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Bern
(Bundesstadt, Schweiz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(zu aktuellen Informationen siehe die Website der
Israelitischen Kultusgemeinde in Bern unter www.jgb.ch)
Die Synagoge Bern im Film:
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Bern bestand eine jüdische
Gemeinde bereits im Mittelalter. Erstmals
werden Juden in der Stadt 1259 genannt. 1294 kam es
zu einer Ritualmordbeschuldigung um den damals verstorbenen Knaben Rudolf von
Bern (vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_von_Bern). Im Zusammenhang mit ihr wurden einige
jüdische Einwohner gerädert, die übrigen aus der Stadt verwiesen. Das Grab
des angeblich durch Juden ermordeten Kindes im Berner Münster war bis zur Reformation ein
Wallfahrtsort. Die Juden der Stadt lebten vor allem vom Geldverleih. Das
jüdische Wohngebiet war vor allem im Bereich der "Judengasse"
(vicus Judaeorum), die durch das in der Ringmauer befindliche
"Judentor" abgeschlossen wurde. Unweit des "Judentors" - am
westlichen Ende der heutigen Rathausgasse - befand sich ein erster jüdischer
Friedhof (13. Jahrhundert?). Später lag der Friedhof an anderer Stelle.
Nach der o.g. Judenverfolgung 1293/94 ließen sich in der Folgezeit wiederum
einige Juden in der Stadt nieder. Bei der Verfolgung in der Pestzeit wurden im November
1348 die Juden der Stadt verbrannt. Einige Jahre nach dieser Verfolgung
zogen wiederum Juden in Bern zu (1376 genannt). Die Juden lebten
weiterhin vom Geldhandel, doch werden auch mehrere Ärzte genannt. Auch ein
Rabbiner wird in der Stadt bezeugt, der jedoch gleichfalls vom Geldhandel lebte
(Meister Isaak von Thann 1379-83 in Bern bezeugt). Am 10. Mai 1427
beschloss die Stadt, den Juden keine Schutzbriefe mehr zu erteilen, was die
Vertreibung aus der Stadt bedeutete. Als Begründung wurde angeführt, dass die
Juden den christlichen Glauben schmähten.
Seit Ende des 18. Jahrhunderts war ein - über die nächsten Jahrzehnte
zunächst noch stark begrenzter - Zuzug von Juden
in der Stadt wieder
möglich. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte vor allem ein
Zuzug aus dem Elsass, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (nach den
Verfassungsrevisionen von 1866 und 1874) auch ein Zuzug aus den beiden Surbtaler
Gemeinden Endingen und Lengnau. Zunächst hatten die jüdischen Einwohner "ausnahmsweise"
dieselben Rechte wie französische Bewohner der Stadt. 1846 wurde die
"Ausnahmestellung" der jüdischen Einwohner aufgehoben; sie wurden nun
das "Fremdengesetz" gestellt und genossen dieselben Rechte wie
französische Einwohner. Nun war unter anderem auch der Kauf von Häusern durch
jüdische Personen möglich.
1848 (offizielles Gründungsjahr) wurde die jüdische Gemeinde unter dem Namen
"Corporation der Israeliten in Bern" gegründet. 1867 erfolgt eine
Neukonstituierung als "Cultusverein der Israeliten in Bern". Seit 1908
(bis 1973) lautete die Bezeichnung "Israelitische Kultusgemeinde
Bern".
Im 19./20. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
in der Stadt Bern wie
folgt: 1850 206 jüdische Einwohner, 1880 387, 1910 Höchstzahl von 1.056,
1930 854, 1950 792, 1960 668, 1970 561, 1990 334. Nicht alle der jüdischen Einwohner
Berns waren freilich Mitglieder in der jüdischen Gemeinde. Im Kanton Bern 1852 lebten nach
der Mitteilung der 'Allgemeinen Zeitung des Judentums' vom 22. März 1852 (s.u.)
bereits 488 jüdische Personen. Bis zum Jahr 1900 nahm die Zahl auf 1543 im gesamten Kanton zu (Zeitschrift für Demographie Heft 11 1905). Ein Drittel von ihnen war Inländer, zwei Drittel
Ausländer.
An Einrichtungen bestanden (beziehungsweise bestehen bis zur Gegenwart) eine Synagoge (s.u.),
eine jüdische Schule (Religionsschule) mit einer Jugendbibliothek, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war (beziehungsweise ist bis zur Gegenwart)
ein Lehrer angestellt, der zugleich als Kantor, teilweise auch als Schochet
tätig war.
Bereits im Bericht von 1841 wird ein Lehrer der Gemeinde genannt, der zugleich
Vorsänger und Schächter war. Gemeindevorsteher der Gemeinde war in der Mitte
des 19. Jahrhunderts der Kleiderhändler Emanuel Bloch; ihm zur Seite stand der
Optiker Bamberger. Seit 1871 gab es eine dem Vorstand unterstellte Armenkasse
der Gemeinde.
Um 1900 war als Lehrer und Kantor der aus dem Elsass stammende Salomon Bloch
(1841-1921) tätig. 1903 feierte er bereits sein 25-jähriges Dienstjubiläum in
der jüdischen Gemeinde in Bern. Bei der Einweihung der Synagoge 1906 sprach er
neben Rabbiner Dr. Littmann die Weiherede.
Rabbinat: Im 19. Jahrhundert wurde die jüdische Gemeinde zunächst durch Rabbiner
Moise Nordmann aus Hegenheim betreut. In
der Folgezeit geschah die Betreuung auch durch andere Rabbiner (Rabbiner Dr.
Julius Fürst aus Endingen weihte 1855 die
Synagoge ein). Von 1874 bis 1877 hatte Bern mit Rabbiner Dr. Aron David
Goldstein (1838-1913) einen eigenen Rabbiner. 1877 wechselte er allerdings
nach Durmenach, von wo aus er - bis zu
seinem Wechsel 1884 nach Mutzig (hier
weitere biographische Angaben) - noch einige Jahre die Gemeinde in Bern
betreute. In der Folgezeit geschah die Betreuung u.a. durch das Zürcher
Rabbinat (Rabbiner Dr. Littmann weihte 1906 die neue Synagoge ein); auch der
Rabbiner aus Baden übernahm Aufgaben in Bern
(u.a. die Aufsicht über die Kaschrut in der Pension Schneider, siehe Anzeige
unten).
An der Universität in Bern lehrten seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch
jüdische Dozenten. Der erste war seit den 1830er-Jahren Prof. Dr. Gabriel
Valentin (1810-1888). Er erhielt 1850 das Kantonsbürgerrecht im Kanton
Bern, jedoch noch nicht das Ortsbürgerrecht. Dies wurde ihm für den
katholischen Ort Miécur im Jura eingeräumt, da die katholischen Großräte des
Kantons im Blick auf die Emanzipation der Juden eine größere Toleranz
zeigten. Um 1860 lehrten bereits vier jüdische Professoren an der Universität
in Bern (siehe Artikel unten). Die erste Frau, die an der Universität lehrte,
war die russisch-jüdische Philosophin Anna Tumarkin (1875-1951,
Professortitel 1906 siehe Bericht unten). Unter den später an der Universität lehrenden Professoren waren
u.a. Rabbiner Prof. Dr. Ludwig Elieser Stein (von 1890 bis 1911 Prof. an der
Universität Bern).
Um 1910/20 war die Blütezeit der jüdischen Gemeinde in Bern. Es wurden
mehrere Jahre über 600 Gemeindeglieder gezählt, dazu kamen etwa 800 jüdische
Personen in Bern, die nicht Gemeindeglieder waren.
Im Leben der jüdischen Gemeinde spielten ihre Vereine eine große Rolle:
um 1910/20 gab es (teilweise bis heute) insbesondere die folgenden Vereine: die Männerkrankenkasse
(Chewra Kadischa, Ziel: Unterstützung in Krankheits- und Sterbefällen),
der Israelitische Frauenverein (Ziel: Unterstützung in Krankheits- und
Sterbefällen), der Verein "Union" (Ziel: Geselligkeit und
Wohltätigkeit), der Synagogenchor, die Zionistische Ortsgruppe,
der Akademische Zionistenverein, die Jüdische akademische
Unterstützungskasse, der Studentenverein "Tachkemoni"
(Vereinigung der gesetzestreuen Studenten in Bern), der Talmud-Tora-Verein
und Lina Hazedek (Ziel: Erteilung von Religionsunterricht an die Kinder von
Nichtgemeindemitglieder sowie Wohltätigkeit), der Frauenverein Achdus
(Ziel: Wohltätigkeit), der "Jüdische Klub", der Verein
"Bewth Seder Ammi", der Verein "Thomche Anijim",
das Lokalkomitee der Alliance Israélite Universelle à Paris. Neben den
Vereinen gab es mehrere Stiftungen in der Gemeinde (Synagogenfonds, Celine
Weil-Schwob Fonds, Louis Nordmann-Fonds).
In der Zeit des Zweiten Weltkrieges gab es auch in Bern und Umgebung
zahlreiche jüdische Flüchtlinge. 1944 bis 1945 war Repräsentant der
jüdischen Flüchtlinge in Bern Rabbiner Prof. Dr. Herbert Arthur Strauss.
1948 konnte die jüdische Gemeinde ihre Jahrhundertfeier begehen, dazu
wurde eine Festschrift herausgegeben.
1973 wurde der Name der Gemeinde in "Israelitische Gemeinde
Bern" verändert, seit 1982 "Jüdische Gemeinde Bern".
Seit 1996 ist die jüdische Gemeinde öffentlich-rechtlich anerkannt und als
sogenannte Einheitsgemeinde organisiert.
Die Zahl der jüdischen Einwohner in Bern geht seit den 1960er-Jahren
stetig zurück (siehe die oben bereits angegebenen Zahlen).
Zur Gemeinde gehören (2000) etwa 340 Mitglieder. In der Person von
David Polnauer (geb. 1954 in Ungarn) hat die Gemeinde seit April 2007 einen Rabbiner.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen
Gemeinde von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er-Jahre
Hinweis: außer dem ersten Artikel aus dem NS-"Stürmer" sind alle Artikel
jüdischen Zeitungen des 19./20. Jahrhunderts entnommen.
Allgemeine Beiträge
Aus dem Mittelalter
Mögliche Erinnerung an die jüdische
Geschichte des Mittelalters: der Kindlifresserbrunnen
vgl. Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Kindlifresserbrunnen. Die Kinderschreckfigur
des "Kindlifressers" trägt auffallend einen spitzen Hut. Ein zumindest
indirekter Zusammenhang mit antijüdischen Motiven ist anzunehmen. Auch auf einem
Holzschnitt aus Nürnberg von 1492 trägt der Kinderfresser einen Judenhut und
einen Judenring am Kleid. Auch im Volksmund wird ein Zusammenhang zu einem Juden
dargestellt. Die Figur könnte an den angeblich in Bern verübten Ritualmord
(Rudolf von Bern) erinnern. Weiteres mit Literaturangaben siehe
Wikipedia-Artikel.
In einem Artikel in der nationalsozialistischen deutschen Propagandazeitung "Der
Stürmer" wurde 1936 die antijüdische Deutung herausgestellt:
Artikel
in der NS-Zeitschrift "Der Stürmer" im April 1936 (Hinweis:
der gesamte Artikel ist in einem hässlichen Unterton antijüdisch
geschrieben!):
"Der Kindlifresserbrunnen in Bern. Ein Mahnmal an jüdische Verbrechen des
Mittelalters. Kommt der Fremde auf einen Gang durch die Stadt Bern (in
der Schweiz) auf den Kornmarkt, so bleibt er erstaunt vor dem
'Kindlifresserbrunnen' stehen. Aus einem Brunnenbecken ragt eine Säule
hervor, auf der eine Figur sitzt. Das Gesicht dieser Gestalt zeigt eine
hässliche Judenfratze. Auf dem Kopfe sitzt ein spitzer Judenhut, wie ihn die
Fremdrassigen in früheren Zeiten tragen mussten. In der rechten Hand hält
die Judenfigur ein kleines Kind fest. Der Kopf des Kindes ist bereits im
Maul des Ungeheuers verschwunden. Seitwärts der Figur hängt ein Sack. In ihm
sind noch andere Kinder eingefangen, die der Jude fressen will. Um die Figur
herum sieht man noch mehrere kleine zappelnde Kinder, die zu entfliehen
versuchen.
Der Errichtung dieses Brunnens liegt folgende Begebenheit zu Grunde. Die
Juden hatten sich, wie überall, auch im alten Bern eingenistet und unbeliebt
gemacht. Eine alte Chronik erzählt, dass ein Jude einen Knaben namens Ruff
(gemeint: Rudolf von Bern) schändlich zu Tode gemartert und
gekreuzigt hatte. Diese diese und viele andere jüdische Schandtaten waren
die Berner so erbittert, dass sie beschlossen alle Fremdrassigen
auszuweisen. Doch die Juden fanden in König Rudolf von Habsburg einen
Bundesgenossen. Als die Stadt Bern sich weigerte, den Ausweisungsbefehl der
Juden zurückzunehmen, belagerte König Rudolf die Stadt. Aber die Berner
wehrten sich so heldenmütig, dass selbst eine zweimalige Belagerung
erfolglos war. Zur Erinnerung an die jüdischen Verbrechen und die
heldenmütige Verteidigung der Stadt schuf im Auftrage der Stadtverwaltung
Bern ein Künstler dieses Mahnmal.
Es ist tief bedauerlich, dass heute ein großer Teil der Eidgenossen
vergessen hat, was dieses Mahnmal sagen soll. Hoffentlich kommt auch für die
Schweiz einmal die Zeit, in der sie sich darauf besinnt, dass der Juden
nicht nur der Feind Deutschlands, sondern der Feind der gesamten
zivilisierten Welt ist." |
Aus dem 19./20. Jahrhundert
Die jüdischen Einwohner haben die gleichen Rechten
wie französische Bürger (1841)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. April 1841:
"Eine bessere Stellung als die Basler Juden haben die zu Bern, wo eine hochherzige Regierung ihnen mit den französischen Bürgern gleiche Rechte erteilt. Sie haben einen
Lehrer, Vorsänger und Schächter in einer Person, haben wie die zu Basel eine eigene
Synagoge, schicken ihre Kinder auf öffentliche Anstalten. Erfreulich ist’s hier den ausgezeichneten
Prof. Dr. Valentin aus Breslau zu treffen, den die Regierung vor mehreren Jahren an die dortige Hochschule berufen, und der nunmehr seiner Tüchtigkeit und seines liebevollen Wesens halber bei Bürgern und Studenten in hohen Achtung und Liebe steht.
Geht man von Bern aus in das naturreiche Oberland, so trifft man zu Interlaken einen wackern jungen Israeliten – Dr. Weil aus
Eichstetten im Breisgau – der vom Sanitätsrat dorthin als Spitalarzt gesendet worden, nachdem er durch ein mehrjähriges fleißiges Studium zu Bern sich das Wohlwollen der Behörden
erworben." |
Eine antijüdische eingestellte Zeitung nimmt ein
Vorurteil zurück (1847)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 22- November 1847: "Bern, 4. November (1847). Das
hiesige Blatt 'der Freisinnige' nimmt heute sein hartes Urteil gegen die
Juden zurück. Nur ein Einziger derselben habe im freiwilligen Jägerkorps
den Ausmarsch gegen den Sonderbund verweigert; die übrigen Juden in Bern
seien marschfertig und zum Teil schon von früher her wegen Patriotismus
und persönlichen Muts erprobte Leute." |
Zuzug jüdischer Familien in den Kanton Bern
(1849)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. November
1849: "Vom Kanton Bern ist in politischer Beziehung nicht zu klagen. Sie wissen, dass bei der neuen
Kantonalverfassung 1846 die Ausnahmestellung der Juden aufgehoben worden und diese unter das Fremdengesetz gestellt wurden. Seither haben zwei Juden wieder Häuser gekauft und einer ein großes Landgut, einige Stunden von Bern, das er selbst bearbeitet und bedeutend kultiviert. Eduard Pikard heißt der junge Mann.
Seither sind auch einige Familien aus dem Elsass wieder nach Bern gezogen und haben ohne Anstand ihr Domizilium erhalten. Auch ist
S. Weil, Arzt in Walkringen, zum militärischen Kreisarzt ernannt worden, ohne dass ein Mensch daran gedacht hätte, dass die Ehre zu groß sei für einen Nachkommen Abrahams.
Dafür sind aber auch Verbesserungen im Innern der jüdischen Gemeinde zu berichten. Seit
Herr Em. Bloch, Kleiderhändler (zu unterscheiden von mehreren anderen Bloch daselbst),
Vorsteher der Gemeinde worden ist, hat sich diese total geändert. Nicht etwa die Einzelnen in ihrem Leben und Treiben. So weit ist die Zivilisation noch nicht gediehen. Aber in der Synagoge sowohl als in der Schule, im Gemeindewesen sowohl als in der Ordnung bei der
Kahalsversammlung, da ist ein himmelweiter Unterschied zwischen jetzt und ehedem. Ich will die unterscheidenden Merkmale nicht speziell angeben; sie sind wie Tag und Nacht, wie Licht und Finsternis. Gebe Gott, dass Herr Bloch nicht ermüdet in seiner Wirksamkeit und ich bin überzeugt, dass er es binnen Kurzem dahin bringt, dass eine regelmäßige Predigt eingeführt wird. Man mag staunen, dass das als ein so großer Fortschritt betrachtet wird. Aber, lieber Leser! hättest du gesehen, was ich, so würdest du glauben es seien Wunder geschehen größer als die Teilung des Schilfmeeres (hebräisch). Ehrend muss genannt werden, als Herrn Bloch zur Seite stehend:
Herr Bamberger, Optikus in Bern.
Sonst wird ihm aber sein Amt sauer genug gemacht." |
Im Kanton Bern leben 488 jüdische Personen
(1850)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Juli
1850: "Bern, 9. Juni (1850). Die neueste Volkszählung weist
für den Kanton Bern eine Gesamtbevölkerung von 458.225 Seelen nach,
darunter 54.044 Katholiken, 403.693 Protestanten, 488 Juden. (Unsere
Glaubensgenossen sind demnach auch in der Schweiz im Wachsen). |
Kritischer Bericht über die jüdische Gemeinde (1900)
Anmerkung: der Bericht erschien in der konservativ-orthodox geprägten
Zeitschrift "Der Israelit"
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Februar
1900: "Bern. Aus hiesiger Stadt verirrt sich nur selten
ein Bericht in die Spalten des 'Israelit', obwohl derselbe hier viele
eifrige Leser hat. Auch an guten Federn fehlt es nicht in einer
Universitätsstadt, die ca. 200 jüdische Studenten zählt. Woran es aber
wohl fehlt, das ist frisches, jüdisches Leben in der Gemeinde und bei dem
Einzelnen, woher sollte aber der Berichterstatter den Stoff für seine
Mitteilungen nehmen. In früheren Jahren hatte die hiesige Gemeinde sogar
eine Zeitlang einen Rabbiner, aber das ist schon lange her. Die Gemeinde
zählt ca. 40-50 Mitglieder, aber sie hat in ihrem Betlokal die ganze
Woche hindurch kein Minjan, außer an Sabbaten und Feiertagen und bei
Gelegenheit eines Jahrzeit. Die Mitglieder der Gemeinde sind fast
sämtlich aus dem Elsass eingewandert. In den Familien wird der Hauhalt
meistens koscher geführt, aber es ist nur ein sogenanntes Kaschrus, das
in Wirklichkeit viel zu wünschen übrig lässt. Der hiesige Koscherfleisch-Verkauf
untersteht keinerlei Kontrolle eines Rabbiners, sodass es sehr schwer
fällt, hier als orthodoxer Jude zu leben. Es hat dieser Missstand nichts
mit der Kalamität des Schweizerischen Schächtverbots zu tun; er war
schon vorhanden, bevor dieses Verbot existierte." |
Das Schächtverbot wird vom Bundesrat nicht
zurückgenommen (1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. März 1914: "Aus Bern wird uns geschrieben: Durch Vermittlung
von Personen, die im Bundesratshaus verkehren, hört man, dass vor kurzem
der schweizerische Bundesrat das Gesuch des Gemeindebundes, Anträge auf
Aufhebung des Schächtverbots bei der Bundesversammlung zu stellen,
abgelehnt hat. Auch von anderer, zuverlässiger Seite ist diese Nachricht bestätigt
worden, sodass an ihr nicht zu zweifeln ist. Aus der gleichen Quelle wird
berichtet, dass bei der verkehrten Art und Weise, wie die Sache in die
Hand genommen worden sei, ein anderes Resultat gar nicht herauskommen
konnte. Weitere Aufklärungen werden wohl in nächster Zeit folgen, und es
wird alsdann die Frage eingehender zu behandeln
sein." |
Vorstellung der Gemeinde im "Jüdischen Jahrbuch
für die Schweiz" (1916)
Vorstellung
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1916 S.
196: "Bern.
In Bern besteht seit dem Jahre 1856 eine israelitische Gemeinde. Jetzige
Mitgliederzahl 108 mit zirka 600 Seelen. Außerdem wohnen noch in Bern ca.
150 jüdische Familien mit ca. 800 Seelen, die der Gemeinde nicht
angehören. Vorstand: H. Boneff, Präsident; B. Hirschel,
Vizepräsident; S. Schnell, Sekretär; Paul Lang, Kassier; weitere
Mitglieder: Michel Weil, Isidor Bloch, Joseph Schwob, Bernheim-Walch und
Moritz Wyler. Beamte: J. Messinger, Kanton und Lehrer; s. Dreyfuss,
Synagogendiener; Oppliger, Abwart.
Institutionen: Synagoge: Kapellenstraße 2. Religionsschule und
Jugendbibliothek: Kapellenstraße 2 (Präsident der Schulkommission: N.
Bloch-Baer). Armenkasse: Dem Vorstand unterstellt (gegründet 1871).
Friedhof: Herr M. Weil, Präsident; G. Furrer, Abwart.
Vereine: Männerkrankenkasse (Präsident: Leopold Picard), Zweck:
Unterstützung in Krankheits- und Sterbefällen. - Israelitischer
Frauenverein (Präsidentin: Frau Seraphin Weil), ähnliche Tendenz wie der
vorige Verein. - Union (Präsident: Dr. F. Weil), Zweck: Geselligkeit und
Wohltätigkeit. - Freiwilliger Synagogenchor (Knaben und Herren),
Dirigent: Lucien Bernheim. - Zionistische Ortsgruppe (Präsident: R.
Königsgarten). - Studentenverein 'Tachkemoni' (Vereinigung aller
gesetzestreuen Studenten in Bern, cand. phil. L. Krausz) - Talmud
Thora-Verein und Linas Hazedek (Präsident: Bograd), Zweck: Erteilung von
Religionsunterricht an die Kinder von Nichtgemeindemitgliedern, sowie
Wohltätigkeit (Lehrer: Dr. Abraham). Lokal: Schullokal der Israelitischen
Kultusgemeinde, Mitgliederzahl 25. - Frauenverein Achdus (Präsidentin:
Frau Dr. Lifschütz), Zweck: Wohltätigkeit. - Jüdischer Klub
(Präsident: R. Seeligmann), Lokal: Maulbeerstraße, Mitgliederzahl: 100;
Lokalkomitee der Alliance Israélite Universelle à Paris (Präsident:
Anatol Blum).
Stiftungen: Synagogenfonds, Celine Weil-Schwob-Fonds
(Ausschmückung des Tempels, jährliche Zinsen für die Armen), Louise
Nordmann-Fonds
(Wohltätigkeitszweck)."
|
Vorstellung der Gemeinde im "Jüdischen Jahrbuch
für die Schweiz" (1921)
Vorstellung
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1921 S.
177: "Bern.
In Bern besteht seit dem Jahre 1848 eine israelitische Gemeinde. Jetzige
Mitgliederzahl 120 mit zirka 600 Seelen. Außerdem wohnen noch in Bern ca.
160 jüdische Familien mit ca. 800 Seelen, die der Gemeinde nicht
angehören. Vorstand: H. Boneff, Präsident; B. Hirschel,
Vizepräsident; Jos. Bollahg, Sekretär; Paul Lang, Kassier; weitere
Mitglieder: Michel Weil, Isidor Bloch, Joseph Schwob und Arthur Loeb und
Raas. Beamte: J. Messinger, Kantor und Lehrer; M. Dreyfuss,
Synagogendiener; Oppliger, Abwart.
Institutionen: Synagoge: Kapellenstraße 2. Religionsschule und
Jugendbibliothek (Bücherausgabe Mittwoch und Donnerstag von 6 bis 7 Uhr):
Kapellenstraße 2 (Präsident der Schulkommission: L. Woog). Armenkasse:
Dem Vorstand unterstellt (gegründet 1871). Friedhof: (Arthur Loeb,
Präsident; HG. Furrer, Abwart).
Vereine: Männerkrankenkasse (Präsident: N. Bloch-Baer), Zweck:
Unterstützung in Krankheits- und Sterbefällen. - Israelitischer
Frauenverein (Präsidentin: Frau Seraphin Weil), ähnliche Tendenz wie der
vorige Verein. - Union (Präsident: Alfred Bernheim), Zweck: Geselligkeit
und Wohltätigkeit. - Zionistische Ortsgruppe, 60 Mitglieder (Präsident:
Jos. Bollag). - Jüdisch-akademisch Unterstützungskasse (Präsident: Dr.
Pens). - Studentenverein 'Tachkemoni' (cand. phil. L. Krauss). - Beth
Seder Ammi - Thomche Anijim - Lokalkomitee der Alliance Israélite
Universelle à Paris (Präsident: Louis Woog).
Stiftungen: Synagogenfonds, Celine Weil-Schwob-Fonds (Ausschmückung
des Tempels, jährliche Zinsen für die Armen), Lucie Nordmann-Fonds
(Wohltätigkeitszweck)." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1873 /
1876 / 1877
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. November 1873:
"Offene Stelle.
Die israelitische Gemeinde in Bern (Schweiz) sucht einen
unverheirateten, geprüften Religionslehrer und bewährten Kanzelredner.
Jährlicher Gehalt ohne Nebeneinkünfte 2.000 Frcs.
Qualifizierte Bewerber wollen ihre Befähigungszeugnisse an den Vorstand Josef
Weil auf dem Kornhausplatze in Bern franco einsehen". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Mai 1876:
"In der hiesigen Gemeinde ist die Stelle eines musikalisch gebildeten
Chasan (Kantors), tüchtigen Schochet, der zugleich das
Borschen versteht, und guten Baal Kore, sofort zu besetzen.
Anmeldungen nimmt der Unterzeichnete entgegen.
Bern (Schweiz), 19. April 1876. Dr. A. B. Goldstein,
Rabbiner." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Oktober 1877:
"Für hiesige Gemeinde ist die Stelle eines musikalisch gebildeten Cantors,
Schächters und geprüften Religionslehrers zu besetzen.
Fixes Gehalt 2.000 bis 3.000 Frcs. nebst erheblichem Nebenverdienst.
Qualifizierte Bewerben wollen sich an unterzeichneten Vorstand
wenden.
Emanuel Bernheim, Gerechtigkeitsgasse 96, Bern,
Schweiz." |
25-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer und Kantor
Salomon Bloch (1903)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. September
1903: "Bern. Herr S. Bloch, Kantor, hat in diesem Monat
das 25. Dienstjahr als Religionslehrer der hiesigen Jüdischen Gemeinde
vollendet. Zur Feier dieses Jubiläums versammelte sich am Sonntag Vormittag
die ganze Gemeinde in dem alten Gebäude an der Anatomiegasse, das seit
langen Jahren als Synagoge dient und nun bald abgebrochen werden soll. Die
kleine Feier nahm einen würdigen Verlauf und zeugte von der herzlichen
Verehrung, die die hiesigen israelitischen Kreise ihrem Geistlichen
entgegenbringen. Nach dem Festakte, bei dem dem Jubilar ein prächtiger
Lorbeerkranz, ein silberner Becher und andere Auszeichnungen überreicht
wurden, und im Laufe des Nachmittags nahm Herr Bloch die persönlichen
Glückwünsche der Mitglieder des israelitischen Kultusvereins und ihrer
Familien entgegen. Herr Bloch, der früher in gleicher Eigenschaft im Elsass
tätig war, blickt nun auf eine 44-jährige, segensreiche Arbeit im
Dienste der israelitischen Gemeinde zurück." |
Zum Tod von Lehrer und Kantor Salomon Bloch (1921)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Januar
1921: "Bern. Salomon Bloch, der frühere langjährige Kantor
der Berner jüdischen Gemeinde, eine hochachtbare Persönlichkeit, ist im
80. Lebensjahr verschieden." |
Berichte aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Die beiden französischen Großrabbinen sind zu Besuch
bei Rabbiner Dr. Goldstein (1877)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Oktober
1877: "Bern (Schweiz).
Vor einiger Zeit hatten wir die Ehre, die beiden französischen
Großrabbinen, die Herren Isidor und Zadoc Kahn in unserer
Bundesstadt als Gäste begrüßen zu können. Die Hauptzeit ihres hiesigen
Aufenthalts brachten sie mit unserem Rabbiner, Herrn Dr. Goldstein,
zu.
Beide Koryphäen Frankreichs wurden bei dieser Gelegenheit so sehr von
unserem Herrn Rabbiner eingenommen, dass sie sich veranlasst fühlten,
gleich nach ihrer Rückkehr nach Paris ihm das Diplom de premier degré
rabbinique, begleitet mit einem wahrhaft kollegialischen
Freundschaftsbrief als Ehren- und Freundschaftszeichen zu überreichen.
Ehre dem Ehre gebührt!" |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Aron David Goldstein (1913, Rabbiner in Bern von 1874
bis 1877)
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September
1913: "Am 30. vorigen Monats ist in Mutzig im Elsass Herr
Rabbiner Dr. A. Goldstein nach schwerem Leiden
verschieden." |
|
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. September 1913:
"Mutzig. Rabbiner Dr. Aaron David Goldstein ist – 76 Jahre alt –
verschieden. Als Rabbiner in Bern war er in den 70er Jahren an der
dortigen Universität Privatdozent für orientalische Sprachen. Er hat ein
Schulbuch für den hebräischen Übersetzungsunterricht herausgegeben." |
Antisemitische Predigt des christlichen Predigers
Widmer vor Soldaten (1894)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 9. November 1894: "Bern, 2. November (1894). Gelegentlich
eines hier stattfindenden militärischen Wiederholungskursus wurde
auf militärische Anordnung durch den evangelischen Feldprediger Widmer
ein Feldgottesdienst abgehalten, zu dem u.a. auch ein jüdischer Wehrmann
kommandiert wurde. Der christliche Hofprediger hielt dabei eine
hetzerische Predigt. Dies missfiel dem jüdischen Wehrmann, der
Veranlassung nahm, sich beim schweizerischen Militär-Departement zu
beschweren, weil er und seine Glaubensgenossen durch den Inhalt der
Feldpredigt in ihren religiösen Gefühlen verletzt worden seien. Das
Militär-Departement hat hierauf folgenden Entscheid erlassen und der
Presse mitgeteilt: Es geht aus der Vernehmung des Feldpredigers Widmer in
Bern hervor, dass er keineswegs die Absicht hatte, Andersgläubige zu
verletzten. Dagegen ist er aufmerksam zu machen, dass es Übung ist, die
Truppen zur Teilnahme am Gottesdienst ohne Rücksichtnahme auf ihre
Konfession zu kommandieren und dass in Folge dessen Feldpredigten so zu
halten sind, dass sie von Angehörigen aller Konfessionen ohne
Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit angehört
werden können." |
Sijum-Feier des von Berner Studenten gegründeten
Talmud-Vereins (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Februar
1901: "Bern, 16. Schewat (= 5. Februar 1901). Ich bringe
freudige Kunde aus den Schweizer Bergen. Die vor einigen Monaten
gegründete Berner Studenten Schass Chewra (Talmud-Verein) feierte
am Vorabend des Chamischa-Asar (gemeint 15. Schewat) eine Sijjum
zum Traktat Nedarim. Zu dem Feste waren als Gäste anwesend: aus Baden
die Herren Rabbiner Dr. Ehrmann und H. Schwarz, aus Basel
Herr Rhein und aus Zürich die Herren Mannes und H.
Kahn.
Nachdem Herr Rabbiner Dr. Ehrmann den Traktat fertig gelernt,
begann Herr Schwarz mit dem Traktat Sanhedrin. Bei dem Festmahle
begrüßte Herr cand. phil. Seliger die verehrten Gäste und dankte ihnen
in warmen Worten für ihr Erscheinen. Er feierte sodann Herrn Rabbiner Dr.
Ehrmann, der in selbstloser Hingebung für das Judentum kämpft und lebt,
dem auch das Zustandekommen des Talmud-Vereins zu danken ist.
Sodann ergriff Herr Rabbiner Dr. Ehrmann das Wort, um die beiden Traktate
in Zusammenhang zu bringen. Er tat dies nicht in einer gekünstelten
Weise, sondern mit tiefer Gründlichkeit. Herr Schwarz aus Baden versuchte
dasselbe und zwar mit ähnlichem Erfolge. Sodann sagten die Herren cand.
phil. Lichtig, Klein und Seliger die Worte Schema..., die mit
großem, wohlverdientem Beifall aufgenommen wurden. Herr Mannes aus
Zürich toastete in herzlichen Worten auf den Präsidenten des Vereins,
Herrn Seliger. Herr Kahn aus Zurück leerte sein Glas auf das Wohl der Vereinsmitglieder,
Herr stud. phil. Klein schilderte sodann in humoristischer Weise die
Schwierigkeiten, mit denen der Verein zu kämpfen habe, und legte
das Gelöbnis ab, dass der Verein ausharren werde um Gottes und
um unserer Tora willen. In wohlgesetzten und begeisterten Worten
sprachen noch die Herren Studenten Lichtig, Adler, Mharschak und Sackind.
Erst um 4 Uhr morgens war das herrliche Fest zu Ende. Die Festesfreude
lebt aber noch fort in den Herzen der Teilnehmer, und sie wird noch lange
nachklingen. Vielleicht wäre noch der trefflich zubereiteten Speisen zu
gedenken, die von der streng koscheren Pension Schneider geliefert wurden.
Das war ein Sijjum, wie ihn Bern seit dem 14. Jahrhundert
sicherlich nicht gesehen hat." |
Fortschritte im jüdischen Gemeindeleben in Bern -
Gründung eines Chewrat Schas (1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 17. November 1902: "Bern, 12. November (1902). Seit
einer Reihe von Jahren führt mich meine geschäftliche Reiseroute zweimal
jährlich in die Schweiz. Mit großem Interesse habe ich den
unverkennbaren Fortschritt verfolgt, der sich in Ausbreitung und
Erstarkung des alten Judentums an vielen Orten daselbst geltend macht.
Woran ein jüdischer Geschäftsreisender dabei zuerst denkt, ist die
Gelegenheit, koscher zu essen. Diese Gelegenheit ist, trotz des fast schon
zehn Jahre bestehenden Schächtverbots, heute viel häufiger, als früher!
und was das Wichtigste ist, es sind zum großen Teil Restaurationen, die
nicht nur dem Namen nach, sondern in Wirklichkeit koscher geführt werden.
Eine solche Restauration ist die von dem Hamburger Verein für rituelle
Speisehäuser empfohlene Pension Schneider, in unmittelbarer Nähe
des Bahnhofes. Was ich dort dieser Tage erlebt habe, hat mich wie ein
Märchen aus Tauschen und Eine Nacht angemutet.
Ich war etwas später als sonst zu Tisch gekommen und hörte auf dem
Korridor laut von mehreren Stimmen Gemara lernen! In Bern Gemara? Bern ist
eine Gemeinde, nicht besser und nicht schlechter als viele andere, die mit
ihren ca. 50 Mitgliedern die ganze Woche hindurch kein Minjan hat, wer
konnte in Bern Gemoro lernen? - 'Das ist die Berner Schaß-Chewro!' (sc. Talmudverein)
wurde mir auf mein Befragen erklärt, eine Erklärung, die mein Staunen
noch erhöhte.
Auf mein Verlangen wurde ich eingeführt und konnte nun zunächst
konstatieren, dass die Berner jüdische Gemeinde an dieser Chewrat
Schass in der Tat ganz unschuldig ist. Es sind ca. zwölf hiesige
Studenten, die hier aus aller Herren Jeschiboth zusammengeströmt sind und
sich zu einer Schaß-Chewro konstituiert haben. Man lernte den
Talmudtraktat Sanhedrin, aber die zwölf Herren, besitzen nur drei
Sanhedrin-Exemplare.
Vielleicht hat diese Mitteilung zur Folge, dass den Herren, die sämtlich
mit irdischen Gütern nicht allzu reich bedacht sind, einige Exemplare des
Talmudtraktates Sanhedrin überlassen werden. Es gibt an vielen Orten
Deutschlands aus der Zeit, in der noch fleißig gelernt wurde, Seforim,
die durch ungenügende Benützung verstauben und vergilben. Eine nicht gut
angebrachte Pietät, möchte diese Seforim lieber von Wärmern verzehren
lassen, als dass sie von Menschen im Eifer des Gefechts beschmutzt oder
gar zerrissen werden. Viele halten diese Seforim wie heilige Reliquien
auch deshalb zurück, weil sie keine Gelegenheit haben, sie an Orten
unterzubringen, an welchen sie richtig benützt werden. Diesen sei die
Schaß-Chewro zu Bern recht warm hierdurch empfohlen. - Adresse: Cand.phil.
Frankl, Pension Schneider in Bern. Äußeres Bollwerk 23. Auch Herr
Rabbiner Dr. Ehrmann in Baden (Schweiz) ist bereit, Exemplare entgegen zu
nehmen und weiter zu befördern."
|
Generalversammlung des Vereins "Zion" in Bern
(1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 20. November 1902: "Bern, 14. November (1902). In Nr.
87 Ihre geschätzten Blattes bringen Sie an leitender Stelle einen
Artikel, betitelt 'Sonderbare Auswüchse', der die Meinung aufkommen
lassen könnte, als wäre Bern eine verstoßene Stadt, als wären
dort nur Elemente, denen die Religion gar nichts bedeutet. Ich will auf
den Artikel nicht weiter eingehen, ich fühle mich nicht dazu berechtigt.
Ich möchte Ihnen nur zur Orientierung einen objektiven Bericht
einsehenden über eine Generalversammlung des |
Vereins
'Zions', der den Gegenstand des allgemeinen Alarms auf seiner Tagesordnung
hatte. Die Versammlung fand am Sonntag, den 2. dieses Monats statt,
wohlgemerkt also vor dem Erscheinen Ihres Artikels.
Der Verein 'Zion' ist die größte zionistische Gruppe am Ort und besteht
gleicher Weise aus Akademikern und Nichtakademikern; alle aber schienen in
gleicher Weise durch den Fall erregt. Herr Vizepräses H. Propser
stellte den folgenden Antrag: 'Der Verein 'Zion' mit den zwei anderen
gleichgesinnten zionistischen Vereinen Berns ersucht das Landeskomitee, es
möge den 'Akademischen Zionistenverein', der durch seinen Beschluss, am
Jom Kippur zu kochen, sich in Gegensatz zum Baseler Programm gestellt hat,
aus der Liste der Schweizer Zionisten-Vereine streichen.' (Land
andauernder Beifall).
Herr cand. phil. Sinnreich unterstützt energisch den Antrag. Nicht
das Häuflein Akademiker, dieser geringe Bruchteil der Berner
zionistischen Akademiker, überhaupt nicht Akademiker und Doktrinäre
fördern die Zionsidee und machen sie aus, sondern die Massen unseres
Volkes im europäischen Osten, das treu an dem Glauben der Väter hänge
und sich keine Angriffe auf denselben bieten lasse. Diese Massen in ihren
heiligsten Gefühlen verletzen, hieße dem Zionismus seine Grube
graben.
Mit gleicher Schärfe sprachen Herr cand.phil. Danzig und cand.
phil. Salkind; der letztere geht schwer mit der Fraktion ins
Gericht, deren Einfluss dem Zufall zuzuschreiben sei, und die aus falsch
verstandenem Individualismus heraus, zugleich unter dem Vorgeben
demokratischer Gesinnung, meine, mit dem geistigen Besitzstand der Massen
willkürlich und selbstherrlich umspringen zu können.
Herr cand. phil. Auerbach führt aus, auch der freisinnige Zionist
müsse nicht weniger entschieden gegen solch unerhörtes Vorgehen Stellung
nehmen. Es bedeute eine Verletzung des historischen Lebensträgers des
jüdischen Volkes, durch das es alle Leiden seines Golusdaseins
überdauern möchte.
Herr Präsident cand. phil. Abrahamsohn demonstriert überzeugend,
welch' großer Schaden die zionistische Agitation bedrohe, wenn solche
Akte Nachahmung fänden, welche scharfe Waffe insbesondere die Gegner des
Zionismus darauf schmieden könnten. Er bekräftigt seine Befürchtung aus
eigener Erfahrung in agitatorischer Arbeit.
Es sprachen in gleichem Sinne Herr Hauser, Schärf, Waldhorn und
andere; keine einzige Stimme wich von dem Grundton ab. Mit
uneingeschränkter Einmütigkeit beschloss die Versammlung:
1) Es wird die schärfste Missbilligung, volle Verachtung und tiefster
Abscheu gegenüber dem Vorgehen des 'Akademischen Zions-Vereins'
ausgesprochen. Gleichzeitig wird auch eine vollständige öffentliche
Lossagung von dem Vereine dokumentiert.
2) Es sei in der Parteipresse diese niederträchtige Handlungsweise nach
Gebühr in schärfster Weise zu tadeln.
3) Es sei in Gemeinschaft mit den zwei anderen Zionsvereinen beim
Landeskomitee der Ausschluss dieses Vereins von der Liste der
schweizerischen Zionsvereine zu beantragen.
Um letzteren Punkt zur Ausführung zu bringen, fand am 4. dieses Monats
eine Vorstands-Konferenz dieser Vereine statt, die auch von einem
Landeskomitee-Mitglied besucht war. Es sind auch Beschlüsse gefasst
worden, dass die drei Vereine sich energisch zur Wehr setzen, mit dem
nciht schmeichelhaft klingenden Namen Zionisten 'Berner Kalibers'
geschmückt zu werden. Die Erklärung soll im 'Israelit' veröffentlicht
werden.
In gleicher Woche haben junge Leute wieder die üblichen Toralern-Kurse,
oder echt jüdische gesagt Schiurim aufgenommen. Es sind zumeist
Herren, die vor dem Examen stehen. Ihren Schiur wollen sie aber
unter keiner Bedingung aufgeben. Diese Herren sind auch Zionisten. Diesen
echt frommen jungen Akademikern und Zionisten 'Berner Kalibers' fällt
wohl auch eine Schuld zu? Hat der Zionismus vielleicht auch diese Herren
zu Jom-Kippur-Regierern gemacht? Das mutet man den Schülern der beiden
Frankfurter Jeschibos zu! Es ist ein Unglück, dass der Akademische Zionistenverein
einen solchen irreführenden Namen trägt. Es ist darum nicht unnötig,
nochmals zu betonen, dass die Jom-Kipper-Regierer einen überaus geringen
Bruchteil der zionistischen Akademiker betragen. Dagegen verkehren in der Pension
Schneider, Sammelpunkt aller Religiösen und Schulchan-Aruch-Juden, sowie
National-Juden, fromme, streng-fromme Studenten, denen der Zionismus doch
eine ehrliche Sache ist. Gottfried Freudmann, cand.phil."
. |
Vortragsreihe an der Universität zugunsten der
notleidenden Juden in Rußland (1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Dezember
1905: "Bern. Ein schöner Gedanke wird zur Unterstützung der
Notleidenden in Russland von der hiesigen Universität in den nächsten
Tagen in die Tat umgesetzt. Es wird ein Zyklus von vier Vorträgen
veranstaltet, die alle das Wesen der Toleranz behandeln. Professor Dr.
Stein spricht über 'Toleranz in der Philosophie', Professor Dr. Marti
über 'Toleranz in der Religion', Professor Dr. Hilty über 'Toleranz im
Staatsrecht', Professor Dr. Woker über 'Toleranz in der Universalgeschichte'.
Der Ertrag der Veranstaltung wird dem erwähnten Zwecke
zugeführt." |
Allgemeine Zionistenversammlung des Akademischen
Zionisten-Vereins in Bern (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. März
1906: "Bern. Eine allgemeine Zionistenversammlung einberufen
vom Akademischen Zionisten-Verein in Bern hat nach einer Reihe von
vorausgegangenen Vorträgen und Debatte folgende Resolution mit allen gegen
4 Stimmen angenommen: In Erwägung, dass das Mittel zur Erreichung des
Zionistischen Endziels das Basler Programm in erster Linie 'die
zweckdienliche Förderung der Besiedelung Palästinas durch jüdische
Ackerbauer, Handwerker und Gewerbetreibende' bezeichnet und dass der VII.
Kongress sich in einer klar und deutlich abgefassten Resolution im selben
Sinne ausgesprochen hat, in Erwägung gerner, dass trotz allen
politischen, finanziellen und technischen Schwierigkeiten, sowie der bei
solchen Unternehmungen gebotenen Vorsicht dennoch die Möglichkeit besteht,
jetzt schon große Ländereien und verschiedene Konzessionen in Palästina
zu erwerben, die Entstehung neuer Ansiedelungen zu fördern und die alten
durch verschiedene soziale Wohlfahrtseinrichtungen kulturell und
ökonomisch zu heben, sowie durch ein rationelles System billiger
Kreditgewährung eine Anzahl für die Urbarmachung des Landes höchst
wichtiger privater Unternehmungen ins Leben zu rufen,
dass in der trostlosen Lage in der sich unser Volk befindet, sich die
Augen vieler erwartungsvoll auf den Zionismus richten und derselbe als die
populärste jüdische Volksbewegung endlich von der Propaganda zur Tat
überzugehen und mit der unmittelbaren realen Arbeit in Palästina zu
beginnen at, will er sich nicht der Gefahr aussetzen, das Vertrauen der
breiten Massen nicht allein, sondern auch eines Teiles der Parteianhänger
einzubüßen,
dass bei der gegenwärtigen intensiven Emigration der östlichen Juden ein
teil der Emigranten, darunter auch mehr oder weniger Wohlhabender, sich
auf eigene Initiative nach Palästina begibt und bei einem orientierenden
und informierenden Beistand seitens unserer zionistischen bestehenden und
noch ins Leben zu rufenden Institutionen sich daselbst niederlassen würde,
um Handel und Gewerbe zu treiben,
ladet der A.Z.-V. in Bern das zionistische A.-K. ein, unverzüglich eine
lebhafte praktische Tätigkeit in Palästina in der oben angedeuteten
Richtung zu entfalten, die vom A.-K. bereits gefassten diesbezüglichen Beschlüsse,
wie die Eröffnung von neuen Bankfilialen, Auskunftsbüros,
Arbeitsnachweisen usw., ohne Aufschub zu realisieren und mit Anspannung
aller Kräfte denjenigen jüdischen Emigranten, die auf eigene Initiative
nach Palästine gehen und mitunter recht beträchtliche Kapitalien zur Verfügung
haben, mit Rat und Tat beizustehen, um ihnen den dauernden Verbleib im
Lande zu ermöglichen.
Der A.Z.-V. in Bern richtet hiermit zugleich die Aufforderung an die
gleichgesinnten Zionistenvereine allerorten, sich auf den Boden obiger
Resolution zu stellen und ihre diesbezüglichen Beschlüsse öffentlich kundzugeben."
|
Aufruf an die jüdisch-nationalen Studentenverbindungen
zur Gründung eines "Weltbundes aller zionistischen Korporationen"
(1906)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14.
Dezember 1906: "Bern. Die jüdisch-nationale
Studentenverbindung 'Kadimah' versendet folgenden Aufruf: Aufruf
an die jüdisch-nationalen Studentenverbindungen aller Hochschulen.
Kommilitonen! Im Rahmen der Zionistischen Bewegung fällt den jüdischen Studenten,
als zukünftigen Trägern und Verkündern der nationalen Idee, eine große
Rolle zu. Auf Jung-Juda ist das Auge der Welt, die Hoffnung aller Juden
gerichtet; ihm, dem Inhaber jugendlicher Kraft und fröhlichen Muts liegt
es vorzüglich ob, den für das jüdische Volk arbeitenden und in langem,
schwerem Kampfe ermatteten Männern Israels das Joch ertragen zu helfen.
Dass die jüdische Studentenschaft diesen auf sie mit Recht gesetzten Erwartungen
nicht in jeder Weise entsprach, ist vielleicht nicht gerade in der Ermangelung
ihrer Begeisterung für das jüdische Interesse, sondern viel eher in der
ungenügend flotten und planmäßigen Organisiertheit zu suchen, welche
scheinbar die jüdischen Korporationen auszeichnet, ohne dass wir in der
Tat dieses Rufes würdig wären. Die jüdischen Korporationen arbeiten,
abgesehen von einigen Kartellen und Reichsverbänden an dem Aufschwung des
jüdisch-nationalen Gedankens ganz unabhängig voneinander, jede in und
für ihre Umgebung, obwohl der Anschluss und die Zusammenschweißung
sämtlicher zionistischer Korporationen, schon infolge der Gemeinsamkeit
ihrer Interessen, viel sicherere, raschere und hauptsächlich dauerndere
Leistungen zu Tage fördern könnte. Von solchen Grundsätzen ausgehend,
treten wir an euch mit dem Vorschlage eines
'Weltbundes aller zionistischen Korporationen',
indem wir euch gleichzeitig die von uns zu diesem Zwecke ausgearbeiteten Statuten
behufs Genehmigung vorlegen:
§ 1. Der Weltbund zionistischer Korporationen macht sich die Vereinigung
sämtlicher auf dem Boden des Zionismus stehenden jüdischen Studentenverbindungen
zur Aufgabe.
§ 2. Der W.B.Z.K. hat zum Zweck das gemeinsame Vorgehen aller
zionistischer Korporationen in allen den Zionismus und das Judentum
angehenden Fragen und nach Möglichkeit für den Zionismus in akademischen
kreisen Propaganda zu machen. |
§
3. Als Mittel zur Erreichung des (in § 2) angegebenen Zieles dienen: a)
Die Einberufung von Konferenzen aller dem W.B.Z.K. angehörenden
Korporationen, die sowohl über die Lage der jüdischen Studenten, als
auch über allgemeine jüdische Zeitfragen zu bearten haben. b) Die
Veröffentlichung von Broschüren und Flugschriften. c) Die Herausgabe
eines die Interessen des W.B.Z.K. verfechtenden, periodisch erscheinenden
Organs.
§ 4. Sämtlichen dem W.B.Z.K. zugehörigen Korporationen wird es zur
Pflicht gemacht, sich gegenseitig mit allen ihnen zu Gebote stehenden
Mitteln zu unterstützen.
§ 5. Zur Herbeischaffung der erforderlichen Geldmittel dienen die
Korporationsbeiträge, welche je nach der Mitgliederzahl der betreffenden
Korporation proportionell erhoben werden.
§ 6. Die Leitung des W.B.Z.K. liegt in den Händen eines, für die Dauer
eines Jahres gewählten Vorstandes, bestehend aus Präsidium, Sekretariat
und Kassaverwaltung.
§ 7. Der Leitung steht das Einberufungsrecht der Konferenz zu.
§ 8. In den Machtbereich der Konferenz fällt: a) Aufstellung der
Tagesordnung. b) Wahl der Leitung. c) Beschlussfassung über Aufnahme oder
eventuellen Ausschluss von Verbindungen.
§ 9. Für die Beseitigung eventueller Streitigkeiten zwischen den zum
W.B.Z.K. gehörenden Korporationen wird ein ausschließlich zu diesem
Behufe gewählter E.R. (Ehrenrat) eingesetzt.
§ 10. Die Devise des W.B.Z.K. lautet: 'Mit vereinter Kraft für Volk und
Vaterland'.
Wir bestehen nicht ausdrücklich auf die Annahme dieser Statuten ohne
jedwede Modifikation, sondern sind gerne bereit, jeglichen Vorschlag, es
sei denn, dass derselbe die Erweiterung oder Einengung obiger Statuten
bedeute, insofern er den Prinzipien unserer Bestrebungen nicht
zuwiderläuft, und sich praktisch ausführen lässt, zu prüfen, und nach
Gebuhr zu berücksichtigen. Wir sind der starken Zuversicht, dass es keine
jüdisch-nationale Korporation versäumen wird, diesen Aufruf ihrem
Konvente zwecks ernster Durchberatung vorzulegen und uns die darüber
gefassten Beschlüsse oder eventuellen Anträge umgehend
mitzuteilen. Mit Kampfesruf und Zionsgruß!
Die jüdisch-nationale Studenten-Verbindung Kadimah, Bern.
Adresse Bern (Schweiz), Restaurant Schäfer, Kornhausplatz." |
Literarisch-musikalische Soiree des Vereins
Talmud-Thora (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 15. März 1907: "Bern (Schweiz). Der Verein
Talmud-Thora, dessen Zweck es ist, den Kindern der hier aus Osteuropa
eingewanderten Juden einen gediegenen hebräischen Unterricht angedeihen
zu lassen, veranstaltet am 3. März dieses Jahres eine
literarisch-musikalische Soiree mit nachfolgendem Tanz, die einen
ausgezeichneten Verlauf nahm. Zu der Veranstaltung hatten sich
eingefunden:
Herr Prof. Dr. Mai, Herr Boneff, Präses der jüdischen Kultusgemeinde
Bern, die Vertreter der jüdischen akademischen Korporationen an unserer
Universität und ein zahlreiches aus allen Kreisen der jüdischen
Bevölkerung Berns sich rekrutierendes Publikum.
Herr cand. phil. Rosner begrüßte das Publikum und erteilte Herrn
cand. phil. S. M. Melamed das Wort zu der Festrede 'Nationale
Erziehung und nationale Kultur'. - Über die mit großem Beifall
aufgenommene Festrede des Herrn Melamed brauchen wir hier nicht zu
berichten, da sie in Bälde auf anderem Wege einer größeren
Öffentlichkeit bekannt gegeben werden wird.
Herr cand. phil. Eugen Lewin, ein wahrer Virtuos der Rezitation,
trug 'Sturm' von Moritz Rosenfeld vor und erzielte sowohl für den Dichter
als für seinen Vortrag großen Beifall-.
Hierauf trugen mehrere Knaben und Mädchen hebräische Gedichte und Weisen
vor, die dem Abend sein eigenartiges Gepräge gaben. Am musikalischen Teil
wirkten gütigst Herr Carl Rittmann, Mitglied des hiesigen
Stadttheaters, Herr Prof. Dr. Mai, der Komponist von 'Braut von
Messina', und Herr Wilhelm Onken, Sohn des hiesigen
Universitätsprofessors Dr. A. Onken, mit.
Den zweiten Teil des Abends füllten Tanz und Tombola aus. - Die
Veranstalter des Abends dürfen sowohl mit dem materiellen, als auch mit
dem moralischen Erfolg des Abends zufrieden
sein." |
Generalversammlung des Talmud-Tora-Vereins (1908)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 13. März
1908: "Bern (Schweiz). Verein Talmud-Tora. In der
Generalversammlung erstattete der Vereins-Präsident, Herr Herrmann
Hauser, den Bericht, dem zufolge sich die Einnahmen vom 10. März 1907
bis zum 31. Januar 1908 auf insgesamt 2415 Francs und die Ausgaben
auf 24122 Francs beliefen. Das Total des Vereinsvermögens beträgt
486.42 Francs. Der Finanzbericht wurde mit Genugtuung aufgenommen und dem
Vorstande, der aus den Herren Hermann Hauser, N. Kämpf, J. M. Melamed und
Schermann besteht, der Dank des Vereins ausgesprochen.
Über die innere Lage des Vereins referierte Herr J. M. Melamed.
Der Verein wird von 50 Kindern beiderlei Geschlechts besucht. Die
Gegenstände des Unterrichts, der in hebräischer Sprache erteilt wird,
sind: Hebräische Sprache, Gesetzeslehre, jüdische Literatur und
jüdische Geschichte. Das Lehr-Programm wird von der Schulkommission, die
aus den Herren Dr. J. Rablein, Hurwitz, Melamed, Waldhorn und Rosenfeld
besteht, ausgearbeitet. Die Kommission wacht über den Unterricht und die
Einhaltung des Programms. Die letzthin abgehaltenen Prüfungen haben ein
gutes Resultat ergeben. Ein großer Teil der Schulkinder spricht geläufig
hebräisch, und mit den anderen Kindern kann man sich ebenfalls hebräisch
verständigen. Der Religionsunterricht ist erweitert worden.
Zum Vorstand für das nächste Jahr werden bestellt die Herren H.
Hauser, Scheinmann, Kämpf und J. M. Melamed."
|
Gründung eines orthodox geprägten Vereines jüdischer
Akademiker "Tachkemonia" (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juni
1908: "Bern, 1. Juni (1908). An unserer Universität, die von
einigen hundert jüdischen Studenten besucht wird, hat sich schon längst
in den Kreisen der gesetzestreuen jüdischen Hochschüler das Bedürfnis
geltend gemacht, einen Zusammenschluss sämtlicher Gesinnungsgenossen
herbeizuführen. In diesem Semester ist dieser lang und heißt ersehnte
Wunsch endlich zustande gekommen. Es wurde hier vor ungefähr 2 Wochen ein
Verein jüdischer Akademiker, die auf dem Boden des gesetzestreuen
Judentums stehen, begründet. Der Verein, der den Namen 'Tachkemonia'
führt, hat es sich zunächst zum Ziele gesetzt, sämtliche
Gesinnungsgenossen zu einem einheitlichen Bunde zu vereinigen und somit
einen Austausch der Ideen zu bewerkstelligen. Ferner hat der Verein einen Gemara
Schiur eingerichtet, der täglich abgehalten wird. Ebenso hat er einen
Zyklus von wissenschaftlichen Vorträgen auf dem Gebiete der Religionsphilosophie,
die allsabbatlich und an jedem Feiertage abgehalten werden, eingeführt.
Außerdem geht die Tendenz des Vereins dahin, eine Zeitschrift 'Tachkemauni'
herauszugeben, in der wissenschaftliche Aufsätze, sowie die Vorträge,
die von den Mitgliedern allsabbatlich gehalten werden, in Druck erscheinen
zu sollen." |
Über die "1. Konferenz zionistischer Studenten aus Osteuropa" und die
"Landeskonferenz für hebräische Sprache und Kultur"
(1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 26. April
1912: "Brief aus Bern.
Bern! Ein Name, der in der Geschichte der Renaissance des Judentums eine
hübsche Anzahl von Blättern in Anspruch nehmen wird. Hat doch Bern schon
so manchen jüdischen Pionier, so manchen Kämpfer für hebräische
Sprache und Kultur hervorgebracht! Auch heute kann man hier die Töne der
hebräischen Sprache im Bahnhof, in der Tram, in der Universität, auf den
Straßen vernehmen.
Letztere Tatsache lässt schon ahnen, dass unter den jüdischen Studenten
Berns, deren Anzahl sich jetzt auf ungefähr 350 beläuft, ein rege
pulsierendes jüdisches Leben herrscht. Und in der Tat ist dem auch so.
-
Vor allem ist hier der akademische zionistische Verein zu nennen. Dieser
hat sch in der jüdischen Kolonie Berns, unter den alteingesessenen
schweizerischen Juden und auch bei der christlichen Bevölkerung hindurch
Popularität erworben, dass er alle zwei Woche Referate über jüdische
wissenschaftliche und aktuellpolitische Themen, manchmal auch öffentliche
Vorträge und Unterhaltungsabende veranstaltet.
Eine ersprießliche Tätigkeit entfaltet auch die Vereinigung 'Ibriah
nut ihren hebräischen Sprachkursen und Vorträgen.
Ist nun auch das jüdische Leben unter den jüdischen Studenten Berns ein
ziemlich reges, - freilich gibt's auch hier zahlreiche Assimilanten -, so
erreichte es im letzten Monat seinen Höhepunkt, als vom 5.-9-. März die erste
Konferenz zionistischer Studenten aus Osteuropa und die Landeskonferenz
für hebräische Sprache und Kultur - ein Zweig der bekannten 'Histadrut
lasasa ultarbuth ibrit' in Berlin - hier tagte. Die Geburtsstätte des
Gedankens einer Organisation der zionistischen Studenten war der letzte
Zionistenkongress in Base. Der Initiator war Prof. Ornstein (Holland), der
eine Weltorganisation zionistischer Studenten vorschlug. Freilich wurde
diese Idee nicht in die Tat ungesetzt. Jedoch eins geschah: Die
zionistischen Studenten aus Osteuropa, die im Westen studieren,
organisieren sich. Es wurde damals ein vorbereitendes Komitee auf fünf
Personen gewählt das nun die erwähnte Konferenz einberief.
Zu der Konferenz hatten sich Delegierte aus München, Basel, Genf,
Lausanne Nancy, Liège (Belgien) und Bern eingefunden. Die Verhandlungen
nahmen einen überaus befriedigenden Verlauf. Es seien hier die
wichtigsten Beschlüsse wiedergegeben:
1. Die Konferenz anerkennt das palästinensische Prinzip als den
Hauptpunkt in der Arbeit der Organisation.
2. Die Mitglieder der Organisation sind verpflichtet, Palästina zum
Mittelpunkte auch ihres Privatlebens zu machen und zu diesem Zwecke sich
allen Ernstes, wissenschaftlich und praktisch, für Palästinaarbeit
vorzubereiten.
3. Die Zweigvereine sind verpflichtet, Kurse für Palästinakunde einzurichten,
und die Mitglieder müssen dieselben besuchen. Das Zentralkomitee hat die
Aufgabe, einen Prospekt für Palästinakunde auszuarbeiten und ihn an
sämtliche Zweigvereine zu versenden.
4. Die Zweigvereine müssen sich mit den Senaten der betreffenden Universitäten
in Verbindung setzen behufs Einführung von Vorlesungen über
Palästinakunde.
5. Die Mitglieder der Organisation sind verpflichtet, sich zu bestreben,
dass sie als Doktorarbeiten Themen erhalten, die mit Palästina einen
Zusammenhang haben, um auf diese Weise einen aktiven Anteil in der
Palästinakunde im engeren und weiteren Sinn des Wortes zu nehmen. Die
Studenten der Jurisprudenz - über türkisches und arabisches Recht, über
das hebräische Leben und dessen gesetzliche Fundamentierung in unseren
palästinensischen Kolonien, die Naturwissenschafter über das Land,
Fauna, Flora und dergleichen, die Philosophen - über Themen aus der
arabischen Literatur und semitische Philologie.
6. Das Zentralkomitee hat die Aufgabe, von Zeit zu Zeit Broschüren über
Palästinafragen zu veröffentlichen.
Die Landeskonferenz für hebräische Sprache und Kultur wurde durch
Schriftsteller S. A. Horodezky und den Dichter Jakob Kahn
einberufen. Nach längerer Berichterstattung über die Tätigkeit der
Ibriah-Vereine in der Schweiz wurden einige wichtige Resolutionen
angenommen, die die Propaganda für Hebräisch in der Schweiz betreffen.
M.B." |
Über die Gründung einer Organisation zionistischer Studenten
aus Osteuropa in Bern (1912)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 23. August 1912: "Bern. Die Leser des 'Frankfurter
Israelitischen Familienblattes' werden sich noch erinnern, dass hier, im
März eine Organisation zionistischer Studenten aus Osteuropa
begründet wurde. Auf der Gründungskonferenz, die damals in Bern
drei Tage hindurch tagte, und zu der sich Delegierte aus Liège, Nancy,
München, Lausanne, Basel, Genf und Bern eingefunden hatten, wurde auch
beschlossen, eine hebräische Zeitschrift herauszugeben.
Nun ist das auch geschehen. Vor mir liegt die erste Nummer des 'Hechawer'
- so heißt die Organisation selber wie auch ihr Organ -, der vorläufig
zweimal im Semester erscheinen soll. Für denjenigen, der sich für die
Bestrebungen der jüdischen Studentenschaft interessiert, bietet der
'Hechawer' des Interessanten genug, wie bereits der nachfolgende Inhalt
der ersten Nummer zeigt: 1. Unser Programm, 2. Die Aufgaben unserer
Organisation in der Palästinaarbeit, 3. Zur Frage einer jüdischen
Universität in Palästina, 4. Aus dem Leben der 'Kolonien' (gemeint sind
die Kolonien der osteuropäischen Juden in der Schweiz), 5. Organisation
von Zweigvereinen, 6. Protokoll der Konferenz, 7. Welt der jüdischen Studenten,
8. Bibliographie, 9. Feuilleton.
Interessenten mögen sich an M. Brand, stud.phil.,
Schopenhauerstraße 19, Frankfurt am Main wenden.
Die Nummer kostet 30 Centimes". |
Zweite Plenarversammlung des Komitees "Pro Causa
Judaica" in Bern (1916)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. September 1916: "Bern, 22. September (1917). Am
3. dieses Monats fand hier die zweite Plenarversammlung des Komitees 'Pro
Causa Judaica' statt. Präsident Dreyfus-Brodsky erstattete den
Bericht über die Tätigkeit des Komitees seit seiner letzten
Plenarversammlung vom 3. Mai. Nach Beendigung der organisatorischen
Vorarbeiten trat die Pro Causa Judaica durch Veröffentlichung ihres
Manifestes in der in- und ausländischen Presse in die Öffentlichkeit.
Das im Manifest enthaltene Programm der Pro Causa Judaica-Forderung der
Gleichberechtigung in Russland und Rumänien und Behandlung der Frage
kolonisatorischer Emigration wurde sowohl in jüdischen als auch in
christlichen, zum Teil einflussreichen kreisen günstig aufgenommen, und
die Tätigkeit d3es Komitees erfuhr lebhafte moralische und materielle
Unterstützung. Das Komitee setzte sich sodann mit den Organisationen der
neutralen Juden Europas und Amerikas in Verbindung, um sie zu gemeinsamer
und einheitlicher Arbeit zwecks Besserung der Lage der in Osteuropa
bedrückten Brüder zu gewinnen. Auch mit den jüdischen Organisationen
der kriegführenden Staaten ist das Komitee in informative Fühlung
getreten. Überall wurde die Initiative der Pro Causa Judaica freudig
begrüßt und auch tätige Mitwirkung von vielen Seiten zugesichert.
Daneben wurde die Aufklärungsarbeit in der Schweiz selbst in Wort und
Schrift eifrig betrieben. In einigen Staaten steht auch die Gründung von
der Pro Causa Judaica ähnlichen Komitees bevor. Nach Genehmigung der
Berichts fasste die Versammlung mehrere Beschlüsse für die weitere
Tätigkeit der Pro Causa Judaica und legte deren allgemeine Richtlinien
fest." |
Gedenkfeier für die Opfer der Pogrome in Galizien
(1919)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Januar 1919:
"Bern, im Januar (1919). Eine ergreifende Gedenkfeier für die
Opfer der Pogrome in Galizien und besonders in Lemberg fand hier im Kasino
statt. Der sonst Festlichkeiten dienende Bürgerratssaal war schwarz
drapiert, und es griff ans Herz, als die Studentenverbindung 'Kadimah' mit
der schwarz umflorten Fahne das Podium betrat. Man hatte mit Absicht
anstatt eines Protestes eine Gedenkfeier gewählt, um den Polen jede
Handhabe zu nehmen, wiederum zu behaupten, es handle sich hier um deutsche
Propaganda gegen Polen. Die Beteiligung war vorwiegend christlich und der
Saal war noch vor der festgesetzten Zeit bis auf den letzten Platz
gefüllt. Schriftsteller
Berthold Feiwel betonte in seiner Gedenkrede, dass er nur klagen,
aber nicht anklagen wolle, aber diese Klage erhebt sich zu einer
furchtbaren Anklage gegen Polen, welches das Morgenrot seiner Freiheit zu
Pogromen missbraucht, die selbst die allrussischen Pogrome stark in Schatten
stellen. Der politische Charakter der Pogrome liegt in dem
Umstande, dass Polen Ostgalizien nur dann an sich reißen könne, wenn es
die Juden einfach für sich mitzählen kann. Hierauf bestieg der älteste
Pfarrer von Bern das Podium, Pfarrer Dr. Ryser, der auch der
Präsident der Schweizer Kirchensynode ist, warf zuerst die Frage auf, was
er als Pfarrer der christlich-reformierten Kirche bei einer Gedenkfeier
für jüdische Märtyrer zu tun habe? Und seine Antwort war: 'Man müsste
einen Stein und nicht ein Herz im Leibe tragen, wenn man da die Stimme der
Entrüstung nicht erheben sollte. Er protestiere im Namen des Christentums
gegen die Grausamkeiten, die in Galizien und ganz besonders in Lemberg
vorgekommen sind. Fromme, ehrwürdige Juden, die sich schutzsuchend ins
Gotteshaus flüchteten, bei der Tora Zuflucht suchten, wurden mitsamt den
Torarollen und dem Gotteshause verbrannt. Es hätte da gar keinen Zweck,
dazu zu schweigen und sich hinter dem Deckmantel der Neutralität zu
verbergen, denn hier handelt es sich nicht um Ländereien, sondern um
Menschen wie wir. Glauben etwa die Christen den Juden grollen zu dürfen,
weil sie vor zweitausend Jahren unseren Heiland haben kreuzigen lassen?
Viel edler sei es aber, ihnen zu danken, dass sie uns den Heiland
geschenkt haben:' - Der Münsterpfarrer, Professor
Dr. Hadorn, sprach im Namen der evangelisch-theologischen
Fakultät der Universität Bern. Er erklärte, das gesamte Christentum,
nicht nur das reformierte, müsse sich gegen die polnischen Gräueltaten
erheben. Er erhofft in Palästina eine Zufluchtsstätte für die
bedrängten Juden und erwartet, dass Jerusalem für die Juden das werde,
was Rom für das Christentum ist. - Zuletzt sprach Prediger J.
Messinger von der Jüdischen Gemeinde Bern. Er führte aus, dass
ursprünglich diese Gedenkfeier im Gotteshause geplant gewesen sei, im
Laufe des Abends habe sich aber dieser Saal in ein Gotteshaus verwandelt;
von der Tiefe der blutigen Pogrome sind wir auf Sinais Höhen gelangt.
Sein Schlussgebet klang in einem 'Jiskor' aus, welches von der ganzen
Versammlung stehend angehört wurde. Die Leitung des eindrucksvollen und
nachhaltig wirkenden Abends lag in den bewährten Händen des Schriftstellers
York-Steiner." |
Achad Haam ist in Bern eingetroffen (1920)
Anmerkung: Bei Achad Ha'am handelt es sich um Ascher Hirsch Ginsberg
(1856-1927); weitere Informationen im Wikipedia-Artikel
Achad Ha'am.
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 6. Februar 1920: "Zürich. (J.P.Z.) Achad Haam
ist mit Tochter in Bern eingetroffen. Er will zur Kräftigung
seiner Gesundheit zwei Monate in der Schweiz bleiben". |
Der Berner Prozess um
die sog. "Die Protokolle der Weisen vom Zion"
(1935)
Anmerkung: in einem Gerichtsprozess ("Berner Prozess", der zwischen
1933 und 1935 in Bern stattfand, wurden die antisemitischen Protokolle der
Weisen von Zion zur Schundliteratur erklärt und deren Herausgeber zu einer
Geldstrafe verurteilt. Das Urteil wurde jedoch im November 1937 als
formaljuristischen Gründen kassiert. Nachstehend wir nur ein Artikel
wiedergegeben, in dem über den Prozess berichtet wird.
Literaturhinweis (Neuerscheinung Oktober 2011):
Sibylle Hofer: Richter zwischen den Fronten. Die Urteile des Berner Prozesses um
die 'Protokolle der Weisen von Zion' 1933-1937. Verlag Helbing Lichtenhahn 2011.
224 S. ISBN 978-3-7190-3144-2. CHF 48.- €
37.- Weitere
Informationen auf einer eingestellten pdf-Datei.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai
1935:
"Der Berner Prozess um die 'Protokolle'. Bern, 6. Mai (1935).
Die Gutachtenerstattung durch Oberstleutnant a.D. Fleischhauer nahm
ganze vier Tage in Anspruch. Der Gerichtsvorsitzende erklärte auf eine
Anfrage der anderen Prozessbeteiligten, wie lange die Verhandlung noch
dauern sollte, man habe nach dem in der Schweiz geheiligten Grundsatz der
freien Meinungsäußerung dem Experten unbegrenzte Redezeit gelassen, er
bitte ihn aber, da sein Gutachten schriftlich vorliege, sich selbst eine
gewisse Beschränkung aufzuerlegen, umso mehr, als das Gutachten
Baumgartens nur drei Stunden erforderte. Fleischhauer erwiderte darauf,
sein Gutachten gehe tiefer auf die Dinge ein, als die der anderen und so
müsse er sich unbeschränkt Zeit lassen.
Der Vorsitzende verwahrt sich energisch gegen einen Aufsatz in der Zeitung
'Alemanen', in dem er als 'Judensöldling' bezeichnet wird. Es werden auch
andere Proteste und Gegenproteste von Prozessbeteiligten verlesen.
In seinen weiteren Ausführungen geht Fleischhauer auf die Herzl'schen
Schriften ein, besonders auf den Roman 'Altneuland', aus dem er Andeutung
auf die 'Protokolle' herausliest. das Judentum wolle nciht verraten, wo
sich sein geheimes Staatsarchiv befinde und wer heute der 'oberste
offizielle Weise' |
sei.
Bekannte Renegaten, die er bei Namen nennt, hätten die Echtheit der
'Protokolle' zugegeben. Der Experte besteht darauf, dass 1897 neben dem
offiziellen Zionistenkongress noch eine Geheimversammlung des Orden
'Bne Brith' stattgefunden hätte, in der die Protokolle verfasst worden
seien. Sämtliche Zionisten seien Mitglieder der Bne Brith-Loge. Die
Echtheit der Protokolle sei durch den Charakter der Juden innerlich
bestätigt. Zum Schluss bringt der Experte die 'Ernsten Bibelforscher'
(eine bekannte christliche Sekte) mit Juden in Verbindung. Diese
förderten die religiös politische Weltherrschaft der Juden genau wie die
Zionisten deren staatspolitische Weltherrschaft. Nach dem Programm der Ernsten
Bibelforscher, die sich nach seiner Auffassung nur äußerlich als christliche
Gesellschaft tarnen, im Innern aber jüdischen Zielen dienen, 'werde
Jerusalem die künftige Welthauptstadt sein und Abraham werde vom Berge
Zion aus die Geschicke der ganzen Welt mittels vollkommener
Rundfunkstationen lenken; alle Nichtjuden würden durch Beschneidung zu
Juden gemacht werden.' Die Protokolle seien aus der gleichen Gedankenwelt
geboren wie das Programm der 'Bibelforscher' und der Freimaurer,
die auch für den Mord des österreichischen Thronfolgers verantwortlich
seien. Die Frage, ob das Buch über die Protokolle unter den Begriff Schundliteratur
falle, beantwortet Fleischhauer mit einem Angriff auf den Talmud und die
jüdische Religion. So lange der Talmud freigegeben sei, könne die
Schrift über die zionistischen Protokolle nicht als Schundliteratur
bezeichnet werden.
Am Montag äußerte sich Professor Baumgarten zu einigen Punkten
des Fleischhauer'schen Gutachtens. Es stehe für ihn außer Zweifel, dass
es eine jüdische Geheimrehgierung nicht gibt. Es gehe nicht an,
die Weltgeschichte einzig unter dem Gesichtspunkte der Judenfrage zu
sehen. Judenverfolgungen hätten niemals den Völlern aus ihrer Not hinweggeholfen.
Fleischhauer kenne nur die Juden, auf die er sich berufe, die Renegaten;
ein Volk, das aber die Propheten, den Stifter und die Apostel
hervorgebracht hat, dürfe nicht so bewertet werden. Er wendet sich auch
gegen die Bewertung der jüdischen Ärzte durch Fleischhauer. Er,
Baumgarten, sei kein unbedingter Judenfreund, wenn er sich aber die Juden
vergegenwärtige, denen er im Leben begegnete, so müsse er bekennen,
welche wundervolle Menschen er da angetroffen und wie viele herrliche
Beispiele von Selbstlosigkeit er da erlebt hat. Wollte man sich immer nach
Zitaten richten, dann könnte man jedes Volk moralisch in Grund und Boden
verurteilen, denn über alle Völker sei schon Schlechtes gesagt worden.
Man dürfe nicht, wie es die Talmudbeurteiler tun, von Dingen sprechen,
von denen man nichts verstehe. Auf die 'Protokolle' zurückkehrend, weist
der Sachverständige nochmals nach, dass diese von Anfang bis zum Ende
eine Satire auf die Diktaturpläne Napoleons III. dargestellten und
später von der russischen Geheimpolizei in eine jüdische
Weltverschwörung umgefälscht wurden. Es sei absurd, den edlen, stille
Achad Haam mit dieser Fälschung in Verbindung zu bringen. Den
Tagebüchern Herzls stehe auch er, Baumgarten, in manchem kritisch
gegenüber. Tagebücher seien aber keine historischen Dokumente und man
könnte aus Tagebüchern anderer bekannter Persönlichkeiten noch weit
Schlimmeres herauslesen. Dass die Juden sich als auserwähltes Volk
bezeichnen, komme aus ihrem religiös stark fundierten nationalen Stolze,
der aber auch anderen Völkern nicht fremd sei.
Nach Baumgarten kommt der gerichtlich bestellte Obergutachter,
Schriftsteller C.A. Loesli, zu Wort. Als Teilnehmer an dem ersten
Kongresse verneint er kategorisch, dass die zionistischen Führer, wie
überhaupt der Zionismus, je etwas Anderes erstrebt hätten als eine
rechtlich gesicherte Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina.
Er schließt sich im Ganzen dem Gutachten Baumgartens an, dessen einzelne
Punkte er mit den wahren Protokollen der Kongressverhandlungen belegt. Auf
Grund von Urkunden steht fest, dass die Sammlung von Grundlagen für die
Fälschung der 'Protokolle' seitens der russischen Ochrana (politische
Geheimpolizei) bereits im Jahre 1884 begann. Als erwiesen ist zu
betrachten, dass die 'Protokolle |
in
ihrer annähernd endgültigen französischen Fassung unter der Anleitung
Ratschkowskys, Leiters der russischen politischen Geheimpolizei im Ausland
im Jahre 1905 in Paris angefertigt und später noch ergänzt wurden. Die Fälschung
diente internen russischen Motiven und sollte dem Zaren beweisen, dass es
die Juden seien, welche sich gegen die damalige russische Staatsverfassung
verschworen und die jüdische Weltherrschaft anstrebten. Damit sollte dem
Zaren weisgemacht werden, dass die russische Bevölkerung mit seinen
Regierungsmethoden zufrieden sei. Die an der Aufrechterhaltung des
Absolutismus interessierten Kreise wollten verhindern, dass der Zar auf
den Gedanken komme, Reformen einzuführen, die ihre Macht hindern
könnten. Die Frage, ob Beweise vorliegen, dass die 'Protokolle' aus
politischen Motiven gefälscht worden sind, muss bedingungslos bejaht
werden. Der Sachverständige stellte in Übereinstimmung mit einer im
Jahre 1921 von der großen englischen Zeitung 'Times' durchgeführten
Untersuchung fest, dass die 'Protokolle' judenfeindlichen und anderen
politischen Zwecken dienten. Sie boten den Anlass zu Judenpogromen und
haben überall, wo sie sich auswirkten, furchtbare Folgen
gehabt.
Auch nicht eine einzige Behauptung der Befürworter der Echtheit der
'Protokolle' hält einer unbefangenen, ernsthaften Prüfung stand.
Überall, wo der Wahrheitsbeweis versucht wird, verwickeln sich die
Beweisführer in Widersprüche.
Der Sachverständige kommt zum Schluss, dass das Buch über die
'Protokolle' in literarischer Hinsicht unbedingt unter den Begriff der 'Schundliteratur'
falle." |
Berichte über einzelne Personen in der jüdischen Gemeinde und an der
Universität in Bern
Einige Mitteilungen von Dr. Simon Weil in
Walkringen, u.a.: Herr Bloch ist zum Gemeindevorsteher in Bern wiedergewählt
(1850)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Mai
1850: "Walkringen bei Bern, 19. April (1850). Vor wenigen
Wochen hatte ich die Ehre, Ihnen einen Aufsatz über die bürgerliche
Aufnahme des Herrn Professors Valentin, über die wahrscheinliche Nichtaufnahme
der aargauischen Juden ins Bürgerrecht von Seiten des dortigen
Verfassungsrates etc. einzusenden.
Es ist Ihnen aber, wie es mir scheint, ein falscher Bericht zugekommen,
dass Herr Professor Valentin nicht angenommen sei. Sie werden es
aber aus meinem Bericht ersehen haben. Seither habe ich mit einem
Mitgliede des Verfassungsrates des Kantons Aargau gesprochen, der in Bern
als Mitglied des eidgenössischen Nationalrats verweilt, dass keine Rede
davon sei, dass die Sache der aargauischen Juden im Schoße des Verfassungsrates
erledigt werde, sondern vor die gesetzgebende Behörde, den Großen Rat,
müsse...
In Bern hat Herr Bloch, nach Verfluss seiner festgesetzten Zeit,
sein Vorsteheramt niedergelegt, aber durch einstimmige Bitten es wieder
auf drei Jahre angenommen.
Dass Herr Dr. Baswitz (Jude aus Preußen), Arzt in St. Immer, im
dortigen Einwohnergemeinderat sitzt, wird Ihnen sicherlich als eine
Anomalie vorkommen, insofern er nciht eingebürgert ist, und dennoch ist
es seit einigen Jahren so. Von mir kann ich Ihnen nur noch sagen, dass
mich das Departement des Innern zum Kreisimpfarzt meines Distrikts ernannt
hat. Simon Weil, med." |
Professor Dr. Gabriel Valentin aus Breslau erhielt das
Kantonsbürgerrecht (1850)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Mai
1850: "Bern, 20. März (1850). Freitag, den 8. dieses Monats
erhielt Herr Professor Dr. Valentin vom hiesigen Großen Rate mit
73 gegen 27 Stimmen unentgeltlich das Kantonsbürgerrecht und ist somit
nach der neuen Bundesverfassung auch Schweizerbürger geworden. Das
Ortsbürgerrecht erhielt er im katholischen Dorfe Miécur (im Jura). Bei
der Debatte über diesen Punkt verfochten die katholischen (juraischen)
Großräte die Toleranz weit kräftiger als die reformierten.
Hauptsächlich waren es die Patrizier, welche gegen diesen Akt der
Humanität Bedenken erhoben, aber dennoch nicht wagten gegen den Petenten
selbst etwas zu sagen und nur vor der Konsequenz in Beziehung der Juden im
Allgemeinen warnten. Treffend erwiderte Herr Regierungsrat Dr. Schneider
(der edle Menschenfreund und stete Vorkämpfer für Recht und Wahrheit),
dass demnach Christus bei solchen Befürchtungen das Berner
Kantonsbürgerrecht nicht erhalten könne. Auch andere wackere Redner
sprachen warm für den Petenten und unter Anderem auch für die
Emanzipation der Israeliten, z.B. Herr Oberst Kurz, Herr Regierungsrat
Stockmar u.a." |
Über die jüdische Gemeinde in Bern, über Prof. Dr.
Gabriel Valentin
und den Arzt Dr. Weil in Walkringen (1847)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. Januar
1847: "Die israelitische Gemeinde zu Bern ist ungefähr aus
den gleichen Elementen zusammengesetzt, 30 Familien zählend, und nicht
bald wird eine städtische israelitische Gemeinde getroffen, die von der
Zivilität und den feineren Sitten der städtischen Bewohner so wenig sich
angeeignet wie die Israeliten zu Bern.
Leider ahnen die dasigen Juden die Nähe des Sternes nicht, der über den
Zinnen ihrer Stadt leuchtet und auch nicht einen Schimmer seines
glanzvollen Lichtes dringt in ihre Wohnung. Wir meinen den Herrn Prof.
Dr. Valentin, der ungeachtet seiner christlichen Umgebung und seiner Stellung
an einer christlichen Universität, dennoch dem Judentums nicht ferne
steht und mit warmem Herzen an den Interessen des Judentums teilnimmt. Der
gebildetere Israelit in der Schweiz freut sich, einen solchen Mann an
einer schweizerischen Universität zu sehen, dessen hoher Charakter ihm
die Achtung der bernischen Notabilitäten verschafft und ihn über allen
dort herrschenden politischen Parteien erhaben hält. - In der Nähe von
Bern lebt ein jüdischer Arzt - Dr. Weil aus Eichstetten
- zu Walkringen im Emmental. Derselbe bekleidet die Stelle eines
Militärarztes. Das Zutrauen, dessen Herr Weil sich bei seiner
christlichen Umgebung zu erfreuen hat, verschafft ihm eine wohl
ausgedehnte Praxis. Auch wurde derselbe in seiner Stellung als Arzt schon
oft mit Aufträgen höheren Ortes beehrt. - Der in St. Imies
lebende Dr. Basswitz ist auch Militärarzt und wurde in den dortigen
Munizipalrat gewählt." |
An der Universität Bern wirken vier jüdische Professoren
(1861)
Anmerkung: über Prof. Moritz Lazarus siehe unten;
zu Prof. Moritz Schiff (1823-1896): nach dem Studium an deutschen
Universitäten und Studienaufenthalt in Paris war er 1856 bis 1862 assoziierter
Prof. für Anatomie und Zoologie an der Universität Bern, 1862 bis 1876 in Florenz,
1876 bis 1896 Prof. für Physiologie in Genf.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Juni
1861: "Gelegentlich hier die Bemerkung, dass an der Zürich
benachbarten Universität Bern vier Juden als Professoren wirken: Valentin
und Schiff lehren Physiologie und Anatomie, Lazarus
Philosophie und Hugo Schiff leitet das chemische
Laboratorium." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 11. November 1862: "Bern, 19. Oktober (1862). Wie die
A.A.Z. von Turin aus sich schreiben lässt, hat Victor Emanuel das
Ernennungsdekret des gegenwärtig hier lehrenden Prof. Schiff zum
Professor der Anatomie und vergleichenden Physiologie am königlichen
Museum zu Florenz unterzeichnet.
Bern, 23. Oktober (1862). Professor Dr. Lazarus aus Berlin,
welcher seit einigen Jahren als Honorar-Dozent an der Berner Hochschule
wirkte, ist zum ordentlichen Professor an derselben ernannt worden. Seine
Vorlesungen über die psychologische Entwicklung der Völker haben den Ruf
dieses Mannes bedeutend befestigt." |
Über Professor Moritz Lazarus (1863)
Anmerkung: die Mitteilung bezieht sich auf Prof. Moritz Lazarus (1824-1903), Psychologe, seit 1850
Honorarprofessor an der Universität Bern (nicht in Zürich)- erster
Professor jüdischer Herkunft an der philosophischen Fakultät; ab 1864 Rektor
und Dekan an der Universität; 1867 nach Berlin berufen, seit 1894 Dr.h.c. der
juristischen Fakultät der Universität Bern. siehe Wikipedia-Artikel
oder Artikel im
Historischen Lexikon der Schweiz.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. August 1863: "Zürich, 10. August (1863). Professor
Lazarus, der erst seit einem Jahre Professor ordinarius und Dekan der
philosophischen Fakultät ist, wurde vom Senat für das nächste Jahre zum
Rektor der Universität erwähnt. (So findet in der Schweiz gerade das
Gegenteil wie in Preußen in der Behandlung der Israeliten statt - man
will die Masse nicht gleichstellen, aber die Intelligenz hält man hoch!
Red.)." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 16. September 1863: "Zürich, 10. August (1863). Professor
Lazarus, der erst seit einem Jahre Professor ordinarius und Dekan der
philosophischen Fakultät ist, wurde vom Senat für das nächste Jahr zum
Rektor der Universität erwählt. Das erste Mal, dass ein Jude eine solche
Würde bekleidet." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. November 1863: "Prof. Lazarus lebt und wirkt in Bern,
nicht aber in Zürich, wie es jüngst in diesen Blätter hieß." |
Dr. Philipp Munk wird ordentlicher Professor an der
medizinischen Fakultät der Universität Bern (1865)
Anmerkung: Dr. Philipp Munk (1833-1871) war ab 1865 als
Pathologieprofessor an der medizinischen Fakultät
tätig.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. März 1865: "Bern, 10. März (1865). Der Dr. med. Philipp
Munk, Dozent an der Universität zu Berlin, ein dort sehr geschätzter
Arzt und in der medizinischen Literatur wohlbekannter Mann, ist am 1.
März dieses Jahres in der Abend-Sitzung der medizinischen Fakultät zu
Bern einstimmig als ordentlicher Professor an Stelle des nach
Zürich berufenen klinischen Professors Birmer gewählt
worden."
|
Zum Tod von Prof. Gabriel Valentin (1810-1888)
Artikel in 'Allgemeine Zeitung des Judentums' vom 5. Juni 1888:
'Bern, 24. Mai (1888). In vergangener Nacht verschied hier der rühmlichst bekannte Professor der Physiologie Gabriel Valentin. Er war am 8. Juli 1810 zu Breslau geboren und hat sich durch anerkannt tüchtige Werke auf dem Felde der Anatomie und Physiologie einen großen Ruf erworben, namentlich war sein ‚Lehrbuch der Physiologie des Menschen’ (Braunschweig 1849) zur Zeit sehr anerkannt, wenn es auch, wie es in den Naturwissenschaften bei der überaus schnellen Entwicklung derselben zu geschehen pflegt, jetzt längst überholt ist. Was uns den Verschiedenen besonders wert macht, ist seine Überzeugungstreue für seine väterliche Religion, die er wiederholt mit schweren Opfern betätigte. Frühzeitig für das akademische Lehrfach befähigt, war ihm als Juden in Preußen und Deutschland in jener Zeit in Aussicht genommen und er folgte deshalb einem Rufe an die Universität zu Bern, wo er einen ihm zusagenden Wirkungskreis fand. Als später in der liberalen Ära eine Berufung an eine preußische Universität an ihn erging, war ihm sein neues Vaterland, das ihn mit so großer Gastfreundschaft aufgenommen hatte, zu lieb geworden, um es wieder zu verlassen."
. |
Vier jüdische Frauen in Bern sind in
wissenschaftlichen Bereichen erfolgreich tätig
(1901)
Anmerkung: Frieda Samter promovierte über das Thema: "Studien zu
Ben Jonson mit Berücksichtigung von Shadwell's Dramen". Universität Bern.
1900 62 S.;
Rachel Zipkin (geb. 1878 in Nürnberg, umgekommen 1944 im Ghetto
Theresienstadt) promovierte 1902 über das Thema: "Beiträge zur Kenntnis
der gröberen und feineren Struktur-Verhältnisse des Dünndarmes von Inuus
Rheses. Bern 1903. 76 S.; nach ihrer Heirat mit Karl Rodler nannte sich sich
Rachel (bzw. Anna) Rodler-Zipkin (Information
in der Dokumentation 'Ärztinnen im Kaiserreich).
Lina Samelson-Kliwansky (geb. 1867 in Petersburg) verfasste: Ein Beitrag
zur Kenntnis der Mammacysten mit butterähnlichem Inhalt. Bern 1905 23 S.
Anna Tumarkin: siehe Wikipedia-Artikel
"Anna Tumarkin"
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Januar 1901: "In Bern bestand Fräulein Frieda
Samter, Tochter des verstorbenen Stadtrats Dr. Samter - Danzig, das
Doktorexamen magna cum laude in germanischer Philologie, deutscher und
englischer Literatur. Eine Jüdin, Fräulein Zipkin, ist in Bern
Assistentin am anatomischen Institut; im Laboratorium war Fräulein Dr.
Samelsohn beschäftigt; Privatdozentin für Ästhetik und
Literaturgeschichte ist Fräulein Dr. Tumarkin daselbst."
|
Zum Tod des Studenten Ernst Adolf Stein
(1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 9. Februar
1906: "Bern, 3. Februar (1906). Der Student Ernst Adolf
Stein, der Sohn des Professors und Dekans Dr. Ludwig Stein, hat sich
gestern Abend erschossen. Das Motiv der Tat ist noch nicht
bekannt." |
Dozentin Dr. Anna Tumarkin erhält den Professor-Titel
(1906)
Anmerkung: vgl. Wikipedia-Artikel
"Anna Tumarkin"
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Juni
1906: "Bern. Einer jüdischen Privatdozentin der Professor-Titel
verliehen! Fräulein Dr. phil. Anna Tumarkin, eine Jüdin aus
Kischinew (Russland), Privatdozentin für Geschichte der Philosophie mit
besonderer Berücksichtigung der Ästhetik, ist der Titel 'Professor'
verliehen worden. Diese seltene Auszeichnung zeugt für die hervorragenden
Leistungen der Dame." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Juni 1906: "Fräulein Dr. phil. Anna Tumarkin,
Privatdozentin für neuere Philosophie, insbesondere Ästhetik, an der
Universität Bern, wurde vom Regierungsrat des Kantons Bern zum
Professor ernannt. Fräulein Professor Tumarkin ist aus Kischinew und hat
in Berlin studiert. Sie hat sich besonders durch ihre Untersuchungen über
Herders Verhältnis zu Kant, und Forschungen zur Geschichte des
Assoziationsprinzips in der Ästhetik bekannt gemacht. Die venia legendi
erhielt sie 1898." |
Abschiedsfeier für den Schriftsteller Dr. Horodezky
(1921)
Anmerkung: es handelt sich um den Schriftsteller Dr. Samuel Aba Horodezky
(1871-1957).
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 8. Dezember 1921: "Bern. Die hebräisch sprechende
Studentenschaft veranstaltete anlässlich der Übersiedlung des
Schriftstellers Dr. Horodezky eine
Abschiedsfeier". |
Zum Tod des langjährigen Präsidenten der
Israelitischen Kultusgemeinde Henri Bonnef (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
12. Juni 1930: "Bern, 6. Juni (1930). Im Alter von 79 Jahren
starb hier am letzten Sabbat Henri Bonnef, der langjährige Präsident
der Israelitischen Kultusgemeinde Bern. Ein hochgebildeter Mann und
von sehr stattlicher Erscheinung, kam er vor nahezu 60 Jahren als
Sekretär des Hauses von Baron Rothschild nach Paris, wo er hohes Ansehen
und uneingeschränktes Vertrauen genoss. Nach einer Wirksamkeit von 25
Jahren im Kreise dieses Welthauses, wo er mit dem Adel und der höchsten
Aristokratie in engste Verbindung kam, zog er sich gänzlich ins
Privatleben zurück. Seitdem aber widmete er seine ganze Zeit und seine
ganze Kraft ausschließlich der Israelitischen Kultusgemeinde und deren
gemeinnützigen Anstalten. Seit 25 Jahren war er der Präsident der
Gemeinde und in seine Amtsperiode fallen die wichtigsten Entscheidungen
für die Kultusgemeinde. So wurde unter seiner Führung vor knapp 25
Jahren die neue Synagoge erbaut, vor einem halben Jahre eine
zeitentsprechende Friedhofshall mit besonderem Anbau für Kohanim, und
nicht zuletzt die Mikwa, wie auch die Metzgerei und koschere Pension, die
unter Aufsicht des Hamburger Vereins stehen. Er gehörte auch zu den
Gründern des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, dessen
Zentralvorstand er auch bis zuletzt angehört hat. An seiner Beerdigung
waren fast sämtliche Gemeinden der Schweiz durch Delegationen vertreten. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
|
Konsul Eugen Bloch wird Generalkonsul der Schweiz in
Australien (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. August
1931: "Bern. Die Schweizer Bundesregierung hat den bisherigen
schweizerischen Konsul in Sydney, Eugen Bloch, zum Generalkonsul der
Schweiz in Australien ernannt. Eigen Block ist der Sohn eines früheren
jüdischen Arztes in Endingen,
Aargau." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Restauration von Michael Weiler (1860)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. Juni 1860: "Israelitische Restauration in Bern
(Schweiz).
Unterzeichneter empfiehlt seine seit 3 Jahren neu errichtete
Speisewirtschaft No. 33 Aarbergergasse zunächst dem neuen Bahnhofe und
der neuen Synagoge den resp. Reisenden aufs Beste, mit der Versicherung
prompter, reinlicher und billiger Bedienung.
Jene verehrlichen Herrschaften, die das Berner Oberland besuchen, können
täglich 4 Mal in 2 1/2 Stunden bis nach Interlaken
frisch zubereitete Geflügel- und Fleischspeisen auf Bestellung von mir beziehen.
Michael Weiler." |
Werbung für die Restauration der Witwe Bloch (1869)
Mitteilung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juni 1869: "Witwe
Bloch in der Gurtengasse in Bern (Schweiz) beehrt sich, den
israelitischen Reisenden ihre komfortabel eingerichtete Restauration in
empfehlende Erinnerung zu bringen. Dieselbe befindet sich ganz in der
Nähe des Bahnhofes und in der schönsten und angenehmsten Lage der
Stadt." |
Anzeige von J. H. Heller (1876)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. Januar
1876:
"Spielwerke 4 bis 200 Stücke spielend; mit Expression,
Mandoline, Trommel, Glockenspiel, Kastagnetten, Himmelsstimmen
etc.
Spieldosen 2 bis 16 Stücke spielend, Necessaires,
Zigarrenständer, Schweizerhäuschen, Photographiealbums, Schreibzeuge,
Handschuhkasten, Briefbeschwerer, Zigarren-Etuis, Tabaks- und
Zündholzdosen, Arbeitstische, Flaschen, Biergläser, Portemonnaies,
Stühle etc., alles mit Musik. Stets das Neueste empfiehlt
J.H. Heller, Bern. Illustrierte Preiscourante versende franco. Nur
wer direkt bezieht, erhält Hellersche Werke." |
Anzeigen des Restaurants Schneider (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni
1900: "Für Reisende in die Schweiz.
Koscher - Restaurant Schneider - Koscher.
Bern, Brunnenhofweg 28. Referenz: Bezirksrabbiner Dr. Ehrmann in Baden
(Schweiz). Direkte Tram-Verbindung vom Bahnhof". |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August
1900: |
Anzeige der Groß-Metzgerei und Wurstlerei Ad. Dreyfuß
(1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. August
1901:
"Metzgerbursche.
Ein tüchtiger jüdischer Metzgerbursche, welcher in der Charcuterie gut
bewandert ist und auch an der Bank arbeiten und borschen kann, wird für
sofort bei hohem Lohn gesucht; dauernde Stellung. Offerten sind zu
richtigen an
Ad. Dreyfuß, Groß-Metzgerei und Wurstlerei (Detail-), Bern
(Schweiz)." |
Israelitisches Mädchen gesucht
(1906)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 9. März
1906:
"Israelitisches Mädchen,
welches mit der streng rituellen Küche, wie mit allen Arbeiten vertraut,
waschen und putzen kann, findet gut bezahlte Stelle in hiesiger Stadt.
Reise frei, im
Bureau Leweil, Bern (Schweiz)." |
Anzeige der Metzgerei und Wurst-Fabrik M. van Kollem
(1916)
Anzeige
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1916 S.
233:
"Metzgerei und Wurst-Fabrik.
Koscher M. van Kollem Koscher.
Bern - Telefon 2884 - Genfergasse 5
empfiehlt sich für den täglichen Gebrauch in Wurst und Fleischwaren,
jeden Tag frisch.
Spezialität: Krakauer Salami". |
Anzeige der Pension Stern (1916)
Anzeige
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1916 S. 241:
"Streng Koscher. Pension Stern.
Unter Aufsicht des Vereins zur
Förderung ritueller Speisehäuser in Hamburg.
Wallgasse 4.
Bern." |
Zur Geschichte der Synagoge
Bereits im Mittelalter war eine Synagoge
vorhanden.
Die seit Ende des 18. Jahrhunderts zugezogenen, zunächst nur wenigen
jüdischen Personen / Familien konnten ab 1807 einen Betraum in einem
Gebäude gegenüber der Französischen Kirche einrichten. Ob es derselbe Betraum
war, der im Artikel von 1841 (siehe oben) als "Synagoge der Gemeinde"
bezeichnet wurde, ist nicht bekannt.
Nachdem 1848 die "Corporation der Israeliten" konstituiert
werden konnte, bemühten sich ihre Mitglieder um die Einrichtung einer Synagoge.
Zunächst wurden die Gottesdienste noch in einem jüdischen Privathaus abgehalten.
Im Juli beschloss die jüdische Gemeinde, ein Gebäude zu
erwerben, das bisher das Versammlungslokal der Evangelischen Gesellschaft war.
Der Ankauf erwies sich aus rechtlichen Gründen schwierig. Doch wurde das
Gebäude Ende 1854 zunächst privat von zwei Gemeindemitgliedern - Emanuel Bloch
und Eduard Sommer - gekauft, die die Liegenschaft später an den 1867 staatlich
anerkannten "Cultusverein der Israeliten in Bern" übertrugen.
Im Laufe des Jahres 1855 investierte die Gemeinde eine beträchtliche Summe zum
Umbau des bisherigen Versammlungslokals der Evangelischen Gesellschaft. Am 7.
September fand die Einweihung der Synagoge durch Rabbiner Dr. Julius
Fürst aus Endingen statt. Schon der
Einweihungsgottesdienst zeigte die damals liberale Prägung der Gemeinde: ein
gemischter Chor und eine Orgel gehörten zum Gottesdienst. Beides waren
Charakteristika des liberalen Gottesdienstes, die von orthodox geprägten Juden
abgelehnt wurden. In der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" wurde
mehrfach über die Synagoge in Bern
berichtet:
Ein Lokal für eine Synagoge wird gesucht
(1851)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Februar 1851:
"In Bern wird immer noch am Ankaufe eines Lokals für eine Synagoge laboriert. Wenn nicht böser Wille und Querköpfigkeit den Plan verhindern, so wird er sicherlich ausgeführt. Es bedarf aber der ganzen Energie des Herrn Bloch und dessen guten Willen für’s Judentum und seine Gemeinde, um nicht zu ermüden." |
Für die Einrichtung einer Synagoge wurde ein
Haus gekauft (1855)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Februar
1855: "Bern, im Februar (1855). Für die in Bern wohnenden 206
Israeliten haben zwei Juden ein Haus zur Ausübung ihres Gottesdienstes
gekauft." |
Einweihung der Synagoge mit Rabbiner Dr. Fürst aus
Endingen (1855)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober
1855: "Aus der Schweiz, 20. September (1855). Sie werden
bereits die Kunde erhalten haben, dass Rabbiner Dr. Fürst in Endingen am
7. dieses Monats die Synagoge in Bern eingeweiht. Bei der Feierlichkeit,
die mit Orgel und Choralgesang begangen wurde, war nicht nur die
französische Gesandtschaft in aller Form anwesend (die Berner Juden
wohnen nämlich als französische Bürger in der Schweiz), sondern auch
der schweizerische Bundesrat, die Berner Regierung, Geistlichkeit und
Subaltern-Beamten. Aller Schweizerblätter brachten die Nachricht in
diesem Sinne. Der Rabbiner Herr Dr. Fürst blieb auch zu Rosch Haschana
in Bern, obgleich seine Gemeinde ihm keine Erlaubnis gegeben.
F." |
Um 1900 war die bisherige Synagoge baufällig geworden. Auch fasste sie -
vor allem an den Feiertagen - nicht mehr die in ihrer Zahl stark gestiegenen
jüdischen Einwohner der Stadt. In einer Gemeindeversammlung vom 25. Dezember
1903 beschlossen die Mitglieder, eine Synagogenbaukommission ins Leben zu rufen.
Diese begab sich zunächst auf die Suche nach einem geeigneten Bauplatz und
einem Architekten. Nach Prüfung mehrere Grundstück entschied die
Baukommission, einer weiteren Generalversammlung den Kauf einer Gründstückes
an der Ecke Kapellenstraße / Sulgeneckstraße vorzuschlagen. Als Architekt
wurden die Architekten Eduard Rybi sen. und jun. bestimmt. Sie hatten bereits
mehrere Wohn- und Geschäftshäuser in Bern erstellt. Im Frühjahr 1905 legte
Rybi sen. der Baukommission seine ersten Pläne vor, die in der Folgezeit
mehrfach überarbeitet wurden.
Am 13. September 1905 konnte die Grundsteinlegung feierlich
begangen werden, am 10. September 1906 war die Einweihung der
Synagoge durch Rabbiner Dr. Littmann aus Zürich.
Die alte Synagoge wurde abgebrochen. Ihr Grundstück wurde zum Bau des neuen
Posthauptgebäudes verwendet.
Der Bau einer neuen Synagoge wurde beschlossen
(1904)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Februar
1904: "In Bern hat sich ein israelitischer Kultusverein
gebildet und den Bau einer Synagoge beschlossen". |
Einweihung der neuen Synagoge (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. September
1906: "Bern, 10. September (1906). Synagogen-Einweihung. Die
hiesige israelitische Kultusgemeinde, deren alte Synagoge auf
behördlichen Befehl wegen Baufälligkeit demoliert werden musste. weihte
heute die neue Synagoge feierlichst ein. Gäste aus der ganzen Schweiz,
sowie Vertreter schweizerisch-jüdischer Gemeinden waren zahlreich
erschienen. Die Eröffnungs-Ansprache hielt Herr B. Baer, der Gemeindepräsident;
er hob hervor, dass die Erbauung der Synagoge schwere materielle Opfer
gekostet habe, und sprach der Stadt Bern für ihren Beistand, indem sie
den Bauplatz schenkte, den Dank aus. Weihereden hielten die Herren Kantor
Bloch und Rabbiner Dr. Littmann-Zürich. |
Toraweihe in der Synagoge in Bern (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Oktober 1926: "Bern, 5. Oktober (1926). Unvergesslich bleibt allen Teilnehmern die Feier der Toraweihe in der Berner Synagoge am Vorabend des Simchas Tora. Mit
'Ma Tauwu' war die Feier vom Chore eingeleitet, danach erfolgte das
Minchagebet, sodann setzte der Chor das 'Wajhi binßoa' ein, worauf sämtliche Vorstandsmitglieder zur heiligen Lade emporgestiegen und die sieben Torarollen mit prachtvollem alten und neuern Silberschmuck aus der Hand des Gemeindepräsidenten empfingen und zum Haupteingang der Synagoge schritten im feierlichen Zuge, während der Chor das berühmte
'Sse-u Sch’orim' von Naumbourg sang, und nahmen Aufstellung unter dem blumenumkränzten Baldachin, wo die sieben Torarollen ihre Schwester Tora erwarteten.
Als dann die beiden Flügeltüren des Haupteinganges sich auftaten und die neue Sefer Tora in prangvollem Blumenschmucke sichtbar wurde, da hatte jeder das Gefühl,
'hier sprechen Jahrtausende zu uns', das unsterbliche Gotteswort strömt wieder in verjüngter Macht aus jüdischem Herzen. Vorbeter, Chor und Gemeinde sangen dann das
'Ono hauschiono no' solange bis der feierliche Zug um die gefüllte Synagoge vollendet war. Dann sang der Chor das Uwnuchau
Jomar, und nach der Festpredigt und Maariw, Kidusch und Schlusschor war die seltene Feier harmonisch und würdig abgeschlossen und hinterließ einen tiefen Eindruck, was noch am andern Morgen bei der Toraspenden spontan zum Ausdruck kam. Selbstredend wird im ersten Jahre nur aus dem neuen Sefer geleint werden,
soweit der Wochenabschnitt allein in Betracht kommt. Es bewahrheitet sich wieder das köstliche Wort von Israel:
'Scheinbar schlafe ich, indes mein Herz wach bleibt'." |
Die Synagoge ist seit über 100 Jahren Mittelpunkt des
jüdischen Gemeindelebens in Bern.
2006 konnte das 100-jährige Bestehen des Gebäudes feierlich begangen
werden. Bereits seit 1971 ist an die Synagoge ein Gemeindehaus angebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: alte
Synagoge an der Genfergasse (frühere Anatomiegasse, "auf dem
Bollwerk")
Fotos
(Quelle: neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 27.8.2008)
Die Synagoge Bern im Film:
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 74-77; III,1 S.
106-110. |
| Gustav Tobler: Zur Geschichte der Juden im alten
Bern bis 1427. Bern 1889. |
| ders.: Bern und die Juden. In: Berner Taschenbuch
1893/94. |
| Eugen Messinger: Ein Rückblick auf die Geschichte
der Juden in der Stadt Bern seit dem Jahre 1191. In: Festschrift zur
Jahrhundertfeier der israelitischen Kultusgemeinde Bern 1848-1948 (Hrsg. von
der Israelitischen Kultusgemeinde Bern) Bern 1948. |
| Emil Dreifuss: Juden in Bern. Ein Gang durch die
Jahrhunderte. Verbandsdruckerei. Betadruck Bern 1983. Online
eingestellt. |
| Ron
Epstein-Mil: Die Synagogen der Schweiz. Bauten zwischen Emanzipation, Assimilation und
Akkulturation.
Fotografien von Michael Richter.
Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in der Schweiz. Schriftenreihe des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, Band 13.
2008. S. 202-211 (hier auch weitere Quellen und
Literatur) |
| Shifra Kuperman: Jiddisch an der Aare. Die
Universität Bern und ihre ostjüdischen Studenten vor dem Ersten Weltkrieg.
In: Jüdische Studien. Beilage des Instituts für jüdische Studien
an der Universität Basel zum jüdischen Wochenmagazin Tachles. September
2011. S. 6-7. Online
zugänglich. |
| Sibylle Hofer: Richter zwischen den Fronten. Die
Urteile des Berner Prozesses um die 'Protokolle der Weisen von Zion'
1933-1937. Verlag Helbing Lichtenhahn 2011. 224 S. ISBN 978-3-7190-3144-2.
CHF 48.- € 37.- Weitere
Informationen auf einer eingestellten pdf-Datei. |
|
René
Bloch / Jacques Picard (Hrsg.): Wie über Wolken.
Jüdische Lebens- und Denkwelten in Stadt und Region Bern, 1200-2000.
Reihe: Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in der Schweiz. Schriftenreihe
des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds Band 16. 2014. 528
S. CHF 58 / € 47,70. ISBN 978-3-0340-1219-5. Zu diesem Buch: Der bildhafte Titel ist einem Brief der Lyrikerin Else Lasker-Schüler aus den 1930er Jahren entnommen und schildert
in einer Metapher ihre heitere Stimmung beim Flanieren durch die ruhige Stadt Bern.
'Solche Spaziergänge, schwebend, lassen das Leben ertragen', schreibt sie weiter. Dass das Leben zu ertragen sei, ja mitunter
'stratosphärisch' leicht sich anfühle, verweist jedoch auch auf die Kehrseite, die Lasten und die Bedrängnis
jener Jahre, die Anfechtungen, denen Juden und Jüdinnen damals vielerorts in Europa ausgesetzt waren. Zwischen Bedrückung und Erleichterung oszillieren auch die unterschiedliche Epochen betreffenden Beiträge, die in diesem Band
versammelt sind. Ein breites Spektrum an jüdischen Erfahrungen, Denkvorgängen und Erinnerungsfiguren wird ausgebreitet: vom
mittelalterlichen Privileg über die stigmatisierende Ausschließung bis zur gewaltsamen Vertreibung, von der bürgerlichen
Emanzipation im 19. Jahrhundert über die Ohnmacht während der Zeit der Schoah bis zur öffentlich-rechtlichen Anerkennung
der jüdischen Religionsgemeinschaft. Über die Verbindungen jüdischer Intellektueller zu Bern ergeben sich Einblicke ins
europäische Geistesleben. Für viele wurde die Stadt zum Ort, wo ihr Traum vom Studium in Erfüllung ging. So evoziert das Bild
von der Wolkenstadt immer wieder Unterschiedliches: Judenhut und Alpenparadies, Schwermut und Traumhaftigkeit, Krisen und
Hoffnungen, Eigensinn und Höhenflug. Mit Beiträgen von: Peter Abelin, Armand Baeriswyl, Angela Bhend, René Bloch, Dan
Diner, Hannah Einhaus, Ron Epstein-Mil, Olivia Franz-Klauser, Ulrike Gehring, Daniel Gerson, Karin Huser, Monika Kneubühler,
Jonathan Kreutner, Shifra Kuperman, Patrick Kury, Stefanie Leuenberger, Sandrine Mayoraz, Vladimir Medem, Hans-Rudolf
Ott, Jacques Picard, Franziska Rogger, Rainer C. Schwinges, Judith Hélène Stadler, Richard Staub, Thomas Staubli
. Buchvernissage am 13. Mai 2014 in der Aula der Universität Bern:
Einladung zur Buchvernissage Flyer
(pdf-Datei)
Vgl. Artikel von Markus Dütschler in
derbund.ch vom 13. Mai 2014: "Berns Juden: Geduldet – verfolgt – anerkannt Ein Buch beleuchtet die Situation der Juden im Kanton Bern über 800 Jahre. In dieser Zeit gab es Verfolgung, Duldung, Kooperation und Emanzipation. Bis zur vollen Anerkennung von Jüdinnen und Juden war es aber ein sehr langer Weg..." Link
zum Artikel |
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