Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zur Übersicht "Synagogen
im Elsass"
Niedernai (Niederehnheim,
Dep. Bas-Rhin, Alsace / Unterelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Niedernai bestand eine zeitweise relativ große jüdische
Gemeinde bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des
17. Jahrhunderts zurück.
Das jüdische Wohngebiet konzentrierte sich auf die "Judengasse" (rue
des Juifs).
Im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner zu, bis 1784
die Höchstzahl von 37 jüdischen Familien am Ort mit zusammen 178 Personen
erreicht wurde.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1807 138 jüdische Einwohner, 1846 169, 1861 146, 1865 131, 1898 32 (in
zehn Haushalten), 1900 42, 1910
25.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule und
ein rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Lehrer angestellt, der zugleich als Kantor und Schochet tätig war. Um 1887/98
hatte diese Aufgaben ein Herr Bloch inne.
Die
Gemeinde war spätestens im 18. Jahrhundert Sitz von einem der drei Großrabbiner im Nieder-Elsass (und Sitz
eines Beit Din, Rabbinatsgerichtes). Einer der bekanntesten Rabbiner war Josef
Steinhart, der 1763 von Niederehnheim nach Fürth, wo er bis zu seinem Tod 1776
Oberrabbiner war. 1853 wurde der Rabbinatssitz unter Rabbiner
Joachim Lévy (siehe unten) nach Itterswiller
und 1867 nach Obernai verlegt wurde (Rabbinat de Niedernai-Itterswiller-Obernai).
Gemeindevorsteher war um 1893 ein Herr Straus.
1936 wurden noch vier jüdische Einwohner in Niedernai gezählt. Diejenigen,
die in den folgenden Jahren den Ort nicht verlassen konnten, wurden unter der
deutschen Besatzung 1940 nach Südfrankreich
deportiert. .
Von den in Niedernai geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Rosine Gintzburger geb.
Bloch (1868), Louis Hallel (1895), Emanuel Meyer (1864), Lina Simon geb. Levy
(1865).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Allgemeine Notiz zum Niedergang der Gemeinde
(1843)
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Juni 1843:
"Niedernai, ehemals Sitz eines der drei Groß-Rabbinen des
Niederelsass, jetzt gänzlich gesunken". |
Da ein Minjan nicht
mehr zustande kommt, besuchen die Niederehnheimer die Gottesdienste in
Oberehnheim (1913)
Artikel in "Das jüdische Blatt" vom 9. Mai 1913: "Oberehnheim.
Die neue Synagogenverwaltung hat sich in der kurzen Zeit ihrer Wirksamkeit
sehr gut angelassen. Zunächst sei hervorzuheben, dass trotz der umwälzenden
Änderung in der Verwaltung der Friede in der Gemeinde voll und ganz aufrecht
erhalten blieb, was beiden Parteien hoch anzurechnen ist. Die Armenkasse,
die seit einigen Jahren aufgehört hatte, ist infolge der Bemühungen des
neuen Parneß, Herrn A. Neher, neu gegründet worden und wird
ehrenamtlich verwaltet durch Frau Neher und Herrn Kantor Kaufmann unter
Aufsicht einer Kommission. An den letzten Feiertagen wurde der Gottesdienst
verschönt durch ein prachtvolles Quartett. Die Herren A. Neher, N. Lehmann,
O. Alexandre sangen zusammen mit dem Kantor verschiedene Stücke aus dem
Festritual und ernteten für ihre tadellosen Gesang den Dank der ganzen
Gemeinde. Die Synagoge war gedrängt voll. Neben vielen Fremden, die zum
Besuch hier weilten, waren auch die Niederehnheimer Gemeindemitglieder
erschienen, da Niederehnheim, früher und zwar seit uralten Zeiten Sitz des
Rabbinats, heute nicht mehr über Minjan verfügt. – Herr N. Strauss,
der Schwiegervater des Synagogenvorsitzenden, hat zum ehrenden Angedenken an
seine vor einem Jahre verstorbene selige Frau ein drittes silbernes
Ez-Chajim-Paar zum Schmucke der Torarollen gestiftet." |
Aus der Geschichte des Rabbinates
Über Rabbiner Joseph Ben-Menahem Steinhart bzw. Josef ben
Menachem Mendel aus Steinhart (um 1700 in Steinhart - 1776 in Fürth,
1755 bis 1764 Rabbiner in Niederehnheim)
Anmerkung: Joseph Ben-Menhem Steinhart (um 1700 in Steinhart -
1776 in Fürth): Rabbiner, zunächst in Rixheim, danach Oberrabbiner des
Unter-Elsass, 1755 Oberrabbiner von Niederehnheim, seit 1763
Rabbiner in Fürth. Großer Talmudist. Verfasste das Buch Sichron Josef
(erschien Fürth 1773). Vgl. Seite bei Steinhardt's
Familybook.
Weiterer ausführlicher
Beitrag zu Josef Steinhart in: Jahrbuch der Jüdisch-Literarischen Gesellschaft
VI 5669 1909 S. 190-203 (eingestellt als pdf-Datei, etliche Bezüge zu
Niederehnheim).
Artikel in der Zeitschrift "Der Orient"
vom 16. April 1847:
Der Artikel konnte noch nicht abgeschrieben werden - zum Lesen bitte
Textabbildungen anklicken. |
|
|
50jähriges Amtsjubiläum des Rabbiners Joachim Lewy (Levy) (1886
in Obernai; Lewy war 1835 bis 1853 Rabbiner
in Niedernai)
Anmerkung: Joachim Lévy (auch Yauchéné Lévy, Yohanan d'Obernai)
ist 1808 in Minversheim geboren als Sohn
des Abraham Levy und der Judith geb. Müller. Er war seit 1832 verheiratet
mit Anna geb. Bloch (1798 geborene Tochter des Rabbiners Emanuel Bloch). Levy
war seit 1835 Rabbiner in Niedernai, 1846 war er in der Opposition gegen
die Verordnung über die Neuorganisation des Kultes von 1844; 1853 wurde das
Rabbinat nach Itterswiler verlegt, 1867
nach Obernai, wo er bis zu seinem Tod 1894 amtierte. Sein Sohn Seligmann Levy
(1835-1914) war Rabbiner in Uffholtz,
Durmenach,
Soultz (Haut-Rhin) und Paris.
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. August 1886: "Die
Rabbiner Levy in Oberehnheim und Dreifuß in Zabern
(Elsass) haben jüngst ihr 50jähriges Amtsjubiläum teils als Lehrer,
teils als Rabbiner gefeiert, und haben vom deutschen Kaiser den
Kronenorden vierter Klasse erhalten. Dem Letzteren wurde diese
Auszeichnung in der Synagoge vom Kreisdirektor feierlich überreicht." |
Zur Beisetzung von Rabbiner Joachin Lewy (1894)
Anmerkung: Rabbiner Levy (Lewy) genoss in seinen letzten Dienstjahren große
Achtung als "Nestor" bzw. als "Senior aller Rabbiner des Landes" (Israelit vom 28.4.1890 S. 584).
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. März 1894: "Unter-Elsass, 6.
März (1894). Den ältesten
Rabbiner des Unter-Elsass, Herrn J. Lewy, Rabbiner in Oberehnheim, 86
Jahre alt, haben wir vorgestern zu Grabe getragen. Nachdem Herr Rabbiner
Dr. Netter aus Buchsweiler, ein geborener Oberehnheimer und Schüler des
Verewigten, im Trauerhause, welches bis zum letzten Winkel von Angehörigen,
Freunden, Verehrern und Bekannten des Verblichenen voll war, das Leben und
Wirken seines unvergesslichen Lehrers mit beredten Worten tränenden Auges
geschildert hatte, bewegte sich der fast unabsehbare Leichenzug in
folgender Ordnung der Synagoge zu: Herr Lehrer Levy mit der Schuljugend:
Herr Kantor Becker mit dem Chor; der Sarg von Mitgliedern der Gemeinde
getragen; ein Schüler des Gymnasiums, auf einem schwarzen Kissen das
Abzeichen des Kronen-Ordens tragend, mit welchem der Verblichene vor
einigen Jahren von Seiner Majestät dem deutschen Kaiser Wilhelm II,
dekoriert wurde, die beiden Söhne des Verstorbenen, wovon der älteste früher
Rabbiner in Dürmenach und
Ober-Sulz (Ober-Elsass) war und jetzt in Paris
in gleicher Funktion ist und die Verwandten, sodann Herr H. Weil,
Oberrabbiner in Straßburg, in Begleitung fast sämtlicher Rabbiner des
Unter-Elsass, die meisten im Ornat: Herr Kreisdirektor, Herr Dr. Levy aus
Straßburg und der Konsistorial-Sekretär Asch, als Vertreter des
israelitischen Konsistoriums, der Bürgermeister in Begleitung des
Gemeinderats, sämtliche Beamten der Stadt, die Vorsteher der
Kultusgemeinden des Rabbinats und die Verwaltung der Oberehnheimer
israelitischen Gemeinde, der Vorstand des
Rosenweiler Friedhofes, der
Vorstand des Oberehnheimer Friedhofes und endlich eine große Anzahl
Teilnehmer aus allen Ständen und Konfessionen der Oberehnheimer und auswärtigen
Bevölkerung. In der Schwarzumhängten Synagoge eröffnet Herr Kantor
Becker die Trauerfeier mit einem der Feier entsprechenden Chorgesang,
worauf Herr Oberrabbiner Weil die Schwarzdrapierte Kanzel bestieg, um dem
'Amtsbruder, Freund und Verwandten' ein Denkmal als Rabbiner,
Familienvater, Menschenfreund und Bürger zu setzen. Nach Beendigung
dieser mit allgemeinem Beifall aufgenommenen Gedächtnisrede bewegte sich
der Leichenzug von der Synagoge bis vor die Stadt hinaus, wo Herr Dr. Levy
aus Straßburg dem Verblichenen einen Tiefbewegten Nachruf in französischer
Sprache widmete. Dann wurde die Leiche auf den dort bereitstehenden
Leichenwagen gesetzt, um sie nach dem Friedhofe Rosenweiler zu bringen,
gefolgt von der ganzen Gemeinde Oberehnheim und von vier Rabbinern Roller
- Barr, Lewy -
Schirrhofen, Dr. Goldstein –
Mutzig, Dr. Netter –
Buchsweiler, die drei erstgenannten Rabbiner, sowie Herr Levy, Lehrer in
Oberehnheim, hielten tiefbewegte Trauerreden am Grabe des Verewigten.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über den jüdischen Arzt Dr. Wolf, Sohn des Enoch Jakob
(aus Halle, war einige Jahre Arzt in Niederehnheim, 1760 nach Fürth; Beitrag von
1910)
Artikel
in der "Jahrbuch der Jüdisch-literarischen Gesellschaft"
(Frankfurt) Jahrgang VII 1910 S. 67-68:
"Dr. Wolf war in Halle geboren als Sohn des Gelehrten R. Henoch,
genannt Enoch Jakob, der mit 19 anderen Glaubensgenossen vom Kurfürsten von
Brandenburg 1692 die Erlaubnis erhielt, sich in Halle niederzulassen. Sein
Sohn Wolf ließ sich, nachdem er seine ärztlichen Studien in Halle beendigt
hatte, zur Ausübung seines Berufes in Hamburg nieder, übersiedelte von da
nach Metz, später nach Niederehnheim und, wie oben bemerkt, 1760 nach
Fürth. Hier genoss er auch das Vertrauen des Rabbiners Josef Steinhart, der
in ehrenden Ausdrücken ihn erwähnt. Sein Gehalt wurde später auf 100 Rtln.
erhöht. Nach 27-jähriger erfolgreicher Tätigkeit in Fürth starb er dort im
Jahre 1787. Er war zweimal verheiratet; seine erste Frau Rösel, Tochter des
Hirsch, starb am 5. Juni 1778, seine zweite Frau Gnendel starb in Fürth als
Witwe am 21. Januar 1795. Über seinen Sohn Wolfsohn siehe dort.". |
Fahndung nach Berchtold Bloch von NIedernai (1840)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1840 S. 194 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Obrigkeitliche
Bekanntmachungen. (1) Radolfzell [Fahndung]. Der Jude Berchtold
Bloch von Niedernai im Elsass, dessen Personalbeschrieb wir nachtragen
werden, welcher dahier wegen Diebstahl in Untersuchung stand, hat sich auf
flüchtigen Fuß gesetzt.
Wir ersuchen alle Polizeibehörden, auf denselben zu fahnden und ihn anher
einliefern zu lassen.
Radolfzell, den 2. Februar 1840. Großherzogliches Bezirksamt.
Uhl". |
Zur Geschichte der Synagoge
Es sind insgesamt drei Gebäude bekannt, die früher als
Synagogen verwendet wurden (Fotos von 1934 siehe die französische
Informationsseite unten).
1755 wurde eine Synagoge erbaut. Sie bestand bis zur Auflösung der Gemeinde in
den 1920er-Jahren und wurde 1925 verkauft. Bereits in der Zeit vor dem
Ersten Weltkrieg (siehe Bericht oben von 1913) kam in Niederehnheim ein Minjan
(notwenige Zahl von 10 zum Gottesdienst nötigen religionsmündigen Männern) nicht
mehr zustande, sodass die Gemeindeglieder aus Niederehnheim auch zu den hohen
Feiertagen die Gottesdienste in Oberehnheim besuchten.
Adresse/Standort der Synagoge: 225 rue des
Juifs (Rabbinat und Synagoge bis Anfang des 20.
Jahrhunderts)
Fotos
Fotos zur
jüdischen Geschichte in Niedernai sind noch nicht vorhanden. |
|
|
|
|
|
|
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
|
Michel
Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire.
Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992. S. 36.101.
|
n.e.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|