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Durmenach (Dürmenach) (Dep. Haut-Rhin
/ Alsace / Oberelsass) mit Waldighofen
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Durmenach bestand bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine der wichtigsten
jüdischen Gemeinden von Haut-Rhin. Sie war im Pfirter Gebiet (Territoire) die
größte jüdische Gemeinde ("kleines Jerusalem des Sundgau"). Ihre Entstehung geht in die Zeit
Ende des 17.
Jahrhunderts zurück. 1689 wird erstmals eine jüdische Familie genannt. Bis
1716 waren es neun jüdische Familien.
1766 wurden 43 jüdische Familien gezählt; 1784 73 jüdische Familien mit
zusammen 340 Personen.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts lebten am Ort zeitweise mehr jüdische
als christliche Einwohner; die Höchstzahl wurde um 1840 mit 640 jüdischen
Einwohnern erreicht (75 % der Einwohner!). Durmenach wurde "Jerusalem
des Sundgaus" genannt. Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Handel mit
Vieh, Pferden, Handelsprodukten und Waren aller Art. Doch hatten schon die
Viehhändler oft mehrere Funktionen: sie lieferten nicht nur das Vieh, sondern
auch Kredite, dienten als Rechtsberater oder konnten sogar als Tierarzt
fungieren.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine
jüdische Schule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben war ein Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet tätig war. Von 1802 bis 1910 war Durmenach Rabbinatssitz. Als
Rabbiner waren tätig:
- 1788 bis 1841 Salomon Lévy (1750-1841):
- 1842 bis 1847 Salomon Wolf Klein (1814-1867):
- 1851 bis 1869 Aron Michel Gerson (1825-1900):
- 1870 bis 1876 Seligmann Naphtali Lévy (1835-1914): siehe unten.
- 1877 bis 1883 Dr. David Aron Goldstein (1877-1883): siehe
unten.
- 1896 bis 1906 Dr. Joseph Wiener (1870
Mommenheim - 1943 ermordet KZ Auschwitz):
studierte ab 1890 am Rabbinerseminar und der Universität Straßburg, dann in
Breslau; ab 1896 Rabbiner in Durmenach. ab 1899 in Phalsbourg, ab 1904
Oberrabbiner in Antwerpen, 1931 bis 1940 Oberrabbiner von Belgien in Brüssel,
1940 nach Nizza geflüchtet, September 1943 verhaftet und im Lager Drancy
interniert, Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Auch seine Frau
Hermance geb. Lehmann (aus Obernai) ist in
Auschwitz ermordet worden.
- 1907 bis 1908 Simon Auscher (1869-1933):
- 1909 bis 1910 Henri (Heinrich) Dreyfus (1880
Uffheim - 1914): studierte 1902 bis 1906 im
Rabbinerseminar Berlin, 1906 Religionslehrer in Frankfurt, 1909 - 1910 Rabbiner
in Durmenach, danach in Morhange (Mörchingen), anschließend in
Sarreguemines (Saargemünd) und Guebwiller (Gebweiler).
Mehrere antijüdische
Pogrome fand in Durmenach statt, insbesondere 1789 und am 29. Februar 1848, als
75 jüdische Häuser angezündet wurden. Durch die Pogrome ging seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts die Zahl jüdischer Einwohner stark zurück. 1861 wurden noch 204
jüdische Einwohner gezählt, 1871 373, 1910 137.
1931 lebten
noch 100, 1939
noch 61 jüdische Personen in der Stadt, die in der NS-Zeit nach Südfrankreich deportiert
wurden. Viele davon wurden ermordet.
Von den in Durmenach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Isaac Adler (1897),
Robertine Bigard geb. Ducas (1873), Adrienne Blum (1891), Marcel Epstein (1895),
Marguerite Grimault (1901), Adrienne Grumbach geb. Adler (1889), Marcel
Lafertein (1937) Gabrielle Caroline Levy (1886), Claude (Klod, Garcon) Levy
1933), Lucien Levy (1879), Rene Levy (1905), Mathilde Levy geb. Dreyfuß (1874),
Andre Levy (1935), Yvonne Malou (1897), Emma Marx geb. Pikard (1874), Reine
(Ran, Regina) Marx geb. Picard (1877), Edmee Mosbacher (1895), Reine Picard
(1877), Andre Weill (1912), Marcel Weill (1921), Robert Wiener (1898).
Nach 1945 kamen einige Überlebende
zurück. 1965 lebten 15 jüdische Personen in Durmenach.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte
zu einzelnen Kultusbeamten der Gemeinde (Rabbiner, Lehrer, Kantor)
Ausschreibung der Vorsänger- und Schächterstelle
1877
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1877: "Die hiesige Vorsänger-
und Schächterstelle, mit einem jährlichen Einkommen von 2.000 Mark nebst
freier Wohnung, ist erledigt und soll sofort besetzt werden. Meldungen
sind an den Unterzeichneten zu richten.
Dürmenach (Oberelsass), 25. März 1877. Joseph Lang Aron Sohn,
Kultus-Vorstand." |
Ein Sendschreiben von Rabbiner Klein (bis 1846 in
Durmenach) gegen die "neologen" Rabbiner ist erschienen (1846)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 17. November
1846: "Aus dem Elsass. Von dem so geehrten, als für Religion
glühenden Rabbinen Klein zu Dürmenach - jetzt zum Rabbinen
zu Rixheim erwählt - ist dieser Tage
ein Sendschreiben in hebräischer Sprache ... erschienen. In gediegener,
beredter Sprache, mit Klarheit, Ruhe und Würde werden die modernen
Bestrebungen in ihrer wahren Gestalt beleuchtet und gewürdigt, die
unhaltbaren Grundsätze der neologen Rabbinen, mit logischer Schärfe, mit
mathematischer Gewissheit entlarvt und zurückgewiesen. Hauptsächlich
gilt es ein anonymes Schriftchen gegen ein früheres Sendschreiben der
gelehrten Ober-Konsistorial-Rabbinen zu Colmar und Metz, sowie gegen den
Protest der 400 zu widerlegen, und ist dieses auf das Vollständigste
gelungen. Wir machen auf dieses Schriftchen, von dem ein Auszug in dem
Literatur-Blatt dieser Blätter erschienen, die verehrten Leser besonders
aufmerksam." |
Abschied von Rabbiner Levi, der nach Sulz-Gebweiler wechselte (1876)
Anmerkung: Rabbiner Seligmann Naphtali Lévy (geb. 1835
in Niedernai, gest. 1914 in Paris): Sohn des Rabbiners Joachim Lévy, studierte
1854 bis 1861 an der École rabbinique in Metz und Paris, 1863 Rabbiner in
Uffholz, zuständig auch für
Cernay und Wattwiller, von April 1870 bis 1876
Rabbiner in Durmenach, danach bis 1887 in Soultz, Oberelsass; anschließend
lebte er in Paris und übte verschiedene Tätigkeiten aus.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. April 1876: "Dürmenach. Am 8. März
nahm unser ehrwürdiger und allgemein geachteter Rabbiner Herr Levi von
uns Abschied, um seine neue Stelle in Sulz -
Gebweiler anzutreten. Der
edle Charakter und die seltenen Eigenschaften desselben verdienen wohl
durch eine kurze Schilderung im ‚Israelit’ in weitesten kreisen
bekannt zu werden. Herrn Levi ist einer jener ehrenwerten Rabbiner, die
ihren Beruf von der richtigen Seite erkennen und in würdiger Weise ausfüllen.
Mit voller Begeisterung und hingebungsvoller Liebe war derselbe bisher für
die Erfüllung der Aufgaben, die das Judentum an einen Rabbiner stellt,
bestrebt. Niemals vergaß er, am richtigen Platze zu ermahnen und stets
war er bemüht, unsere heilige Tora zu verbreiten. Besonders muss es
lobend anerkannt werden, dass es immer sowohl hier als auf seiner ersten
Stelle sein Bestreben war, unsere altehrwürdigen Institutionen streng
nach der Väter Sitte zu erhalten. Ein Beispiel mag hier nur Erwähnung
finden. Als im Jahre 1870 vom Ober-Rabbiner in
Colmar ein Schreiben
ausging, wonach einige Piutim
abgeschafft werden sollten, sprach er sich sofort dagegen aus und seiner
Energie ist es zu verdanken, dass bis heute in unserer Gemeinde Gott sei
Dank noch Alles genau erhalten ist.
Dabei ist derselbe im persönlichen Umgange äußerst liebenswürdig und
auf ihn ist in Wahrheit der Satz anzuwenden: ‚den
Frieden liebt er und dem Frieden jagt er nach…’
Darum wurde er auch allgemein geliebt und verehrt, und sein Wegzug von
hier hat unsere ganze Gemeinde auf’s Schmerzlichste berührt. Möge
Herrn Rabbiner Levi auch in seiner neuen Stelle (er hat dieselbe hauptsächlich
gewählt, um näher bei seinem Vater, der Rabbiner in
Obernheim ist, zu
sein) ein segensreicher Wirkungskreis bereitet sein! Mögen wir mit Gottes
Hilfe auch wieder einen recht würdigen Vertreter für unsere Gemeinde
bekommen!" |
Hinweis auf Rabbiner Dr. Aron David Goldstein (Rabbiner in Durmenach von 1877
bis 1883)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Aron David
Goldstein (geb. 1838 oder 1844 in Szerdahely, Ungarn, gest. 30. August
1913 in Mutzig): studierte als Sohn eines Rabbiners zunächst bei seinem
Vater, 1865 bis 1867 Studium an der Universität Würzburg und bei
Rabbiner Seligmann Bär Bamberger ebd., anschließend in Berlin, 1873
Promotion in Tübingen; 1874 Rabbiner in Bern, 1877 bis 1883 Rabbiner
in Durmenach, von wo aus der zeitweise weiterhin Bern betreute, 1884
bis 1913 Rabbiner in Mutzig.
|
Das Rabbinat Durmenach ist derzeit unbesetzt (1885)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. Mai 1885: "Aus dem Reichslande, im April (1885). Es
sind jetzt mehrere Rabbinate im Reichslande vakant. Vor Allem das
Oberrabbinat von Metz durch den Tod des seligen Herrn Bigard, die
Rabbinate von Bisheim, Cernay,
Durmenach,
Hegenheim und Seppois-le-Bas.
Dagegen sind zwei Rabbinate besetzt worden, Sultz
durch Herrn Roller und Brumath durch
Herrn Ury, früher Rabbiner von Lauterburg.
Für Metz denkt man an Herrn Weill, Rabbiner von Pfalzburg, wo auch der
selige Bigard Rabbiner gewesen. |
Dr. Auscher aus Saarunion wird
Rabbiner in Dürmenach (1901)
Anmerkung: Dr. Simon Auscher (geb. 1869 Straßburg, gest. 1933
Haguenau): studierte ab 1891 am
Rabbinerseminar und an der Universität Berlin, Promotion 1897 Universität
Gießen. ab 1901 Rabbiner in Durmenach, seit 1908 Rabbiner in
Altkirch, ab 1921 in
Haguenau. War seit 1909 verheiratet
mit Jeanne Esther geb. Schwab (geb. 1884 in
Markirch / Sainte-Marie-aux-Mines; Tochter Fleurette wurde 1943 in Auschwitz
ermordet).
Mitteilung in "Der Gemeindebote" vom 3. Mai 1901: "Dr.
Auscher aus Saarunion,
Zögling der ehemaligen Rabbinerschule von Colmar und des Berliner Seminars,
ist seitens des Ministeriums zum Rabbiner von Dürmenach ernannt worden." |
Aus dem
jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Festmahl der "Chewra le Sion" zur Feier des Geburtstags des Kaisers
(1902)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Januar 1902: "Dürmenach (Ober-Elsaß).
Ein fröhliches Festmahl vereinigte gestern Abend die Mitglieder der
hiesigen ‚Chewra le Sion’
zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers. Den Reigen der
Tischreden eröffnete der Vorsitzende der Bruderschaft, Herr Gustav
Braunschweig, mit einem schwungvollen Kaisertoast. Heitere Lieder und
humorvolle Reden würzten das Mahl, welches in bekannter Güte der Wirt
des Hotels Garibaldi lieferte. Auch der Wohltätigkeitsverein wurde
bedacht und das à l’américaine versteigerte Benschen brachte einen sehr hübschen
Ertrag, dessen Verwendung zu einem edlen Zweck bestimmt wurde.
Erst in später Nacht – wann? Darf Ihr Korrespondent nicht verraten –
trennten sich die Mitglieder der Chewra, welche durch den schönen
Verlauf ihrer Feier bewies, dass
sie nicht nur Leidenden und Trauernden zu helfen weiß, sondern trotz
ihres ernsten Charakters auch die heiteren Seiten des Lebens zu genießen
versteht." |
Der Krieg bedroht auch viele Orte mit jüdischen
Gemeinden im Oberelsass (1914)
Anmerkung: die angegebenen Zahlen der jüdischen Gemeindeglieder beziehen sich
auf ca. 1890.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. September 1914: "Hagenau, 10. September (1914).
Die schweren Kämpfe im Oberelsaß, die in letzter Zeit zwischen den
Franzosen und Deutschen ausgefochten wurden, erinnern uns daran, dass die
dortige Gegend ziemlich stark von Juden bewohnt ist, die jetzt nicht nur
zum großen Teil gezwungen waren, Heim und Herd zu verlassen, sondern
neben der schweren seelischen Not auch viel durch die Zerstörung von Hab
und Gut zu dulden haben. Es wohnen in dem vielgenannten Altkirch
289 jüdische Seelen, Hirsingen 74, Dammerkirch (Dannemarie)
15, Hagenbach 26, Bergheim
110, Grussenheim 314, Neubreisach
102, Blotzheim 62, Bollweiler
120, Ensisheim 27, Regisheim
154, Dürmenach 205, Hegenheim
169, Hüningen 50, Kolmar
1105, Dornach 202, Mülhausen
2271, Niederhagental 145, Niedersept
124, Pfastatt 73, Markirch
147, Rappoltsweiler 134, Habsheim
73, Rixheim 69, Sennheim
151, Wattweiler (Wattwiller) 37, St.
Ludwig 60, Kembs 50, Sierenz
113, Uffheim 120, Gebweiler
305, Sulz 182, Thann
163, Winzenheim 421 Juden. Die
meisten Familien, besonders in der Mülhauser Gegend, haben sich flüchten
müssen, viele davon haben sich während dieser schweren Zeit in der
Schweiz niedergelassen.". |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Ein junger Mann wird wegen einer antisemitischen
Verleumdung verurteilt (1873)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Juni
1873: "Mühlhausen, 24. Mai (1873). In der heutigen Sitzung
des Zuchtpolizeigerichtes kam die Klage eines Israeliten von Dürmenach
zur Verhandlung, welcher einen jungen Mann aus der Gemeinde wegen
Verleumdung belangte, der das Gerücht verbreitet hatte, die Israeliten
hätten zu ihrem Pessachfeste ein Dienstmädchen geschlachtet, und der
Kläger in hervorragender Weise an dieser Gräueltat teilgenommen. Der
Beschuldigte wurde zu 10 Talern Strafe, zu einer Entschädigung in
gleichem Betrage und zur Veröffentlichung des Richterspruches auf seine
Kosten verurteilt. (Hiernach war wohl das Ganze nicht ernstlich
gemeint)." |
Ernennung des Gemeinderatsmitgliedes Bloch
zum Bürgermeister (1885)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1885: "Aus dem
Reichsland,
20. Oktober (1885). Dem neuen Statthalter von Elsass-Lothringen, Fürsten
von Hohenlohe, sind nicht nur die landesherrlichen Befugnisse verliehen,
welche dem verstorbenen Statthalter von Manteuffel übertragen waren,
sondern auch verschiedene andere, als: die Genehmigung des Haushalts von
Gemeinden und Wohltätigkeitsanstalten; die Bestätigung der Ernennung und
Wahlen zu Ämtern des israelitischen Kultus usw.
Das Gemeinderatsmitglied Bloch zu Dürmenach
im Oberelsass ist zum Bürgermeister ernannt worden." |
Wahl von Salomon Lang zum stellvertretenden Bürgermeister (1909)
Meldung im
Frankfurter Israelitischen Familienblatt vom 12. August 1909: "Dürmenach
im Ober-Elsass. Gemeinderat Salomon Lang wurde zum stellvertretenden Bürgermeister
gewählt." |
Zum Tod des evangelische Pfarrers aus Dangolsheim 1879
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1879: "Aus dem untern
Elsass.
Den 19. vorigen Monats starb der ehrwürdige menschenfreundliche Pfarrer
zu Dangolsheim.
Im Jahre 1848 war derselbe als Pfarrer in Dürmenach eine wahre Vorsehung
der dort wohnhaften Bürger und besonders der Israeliten. Als der blinde
Sturm der zügellosen Wut eines raubsüchtigen Gesindels und Plünderer
gegen sie wütete, nahm der gute Pfarrer sie unter den Schutz seines
heilsamen Einflusses, verteidigte sie mit seinem ganzen Wesen und stellte
ihnen sein Pfarrhaus als Veste und Zufluchtsort zur Disposition; dadurch
zog er sich die Hochachtung und Liebe aller Menschen, sowie das Lob des
damaligen Ministers Crémieux zu. (Molsheimer Kreisblatt)." |
Berichte
über jüdische Gewerbebetriebe
Soziale Aktivitäten der Inhaber der
Weberei "Les fils Emmanuel d'Lang" in Waldighofen 1895
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1895: "Dürmenach
(Ober-Elsass), 11. März (1895). In dem zur hiesigen Gemeinde gehörenden
benachbarten Dorfe Waldighofen, in welchem im Ganzen nur 4 jüdische
Familien wohnen, haben die Besitzer der daselbst bestehenden weltbekannten
Weberei, unsere Glaubensgenossen ‚Les
fils Emmanuel d’Lang’ für ihre zahlreichen nichtjüdischen
Arbeiterinnen eine nachahmungswürdige Einrichtung getroffen. Sie haben nämlich
neben den Fabrikbaulichkeiten ein Haus aufführen lassen, welches Platz
zum Wohnung für rund 100 Mädchen und allein stehende ältere
Arbeiterinnen bietet. Die Verwaltung dieser Pensionsanstalt ist der
Leitung von Schwestern anvertraut, welche ihren Pflegebefohlenen gegen ein
Entgelt von 65 Pfennigen pro Tag Kost, Logis und Wäsche besorgen. Außer
dem materiellen Vorteil, den die Pensionärinnen durch diese großartige
menschenfreundliche Einrichtung genießen, haben die Herren lang durch
diese ins Leben gerufene nachahmungswürdige und lobenswerte Anstalt,
besonders die Aufrechthaltung und Förderung der sittlich-moralischen
Existenz ihrer, sonst der Versuchung preisgegebenen jugendlichen
Arbeiterinnen ins Auge gefasst. Während einer unserer Erzfeinde, der
ehemalige antisemitische Reichstagsabgeordnete Leuß, der die Frau Dr.
Schnutz, mit der er längere Zeit verabscheuungswerten ehebrecherischen
Umgang gepflogen, zum Meineide verleitet hat, vor zwei Tagen erst durch
das Hannoverische Schwurgericht, wegen Verleitung zum Meineide, zu einer
Zusatzstrafe von 4 Monaten verurteilt wurde, liefern unsere
Glaubensgenossen, die jüdischen reichen Fabrikbesitzer – die der mit
den deutschen Gefängnissen und ihren Insassen vertraut gewordene,
allbekannte, wahrheitsliebende Gerechtigkeitsförderer Ahlwardt als
Raubtiere darstellt, die trotz ihrer 1800jährigen Niederlassung in
Deutschland gleichwohl sich niemals auf den Kulturboden der Arbeit
gestellt hätten – tatsächliche Beweise, dass sie echt jüdische
Keuschheit, echt jüdische Sittlichkeit, nicht nur innerhalb ihres engen
Familienkreises, sondern auch in ihren Fabriken, in ihren Werkstätten
aufrecht zu halten bestrebt sind. Ja, ja Ahlwardt! Nicht an der Tatsache,
dass wir Juden Raubtiere seien, sondern daran, dass wir Juden sittlicher,
keuscher und moralischer leben und handeln als manche Antisemitenführer,
scheitern Deine Pläne!" |
Weitere Dokumente
Briefumschlag von Alexander Brunschwig in Durmenach (1908) |
Der
Briefumschlag des nach Avranches am 24. Dezember 1908 versandten Briefes
führt als Absender Alexander Brunschwig in Durmenach auf, wobei es sich
allerdings weder um den Mediziner Alexander Brunschwig noch um dessen
Großvater Alexander Brunschwig handeln kann. Ersterer ist erst 1901 geboren,
der zweite ist bereits 1889 verstorben. Es muss noch einen weiteren
Alexander Brunschwig in Durmenach gegeben haben. |
Zu Alexander Brunschwig (1901-1969)
vgl.https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Brunschwig.
Dieser Alexander Brunschwig ist 1901 in El Paso, Texas geboren und 1969 in
New gestorben. Er wurde bekannt als Medizinier, Pathologie und
Krebsforscher, der im Bereich der chirurgischen Onkologie tätig war. Er war
Sohn des jüdischen Kaufmanns Felix Brunschwig (1860-1922), der
ursprünglich aus Durmenach stammte und nach Juárez in Mexiko emigriert war,
um dort mit seinem Onkel Felix Kahn ein Geschäft zu eröffnen. Verheiratet
war Felix Brunschwig mit Pauline geb. Harris. |
Zu Alexander/Alexandre Brunschwig
(1829-1889) vgl.
http://www.hohenemsgenealogie.at/en/genealogy/familygroup.php?familyID=F1809&tree=Hohenems:
dieser Alexander Brunschwig ist 1829 als Sohn von Nathan Brunschwig und der
Josephine geb. Adler in Durmenach geboren und 1889 in Altkirch gestorben. Er
war der Vater des oben genannten Felix Brunschwig und damit der Großvater
des Mediziner Alexander Brunschwig. Der 1829 geborene Alexander Brunschwig
war verheiratet mit Rosalie (Rosa) geb. Kahn (1834 Durmenach - 1916
in Paris). Alexander und Rosalie hatten folgende Kinder: Laure, Jules,
Sylvain, Fernand und Felix.
Siehe zur Familie auch
https://www.geni.com/people/Alexandre-Sender-Brunschwig/6000000018451785773
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Zur Geschichte der Synagoge
Die Synagoge wurde 1803 erbaut. Sie wurde bis um 1930
benutzt. Sie überstand - allerdings in immer schlechterem Bauzustand die
NS-Zeit. 1959 wurde sie an die katholische Kirchengemeinde verkauft und in einen Festsaal umgebaut, der am 3. Mai
1964 eröffnet wurde. Ein Feuer verwüstete das Gebäude am 14. Januar 1983. Der
Festsaal wurde danach wieder aufgebaut, wobei nur ein Teil der Mauern der alten
Synagoge und das Eingangsportal erhalten blieben.
Adresse/Standort der Synagoge: 68075 Durmenach, Rue de La Synagogue
Fotos
(Farbfotos Hahn, Aufnahmedatum 14.4.2004)
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Die Synagoge in
Durmenach
(Quelle: hier
anklicken) |
Die ehemalige Synagoge nach
dem Brand 1983
(Quelle: hier
anklicken) |
Straßenschild
"Rue de la Synagogue" |
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Die nach dem Brand zu einer
Festhalle
umgebaute ehemalige Synagoge |
Die westliche Seitenwand mit
dem alten Eingangsportal |
Das Eingangsportal |
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Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2009: Beispielhafte
Gemeinderatsbeschlüsse zum Gedenken an die jüdische Geschichte |
Links:
Außerordentliche Gemeinderatssitzung in der ehemaligen Durmenacher
Synagoge (Foto: J.-P. Lienhard, Basel)
Artikel von Jürg-Peter Lienhard vom 8. Mai 2009
im webjournal.ch (Artikel):
Durmenach beispielhaft
«Shoa» heisst Ausrottung. Im Sundgauer Dorf Durmenach mit dem ehemals größten
Anteil an jüdischer Bevölkerung gibt es keinen einzigen Juden mehr. Die einstmals blühende Judengemeinde wurde schon nach dem Pogrom von 1848, dem sogenannten Judenrumpel, und
schließlich im Zweiten Weltkrieg von den Nazis vollständig ausgerottet; die Synagoge und die Schule zerstört. 64 Jahre nach Kriegsende, am Vorabend der allenorten in Frankreich abgehaltenen Feierlichkeiten, am Donnerstag, 7. Mai 2009, hielt der gegenwärtige Gemeinderat in Durmenach eine gut besuchte und öffentliche
außerordentlichen Gemeinderatssitzung ab. Einziges Traktandum: Die Erinnerungsarbeit.
Die außerordentliche Gemeinderatssitzung wurde in den ehemaligen Mauern der Durmenacher Synagoge, dem jetzigen Festsaal Saint-Georges abgehalten. Nebst dem mit 13 Mitgliedern fast vollzählig vertretenen Gemeinderat nahmen rund 100 Bürger von Durmenach und Gäste und Journalisten teil.
Unter dem Präsidium von Bürgermeister Dominique Springinsfeld wurde das einzige
Traktandum, die kommenden Feierlichkeiten zum 65. Jahrestag des Kriegsendes 1945, nach einem Vorschlag von Oberst Michel Buecher aus
Pfirt, behandelt.
Oberst Buecher, im Zivilleben pensionierter Vehdoktor und akribisch recherchierender Historiker, ist Autor des Buches «Le Devoir du
Mémoire» («Die Pflicht zur Erinnerung»), worin er anhand der Geschichte des Sundgauer Dorfes Wollschwil
(Wollschwiller) die Befreiung des Sundgaus durch das Panzerpeloton von Leutnant Jean de Loisy für die 1. Französische Armee unter General de Lattre de Tassigny beschreibt. Buechers Recherchen und Publikationen sowie sein Engagement für die Erinnerung an den Ablauf der Befreiung des Sundgaus führten zum Gedenkprojekt von
Durmenach.
Geplant ist eine große Gedenkfeier am 8. Mai 2010, dem 65. Jahrestag des Kriegsendes in Europa. Die Feier umfasst nebst einem interreligiösen Gedenkgottesdienst auch eine Zeremonie vor dem Gefallenendenkmal und den christlichen und jüdischen Friedhöfen. Ferner soll eine Gedenktafel in den Mauern des Festsaales und früherer Synagoge angebracht werden, wobei der Text von allen Gremien und Behörden bereits abgesegnet ist (Text siehe unten).
Einzigartig und erstmals im Elsass, und wohl auch in ganz Frankreich, dürfte jedoch die separate Errichtung einer Stele sein, die am Gefallenendenkmal der beiden Weltkriege angebracht werden soll: Sie soll die Namen der 17 zivilen Opfer des Naziterrors
eingemeißelt enthalten. Unter diesen Opfern sind nicht nur Juden, sondern auch ein Zigeunerkind aufgeführt.
An den «Monument aux Morts» geheißenen Gedenkstätten werden in Frankreich in aller Regel nur die militärischen Opfer verzeichnet. Da und dort sieht man Gedenktafeln an Häusern oder an anderen Orten, womit an die Verschleppung und Ermordung einzelner Personen erinnert wird. Aber eine eigentliche gemeinsame Namensnennung der Terroropfer des «Holocaust» oder der
«Shoa» gibt es nicht, weshalb die Initiative Durmenachs beispielhaft für die Erinnerungsarbeit in Frankreich ist.
Nicht allein Juden, sondern geistig und körperlich Behinderte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Widerstandskämpfer und Intellektuelle sowie Polen und Russen, fielen der
Shoa, der «Ausrottung», der Nazis zum Opfer. Nebst sechs Millionen Juden haben die deutschen Verbrecher nochmals sechs Millionen Menschen «liquidiert» , so dass man heute von einer Gesamtzahl von nicht in Kampfhandlungen, sondern durch Verfolgung umgebrachter Menschen von insgesamt zwölf Millionen Shoa-Opfern ausgeht.
Colonel Buecher hatte sein Projekt an den Gemeinderat Durmenachs mit einer ausführlichen Dokumentation belegt und bereits
große Vorbereitungsarbeit für die Organisation des Gedenktages vom nächsten Jahr geleistet. Zwar kommentierte Maire Springsinfeld das Projekt ausführlich - zumal die
Gemeinderatssitzung öffentlich war und Gäste eingeladen worden waren -, doch die Abstimmung darüber, ob die Gemeinde das Gedenk-Organigramm und -Projekt von Oberst Buecher
gutheißen und ihm das Organisations-Mandat übertrage, ist diskussionslos und einstimmig von den 13 anwesenden Gemeinderäten angenommen worden.
In der anschließenden Fragebeantwortung drehten sich die Voten um Details. Der Vertreter der jüdischen oberrheinischen Gemeinden, Ivan Geismar, erklärte zudem, dass der Begriff
«Shoa» zwar aus dem Hebräischen stamme, aber nicht nur jüdische Menschen betreffe, sondern Ausdruck für «eine grosse Katastrophe» sei. Insofern sei es selbstverständlich, dass der Name des Durmenacher Zigeunerbuben, ebenfalls auf der von den oberelsässischen Judengemeinden gestifteten Stele figuriere, zumal es ja um das Opfergedenken aus dem Ort gehe.
Nach dem Gutheißen des Projektes schilderte der Oberst hierauf den provisorischen
detaillierten Organisationsablauf und vergab Aufgaben und Ämtlein an die zuvor angefragten Personen. Der Gedenktag im nächsten Jahr dürfte ein
großes mediales Interesse wecken, zumal nationale Würdenträger aus Politik und religiösen Organisationen ihre Zusage signalisiert haben.
Durmenach war bis 1848 eine Ortschaft mit 980 Einwohnern, wovon 56 Prozent jüdischen Glaubens waren. Als Folge der antijüdischen Ausschreitungen im Elsass während der Pariser Revolte 1848, dem elsässisch «Judenrumpel»
geheißenen Pogrom, flüchteten viele Durmenacher Juden in die Schweiz, nach
La Chaux-de-Fonds, Delémont und Basel, und nur noch eine Minderheit blieb im Sundgauer Dorf, wo
schließlich die Nazis Synagoge und Schule aufhoben und ansässig gebliebene Juden ermorden
ließen. |
Der Text der Gedenktafel, die in der ehemaligen Synagoge von Durmenach angebracht werden soll:
En souvenir de l'importante communauté juive installée à Durmenach depuis le XVe siècle.
La communauté juive, touchée par le "Juderumpel" de 1848, véritable émeute anti-juive au cours de laquelle 75 maisons juives furent
incendiées, prit une part active au développement de la commune au XIXe siècle.
Représentant plus de 56 % de la population en 1846, elle fit preuve d'un engagement politique permanent au sein du conseil municipal avec un
maire, Aaron Meyer, et de nombreux conseillers municipaux.
Elle montra un esprit d'initiative en se dotant de structures cultuelles avec un rabbinat de 1802 à 1910, une école
juive, une synagogue et un cimetière.
Übersetzung:
Im Andenken an die bedeutende jüdische Gemeinschaft, die seit dem 15. Jahrhundert in Durmenach entstanden war.
Die jüdische Gemeinde, Opfer des «Judenrumpels» von 1848, einem antijüdischen Aufruhr, in dessen Folge 75 Häuser angezündet worden waren, war wesentlich am Aufschwung der Gemeinde im 19. Jahrhundert beteiligt.
Sie stellte 56 Prozent der Bevölkerung von 1846 und bewies einen beständigen politischen Einsatz im Gemeinderat und stellte neben zahlreichen Gemeinderäten mit Aaron Meyer auch einen Bürgermeister.
Sie bewies Initiative, indem sie kulturelle Strukturen mit einem von 1802 bis 1910 wirkenden Rabbinat versah, eine jüdische Schule, eine Synagoge und ein Friedhof errichtete.
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November 2009:
Die Gedenktafel wurde eingeweiht |
Artikel
bei "L'Alsace.fr" vom 9. November 2009 (Artikel):
"Mémoire Durmenach : pour ne pas oublier Les comm...
Mémoire Durmenach : pour ne pas oublier. Les communautés chrétiennes, juives et des gens du voyage se sont retrouvés hier, à Durmenach, pour une journée du
souvenir. Placée sous le signe du devoir de mémoire et de l’hommage à toutes les victimes des deux guerres mondiales et de la Shoah, cette journée a été l’occasion de rappeler l’importance de la communauté juive de Durmenach à travers les siècles. Ainsi ont été dévoilées la stèle du souvenir juif devant ce qui fut la synagogue, puis, devant le monument aux morts, deux autres stèles sur lesquelles sont gravés les noms, prénoms et lieux de décès des victimes. Pour chacune d’entre elles, un descendant a posé un lumignon devant le
monument. Un ouvrage intitulé Durmenach se souvient a été édité pour compléter cette journée. Il réunit les travaux et recherches des différentes personnes qui ont œuvré à la réalisation de cette journée, ainsi que de nombreux témoignages, photos et
documents.". |
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Ausführlicher Artikel von
Jürg-Peter Lienhard mit Video auf You Tube zu der Einweihung der
Gedenktafel in www.webjournal.ch:
"Vorbild
Durmenach - Was das Sundgaudorf der Welt zu sagen hat"
Beitrag
eingestellt als pdf-Datei.
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"Die Schweizer Juden stammen
größtenteils aus dem Sundgaudorf Durmenach, das am Sonntag, 8. November 2009, als erste französische Gemeinde die Namen seiner zivilen Shoa-Opfer, darunter zwei Zigeuner-Buben, am Monument aux morts anbringen liess. Zudem ist vor der früheren Synagoge ein Gedenkstein im Andenken an die bedeutende jüdische Gemeinschaft, die seit dem 15. Jahrhundert in Durmenach entstanden war, aufgestellt worden. An der Einweihungsfeier nahmen Juden und Zigeuner teil, wobei die Ansprache des Zigeuner-Vertreters
große Betroffenheit und Rührung weckte, weil er daran erinnerte, dass immer noch kaum wahrgenommen wird, dass die Deutschen rund eine Million Menschen aus seiner Bevölkerungsgruppe ermordeten und die Zigeuner noch heute nirgends in der christlichen Gesellschaft vor Verfolgung und Diskriminierung sicher
sind."
Zum Lesen des ganzen Artikels bitte über obigen Link direkt zum "webjournal.ch". |
Drei Fotos von
Jürg-Peter Lienhard (weitere Fotos über obigen Link; für die
Genehmigung zur Wiedergabe auf dieser Website Dank an J.-P. Lienhard,
Basel) |
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Einzigartig und
vorbildlich für ganz Frankreich:
Am Gefallenendenkmal von Durmenach sind
nun auch die Namen der zivilen Opfer der
beiden Weltkriege und der Shoa
angebracht |
Die Namen der zivilen Opfer
der Shoa
auf derselben Stele: 17 Juden und
zwei Sinti-/Romakinder |
Bürgermeister
Diminique Springinsfeld (link) und
Ivan Geismar als Vertreter der
oberelsässischen
jüdischen Gemeinden enthüllen die
Gedenktafel vor der
früheren Synagoge |
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August
2011: Aktive Erinnerungsarbeit - ein
ehemaliges jüdisches Haus soll "Haus der Geschichte" werden |
Foto
links von Annette Mahro: Das leere Häuschen im Dorfkern soll zum Museum werden.
Weitere Fotos zum Artikel sind über den angegebenen Link in der
"Badischen Zeitung" zu sehen.
Artikel von Annette Mahro in der "Badischen Zeitung"
(Lokalausgabe St. Louis) vom August 2011 (Artikel):
"'Jerusalem des Sundgaus'
Das elsässische Dorf Durmenach erinnert (sich) seiner jüdischen Vergangenheit.
DURMENACH. Auf den ersten Blick ist es ein Sundgaudorf wie viele. 940 Einwohner zählt Durmenach heute und ist damit fast wieder so groß wie zu seiner Blütezeit im 19. Jahrhundert. Damals trug das nahe Ferrette gelegene Dorf noch den Beinamen "Jerusalem des Sundgaus", weil hier zeitweise mehr jüdische als christliche Einwohner lebten. Heute gibt es keinen einzigen Durmenacher jüdischen Glaubens mehr. Zur Erinnerung an die Geschichte wurde 2009 aber Gedenkstein aufgestellt, der immer neue ins Rollen bringt.
Ein Haus der Geschichte ist das jüngste Projekt des eigens gegründeten Heimatvereins, der "Société d’histoire pour la transmission de la mémoire de Durmenach". Fast wäre das unscheinbare Häuschen bei der Festhalle, die heute am Platz der einstigen Synagoge steht, abgerissen worden, um den Parkplatz zu vergrößern. Recherchen zur Dorfgeschichte hatten aber ergeben, dass der seit Jahren leerstehende, verfallene Bau einst im Besitz der größten und ältesten jüdischen Familie Durmenachs war. Ein benachbartes größeres Haus, das im Keller sogar über ein rituelles Bad, eine Mikwe, verfügte, war schon 2008 abgebrochen worden. Umso dringender wurde der Wunsch, zu retten, was noch nicht verloren ist und ein Gedächtnis des Ortes einzurichten, das gerade hier auch ein Museum der Verfolgung und Vertreibung werden muss.
Vor gut zwei Jahren ging es zunächst um etwas anderes, um eine Auflistung der Durmenacher Opfer der Weltkriege von 1914 bis 18 und 1939 bis 45. Auf 51 Soldatennamen kam man dabei, aber auch auf 19 Opfer des Holocaust, unter ihnen zwei Sinti-/Romakinder im Alter von drei und vier Jahren. "Wir wollten das damals weiter verfolgen und mehr wissen", erinnert sich die Lehrerin und erste Beigeordnete des Bürgermeisters, Sabine Drexler. Verwandte wurden angeschrieben, eine Fülle von Daten, Fotos und Material kamen zusammen. Schließlich entstanden eine kleine Wanderausstellung und die Dokumentation "Durmenach erinnert sich", deren 600 Exemplare im Nu vergriffen waren. Links und rechts des alten Soldatenehrenmals wurden zwei Stelen aufgestellt, auf denen die Opfer von Krieg und Verfolgung mit Alter, Todesjahr und -ort aufgeführt sind. Die ganze Dorfgeschichte wird da in wenigen Buchstaben und Zahlen deutlich. Hatten die Soldaten in ganz Europa verteilt den Tod gefunden, steht hinter den Namen der Deportierten Auschwitz. Nur die zwei Kinder kamen in einem Lager an der spanischen Grenze um.
Zur bewegenden Enthüllung der beiden Stelen und des Gedenksteins reisten im November 2009 Nachfahren aus aller Welt und sogar den USA an. Ein koscheres Essen für 400 Personen schloss sich der Zeremonie an. Die Resonanz war überwältigend, die Plätze nicht ausreichend, erinnert sich Sabine Drexler, weitere Gäste hätten jedoch die Saalkapazität gesprengt. Durmenach wurde mit der Aktion aber weit über das Elsass hinaus bekannt und wollte den einmal eingeschlagenen Weg weitergehen. Dazu bot das zum Verkauf stehende, zentral zwischen Festsaal und Mairie gelegene Häuschen den jüngsten Anlass. "Das hat auch damit zu tun, dass wir bald gemerkt haben, wie bei uns wirklich die ganze Elsässer Geschichte beispielhaft zusammenkommt", erzählt Sabine Drexler. Deutlicher als irgendwo sonst lässt sich die hier bis ins 15. Jahrhundert zurückreichende Geschichte der französischen Form des mitteleuropäischen Judentums ablesen, die vorwiegend im Elsass anzutreffen ist, und für die die Nazipogrome der traurige Gipfel in einer langen Leidensgeschichte waren.
Erzählen kann das Dorf aber auch von der Verfolgung der Sinti und Roma oder von den "Malgré-Nous", jenen Franzosen, die im zweiten Weltkrieg für die deutsche Wehrmacht zwangsverpflichtet und als Heimkehrer auch noch der Kollaboration bezichtigt wurden. Durmenach erlebte aber auch schon 1848 den "Juderumpel", eine der späteren deutschen Reichspogromnacht vergleichbare Aktion. 75 Häuser jüdischer Bürger wurden damals angezündet und viele Familien flüchteten, um nie mehr wiederzukommen. Der jüdische Anteil der Bevölkerung sank rapide. Dennoch erhielt sich bis 1910 ein Rabbinat, es gab eine jüdische Schule und den 1784 gegründeten und in jüngerer Zeit auch wieder genutzten jüdischen Friedhof.
In dessen Pflege, der Restaurierung der teils schon verfallenen rund 300 Grabsteine von einst etwa 1000 sieht Jean Bloch eine der nächsten Aufgaben des Geschichtsvereins, dem er mit dem Durmenacher Thomas Zundel vorsteht. Zwar hat Bloch, der im Elsässer Norden lebt, selbst keine familiären Wurzeln im Ort. Als Spezialist für die regionale Geschichte des Judentums aber wurde er schon bei den ersten Nachforschungen konsultiert und schnell zum engagierten Mitstreiter. Im Zuge seiner Recherchen hat sich vieles wieder gefunden, nicht zuletzt die alten Straßennamen, die mittlerweile unter den neuen angezeigt sind. Bloch weiß jeden zu erklären und in die Dorfgeschichte einzufügen.
Während schon bei den Gräbern wegen des fortschreitenden Verfalls die Zeit drängt, müssen für Kauf und Sanierung des Häuschens bis Ende des Jahres rund 180 000 Euro beisammen sein. Viele Förderer haben sich schon in den Reihen der lokalen und regionalen Politiker gefunden. Unterstützung signalisiert hat auch die ehemalige Präsidentin des europäischen Parlaments, Simone Veil, die 2011 Ehrenpräsidentin der Buchmesse St. Louis war. Die Summe sollte also zusammenkommen. Da aber das Haus, einmal eingerichtet, auch unterhalten werden muss, hoffen Jean Bloch und Sabine Drexler auf weitere Unterstützer. Nicht zuletzt, da viele bekannte Persönlichkeiten Wurzeln in Durmenach haben, etwa der Ethnologe Claude Lévy-Strauss oder Medizin-Nobelpreisträger François Jacob, stehen die Chancen ganz gut. Auch die Vorfahren Dominique Strauss-Kahns kamen übrigens aus dem Ort.
Erreichbar ist die "Société d"histoire pour la transmission de la mémoire de Durmenach" über die Mairie Tel. 0033/389-258102." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
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