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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Mühringen (Stadt Horb am Neckar, Landkreis
Freudenstadt)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Hinweis: die Seite zum
Mühringen muss noch überarbeitet werden.
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zum Ritterkanton
Neckar-Schwarzwald gehörenden Mühringen bestand eine jüdische Gemeinde bis
1939. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück. Erstmals
wird 1570 Baruch Jud zu Mühringen genannt.
1722 zählte die Gemeinde 19
Familien mit 47 Personen, 1744 war sie auf 50 Familien angewachsen.
Im 18.
Jahrhundert erlangte Mühringen als ein religiöser Mittelpunkt für die Juden
in Südwestdeutschland eine große Bedeutung. Die Gemeinde war Sitz eines
Rabbinats: der erste Rabbiner in Mühringen war der aus
Haigerloch stammende Elias Weil. Ihm
folgten Nathanael Weil (später
Oberrabbiner in Karlsruhe), Samson
Feis, David Dispecker, Jacob Samuel Schwabacher, Abraham Weil, Abraham Ries,
Gabriel Adler, Dr. Moses Wassermann, Dr. Michael Silberstein und Dr. Adolf
Jaraczewsky, der das Rabbinat nach Horb
verlegte. Zum Rabbinat Mühringen gehörten außer Mühringen die Gemeinden
Rottweil,
Nordstetten, Baisingen,
Mühlen,
Rexingen und Wankheim (wozu auch bis um
1880 die jüdischen Einwohner von Tübingen
und Reutlingen gehörten).
Die höchste Zahl jüdischer
Einwohner wurde um 1846 mit 512 Personen in etwa 110 Familien erreicht. Die
Familien lebten überwiegend vom Handel mit Vieh, Landesprodukten und anderen
Waren. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der Juden am Ort durch
Aus- und Abwanderung schnell zurück, sodass 1900 nur noch 130 jüdische
Einwohner gezählt wurden. Das Rabbinat wurde 1911/14 von Mühringen nach
Horb
verlegt.
1933 lebten noch 45 jüdische Personen in Mühringen. In den folgenden
Jahren ist ein Teil von Ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien vom Ort
verzogen. Die letzten der jüdischen Einwohner wurden 1941 bis 1943 deportiert.
Von den in Mühringen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem, ergänzt durch Gedenkbuch Baden-Württemberg 1969*):
Hildegard Adler geb. Lewin (geb. 1910), Sofie Berlizheimer (geb. 1898), Clara
Dreyfuss geb. Dessauer (geb. 1865), Salomon Elsässer (geb. 1874), Sofie (Sara)
Elsässer geb. Schwarz (geb. 1882), August Eppstein geb. Schwarz (geb. 1876)*,
Ludwig Eppstein (geb. 1870)*, Emma Feigenheimer geb. Schwarz geb. 1883), Heinz
Feigenheimer (geb. 1916), Erna Fleischmann (geb. 1911), Berta Frank geb.
Elsässer (geb. 1878), Reinhold Friedmann (geb. 1898), Charlotte Goldschmidt
geb. Bach (geb. 1859), Klara Haarburger geb. Levi (geb. 1879)*, Max Haarburger
(geb. 1874), Oskar Hauser (geb. 1888), Julius Josephson (geb. 1881), Moritz
Kalbkopf (1862)*, Jenny (Jeanette) Kirchheimer geb. Löwenthal (geb. 1884),
Siegfried Levi (geb. 1877)*, Rudolf Löwenthal (geb. 1858), Therese Löwenthal
(geb. 1886), Peppi Oppenheimer (geb. 1865)*, Thekla Oppenheimer (geb. 1869)*,
Philippine Reinauer (geb. 1860), Julius Rosenfeld (geb. 1874), Max Rosenfeld
(geb. 1866), Max Rosenfeld (geb. 1884), Sophie Rosenfeld geb. Gumprich (geb.
1890), Rosa Schattenfeld geb. Eppstein (geb. 1872), Martha Schwarz (geb. 1897),
Thekla Schwarz geb. Schwarz (geb. 1893), Karl Steinharter (geb. 1880), Jenny
Stern geb. Hauser (geb. 1868), Lina Wolf geb. Rosenthal (geb. 1888), Klementina
Wolf geb. Levi (geb. 1882).
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Die Gottesdienste wurden zunächst
in einem Betsaal in einem der jüdischen Privathäuser abgehalten. Eine erste
Synagoge wurde 1728 erbaut. Diese war nach der Rabbinatsbeschreibung
von 1875 des Rabbiners Michael Silberstein noch "klein und unansehnlich". 1807
bis 1810 wurde an derselben Stelle eine neue Synagoge erbaut, über
die in bei Silberstein zu lesen ist: "Die Synagoge zu Mühringen ist im Jahre
1807 bis 1810 mit einem Kostenaufwand von ca. 20.000 Gulden errichtet worden. Im
modernen Rundbogenstiel gebaut, enthält sie an der Decke eine ovale, tief
eingehend gewölbte Kuppel. Eine kleine, unansehnliche Vorhalle führt mittelst
einer auf der Westseite befindlichen Tür in die Synagoge selbst, in der hölzerne
Säulen die für die Frauen bestimmten drei Galerien tragen. Vor der Heiligen
Lade, die sich über der Ostseite befindet, ist ein etwas beschränkter Platz,
der, durch zwei Türchen abgeschlossen, als Kanzel diente. Am Fuße der Kanzel
resp. der Heiligen Lade, zu der fünf hölzerne Stufen führen, stehen drei
Betpulte, von denen das mittlere für den Vorbeter und das rechts stehende für
den Rabbiner bestimmt ist. Das links befindliche ist unbenutzt. Hinter diesen
drei Betpulten befinden sich die Plätze für die Chorsänger, sowie die Bänke
für die Katechumenen. An diese schließt sich der in der Mitte der Synagoge
befindliche sehr große Almemor an. Rings um denselben, sowie an den vier Seiten
der Synagoge sind Betpulte und Bänke angebracht. Gegenwärtig fasst die
Synagoge etwa 500 Personen, bei einer zweckmäßigeren Einrichtung könnte sie
aber leicht 1.200 Personen Raum gewähren...".
Die erhaltenen Fotos der Synagoge zeigen die Mühringer
Synagoge als charakteristischen Synagogenbau des 18. Jahrhunderts: ein Langbau
mit Walmdach und schmalen hohen Fenstern an den Seiten, zwei weitere Fenster in
der nach Osten ausgerichteten Wand für den Toraschrein und einen Oculus darüber.
Von der Inneneinrichtung liegt leider kein Foto des Toraschreines und der im
Bericht von Silberstein erwähnten Kanzel vor. Die Innenaufnahme von ca. 1930
zeigt auf der linken Seite den leicht erhöhten Almemor und die umlaufende
Frauenempore, die auf Säulen abgestützt war. Der Leuchter könnte einer der
beiden 1889 von Baron von Münch zu Hohenmühringen gestifteten silbernen
Leuchter sein. Nachdem damals der Baron der katholischen Gemeinde einen neuen
Hochaltar bezahlte, erhielt die Synagogengemeinde für Ihr Gotteshaus eine
Spende von 1.000 Mark zur Anschaffung von zwei neuen silbernen Leuchtern.
1885 wurde die Mühringen Synagoge umgebaut und renoviert.
Rabbiner Silberstein hatte in seiner Rabbinatsbeschreibung schon die Anregung
gegeben, die "anachronistischen Ständer" (bewegliche Betpulte) durch feste
Bankreihen zu ersetzen und den übergroßen Almemor durch einen passenden
Vorbetertisch zu ersetzen. Da die Schreinerarbeiten mit 1.169 Mark den höchsten
Betrag beim Umbau ausmachten, wird diese Anregung aufgenommen worden sein. Der
auf der Innenaufnahme von ca. 1930 sichtbare Almemor wird damals aufgestellt
worden sein. Gleichfalls werden Bänke die alten Betpulte ("Ständer") ersetzt
haben.
Nachdem zwischen 1933 und 1937 die Zahl der jüdischen
Einwohner Mühringens von 45 auf 20 zurückgegangen war, wurden im Gemeinderat
im Dezember 1937 Überlegungen angestellt, die Synagoge, die "in absehbarer
Zeit... frei sein wird", zu erwerben. Man könnte den Betsaal zur Turnhalle
umgestalten und Räume für die HJ (Hitlerjugend) und den BDM ("Bund deutscher Mädel")
einrichten. Beim Novemberpogrom 1938 wurde im Synagogengebäude von
unbekannten SA-Männern Brand gelegt. Die von Nachbarn alarmierte Feuerwehr Mühringens
konnte den Brand, der im Bereich des Toraschreines gelegt worden war, kurze Zeit
später wieder löschen. Toraschrein sowie ein Teil der Bänke und Fenster
wurden durch den Brand zerstört. Die Kultgegenstände konnten teilweise von den
noch in Mühringen lebenden Juden gerettet werden. Sie wurden vermutlich noch an
die Stuttgarter Gemeinde übergeben. Im Juni 1943 ging die Synagoge in den
Besitz des Finanzamtes Horb über, das sie an die Waffenfabrik
Mauser (Oberndorf) für ein Lager von Gewehrschäften vermietete. Durch
Artilleriebeschuss erfuhr das Gebäude gegen Kriegsende einige Schäden.
1950 bis 1952 wurden zunächst verschiedene kleinere
Reparaturen vorgenommen. Im Dezember 1954 kam das Gebäude für 5.000.- DM in
den Besitz der Gemeinde Mühringen. Auf Grund der fortschreitenden Baufälligkeit
wurde das Betreten der Synagoge verboten. 1960 ist die ehemalige Synagoge
abgebrochen worden. An ihrer Stelle befinden sich heute ein Parkplatz und eine
Grünlage mit einem 1983 errichteten kleinen Gedenkstein (am Aufgang zum
Rathaus/Grundschule oberhalb der Spielstraße).
Fotos
Historische Fotos/Plan:
(Quellen: obere Zeile Fotos aus: Jüdische Gotteshäuser und
Friedhöfe in Württemberg 1932; Plan aus: S. Kullen, Reichsritterschaft und
Siedlungsbild. S. 243; die anderen Fotos sind veröffentlicht in den Büchern: 1200 Jahre Mühringen. Ein
Geschichts- und Heimatbuch. 1986 S.8f.88.107 und Gräber im Wald s.Lit. 2003
S.57.64.99)
Fotos des Synagogengebäudes und - nach Abbruch - des Grundstückes nach 1945/Gegenwart:
Foto aus den 1950er-Jahren
(Quelle: Buch "Gräber im Wald"
s. Lit. S.66) |
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Die Fenster der
Synagoge wurden teilweise durch Bretter ersetzt |
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Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) |
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Am ehemaligen Synagogenstandort
mit Gedenkstein |
Gedenktafel auf Gedenkstein
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Fotos 2003:
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 11.8.2003) |
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Wie oben; der Gedenkstein ist
inzwischen von dem oben noch
kleinen Gebüsch überwachsen |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
November 2011:
In Horb und Stadtteilen (auch Mühringen) wurden
"Stolpersteine" verlegt |
Artikel von Marion Tischbein im
"Schwarzwälder Boten" vom 28. November 2011: "Stolpersteine
erinnern an Juden.
Horb - Zum 70. Jahrestag der Deportation von 53 Rexinger Juden 1941
nach Riga wurden am Samstag an verschiedenen Orten im Horber Stadtgebiet
die ersten Stolpersteine für die in der NS-Zeit ermordeten Bürgerinnen
und Bürger gelegt..."
Link
zum Artikel - auch eingestellt
als pdf-Datei |
Zum selben Ereignis liegt auch ein Artikel
aus der "Neckar-Chronik" vom 28. November 2011 vor: "Gegen
das Vergessen - Stolpersteine erinnern an das Schicksal einstiger
jüdischer Mitbürger..."
Link
zum Artikel - auch eingestellt
als pdf-Datei. |
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September
2012: Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Horb und Stadtteilen |
Artikel in der
"Neckar-Chronik" (Südwest Presse, Lokalteil Horb) vom 18.
September 2012: "Stolpersteine für Horber Bürger
Im Gedenken an Opfer der Nazi-Diktatur: Am Samstag wurde an die Schicksale von 15 Menschen erinnert
Nicht jeder Stolperstein, der am Samstag in Horb verlegt worden ist, erinnert an frühere jüdische Bürger. Der erste Stein, den der Kölner Künstler Gunther Demnig am Samstag in der Hirschgasse ins Straßenpflaster legte, war für die junge christliche Horberin Maria Leins..."
Link
zum Artikel |
Artikel von Marion Tischbein im
"Schwarzwälder Boten" vom 16. September 2012: "Menschen-Schicksale
dem Vergessen entrissen..."
Aus dem Artikel: "...Im Haus Nr. 33 in Mühringen, heute Schlossstraße 12 wohnten die Schwestern Peppi und Thekla Oppenheimer. Im August 1942 wurden die Schwestern nach Theresienstadt deportiert. Im September wurde Thekla Oppenheimer mit 2000 weiteren Häftlingen aus Theresienstadt in das Vernichtungslager Treblinka gebracht und ermordet. Ihre Schwester Peppi war zu schwach für den Transport nach Treblinka, sie starb am 30. September 1942 mit 72 Jahren. In ihrer "Todesfallanzeige", die im Archiv von Theresienstadt noch erhalten ist, wird Altersschwäche als Todesursache angegeben.
Zwei weitere Gedenksteine wurden vor dem Haus Schlossstraße 1 zum Gedenken an Salomon und Sofie Elsässer verlegt. Auch sie wurden im August 1942 nach Theresienstadt verschleppt und dann im September im Vernichtungslager Treblinka ermordet..."
Link
zum Artikel |
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November 2014:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Mühringen |
Artikel Marion Tischbeim im
"Schwarzwälder Boten" vom 28. November 2014: "Horb a. N. Ein Stolpern
führt zum Innehalten
Horb-Mühringen/Rexingen. Die Verlegung der Stolpersteine zur Erinnerung an
die unter dem nationalsozialistischen Regime deportierten und ermordeten
Juden hat sich inzwischen zu einem Projekt von enormen Ausmaßen, auch über
Deutschland hinaus, entwickelt. Bisher wurden rund 49 000 dieser Betonsteine
mit einer Kantenlänge von zehn Mal zehn Zentimetern und einer Messingplatte
mit Inschrift, vom Kölner Bildhauer Gunter Demnig in mehr als 1000 Kommunen
in Deutschland verlegt. Das kleinste Dorf mit einem Stolperstein hat 130
Einwohnern, aber auch in anderen Ländern Europas agierte Demnig. 'Und es
geht auch auf jeden Fall noch weiter', verriet der Künstler. Zwei neue
Steine wurden am Donnerstagnachmittag in Mühringen vor dem Haus
Graf-Gerold-Straße 30 und 32 verlegt. Damit gibt es in Mühringen jetzt neun
Stolpersteine. Die beiden neuen Steine erinnern am Martha Schwarz und Karl
Steinharter, über deren Lebensgeschichte Hans-Josef Ruggaber einen kurzen
Abriss gab.
Martha Schwarz, geboren am 7. Oktober 1897 in Mühringen, war das
fünfte Kind ihrer Eltern, die ein gut laufendes Lebensmittel- und
Manufakturwarengeschäft an der Hauptstraße, heute Graf-Gerold-Straße,
führten. Sie wurde am 1. Dezember 1941 mit ihrer Schwester nach Riga
deportiert, wo sie im Januar 1942 starb.
Karl Steinharter, geb. am 22. Oktober 1880 in Mühringen, war das
vierte Kind der Viehhändler Sußmann und Klara Steinharter. Karl ergriff nach
der Schule den gleichen Beruf, wie sein Vater und wurde Viehhändler. Er war
Soldat im ersten Weltkrieg und diente Volk und Vaterland. Seine Frau Selma,
die er 1909 geheiratet hatte, starb 1940. Karl Steinharter selbst wurde am
1. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Dort verliert sich seine Spur.
Nach Ruggabers Einführung ging es nach
Rexingen..."
Link zum Artikel |
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Januar 2018:
Aus der Geschichte einer Mühringer
jüdischen Familie, insbesondere Geschichte der Mathilde Amelie Durlacher
(1877-1956, Stolperstein in Bingen, Kapuzinerstr. 4)
|
Seite zu Familie Durlacher aus dem Familienregister der jüdischen Gemeinde
Mühringen; Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg:
http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446022-12
Julius (Juda) Durlacher ist am 5. Januar 1839 in
Kippenheim geboren als Sohn des
Kleiderhändlers Herz Durlacher und der Babette geb. Netter (Nöther).
Er heiratete am 11. August 1872 in Karlsruhe Louise geb. Schweizer,
die am 5. Januar 1847 in Mühringen geboren ist als Tochter von
Hirsch Schweizer und der Marie geb. Bernheim. Die beiden lebten
zunächst in Karlsruhe, spätestens seit 1879 wieder in Mühringen. Sie hatten
fünf Kinder: Auguste (geb. 10. Juli 1873 in Karlsruhe, 1892
verheiratet mit Max Rosenthal [aus Oestrich] in Bingen, siehe im Artikel unten, gest. 22. Juli 1941
in Bingen), Sophie (geb. 6. Januar 1875 in Karlsruhe, 1896
verheiratet mit Hermann Hirsch in Speyer, 1935 nach Los Angeles
emigriert), Mathilde (geb. 12. März 1877 in Karlsruhe, dazu der
Artikel unten), Julie (geb. 12. September 1879 in Mühringen),
Herrmann (geb. 14. Oktober 1885 in Mühringen, 1937 über Hamburg nach Sao
Paulo emigriert; gest. 1954 in Sao Paulo, Brasilien).
|
Quellen:
https://www.geni.com/people/Julius-Durlacher/6000000000598736195: von
hier Links zu den anderen Familienangehörigen. |
Zur Geschichte der in Mühringen
aufgewachsenen Tochter Mathilde erschien am Januar 2018 in der "Allgemeinen
Zeitungen" ein Artikel von Beate Goetz: "Stolpersteine: Die Bingerin
Mathilde Durlacher überlebte Theresienstadt.
BINGEN - Mathilde Amelie Durlacher wurde am 13. März 1877 in
Karlsruhe geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Julius Durlacher
und seine Frau Louise geb. Schweitzer. Später wohnten sie in
Mühringen bei Horb am Neckar und waren 1940 schon verstorben, wie die
Tochter in ihrem Fragebogen, den alle jüdischen Haushaltsvorstände im März
1940 ausfüllen mussten, angab. Wann die ledige Amelie Durlacher von
Mühringen nach Bingen kam, ist nicht
bekannt. Fest steht, dass sie in der Kapuzinerstraße 4 bei ihrer Schwester
Auguste lebte, die mit dem Kaufmann Max Rosenthal verheiratet
war, der mit Manufakturwaren handelte. Er gehörte der liberalen
'Israelitischen Religionsgemeinde' an, wo er das Amt des Gemeinderechners
inne hatte.
Der Neffe starb 'fürs Vaterland'. Max Rosenthal, der am 9. Oktober
1921 mit 54 Jahren starb, stammte aus
Östrich. In dem opulenten Familiengrab auf dem
Binger jüdischen Friedhof ist auch der
gemeinsame Sohn Siegfried bestattet. In dem ihm gewidmeten
Inschriftenfeld ist zu lesen: 'Hier ruht der Student der Medizin Siegfried
Rosenthal Sanitätsunteroffizier im 4. Garderegiment zu Fuß Geb. am 2. Jan.
1894 zu Bingen, gest. am 19. Sept. 1915 zu
Biala/Russland. Unser einziges Kind starb fürs Vaterland.' Ein Äskulapstab
weist auf den Mediziner hin, ein Helm mit Eichenlaubkranz auf den Soldaten.
Auguste Rosenthal geborene Durlacher starb am 22. Juli 1941.
Die drei Geschwister der Durlacher-Mädchen konnten rechtzeitig fliehen.
Sophie Hirsch geb. Durlacher verließ 1935 Speyer und emigrierte nach Los
Angeles. Hermann Durlacher gelang 1937 die Flucht von Hamburg nach
Sao Paulo, Brasilien. Lina Herz geb. Durlacher lebte im März 1940
noch in Speyer. Aus der Todesanzeige für ihre Schwester Sophie Hirsch, die
1943 im 'Aufbau' erschien, geht hervor, dass Lina und Max Herz in New York
City lebten. (Quelle: Dr. Harald Möller, Berlin).
In ihrem Fragebogen schrieb Amelie Durlacher bei der Frage nach ihren
Auswanderungsvorbereitungen, sie habe die Wartenummer 49 478 beim
Amerikanischen Konsulat in Stuttgart und sei zur Auswanderung nach Palästina
angemeldet. Auch ihre Schwester Auguste Rosenthal wollte nach Palästina
emigrieren. Das Schicksal wollte es anders. Auguste Rosenthal starb noch vor
den Binger Deportationen, Amelie Durlacher wurde am 27. September 1942 mit
der Nummer 871 in das Ghetto Theresienstadt in der CSSR deportiert. Bis vor
drei Jahren ging man in Bingen davon aus, sie habe den Holocaust nicht
überlebt. 2014 meldete sich Dr. Harald Möller von der FU Berlin beim
Arbeitskreis Jüdisches Bingen und bat um Informationen zu Amelie Durlacher,
auf die er bei seinen Recherchen gestoßen sei. Er arbeite zur Verfolgungs-
und Restitutionsgeschichte der jüdischen Familien Wertheimer und Schweitzer
in der NS- sowie in der Nachkriegszeit. Die beiden Unternehmerfamilien
betrieben ab Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts in Frankenthal
gemeinsam das damals größte Kaufhaus der Stadt. Die Mutter der
Durlacher-Schwestern war eine geborene Schweitzer.
Neue Informationen dank eines Anwaltsschreibens. Den entscheidenden Hinweis
darauf, dass Amelie Durlacher den Holocaust überlebt hatte und befreit
wurde, brachte ein Anwaltsschreiben von 1949, das Harald Möller vom
Landesarchiv Speyer bekam und mit dem ein Anwalt Amelie Durlacher in einem
Restitutionsverfahren vertrat. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass die
Klägerin damals im jüdischen Heim 'La Charmille' in Riehen in der Schweiz
lebte.
Bei der Vorbereitung der Stolpersteinverlegung für Amelie Durlacher nahm man
in Bingen diese Spur auf und fragte bei der Stadt Riehen nach weiteren
Informationen. Demnach kam Amelie Durlacher 1948 von Zürich nach Riehen, wo
sie sechs Jahre lebte. Von Dezember 1954 bis Januar 1955 zog sie um in ein
Alten- und Pflegeheim nach Basel, kehrte aber wieder nach 'La Charmille' in
Riehen zurück, um im Februar 1956 endgültig nach Basel umzuziehen. Das
Einwohneramt in Basel teilte auf Anfrage mit, dass Amelie Durlacher am 20.
Dezember 1956 in Basel gestorben ist. Ihre
letzte Meldeadresse war das Pflegeheim St. Alban in der Hardstraße 70. Der
Stolperstein für Amelie Durlacher wird von einer ehemaligen Bingerin
gestiftet.
Die Autorin ist Mitglied des Arbeitskreises Jüdisches Bingen."
Link zum Artikel Der Artikel findet sich auch in der Website
juedisches-bingen.de unter
https://www.juedisches-bingen.de/314.0.html |
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Oktober/November 2018:
Gedenken zum 80. Jahrestag des
Novemberpogroms 1938 |
Artikel im "Schwarzwälder Boten"
vom 26. Oktober 2018: "Horb a. N. 'Erinnerung und Verantwortung' stehen
im Mittelpunkt
Horb-Mühringen. Eine ökumenische Gedenkfeier zur Erinnerung an die
Reichspogromnacht beginnt am Freitag, 9. November, um 18.30 Uhr in der
evangelischen Friedenskirche in Mühringen. Unter dem Motto 'Erinnerung und
Verantwortung' laden der Ortschaftsrat Mühringen, die katholische
Kirchengemeinde Mühringen und die evangelischen Kirchengemeinde Mühlen zu
der Gedenkfeier ein. Um 19 Uhr werden die Glocken der beiden Mühringer
Kirchen geläutet. Während des Glockengeläuts ist ein gemeinsamer Gang zum
Gedenkstein vor dem Rathaus geplant, der etwa 150 Meter von der Kirche
entfernt ist. Dort wird Ortsvorsteherin Monika Fuhl sprechen und Hans-Josef
Ruggaber wird berichten, was er über die 80 Jahre zurückliegende
Reichspogromnacht in Mühringen weiß.
Kultur des Erinnerns pflegen, die das Gedenken ermöglicht. In vielen
verschiedenen Orten in Baden-Württemberg wird an diesem Tag um 19 Uhr zum
Gedenken an die Reichspogromnacht die Kirchenglocken geläutet. Diakon Ewald
Wurster und Pfarrer Johannes Unz ist es wichtig, eine Kultur des Erinnerns
zu pflegen, die das Gedenken an die Pogrome im November des Jahres 1938
ermöglicht. 'Denn wenn der Erinnerung und der Umkehr Raum gegeben wird, ist
es möglich, in Verantwortung vor Gott eine Zukunft zu gestalten, in der
Offenheit, Verständigung, Solidarität und Mitmenschlichkeit wachsen', heißt
es in der Ankündigung. Weiter teilen die Organisatoren mit: 'Nach dem
Zweiten Weltkrieg wuchs in den Kirchen zunächst nur zögernd, dann aber immer
deutlicher die Erkenntnis der Mitschuld am Geschick der Brüder und
Schwestern Jesu. Den bleibenden Bezug der Kirche Jesu Christi zu Israel und
dem Judentum wach zu halten, gehört zu den fundamentalen Lebensäußerungen
der Kirche. Einer Geschichtsvergessenheit zu wehren und ein lebendiges
Gedenken zu fördern, ist bleibendes gemeinsames Anliegen der beiden
Kirchen.' Der 9. November habe in der deutschen Erinnerungskultur für
Kirchen und Gesellschaft eine besondere Stellung. 'Dieser Tag birgt in sich
viele Facetten und markiert neben der Reichspogromnacht noch weitere
Ereignisse in der Geschichte, wie zum Beispiel den Mauerfall 1989. Gerade in
der Vielschichtigkeit des Erinnerns am 9. November liegt der besondere
Charakter dieses Tages: Deutsche Geschichte in ihren Höhen und Tiefen ist
immer auch verknüpft mit dem Ergehen des jüdischen Volkes.'"
Link zum Artikel |
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Juli 2020:
Über die ehemalige Mikwe
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Artikel von Waltraud Günther im
"Schwarzwälder Boten" vom 14. Juli 2020: "Horb a. N. Spirituelle
Reinigung unterm Kellergewölbe
Wer Ewald Wurster in seinem Haus in Mühringen besucht, erlebt einen
faszinierenden Nachmittag. Denn in der Graf-Gerold-Straße 18 entführt der
Gastgeber seine interessierten Besucher mit Begeisterung, großem
Sachverstand und profundem Wissen in die jüdische Geschichte Mühringens.
Horb-Mühringen. Wurster besitzt die Fähigkeit, auf herrlich
erfrischende, temperamentvolle Weise in die Grundzüge des jüdischen Glaubens
einzuführen. Gekrönt wird der Nachmittag durch die Besichtigung des sich im
Untergeschoss des Gebäudes befindlichen jüdischen Ritualbads, einer
ungewöhnlich großen Mikwe, die komplett auf eigene Kosten aufwendig
renoviert wurde. Bis zum Jahr 1845 war das heute von den Familien Wurster
und Haigis gemeinsam bewohnte stattliche Gebäude eine Wirtschaft; danach
wurde des Gasthaus Hirsch an die jüdische Gemeinde Mühringen verkauft. Über
viele Jahrzehnten beherbergte das Gebäude Rabbinat, Lehrerwohnung, die
Schule für die mehr als 100 jüdischen Kinder sowie die Mikwe, wie das
traditionelle jüdische Tauchbad genannt wird.
Der Besuch des Tauchbads ist für Juden eine religiöse Pflicht. Zum
Rabbinat Mühringen gehörten die Gemeinden
Wankheim, Rexingen,
Baisingen und
Nordstetten;
Rottweil war eine Filiale. In Mühringen
lebten früher rund 500 Juden und 500 Christen friedlich zusammen. Zur
jüdischen Gemeinde gehörte auch eine – inzwischen abgerissene – Synagoge.
Heute bezeugen nur noch der jüdische
Friedhof sowie das Wohnhaus der Familien Wurster und Haigis mit der
Mikwe im Untergeschoss, dass Mühringen einst neben
Bad Buchau die größte jüdische Gemeinde
Württembergs war. Welch große religiöse Bedeutung eine Mikwe für gläubige
Juden hat beschreibt Wurster detailliert, ist doch für Juden der Besuch des
Tauchbads eine religiöse Pflicht. Dabei wird die Mikwe nicht aus
hygienischen Gründen und oder gar als ein Ort zur körperlichen Reinigung
aufgesucht; vielmehr gelangt der Mikwe-Besucher durch das Untertauchen in
dem fließenden Wasser zu kultisch-spiritueller Reinheit. Vor dem Besuch der
Mikwe ist eine gründliche Körperreinigung vorgeschrieben, erst danach ist es
erlaubt, im Wasser der Mikwe unterzutauchen. Wie Wurster beschreibt ist
nicht nur die Benutzung, sondern auch die Wasserzufuhr für die Mikwe im
Talmud, dem jüdischen Gesetzbuch, streng geregelt: Das Wasser für eine Mikwe
muss frisch, fließend, kühl und natürlichen Ursprungs sein, es darf weder
herangetragen noch anderweitig zur Mikwe transportiert werden. Alle diese
Vorschriften erfüllt die Mühringer Mikwe, denn das 2,80 mal 3,20 Meter große
Tauchbad wird von einer kohlensäurehaltigen Grundwasserquelle, einem
Sauerbrunnen, gespeist. Neben der eigentlichen Mikwe befindet sich ein
gesondertes kleines Becken, in dem früher das Kochgeschirr rituell gereinigt
– gekaschert – wurde. Im Laufe der Jahre hat Ewald Wurster unzähligen
Besuchergruppen die Mühringer Mikwe gezeigt. So berichtet er von einer
Professorengruppe aus Israel, die eigens anreiste, um die Mühringer Mikwe zu
besichtigen, von unzähligen Schulklassen aus der Umgebung, von
Firmbewerbern, Konfirmandengruppen und Kulturvereinen, die gespannt seine
Ausführungen über die Grundzüge des Judentums verfolgten. Auch eine
deutsch-chinesische Forschergruppe der TU Braunschweig mit dem
Forschungsauftrag, insgesamt 27 europäische Mikwaot zu untersuchen, gehörte
dazu. Allesamt dürften dabei fasziniert gewesen sein von der gut erhaltenen
Mikwe, aber auch von der Leidenschaft und Begeisterung, mit der Ewald
Wurster von seiner großen Passion berichtet, "die Liebe zum Judentum mit
anderen Menschen zu teilen".
Über 3000 Bücher im ehemaligen Rabbinats- und Schulhaus zu finden.
Diese Leidenschaft hat Wurster auch dazu gebracht, als gelernter
Betriebswirt auf dem zweiten Bildungsweg Theologie und Philosophie zu
studieren. Nach seinem erfolgreichem Studienabschluss ist der 72-Jährige
seit drei Jahrzehnten als Diakon tätig. Es ist daher auch nicht
verwunderlich, dass das ehemalige Mühringer Rabbinats- und Schulhaus auch
heute noch ein Haus der Bücher ist, hat doch der Theologe, der nach eigenen
Angaben '…nicht fern schaut sondern mit seinen Büchern lebt', dort über 3000
Exemplare gesammelt."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 129ff. |
| Hans Peter Müller: Die Juden in der Grafschaft Hohenberg, in: Der Sülchgau 25
(1981) S.36-43. |
| ders.: Die jüdische Gemeinde, in: 1200 Jahre Mühringen.
1986, S.135-145. |
| Emily C. Rose: Als Moises Katz
seine Stadt vor Napoleon rettete: meiner jüdischen Geschichte auf der Spur.
1999; englisch: Portraits of Our Past: Jews of the German Countryside. 2001. |
| Art.: "Rätsel um den berühmten Sprachlehrer Berlitz ist
gelöst" in: Esslinger Zeitung vom 10. März 2001. |
| Gräber
im Wald. Lebensspuren auf dem jüdischen Friedhof in Mühringen.
Dokumentation des Friedhofes, der über 300 Jahre in Mühringen ansässigen
jüdischen Gemeinde und des Rabbinats Mühringen. Hg. vom Stadtarchiv Horb
und vom Träger- und Förderverein Ehemalige Synagoge Rexingen (= Jüdische
Friedhöfe der Stadt Horb Band II). Horb 2003. |
| Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 110-112. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Muehringen
Wuerttemberg. Jews arrived during the Reformation and the community enjoyed
steady growth and economic prosperity from the mid-18th century, reaching a peak
population of 512 in 1854. Muehringen was a center for the Jewish communities of
southwest Germany, becoming the seat of the district rabbinate in 1832 while its
ancient cemetery, the largest and most
beautiful in Wuerttemberg, served Jews far and wide. A synagogue was dedicated
in 1728 and a Jewish public school in 1825. Emigration reduced the Jewish
population sharply in the second half of the 19th century.
In 1933, 45 Jews remained (total 608), mostly engaged in the cattle trade. Good
relations prevailed with the local population, which resisted Nazi measures. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), when the synagogue was set on fire by SA troops, it was
saved by the local fire department. Sixteeen Jews emigrated to the Unites States
and 11 were expelled and perished.
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