette (Jenny) Adler
geb. Tannenbaum (1883), Jakob Appel (1885, "Stolperstein" in
Weimar Brühl Nr. 6 siehe unten), Simon Appel (1866), Albert Bacharach
(1906), Hedwig Bacharach geb. Gunzenhäuser (1884), Jettchen Bacharach geb.
Oppenheim (1856), Lina Bacharach geb. Spier (1879), Moritz Bacharach (1885),
Rosa Bacharach geb. Strauß (1886), Sally Bacharach (1883), Siegmund Süßmann
Bacharach (1871), Simon Bacharach (1872), Walter Bacharach (1909), Alfred Boley
(1872), Emmy Boley (1876), Ida Boley (1868), Jenny Boley (1870), Isaak Hecht
(1886), Johanna Jacobson geb. Boley (1879), David Katz (1882), Jakob Katz
(1884), Sofie Kempinski geb. Heilbrun (1904), Wolf Nussbaum (1862), Gertrud
Rainowitz geb. Heilbrun (1905), Frieda Schleenbecker geb. Tannenbaum (1891),
Emma Spangenthal geb. Heinemann (1857), Flora Spatz geb. Tannenbaum (1894),
Meier (Maier) Spier (1865), Moritz Spier (1874), Betty (Betti) Tannenbaum
(1901), Ida Tannenbaum geb. Rosenbach (1877), Max Markus Tannenbaum (1879,
"Stolperstein" in Kronach),
Frieda Wachtel geb. Bacharach (1886), Henriette (Jettchen) Weiß (1894), Rosa Weiß geb.
Katz (1858).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1894,
1902 und
1921, dazu Ausschreibung der Stelle eines Hilfsvorbeters 1911
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Dezember 1894:
"Die Stelle eines Elementarlehrers und Kantors in der
israelitischen Gemeinde Mansbach ist bis zum 1. Januar 1895 zu
besetzen.
Das Einkommen der genannten Schulstelle beträgt neben einer
Feuerungs-Vergütung von 90 Mark und freier Wohnung, deren Nutzungswert zu
100 Mark veranschlagt ist:
a vom 1. bis einschließlich 5. Dienstjahre 750 Mark.
b vom 6. bis einschließlich 10. Dienstjahre 800 Mark
c vom 11. bis einschließlich 15 Dienstjahre 850 Mark
d vom 16. bis einschließlich 20. Dienstjahre 900 Mark
e vom 21. bis einschließlich 25. Dienstjahre 950 Mark
f vom 26. Dienstjahre an uns ferner 1000 Mark.
Hierzu kommen noch ca. 300 Mark Nebeneinkommen durch Versehung des
Schächterdienstes.
Bewerbungsgesuche und Zeugnisse - letztere zunächst in unbeglaubigter
Abschrift - sind bis zum 20. dieses Monats an die
unterzeichnete Behörde zu richten.
Fulda, 6. Dezember 1894. Vorsteheramt der Israeliten: Dr. M. Cahn,
Provinzial-Rabbiner." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. Oktober 1902: "Die Stelle eines Elementarlehrers,
Vorbeters und Schächters
der israelitischen Gemeinde Mansbach, Kreis Hünfeld, ist
alsbald wieder zu besetzen. Grundgehalt 1000 Mark. Einheitssatz der
Alterszulage 120 Mark. Nebeneinkommen aus dem Schächterdienst ca. 300
Mark; Dienstwohnung vorhanden. Meldungen mit beglaubigten
Zeugnisabschriften sind sofort an die unterzeichnete Behörde zu
richten.
Fulda, 29. September (1902).
Vorsteheramt der Israeliten: (Gez.:) Dr. Cahn." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. September 1911:
"Wir suchen für Rosch Haschana (Neujahrsfest) und Jom
Kippur einen Hilfs-Vorbeter, der auch Schofar blasen
kann. Offerten mit Gehalts-Ansprüchen erbittet die Synagogen-Gemeinde
Mansbach (Bezirk Kassel). Jakob Nußbaum." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1921:
"Die Lehrerstelle an der öffentlichen israelitischen
Volksschule in Mansbach ist alsbald zu besetzen.
Bewerber, die auch die Schechitah und den Vorbeterdienst versehen können,
wollen sich bis zum 25. September unter Beilage von Zeugnisabschriften und
Angabe von Referenzen melden bei Provinzialrabbiner Dr. Cahn in
Fulda.
Das Vorsteheramt der Israeliten." |
Antisemitische Veranstaltung in Mansbach (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Dezember
1890: "Aus dem Regierungsbezirk Kassel. Der Erlass der
Königlichen Regierung zu Kassel an die Herren Kreisschulinspektoren, den
ihnen unterstellten Lehrern zur Pflicht zu machen, religiöse Duldung zu
üben und zu lehren, hat gewiss in jedem jüdischen Herzen aufrichtige
Freude hervorgerufen. In dem Lager der Antisemiten herrscht darob
Schrecken und Bestürzung, und mancher tritt den Rückzug an, der noch vor
kurzer Zeit die Waffen der Verfolgung hochgeschwungen. Dass auch unter den
Lehrern Antisemiten sich befinden, bedarf wohl kaum des Nachweises.
Nichtsdestoweniger darf es als freche Anmaßung bezeichnet werden, wenn
sogenannte Jugendbildner außerhalb der Stätte ihres Wirkens
antisemitische Propaganda zu machen sich anschicken, indem sie neben den
auswendig gelernten Phrasen, Schriften verbreiten, deren Inhalt eine
Bewebe von Lug und Trug, geeignet, bei der ungebildeten Bevölkerung Haß
und Verbitterung zu wecken und zu nähren. Vor einigen Wochen kam ein
junger Lehrer aus dem Kreise Fritzlar nach dem im Kreis Hünfeld gelegenen
Dorfe Mansbach. Der jüdische Lehrer, ein älterer, würdiger Mann,
kam in das Wirtshaus, woselbst mehrere christliche Lehrer des Ortes und
Umgebung anwesend, die dem Anstande Rechnung tragend, den fremden
'Kollegen' vorstellten. Dieser erlaubte sich ohne Weiteres zynische
Bemerkungen gegen Juden ohne Unterschied des Standes und Berufs und
schimpfte weidlich nach dem Vorbilde der 'Häuptlinge' auf die Nachkommen
Sems. Doch gerade in Mansbach besteht ein seltenes einmütiges
Verhältnis zwischen den verschiedenen Konfessionsgenossen - mehrere Juden
sind Mitglieder des Gemeinderats - und so war der junge Pädagoge in
der Wahl des Ortes nicht glücklich. In nächtlichem Dunkel musste er,
gepeitscht vom Winde, wenn er sich nicht andern Peitschenhieben aussetzen
wollte, das Dorf verlassen. Der jüdische Lehrer, Herr Boley, macht
der Königlichen Regierung von dem Geschehenen Anzeige, und unterliegt es
keinem Zweifel, dass dem betreffenden Agitator die Lust verleidet worden,
in der Folge eine Agitationsreise zu unternehmen. Sp." |
Zum Tod von Lehrer und Kantor Jakob Boley (1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1899: "Mansbach,
Regierungsbezirk Kassel. Am Heiligen Schabbat, den 8. Adar,
verschied nach längerem Leiden, im Alter von 74 Jahren, unser
allverehrter und unvergesslicher Lehrer und Kantor Herr Jakob Boley - das
Gedenken an den Gerechten ist zum Segen. Seit seiner vor vier Jahren
aus Gesundheitsrücksichten erfolgten Pensionierung, war es leider dem
Verstorbenen nicht vergönnt, sich seiner wohlverdienten Ruhe zu erfreuen.
Trotz seiner körperlichen Beschwerden zeigte er stets eine Ruhe und
Heiterkeit des Gemüts und nahm an allen Vorgängen seiner Familie und in
hiesiger Gemeinde reges Interesse.
In gerechter Würdigung seiner großen Verdienste wurden ihm anlässlich
seines, vor zwei Jahren stattgefundenen 50-jährigen Amtsjubiläums
vielfache Ehrungen und Anerkennungen zuteil. Unter Leitung des in unserer
Heimat rühmlichst bekannten frommen Rabbiners Wetzlar - sein Licht
leuchte - in Gudensberg, wurde
der Verblichene früh in die Hallen der rabbinischen Wissenschaft
eingeführt. Was er auf talmudischem Gebiet geleistet, wie er stets lernen
um zu lehren auffasste und wirklich betätigte, davon zeugten am
besten seine religiösen Vorträge, die er regelmäßig an den Sabbaten in
unseren, teils von ihm begründeten Chawerot (Vereinen) gehalten
hat.
Mit hingebender Liebe hat er sich besonders während seiner 40-jährigen
hiesigen Amtstätigkeit unserer Schule gewidmet und durch ein musterhaftes
Lehrgeschick auch große Erfolge erreicht. Von einer seltenen
Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue war der Dahingeschiedene erfüllt, da
er die Ferien, welche jedem Beamten zur Erholung und Sammlung frischer
Kraft dienen sollen, niemals ausnutzte, sondern stets im Interesse seiner
Schule und Schüler abkürzte. Seine aufrichtige Frömmigkeit, die
Anspruchslosigkeit seines Wesens und seine unbegrenzte Herzensgüte
erwarben dem Verstorbenen die Liebe und Hochachtung derer, die das Glück
hatten, zu ihm in nähere Beziehung zu treten.
Nicht bloß dem geistlichen Wohle unserer Gemeinde galt sein Streben, auch
Andersgläubigen hat er freudig mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Seine
Beerdigung gestaltete sich daher auch zu einer hier nie gesehenen
Trauerkundgebung, an welcher sich nicht nur sämtliche Mitglieder unserer
Gemeinde und eine große Zahl auswärtiger Glaubensgenossen, sondern auch
seine Nachbarkollegen und viele Nichtjuden unseres Ortes
beteiligten.
Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn - Fulda hielt am Grabe eine ergreifende
und eindrucksvolle Rede. Er schilderte das Wirken und Schaffen des
Entschlafenen als Erzieher, der auf der dornenvollen Bahn des Lehramts
stets zufrieden gewesen und es verstanden habe, sich die Anhänglichkeit
und Liebe seiner Schüler zu erwerben, sowie seinen reichen schatz an
talmudischem Wissen, das er besessen, und seinen guten Namen, den er
hinterlassen hat. Redner erwähnt noch, dass der Verstorbene als frommer
Mann gelebt und gestorben ist, dass er seinen Schülern nicht nur stets
ein Lehrer, sondern auch ein Freunde und Vater gewesen und in seinem leben
nur bedacht war, Wohltätigkeit zu üben.
Möge der Allgütige seinen trauernden Hinterbliebenen reichen Trost
spenden und sie in ihrem Schmerze wieder aufrichten. In unserer Gemeinde
und bei Allen, die den Verstorbenen näher gekannt, wird sein Andenken
stets in Ehren gehalten werden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
In der Kriegszeit wird die jüdische
Religionsschule zeitweilig aufgelöst (1915)
Artikel in "Neue jüdische Presse / Frankfurter Israelitisches Familienblatt"
vom 10. Dezember 1915: "Fulda. Der in letzter Nummer erwähnte Fall
der zeitweiligen Auflösung der israelitischen Schulstelle zu
Wehrda steht
nicht vereinzelt da, sondern bildet im Bezirk Fulda die Regel.
Auch die
Stelle zu Mansbach hat dasselbe Schicksal ereilt, und hat der Lehrer
Stein
die evangelische Schule in Oberbreitenbach übernommen, während seine
Schüler der Ortsschule überwiesen sind und von ihm nur noch in Religion
unterrichtet werden. Genauso ist es in Tann, wo auch Lehrer Hecht wandern
muss, während in Burghaun Lehrer Strauß
außer an seiner Schule an der Ortsschule unterrichtet und auch nach
Rothenkirchen muss. Dieser Herr
verrichtet, da er außerdem Religionsunterricht in
Eiterfeld und
Hünfeld
und die Schechita für den ganzen Bezirk hat, eine kaum zu bewältigende
Arbeit." |
Lehrer Berlinger verlässt Mansbach (1924)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1924: "Mansbach,
1. Dezember (1924). Heute verlässt uns der seit zwei Jahren hier tätige
Lehrer Berlinger, der aus Berlichingen stammt und von der Regierung nach Burghaun
versetzt wurde. Die Gemeinde sieht diesen tüchtigen und vorbildlichen
Lehrer nur mit großem Bedauern scheiden und hofft, nachdem das
MInisterium, trotz des ursprünglich ins Auge gefassten Abbaus der Stelle
verfügt hat, dass dieselbe weiter erhalten werden soll, wieder einen so
tüchtigen Lehrer und guten Jehudi zu finden." |
Lehrer Hatz aus Gladenbach kommt
nach Mansbach (1925)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. März 1925: "Mansbach,
3. März (1925). Für die durch die Versetzung des Lehrers Berlin(g)er
nach Burghaun erledigte hiesige Volksschullehrer- und
Kultusbeamtenstelle wählte die Gemeinde Lehrer Hatz in Gladenbach als
Nachfolger." |
Berichte aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Hebamme gesucht (1871)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. April 1871: "Kassel,
18. April (1871). In Mansbach, Kreis Hünfeld, Regierungsbezirk
Kassel, ward durch das Ableben der Hebamme eine Neuwahl erforderlich; bei
derselben haben sich nebst dem Pfarrer und Bürgermeister die Frauen des
Ortes zu beteiligen; bei Vornahme der Wahl ließ der Pfarrer mittelst
Schelle die evangelischen, mit Ausschluss der lutherischen, katholischen
und jüdischen, einladen. Letztere beschwerten sich darüber bei dem
Bürgermeister; dieser ließ mündlich durch den Ortsdiener beim Pfarrer
um die Ursache dieses Ausschlusses anfragen und erhielt folgenden
schriftlichen Bescheid:
Mansbach, 1. April 1871. An Herrn Bürgermeister Traul Wohlgeb.
hier.
Der Herr Bürgermeister Traul wolle die Güte haben, den sich beschwerenden
Israeliten kurz zu bedeuten, dass das Amt der Hebamme in erster Linie ein
kirchliches Amt ist und dass die Hebamme in ihrem ganzen Dienste, soweit
derselbe sich auf die Taufhandlung sowie auf die Anzeige der Geburten
bezieht, lediglich dem Pfarrer unterstellt ist. Somit ist es für Leute,
die noch ein wenig Besinnung haben, selbstverständlich, dass die Hebamme,
die im Kirchendienst steht, nur von Gliedern unserer Kirchengemeinde
gewählt werden kann. Gehören zu unserer Kirchengemeinde etwa Juden und
Katholiken?
Die Israeliten sind in unserem Staate eben nur geduldet und können froh
sein, dass sie die christliche Hebamme benutzen dürfen. Wollen sie das
aber nicht, so steht es ihnen ja frei, auf eigene Kosten eine Hebamme
ausbilden zu lassen.
Außerdem bitte ich den klugen Leuten begreiflich zu machen, dass ich nach
ganz bestimmten kirchenrechtlichen Grundsätzen gehandelt habe, die sonst
Jedermann kennt, und nicht nach eigener Willkür.
Mit freundlichem Gruß F. Riebeling, Pfarrer.'
Die Sprache und der Ton dieses Briefes, den ich in wortgetreuer Kopie
Ihnen mitteile, reiht sich würdig an den jüngst erfolgten Erlass des
Berlinger Oberkirchenrates und ist die bloße Veröffentlichung derselben
schon eine verdiente Züchtigung. Die hierdurch Beleidigten und in ihrem
Recht Gekränkten haben sich in einer Beschwerde an den Oberpräsidenten
Möller in Kassel gewendet. Den Erfolg werde ich Ihnen seinerzeit
mitteilen." |
Rechtsstreit der Kirchengemeinde Mansbach gegen die
Judenschaft wegen der überkommenen Abgabe von Martinigänsen (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 1. April 1927: |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 27. Mai 1927: |
|
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des aus Mansbach stammenden Lehrers Tannenbaum
(geb. 1807 in Mansbach, gest. 1866 in Wanfried)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1866: "Aus
Niederhessen, am 4. Juni (1866). Erst wenige Wochen sind verstrichen,
seitdem ich dem verewigten teuren Kollegen Silberberg zu Volkmarsen in
diesen Blättern (Nr. 18) ein Denkmal gesetzt und schon wieder tritt die
traurige Pflicht an mich heran, ein gleiches dem geschätzten - am 30.
vorigen Monats entschlummerten - Amtsbruder Tannenbaum zu Wanfried zu
stiften. Von dem so nahe aufeinander erfolgten Tod dieser beiden Freunde
könnte man in mehrfacher Beziehung die Worte Davids sagen: 'Die Geliebten
und Holden in ihrem Leben, auch in ihrem Tode sind sie nicht getrennt'
(2. Samuel 1,23). Sie waren von der Zeit ihres gleichzeitigen Besuches der
israelitischen Lehrerbildungsanstalt zu Kassel miteinander befreundet;
beiden waren von echtem Schrot und Korn, gediegen in Kenntnissen unserer
heiligen Tora und in den weltlichen Wissenschaften; beide gottesfürchtige
Männer..., echt-religiös und von ihrem heiligen Berufe als Lehrer in
Israel erfüllt; beide für die Schule rastlos tätig, welche
übermäßige Anstrengung vielleicht ihren frühen Tod (denn auch Tannenbaum
hat noch nicht das 60. Lebensjahr erreicht) teilweise herbeigeführt;
beide waren wegen ihrer Kenntnisse bei Juden und Christen geschätzt, und
in Folge ihres menschenfreundlichen bescheidenen Benehmens geliebt. Sie
gingen kurz nacheinander in die friedlichen Räume der Seligen ein, um mit
diesen von ihren Arbeiten auszurufen und die süßen Früchte ihrer Taten
zu genießen. 'Rühmet den Gerechten, denn ihm geht es gut, denn die
Frucht ihrer Werke werden sie essen' (Jesaja 3,10). Auch bei
Tannenbaums Leichenbegängnis, das am 1. dieses Monats - Gerade an dem
nämlichen Tage, an welchem vor zwei Jahren seine 25jährige
Amtstätigkeit in der Gemeinde Wanfried gefeiert wurde (siehe das Referat
über dieses Jubiläum im Jahrgang 1864 dieser geschätzten Zeitschrift) -
stattfand, zeigte sich eben dieselbe allgemeine Teilnahme an dem Heimgange
des treuen Lehrers, Freundes und trefflichen Mitbruders.
Tannenbaum, im Jahre 1807 zu Mansbach in der Provinz Fulda geboren,
bekleidete als angehender Jüngling schon - natürlich in alter Weise,
eine Privatlehrerstelle in der kleinen israelitischen Gemeinde Malsfeld
Kreis Melsungen. Er war dabei auf Vermehrung seiner Kenntnisse stets
bedacht, studierte fleißig die Bibel mit den gangbarsten Kommentaren,
sowie auch andere Schriften der rabbinischen Literatur; und um sich für
das damals gegründete israelitische Seminar zu Kassel vorzubereiten,
erhielt er auf sein Ansuchen von dem Pfarrer des Ortes, der dem liebenswürdigen,
ebenso lerneifrigen, als talentvollen Jüngling sehr gewogen war, einen
erweiterten Unterricht in den deutschen Fächern. Mit guten Kenntnissen
ausgerüstet, meldete er sich zur Aufnahme in das Kasseler Seminar, die
man ihm aber, weil diese Anstalt nur für Niederhessen und nicht auch für
die anderen 3 Provinzen Kurhessens, da sie nichts zu den Kosten derselben
beitragen, vorhanden, nicht gewährt hätte, wenn nicht der damalige
Oberlehrer Herr Rosenbach seligen Andenkens, der bei der
Rezeptionsprüfung die gediegenen Kenntnisse und die guten Anlagen Tannenbaums wahrgenommen, ihm die unentgeltliche Aufnahme bewirkt hätte.
In dieser Pflanzstätte bildete er sich zu einem tüchtigen Lehrer aus,
als welcher er, nachdem am Ende des dreijährigen Kursus bestandenen
Examen, für die israelitische Gemeinde Spangenberg von Kurfürstlicher Regierung
bestellt wurde. Nach neunjähriger erfolgreicher Amtswirksamkeit daselbst,
- während welcher Zeit er sich mit einer braven Jungfrau aus seiner
Gemeinde verheiratete, - wurde er in folge seiner Bewerbung nach der Stadt
Wanfried versetzt, in welcher Gemeinde er 27 Jahre lang segensreich
wirkte, bis ihn der Herr abrief. Von seinen eklatanten Leistungen zeugen
die vielen Belobungsschreiben und Gratifikationen, die ihm in Folge der
Schulvisitationsberichte von den hohen Behörden geworden. Vom Herrn
Kreisrabbiner Wetzlar - sein Licht leuchte - zu Gudensberg wurde ihm, als
er noch Lehrer in Spangenberg war, der Chower-Titel verliehen. Bei
seiner |
Funktion
als Chasan (Vorsänger) wurden die Betenden durch seinen ebenso
andachts- als klangvollen Vortrag mit ihm zur Andacht gestimmt.
Von seinen 4 Söhnen haben 3 sich dem Berufe des Vaters gewidmet. Leider
sind 2 derselben kurze Zeit nach dem Eintritt ins Lehramt, der eine nach 1
1/2 - und der andere nach kaum einjähriger Dienstzeit aus dem Erdenleben
geschieden; nur einer noch fungiert als Lehrer im Königreich Hannover;
der vierte Sohn ist jetzt im Begriff, sich als Buchbinder zu etablieren,
und die einzige Tochter, einige und zwanzig Jahre alt, ist noch bei der
Mutter. Westheim." (sc. Lehrer in Abterode) |
Spendenaufruf für die Witwe Tannenbaum (1881)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1881: "Aufruf!
Die aller Mittel entblößte Witwe Tannenbaum hier, Mutter von
fünf unmündigen Kindern, hat ihren Sohn, ihre einzige Stütze, als
Bäcker lernen lassen. Derselbe will dieses Jahr sein Geschäft eröffnen
und bedarf zur Herstellung eines neuen Backofens und Anschaffung der
erforderlichen Geräte mindestens 600 Mark. Unsere Gemeinde ist nicht in
der Lage, die Witwe Tannenbaum derartig zu unterstützen, dass wir
an die Mildtätigkeit unserer auswärtigen Glaubensgenossen nicht zu
appellieren brauchten und ergeht daher an alle edlen Menschenfreunde die
Bitte, durch Beiträge, die die Unterzeichneten sowie die Expedition
dieses Blattes entgegen nehmen, die Lage der armen Witwe zu
erleichtern.
Mansbach (Kreis Hünfeld, Regierungsbezirk Kassel), den 6. Juni
1881.
Synagogen-Ältester Moses Tannenbaum. J. Boley, Lehrer.
Wir sind gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiterzubefördern.
Die Expedition des 'Israelit'." |
Zum Tod von Ruben Stern
(geb. in Mansbach, mit Unterbrechungen bis 1877 in Mansbach tätig, danach in
Fulda, wo er 1894 starb)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
6. September 1894: "Fulda, Menachem Aw. Ein überaus
schmerzlicher Schlag hat unsere Gemeinde getroffen: Herr Ruben Stern
ist im Alter von 55 Jahren aus dem Leben abberufen worden. In diesem Manne
war eine seltene Fülle von Vorzügen vereinigt. Von frühester Juden gemäß
den Segnungen der Tora und der Lehre erzogen, hatte er sich schon als
Jüngling eine so reiche und gründliche Kenntnis von Talmud und
rabbinischen Autoritäten, eine so musterhafte Gewandtheit in der
Auffassung und Behandlung selbst der schwierigsten Partien der
talmudischen Literatur angeeignet, dass selbst seine zu den ersten
zeitgenössischen Größen auf diesem Gebiete zählenden Lehrer ihn
bewunderten. Ein Bruderssohn des unvergesslichen hohen Gelehrten, Oberrabbiners
Stern zu Hamburg wurde er als Knabe von 9 Jahren von diesem herrlichen
Manne, der damals Rabbiner zu Homburg
war, in die Pfade unserer Heiligen Tora eingeführt. Die
Charaktergröße, die Herzensreinheit und Geistesstärke dieses Edlen war
dem hochbegabten Knaben das leuchtende Vorbild, das ihm sein ganzes Leben
hindurch vorschwebte. Die Eigenart seines großen Jugendlehrers spiegelte
sich in dem Leben des Verblichenen in mannigfacher Beziehung wieder. Wie
oft konnte man in verwickelten Verhältnissen ein kurzes, entschiedenes
Wort aus seinem Munde hören, das wie ein Blitz die dunkle Situation
erhellte und jeden Zweifel schwinden ließ, ganz so, wie es dem 'Hamburger
Raw' zu Gebote stand. -
Nachdem er bei seinem Onkel die Grundlage jüdischen Wissens erlangt, bezog
er die damals in schönster Blut befindliche Jeschiwa des Rabbi Jonah
Rosenbaum - sein Licht leuchte - zu Zell,
wo er mit gleichgesinnten und von demselben Feuereifer für das Studium
der Heiligen Tora beseelten Genossen mehrere Jahre sich weiterbildete.
Mit vorzüglichen Vorkenntnissen ausgerüstet, wanderte er dann nach dem
Ungarlande, um sich in Eisenstadt bei dem Altmeister jüdischer
Gelehrsamkeit, Rabbiner Dr. Hildesheimer - sein Licht leuchte
- den höheren Fächern talmudischen Wissens zu widmen. Von da wanderte er
endlich nach Preßburg, wo er bei dem weltberühmten Gaon R. Abr. S.
Benjamin Sofer - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -
seine Studien vollendete und mit dem höchsten Ehrendiplom (Hattarat
Horaah = rabbinische Autorisation) entlassen wurde.
Achtzehn Jahre waren verflossen, seitdem er die Heimat verlassen hatte, um
Thora zu lernen, und er hatte neben der Beschäftigung mit der Bibel
(Tanach = hebräische Bibel), Talmud und den rabbinischen
Autoritäten sich auch mannigfache Kenntnisse auf anderen Gebieten
angeeignet. - Da, als er im 27. Lebensjahr sich schlüssig machen wollte,
einen Studienberuf für die Dauer zu wählen, starb ihm plötzlich der
Vater. Er musste infolgedessen nach seinem Heimatorte Mansbach
zurück, um der kranken Mutter wie den jüngeren Geschwistern, zur Stütze
zu werden. So sah er sich genötigt, sich in das kaufmännische Leben
hineinzuarbeiten.
Im Jahre 1877 zog er hierher (sc. nach Fulda), um ein bereits in Mansbach
eröffnetes Nähmaschinen- und später ein Buttergeschäft zu betreiben.
Er war ein nose wenoten be'emunah. Reine unbedingte Reellität
gewann ihm die Hochschätzung aller derer, die mit ihm in Verbindung
traten. - Selbst ausgesprochene Antisemiten konnten nicht umhin, ihm die
volle Anerkennung zu spenden, die einen wahrhaften Kiddusch Haschem
(Heiligung des Gottesnamens) bedeuten.
Am Torastudium hing ihm das Herz. In schwierigen und verwickelten
Fällen nach einer Entscheidung zu suchen (frei übersetzt), war
ihm Hochgenuss. Er entwickelte dabei einen immensen Scharfsinn und
verstand es, sich schnell über eine weitverzweigte Materie zu
orientieren. Obgleich er schon lange an Mattigkeit und Erschlaffung litt,
die ihn sehr häufig überkam und seine Arbeitskraft wesentlich
beeinträchtigte, so raffte er sich dennoch mit aller Kraft auf, um mit
jungen Leuten regelmäßige Schiurim (= Lernstunden) zu 'lernen'. -
Wo es sich um Besserung allgemeiner Überstände auf dem Gebiete des
religiösen Lebens handelte, was sein Rat von außerordentlichem Wert. Er
hatte sich durch autodidaktische Belehrung tüchtige Kenntnisse in
naturwissenschaftlichen, technischen, juristischen, medizinischen Dingen,
auch in Mathematik erworben, sodass Fachmänner der verschiedensten
Geistesgebiete, die ihn kennen lernten, ihre Bewunderung
aussprachen. -
Wenn nun diese Fülle des Wissens, verbunden mit einer gewaltigen Schärfe
des Denekns ihn befähigten, in schwierigen Verhältnissen den rechten Weg
zu treffen, so stellte er doch sein Wissen und Können am liebsten in den
Dienst unserer Tora und der Mizwot (religiöse Gebote). So hat er
eine Mikwe-Einrichtung getroffen, die hervorragende Autoritäten als
nachahmungswürdig für alle Mikwaot erklärten, die nicht durch
Quellwasser gebildet sind; einen Niederlegeapparat für zu schächtende
Tiere erfunden, den der berufenste Gelehrte, Hofrat Dr. Dembo, nach
persönlicher Prüfung im hiesigen Schlachthause für den besten unter
allen Niederlege-Apparaten erklärte, wie er dies in seinem Buche über
das Schächten ausspricht: 'Das Schächten im Vergleich mit anderen Schlachtmethoden.
Leipzig, Slawische Buchhandlung 1894 S. 47; einen Stempel-Apparat, der die
beste Garantie gegen Verwechslungen
der |
einzelnen
Stücke von vielen geschächteten Tieren in Schlachthäusern bietet; auch
an der Erfindung des Meziza (Beschneidungs)- Röhrchens hatte er
hervorragenden Anteil.
Seiner praktischen Klugheit und Besonnenheit gelang es, manche
hochwichtige Angelegenheit zum Guten der Gesamtheit zu regeln,
manches Drohende abzuwenden. Wo es einem idealen Zwecke galt, stand er
stets bereit. Da riss er sich los mitten aus seinem geschäftlichen Tun,
da war ihm ein Opfer an Zeit und Mühe zu groß, da schonte er seine Gesundheit
nicht, da erglühte er in Begeisterung um zu tun den Willen seines
Schöpfers.
Seit einer Reihe von Jahren war er Kreisvorsteher und
Vorsteheramtsmitglied, welche Ämter er mit peinlichster
Gewissenhaftigkeit versah. Ferner war er Vorsitzender der
Fleischkommission, als welcher er alle administrativen Angelegenheiten des
Schächtwesens und Koscher-Fleisch-Verkaufs in musterhafter, selbstloser
Weise ordnete und leitete. Als die hiesige Synagoge zu eng geworden war,
verstand es es, durch Änderung der Subsellien und ihrer Aufstellung, wozu
er den Plan, an dem sich Fachmänner erfolglos versucht hatten, entwarf,
der Gemeinde die bedeutende Ausgabe für Erweiterung der Synagoge zu
ersparen. Bei all' dieser inneren Größe und außerordentlichen
Schaffenstüchtigkeit war der Verklärte von rührender Einfachheit und
Anspruchslosigkeit. Nur wer längere Zeit mit hm Umgang hatte, konnte von
seiner glänzenden Begabung und seinem goldlauteren Charakter Kenntnis
erlangen. - Seit 4 Jahren von wiederholten Anfällen heimgesucht, hatte er
sich zwar einige Male wieder ziemlich erholt, doch nahmen seine Kräfte
immer mehr ab. Seit Monaten musste er das Bett hüten. Schon vor
Jahresfrist sprach er sich seiner Frau gegenüber dahin aus, dass er wohl
bald aus dem Erdenleben scheiden werde und fügte hinzu: 'Haschem
Jisborach (Gott, er sei gesegnet) wird Dir die Kraft verleihen, es
ertragen zu können.' Am 17. Menachem Aw ist dann das Schmerzensereignis
eingetreten, das, obgleich seit lange befürchtet, dennoch wie ein
lähmender Schrecken alle Herzen durchzuckte. Am Dienstag, den 19. Menachem
Aw, fand unter zahlreicher Beteiligung die Beerdigung statt. Die Leiche
ward in den Synagogenhof gebracht, da man sie wegen der Kohanim
nicht in die Synagoge selbst bringen konnte. Vor der Eingangstür sprach
der Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn - sein Licht leuchte -
Worte der Erinnerung, in denen er ein Bild des Verklärten entwarf,
welches die Größe des entsetzlichen Verlustes Allen zu Herzen führte.
Der Redner , welcher hervorhob, welch' treuen Freund er verloren habe, war
so sehr erschüttert, dass ihn der heiße Schmerz wiederholt übermannte.
Anknüpfend an verschiedene Talmud- und Midraschstellen schilderte er
unter Zugrundlegung von Deuteronomium 8,2.3 den Inhalt des so früh
vollendeten Lebens, wodurch Allen die Pflicht erwachse, nach ihrer besten
Kraft einzutreten, um durch gemeinsame Arbeit, soweit dieses möglich sei,
die entstandene Lücke auszufüllen. So erklärte der Redner den Ausspruch
unserer Weisen, ..., wer mit müßiger Wehklage dastehe, wo eine Seele aus
der irdischen Schaffenstätigkeit zu Gott zurückkehre, der sei
verpflichtet, sich des Risses bewusst zu werden, um an seinem Teile in den
Riss einzutreten, einer im Riss stehender zu sein. Er schloss mit
dem Worte des königlichen Sängers Der Gerechte sprosst wie die
Palme... wer in des Herrn Haus eingepflanzt wurde, wird sprießen in den
Höfen unseres Gottes' (Psalm 92,13-14) und sprach die Hoffnung aus,
dass auch der in das Heiligtum des Gotteswortes eingepflanzte Lebensbaum
des Entschlafenen die Blüten seines Geistes und die Früchte seines
hiniedigen Schaffens in die 'Vorhöfe unseres Gttes', in die das
Gotteshaus umgebenden und von ihm als Mittelpunkt bestimmten Kreise des
Lebens in immer sich verjüngender Frische und Kraft entsenden
möge.
Hierauf setzte sich der Leichenkondukt in Bewegung nach dem Friedhof. Dort
angelangt, erhob der Schwager des Verblichenen, Provinzial-Rabbiner Dr.
Koref - sein Licht leuchte - aus Hanau, seine Stimme, um dem
Entschlafenen ein Liebesdenkmal zu setzen durch die Vorführung der
herrlichen Eigenschaften, die sein Leben als Gatte, als Vater und als
Freund schmückten. Er legte die Anfangsverse der Haphtorah "Zion
spricht: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat mein vergessen..."
(Jesaja 49,14) zu Grunde und schilderte, selbst aufs Tiefste ergriffen,
den unaussprechlich schmerzlichen Verlust, den insbesondere seine Familie
erlitten habe.
Er hob als eine der besten Tröstungen hervor, dass der Heimgegangene den
schönsten Lohn seiner hingebenden Kindererziehung schon in seinem Leben
genossen, indem seine Söhne und Töchter von frühester Kindheit an durch
Gottesfurcht, Fleiß und ernsteste Pflichterfüllung ihm stets mit aller
Kraft nachgestrebt und den Eltern dadurch die innigste Freude bereitet
hätten. Habe sich so der Beistand Gottes dem edlen Heimgegangenen in
seinem Familienleben bewährt, so liege gerade in seinem Tod die Mahnung
für seine Söhne und Töchter..., dass sie umso eifriger danach streben sollten,
der von Gott ihnen bestimmten Pflicht sich mit ganzer Hingebung zu widmen,
dass alle Anregungen von innen und von außen, die das glorreiche Bild des
Vaters zu trüben imstande sein könnten, ihrem Leben fern bleiben
möge... Der Allbarmherzige werde sich ihrer annehmen. Er werde der so
schwer betroffenen Witwe beistehen, dass sie sich in den Verlust
des
|
treuen,
geliebten Mannes hineinfinden könnte. Ich aber vergesse dich nicht.
Möchte doch der herbe Verlust, den wir und ganz Israel mit uns
durch den frühen Heimgang dieses vorzüglichen Jehudi erlitten haben, uns
und alle, die davon erfahren, mit dem heiligen Vorsatz durchdringen, dem
Herrn, deinem Gott zu dienen mit seinem ganzen Herzen, mit seiner ganzen
Seele und mit seiner ganzen Kraft. Amen. Sela." |
Zum Tod von Röschen Spier (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1902: "Mansbach
(Regierungsbezirk Kassel). Eine herrliche, edle Frau, eine Esches
Chajil (wackere Frau) in des Wortes weitgehendster Bedeutung, Frau
Röschen Spier, Gattin des Herrn Wolf Spier, hier, ist nicht mehr. Am
Freitag Erew Schabbos Chasan (= Freitag, 8. August 1902) hauchte
sie ihre reine Seele aus. Welche Liebe und Verehrung sie in allen
Schichten der Bevölkerung genoss, davon legte die Sonntag stattgefundene
Beerdigung beredtes Zeugnis ab. Von Fern und Nah - Juden und eine große
Anzahl Christen - waren sie herbeigeeilt, um der Verstorbenen die letzte
Ehre zu erweisen. Im Trauerhause schilderte in beredter Weise Herr Lehrer
Strauß die trefflichen Eigenschaften und vielen Tugenden der
Dahingeschiedenen. Auf dem Friedhofe widmete der älteste Sohn, Herr
Lehrer Spier aus Groß-Zimmern,
schmerzlich bewegt in tief ergreifenden Worten seiner Mutter einen zu
Herzen gehenden Nachruf. Wohl kein Auge blieb tränenleer, als er Abschied
von der Mutter nahm, gelobend, in ihrem Geiste zu wirken und zu leben.
Einen innigen Abschiedsgruß rief auch der zweite Sohn, Herr Lehrer Spier
aus Bad Schwalbach, der Verklärten zu. M.M. aus
F." |
Zum Soldatentod des aus Mansbach stammenden Lehrers Salli Nußbaum
(1915)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juni 1915: "Salli Nussbaum
– seligen Andenkens. Mansbach, 4. Juni. Wieder hat der Krieg eine
schmerzliche Lücke in der Lehrerwelt gerissen. Herr Salli Nussbaum ist
nicht mehr. Eine feindliche Kugel hat ihn, der voll glühender
Begeisterung für das Vaterland in das Feld zog, tödlich getroffen. Im blühenden
Alter von 23 Jahren ist der Brave seinen Eltern und Geschwistern, seiner
ihm in Liebe ergebenen Gemeinde und seinen zahlreichen Freunden, die ihn
ob seiner Tugenden schätzen, entrissen worden. Sein Heimgang weckt Gefühle
der Trauer und des Schmerzes bei allen, die ihn kannten. Nussbaum war in
Mansbach am 2. Juni 1892 als Sohn des Synagogenältesten Jacob Nussbaum
geboren. Nachdem er von dem Lehrerseminar zu Köln, von der mündlichen Prüfung
befreit, abgegangen war, übernahm er, nach kurzer Vertretungsstelle das
Lehreramt in Zimmersrode. Mit seinem Infanterie-Regiment 167, bei dem er 1
Jahr gedient hatte, zog er mutig und voll Gottvertrauen in den Kampf, wo
er sich als ein Held erwies. Für seine Tapferkeit wurde ihm das Eiserne
Kreuz verliehen. Verwundet kehrte er in die Heimat zurück. Nach erfolgter
Heilung zog er wieder ins Feld und wurde wegen wiederholt bewiesener
Tapferkeit zum Unteroffizier befördert. Leider sollten wir ihn nicht
wieder sehen; ein Grabeshügel bei St. Julien wölbt sich über seine
entseelte Hülle. Seine Seele sein
eingebunden im Bund des Lebens." |
25-jähriges Amtsjubiläum von Jakob Nußbaum als
Gemeindeältester (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1926: "Mansbach
Kreis Hünfeld, 2. Oktober (1926). Am 1. Oktober waren 25 Jahre
verflossen, seitdem Herr Jakob Nußbaum das Amt eines Gemeinde-Ältesten
in hiesiger Gemeinde übernommen. Sein selbstloses Wirken und großes
Ansehen, dessen er sich in weiten Kreisen erfreut, veranlassten die
Gemeinde, den Tag festlich zu begehen. Während das Vorsteheramt Fulda ein
Glückwunschschreiben sandte, hielt Herr Lehrer Stein beim
Morgengottesdienst in der festlich geschmückte Synagoge eine Festrede, in
der er, anknüpfend an die Haftora des Tages, zeigte, wie ein Führer in
der Gemeinde sein soll, und wie unser Jubilar diese Aufgabe in den 25
Jahren seiner Wirksamkeit glänzend erfüllt hat. Die eigentliche Feier
ging abends in dem nach Auflösung der Schulstelle leider leerstehenden
Schulhauses vor sich, wo Herr Lehrer Stein wieder der Gemeinde und seine
eigenen Glückwünsche darbrachte und als Andenken einen mit Widmung
versehenen silbernen Becher überreichte. Dann kam die Jugend zu ihrem
Recht und verschönte die Feier durch allerlei gelungene Vorträge.
Sichtlich gerührt dankte der Jubilar in einfacher, herzlicher Weise
allen, die ihn an dem Tage so sehr erfreut." |
Kaufmann Moritz Bacharach wurde zum Vorsteher der
Synagogengemeinde gewählt, J. Grünebaum wird Rechnungsführer (1929)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 20. Dezember 1929: |
Zum Tod von Rudi Bacharach (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 16. September 1936: "Mansbach, 11. September (1936). Im
blühenden Alter von 22 Jahren starb auf dem Weg nach Erez Jisrael
der Chaluz (Pionier) Rudi Bacharach. Leider sollte sein Hoffen und
Sehnen nicht in Erfüllung gehen. Zwei Jahre lang stand er als Chaluz in
vorderster Reihe und war seines schlichten Wesens wegen ein guter Chawer
(Kamerad). Der Lenker der Geschicke hat in seinem Walten es nicht gewollt,
dass ein hoffnungsvoller Mensch, ein treuer Sohn seiner Eltern, auf dem
heiligen Buden weiterkämpft für sein Ideal, dass er es erlebe, wie sich
seine Sehnsucht auf palästinensischer Erde erfüllte. Wenn einmal von den
Pionieren Erez Jisroels gesprochen wird, dann wird auch Rudi Bacharach
genannt werden, dessen Leben sich für Erez Jisroel voillendete. Das sei
den Eltern, Geschwistern und Verwandten zum Trost und seinen Chawerim
(Kameraden) Ansporn zur neuen Tat. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens. H.O." |
Erinnerung in Weimar an den in
Mansbach geborenen Jakob Appel (1883 - ermordet 1942)
Text aus https://lernort-weimar.de/:
"Wir erinnern an Jakob Appel. Der jüdische Jakob Appel stammte aus
dem osthessischen Mansbach, wo er am 17. Mai 1885 geboren wurde. Als
junger Mann kam der Kaufmann nach Weimar und heiratete 1920 die jüdische
Susanna Ortweiler. Deren Eltern Albert und Lina Ortweiler wohnten in Brühl
Nr. 6 und hatten dort ein Lederwarengeschäft eingerichtet. Nach der Hochzeit
führte nun Schwiegersohn Jakob das Geschäft fort, dabei erweitert um eine
Darmhandlung. Därme brauchten die Fleischer zur Wurstherstellung. Jakob und
Susanna bekamen die Kinder Joachim und Günther. Als die antisemitischen
Verfolgungen begannen, wurde schon Joachim mit der grausamen Wirklichkeit
konfrontiert, denn nach einer Schimpfrede des Lehrers musste er unter dem
Gejohle der Kameraden die Schule verlassen. In ihm wuchs das ernsthafte
Verlangen, aus diesem Land wegzugehen, was dem 17-jährigen auch gelang.
Jakob und Susanna blieben bei den alten Eltern und erlebten, wie ihnen Stück
für Stück jede Freiheit entzogen wurde. Am 10. November 1938 gehörte Jakob
zu den jüdischen Männern, die in das KZ Buchenwald deportiert wurden. Ihr
Haus, dass ihnen schon nicht mehr gehörte, wurde zum 'Judenhaus'
umfunktioniert, indem zahlreiche weitere Juden der Stadt dort eingepfercht
wurden. Neben anderen mussten Jakob und sein Sohn Günther den Weg zur
Deportation nach Belzyce antreten.
Am 7. Mai 2008 wurden diese Steine vor dem Hauseingang Brühl Nr. 6 gelegt." |
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Metzgerei Aron Tannenbaum (1893)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Dezember 1893:
"Schwartemagen, Cervelatwurst koscher und Kochwurst prima
Qualität offeriert Aron Tannenbaum, Mansbach
(Hessen-Nassau)." |
Anzeige der Bäckerei Sally Tannenbaum
(1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1900:
"Für meine Bäckerei suche einen Lehrling per 15. Dezember
dieses Jahres. Schabbat und Feiertag streng geschlossen.
Sally Tannenbaum, Mansbach bei Kassel." |
Anzeige des Manufaktur- und Schuhwarengeschäftes H. Tannenbaum Wwe. (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. September 1901:
"Suche für mein Manufaktur- und Schuhwarengeschäft, Schabbat und
Feiertag geschlossen, per sofort oder später einen Lehrling
mit guten Schulkenntnissen aus guter Familie.
H. Tannenbaum Wwe.,
Inhaber: Marcus Tannenbaum,
Mansbach (Bezirk Kassel)." |
Aufruf um Hilfe für den in Not geratenen Bäcker Sally
Tannenbaum (1915)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1915: "Dringende
Bitte! S. T., der einzige jüdische Bäcker am hiesigen Platze wurde
durch die Ungunst der Zeiten und weil sein ihn unterstützender Sohn in
den Krieg zog, zur Anmeldung des Konkurses gezwungen. Gelingt es nicht,
ihm eiligst mit Mitteln an Hand zu gehen, dann wird sein Häuschen
gerichtlich verkauft. Da die hiesige jüdische Gemeinde zu klein und
leistungsschwach ist, so sehen wir uns gezwungen, uns mit der herzlichen
Bitte an wohltätige Herzen zu wenden: Helfet, damit eine brave Familie
vor dem Untergange bewahrt bleibt! Der liebe Gott wird alle Wohltäter
belohnen.
Mansbach, Bezirk Kassel. J. Stein, Lehrer.
Die Richtigkeit obenstehender Angaben bestätigt, und obige Bitte
befürwortet wärmstens. Geldsendungen erbitte an Lehrer Stein.
Fulda, den 22. April 1915. Der Provinzial-Rabbiner Dr. M. Cahn." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Salomon
Lewald aus Mansbach (1821-1860)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
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Grabstein für
"our beloved
Salomon Lewald
Native of Mansbach, Kurhessen.
Died August 27th 1860
Aged 39 years, 5 months
and 18 days." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge unbekannten Alters - vermutlich aus dem 18.
Jahrhundert - beziehungsweise das jüdische Gemeindezentrum war in der
Hauptstraße. Am Haus befand sich eine Balkeninschrift von 1717. Ob das
Gebäude bereits als Synagoge gebaut oder erst später dazu umgebaut
wurde, ist nicht bekannt. Im Synagogengebäude gab es einen Betsaal mit
Frauenempore sowie ein rituelles Bad im Keller und andere Räume, die für die
Krankenpflege und die Unterstützung von Bedürftigen sowie für die Treffen der
jüdischen Vereine und sonstigen Versammlungen der Gemeindeglieder genutzt
wurden.
Das Gebäude selbst hatte einen T-förmigen Grundriss. Es war ein
Fachwerkgebäude über einem Steinquadersockel. Der Zugang zur Synagoge war von
der Hauptstraße aus.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
auf Grund der engen Bebauung nicht niedergebrannt.
Nach 1945 ist in das Synagogengebäude eine Schreinerei/Tischlerbetrieb eingezogen,
zeitweilig war auch eine Strumpffabrik in dem Haus untergebracht.
Das Synagogengebäude wurde 1973 gegen viele Proteste der
Ortsansässigen von der Ortsgemeinde, insbesondere dem damaligen Bürgermeister,
zur Straßenverbreiterung abgebrochen.
Die Anbringung eines Gedenksteines beziehungsweise Aufstellung eines
Gedenksteines ist geplant (Stand 2009).
Adresse/Standort der Synagoge: Straße
Elsfeld (frühere Hauptstraße) / Ecke mit dem Ostweg (frühere Judengasse)
Fotos
(Quelle: obere Fotozeile links: Arnsberg Bilder S. 145;
rechts Altaras 1988 S. 13)
Das ehemalige
Synagogengebäude
um 1970 |
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Das Gebäude wurde wenige
Jahre nach diesen Aufnahmen abgebrochen
(Foto links vor 1970, rechts im Februar 1973) |
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Nach Abbruch der
ehemaligen Synagoge
(Foto vom Juli 1985; Quelle: Altaras) |
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Das Synagogengrundstück im
April 2009
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 7.4.2009) |
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Blick auf das
Synagogengrundstück, links
die Oststraße, rechts die Straße Elsfeld |
Blick von der Oststraße auf
das
Synagogengrundstück (links) |
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Die heutige
Oststraße, frühere "Judengasse" |
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Erinnerung an einen
jüdischen Mansbacher
(JudaicaMuseum Schenklengsfeld) |
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1908 starb in Philadelphia Augustus
Bacharach, ein durch seine Wohltätigkeit
bekannter Geschäftsmann
Philadelphias
(geboren 1840 in Mansbach, 1857
nach Amerika ausgewandert) |
Ein Nachkomme von Augustus
Bacharach
ist der bekannte Komponist und Pianist
Burt Bacharach (geb.
1928 in Kansas City,
Missouri)
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 47-48 |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 145. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 40-41. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 42 (keine weiteren
Informationen) |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.
62. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 497-498. |
| Adolf Gebauer: Die jüdischen Bürger von Mansbach.
In: Chronik Mansbach-Oberbreitzbach. 1971 S. 14-15. |
| ders.: Die jüdischen Bürger von Mansbach. In: 'Mein
Heimatland' 4/1979. |
| Elisabeth
Sternberg-Siebert: Jüdisches Leben im Hünfelder Land: Juden in Burghaun.
Verlag Michael Imhof, Petersberg 2008. ISBN 978-3-932526-14-5 (2. erweitere
Auflage). 320 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. 22.00 € Weitere
Informationen auf pdf-Datei.
vgl. auch Website von
Elisabeth Sternberg-Siebert. |
| Miriam Hahn: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde
Mansbach unter besonderer Berücksichtigung der Nationalsozialistischen
Diktatur. Unveröffentlichte Hausarbeit. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Mansbach (now
part of Hohenroda) Hesse-Nassau. Established in the 18th century, the Jewish
community had a large synagogue dating from 1717 and numbered 199 (21 % of the
total) in 1861 but had dwindled to 50 (6 %) by 1925. An annual "gift"
to the Evangelical pastor remained obligatory until 1931. Most Jews left after
1935; six were deported in 1941-42.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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