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Redwitz an
der Rodach (VG Redwitz, Kreis Lichtenfels)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(vgl. Website "Jüdisches Leben am
Obermain"
https://juden-am-obermain.de/)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Redwitz bestand eine zeitweise relativ große jüdische
Gemeinde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die
Zeit des 16./18. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1595
in einem Weismainer Gerichtsbuch Juden in Redwitz genannt. 1675 lebten
zwölf Juden in Redwitz. In einem Lehensverzeichnis von 1716 werden fünf
jüdische Haushalte mit Hausbesitz aufgeführt, im Urbar von 1734 bereits acht.
Die Juden machten damals etwa ein Sechstel der Bevölkerung aus.
Fast 40 jüdische Familien wurden um 1800 am Ort gezählt. 1797 nahm das
Rittergut Redwitz von den 33 jüdischen Haushalten insgesamt 213 Gulden an
Schutzgeld ein. 1813 wurden der
Gemeinde 38 Matrikeln (Plätze für jüdische Familien) eingeräumt. 1829
wurden 196 jüdische Einwohner gezählt (23 % der Einwohnerschaft), 1852
waren es noch 120 jüdische Einwohner. Bereits in den 1840-/1850er-Jahren
sind zahlreiche junge Juden von Redwitz nach Nordamerika ausgewandert.
1810 werden folgende jüdische Hausbesitzer genannt (Häuser nach
heutigen Grundstücks-Adressen; die Häuser waren teilweise zwischen zwei
besitzenden Familien aufgeteilt; nur neun jüdische Familien besaßen 1810 ein
ganzes Haus; in eckiger Klammer sind spätere Familiennamen angegeben): Bärlein
Seligmann (Kronacher Str. 12), Witwe Märla [Flankauer] (Kronacher Str. 12),
Isaac Schneibel (Kronacher Str. 10), Scholum Meier [Kares] (Kronacher Str. 8),
Salomon Mayer (Kronacher Str. 8), Bonum David [Hofmann] (Am Markt 6), "Vorsingers-Wohnung"
(Haus Nr. 34, ?), Synagoge (Haus Nr. 35, ?), Hirsch Jonas [Cotta] (Hauptstr. 1),
Salomon Hirsch [Philo] (Hauptstr. 1), Löb Abraham (Hauptstr. 15), Salomon
Baruch [Midas] (Hauptstr. 15), Salomon Abraham (?), Henoch Marx [Gütermann]
(Hauptstr. 29), Samuel Hirsch (Hauptstr. 36), Salomon Baruch (Hauptstr. 36),
Kronum Marx (Hauptststr. 32), Wolf Marx [Gütermann] (Hauptstr. 18), Isack Moses
[Hallo] (Haupstr. 2), Wolf Moses [Hallo] (Hauptstr. 2), Jacob Moses [Hallo] (Am
Markt 5), Hirsch Michel [Kuh] (Kronacher Str. 3), Kila Hirsch (Haus Nr. 106, ?),
Wolf Rindskopf (Kronacher Str. 5), Bendert Wolf [Kastor] (Kronacher Str. 5),
Seligmann Löser [Wald] (Kronacher Str. 5), Michael Gutmann (Kronacher Str. 7),
Aron Wolf [Gosser] Kronacher Str. 11), Abraham Jacob [Kann] (Kronacher Str. 11),
Meier Wolf [Dinon] (Haus Nr. 112] (Hauptstr. 4), Keela, Kaiums Witwe [Pictor]
(Haus Nr. 114, ?), Helena, Isacks Witwe (Gässla 1). Weitere sieben Familien,
die nicht in der Liste genannt sind, wohnten vermutlich in Miete. Die jüdischen
Familien lebten damals in meist armseligen Verhältnissen und verdienten ihren
Unterhalt vom Klein-, Vieh-, Hausier-, vom Lumpenhandel oder vom
Taglohn.
Vom 14. November 1825 bis 27. Mai 1862 war Redwitz Sitz eines Distriktrabbinats
(für das Amt Lichtenfels),
dem die jüdischen Gemeinden Lichtenfels,
Kronach, Oberlangenstadt
und Redwitz angeschlossen waren. Die Stelle war seit 1827 mit dem weit bekannten
Rabbiner Moses Gutmann besetzt. Er war der erste akademisch gebildete
Rabbiner in Bayern und erhielt 1828 eine Belobigung durch die Regierung, weil er
gegen die "noch herrschenden Vorurteile und veralteten Mißbräuche"
war und "dagegen mit deutschen Ansprachen in den Synagogen" eintrat (Groiss-Lau
s.Lit. S. 25).
Zu Ausschreitungen gegen jüdische Familien kam es im Revolutionsjahr 1848:
am 12. März 1848 wurden die von Juden bewohnten Häuser überfallen und
teilweise ausgeplündert. Die Vorkommnisse beschleunigten den Prozess der Aus-
und Abwanderung vom Ort. 1867 wurden noch 76 jüdische Einwohner
gezählt, 1869 67, 1875 51, 1880 26.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde im ehemaligen "Judenhof"
unweit des Marktplatzes eine Synagoge (bis 1741 ein Betsaal; weitere
Informationen unten). Dazu gab es ein Haus des Vorbeters, in dem sich seit 1830
auch eine neue Mikwe (rituelles Bad) befand. 1876 erwarb die jüdische Gemeinde
das Wohnhaus des Schnittwarenhändlers Salomon Lust, um hier eine jüdische Schule
mit Lehrerwohnung einzurichten, da das bisherige Vorsängerhaus baufällig
geworden war. Die Schule wurde jedoch bereits 1879 geschlossen, das Gebäude 1884
verkauft. Das alte Vorsängerhaus wurde 1884 verkauft und im Jahr darauf
abgebrochen. Seit 1781 gab es eine sogenannte "Judenherberge" zur Unterbringung
von obdachlosen Betteljuden (im Haus des Händlers Simon Seligmann). Die Toten der jüdischen
Gemeinde wurden in Burgkunstadt beigesetzt. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war - insbesondere nach Auflösung
des Rabbinates - ein Lehrer angestellt, der meist zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. Unter den Lehrern der Gemeinde ist zu nennen: 1856 bis 1857 Eisenmann
Frank aus Schondra, 1858 bis 1861 Phineas
(Pinchas, Philipp) Seligsberger (1827-1907, aus Fuchsstadt,
war nach seiner Zeit in Redwitz Lehrer in Altenmuhr,
gest. nach Recherchen von E. Böhrer 1907 in Bad Kissingen),
1863 bis 1869 Simon Dachauer (zuvor Lehrer in Heiligenstadt),
1869 bis 1875 Benjamin Freudenthal (geb. 1844 in Tann,
vor Redwitz Lehrer in Bad Neuhaus, 1875
von Redwitz nach Grünstadt versetzt, wo
er 35 Jahre lang erfolgreich als Lehrer und Kantor wirkte); 1875 bis 1879 Jonas
Nordhäuser (1848-1907, aus Wüstensachsen
a.d.Rhön).
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verzogen die jüdischen Familien vom
Ort, viele wanderten aus (vgl. die Fotos der Grabsteine aus New York unten). 1883 hieß es, dass sich die jüdische Gemeinde "fast ganz
aufgelöst" habe. 1890 wurden noch 17 jüdische Einwohner gezählt, 1903
waren es noch 22. Im August 1921 wurde die Gemeinde
aufgelöst. Eine der letzten jüdischen Familien war die Familie E.
Gutmann, der eine Korbwaren-Manufaktur gehörte (vergleiche Anzeigen der Familie
unten).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde: Gefreiter
Justin Gutmann (geb. 10.3.1895 in Redwitz, gef. 26.4.1918). Sein Name steht auf
dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges neben der
evangelischen St.-Ägidius-Kirche in Redwitz. Außerdem ist gefallen: Ernst
Fleischmann (geb. 1.1.1898 in Redwitz, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft, gef.
22.12.1917).
1933 wurde noch ein jüdischer Einwohner gezählt.
Von den in Redwitz geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Ida Blümlein geb.
Kuh (1891), Frieda Fichtelberger geb. Kuh (1895), Martin Fleischmann (1895),
Emma Gerngroß geb. Midas (1862), Thomas Grosser (1855), Max Gutmann (1899), Rosa
Hammel geb. Gutmann (1881), Max
Hopfmann (1868), Meta Lilienfeld geb. Gutmann (1903), Mathilde Nordhäuser
(1878), Johanna Steuermann geb. Midas (1860).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte des Rabbinates
Rabbiner Dr. Fürst (Bayreuth) und Rabbiner Gutmann
(Redwitz) können sich gegen orthodoxe Einflüsse behaupten (1860)
Anmerkung: mit den "Würzburgern" sind die konservativ-orthodoxen
Kreise um Rabbiner Seligmann Bamberger gemeint, die einen immer stärkeren
Einfluss im fränkischen Bereich ausübten.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Juni 1860: "In Oberfranken haben die Würzburger
überhaupt noch wenig festen Fuß fassen können. Außer Rabbiner
Gutmann in Redwitz ist auch Dr. Fürst in Bayreuth
nicht der Mann, der sich durch diese Leute beirren lässt, und sind beide
mit Erfolg bestrebt, das Judentum in zeitgemäßer Fortbildung zu
befestigen. Gutem Vernehmen nach beabsichtigt man in Bayreuth sogar bei
der sehr notwendigen Renovierung der Synagoge, die diesen Sommer
vorgenommen werden soll, die Anbringung einer Orgel. Es wäre dies ein
Anfang, der allseitig in Bayern mit Freude begrüßt würde." |
Zum Tod von Rabbiner Moses Gutmann (1862)
Anmerkung: Rabbiner Moses Gutmann (geb. 1805 in Baiersdorf, gest. 1862 in
Redwitz): war Sohn des rabbinischen Gelehrten Jontoph Gutmann; studierte an der
Jeschiwa in Fürth und an der Universität Erlangen; seit 1827 Distriktsrabbiner
für das Amt Lichtenfels mit Sitz in Redwitz; war verheiratet mit Jette geb.
Wittelshöfer, Tochter des Rabbiners Moses W. in Floß. Gutmann wurde auf dem
jüdischen Friedhof in Burgkunstadt
beigesetzt.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. März 1862:
"Nekrolog. Aus Bayern, im März (1862). Wir haben den Tod
eines Mannes zu registrieren, dessen Namen in weiteren Kreisen bekannt
geworden ist.
Moses Gutmann, Rabbiner in Redwitz, starb am 1. Februar
dieses Jahres, nach kurzem Lager im 57. Lebensjahr und 35. seiner
Amtstätigkeit. An diesen Namen knüpft sich ein Stück jüdischer
Kulturgeschichte. Nicht deshalb, weil er in der theologischen Literatur
sein Wort mitgesprochen hat; diese Beweise seines Fleißes und
literarischen Eifers gehören der jüdischen Literaturgeschichte an,
sondern sein Eintritt ins Amt bildet eine Epoche in dem Fortschritt der
deutschen Judenheit. Er fällt in die Glanzperiode der bayerischen Regierungstoleranz.
Bayern nämlich und in Bayern die beiden Regierungen Bayreuth und Ansbach
haben unter anderen glänzenden Erbschaften aus der preußischen Zeit auch
die Verlassenschaft des Mendelsohn'schen Geistes und Verdienstes um die
Lichtschaffung in den jüdischen Gemeinden cum beneficio
angetreten. Hier wurde nach Einführung der bayerischen Verfassung mit dem
Eintritt der zwanziger Jahre das wichtigste Moment für eine bessere
Erziehung der israelitischen Bürger ins Auge gefasst, nämlich die
Heranbildung methodisch gebildeter Pädagogen und Geistlicher. So wurden
1823/24 die ersten in Seminarien gebildeten Lehrer eingesetzt, und 1827
freute sich die damalige Regierung des Obermainkreises in dem jungen
Gutmann, der schon zu 22 Jahren eine glänzende Prüfung über seine zu Erlangen
gemachten Gymnasial- und philosophisch-theologischen Studien abgelegt
hatte, den ersten Rabbiner, der mit gründlichen talmudischen Kenntnissen
auch akademische Bildung verband, bestätigen zu können (Anmerkung: In
einem öffentlichen Berichte über seine Installation, bei welcher alle
Geistlichen der Umgegend sich beteiligten, heißt es, dass seine
Antrittsrede alle Anwesenden zur Bewunderung und Rührung hinriss). Dass
er auch den Erwartungen dieser intelligenten Kreisstelle entsprach, wurde
ihm bereits im 2. Jahre seiner Amtsführung bewiesen, indem er von der
Kreisregierung als Kommissär bei der Prüfung jüdischer Lehrer zu
Würzburg der dortigen Behörde empfohlen wurde. Sein Takt, seine
Sachkenntnis und Unparteilichkeit gewannen ihm damals allseitige
Achtung.
Überhaupt hatte ein unermüdeter Forschergeist, eine philosophische
Erhebung über allen äußerlichen Schmuck und Genuss und eine
unerschütterliche Festigkeit des Charakters sich bei Gutmann frühzeitig
zur Bestimmung seiner Richtung vereinigt. Mit der Rabbinen- |
lehre
und deren biblischer Basis durch heimischen und Jeschiba-Unterricht
vertraut; aber durch die Klarheit seines Geistes überzeugt, dass die
Ethik des Judentums durch ungeeignete Zusätze und ungeschickte Pfleger
verdunkelt, einer Reinigung bedürfe, um nach ihrer Trefflichkeit bei den
eigenen Bekennern gewürdigt zu werden, und den Angriffen äußerer Kritik
widerstehen zu können, nahm er den Faden Mendelsohn'scher Auffassung des
Judentums auf, und war der große jüdische Philosoph des 18. Jahrhunderts
im Norden als Gedanken und Plan darstellte, dem hat Gutmann, der stets
offen und frei seine Stirne trug, in der Praxis Leben und Gestaltung
gegeben. Er zerbrach unwesentliche Zeremonien-Formen, und es gelang ihm,
durch Verbesserungen in Liturgie und Unterricht seine Parochianen aus dem
Indifferentismus in ein Interesse für jüdisch-religiöses Leben hinüber
zu führen. Denn durch ihn wurde der innere Geist des Judentums wie sein
äußeres Ansehen gehoben, und die Staatsregierung, die sich durch ihn zur
Aussuchung und Anstellung ähnlicher Fachkräfte bewogen fand, wurde
dadurch zum Muster. Gutmanns Bestrebungen fanden auch wirklich bald
hilfreiche Hände in seinen mit ihm und nach ihm berufenen Freunden und
Kollegen Dr. Löwi, Aub und Stern, und mit diesem Zuwachs an
Gesinnungsgenossen begrüßte er freudig die Gelegenheit, seine
geläuterte Religions-Anschauung über den engen Kreis seines Sprengels
hinaus zu tragen. Leider fand die damals projektierte Herausgabe der
angekündigten Kohelet und seines Teils fertigen Bibelausgabe nicht die
gehoffte Unterstützung.
War ihm hier die lässige Wirklichkeit schon entgegengetreten, so legte
ihm ein Umschwung von oben herab noch größere Hindernisse in den Weg.
Mit dem Jahre 1836, unter den Ministerien Wallerstein und Abel, für deren
Namen die bayerische Staatsgeschichte überhaupt nur einen Wegeruf kennt,
trat besonders für die Juden eine traurige Hemmung der inneren und
äußeren Entwicklung ein. Gutmanns lichtsuchender Geist zog sich von da
an fast ganz auf das Feld der Theorie zurück. Von früh bis spät in den
Räumen der Wissenschaft und bei den klassischen Schriften der alten und
neuen Zeit weilend (Anmerkung: Er machte keinen Spaziergang ohne Vademecum
eines klassischen Werkes der alten und modernen Sprachen, deren er Meister
war), machte er gründliche |
und vielseitige Studien, wovon nicht bloß seine Übersetzung der
Apokryphen, seine Beiträge zu Geiger's theologischer Zeitschrift, Fürst's
Orient und besonders Stein's Volkslehrer, sowie viele amtliche Gutachten
in den Archiven Zeugnis geben; sondern auch eine in Manuskript
hinterlassene Übersetzung des Josephus mit einem gründlichen und
gelehrten Kommentar in lateinischer Sprache. So unersättlich aber sein Wissensdurst
und so rastlos seine Tätigkeit war, so anspruchslos und bescheiden war er
in den äußeren Verhältnissen. Er suchte keine glänzende Stellung,
trotzdem er unter seinen Kollegen als Stern erster Größe glänzte; und,
ungeachtet seiner langen Dienstzeit und der garten Kämpfe, welche ihm die
Notwendigkeit, eine zahlreiche Familie mit kärglicher Besoldung zu
erhalten, auferlegt, hat er nie eine Erhöhung seines Gehaltes
verlangt (Anmerkung: Gutmann folgte darin ganz seinem Vater, dem verehrten
Rabbi Jomtow Gutmann zu Baiersdorf,
welchem viele Rabbinen der Neuzeit Erziehung und Unterricht verdanken). Er
hat aber auch die Seinigen leben gelehrt, wie sich seine Gattin einmal
ausdrückte. Seinen Söhnen gab er eine wissenschaftliche Reife, schickte
sie dann noch auf höhere Schulen, und hätte sie alle mit den schwersten
Opfern dem Dienste der Wissenschaft gewidmet, wenn nicht bis jetzt die
praktische Laufbahn den Israeliten in den meisten Richtungen verschlossen
wäre.
Die sittliche Kraft, die den in seiner Einfachheit erhabenen
Seelenhirten sein ganzes Leben hindurch geleitet und in allen
Mühseligkeiten gestärkt hat, ist ihm auch in der unerwartet
hereingebrochenen letzten Krankheit treu geblieben. Eingedenk des 'bestelle
dein Haus' (Jesaja 38,1) ließ er seinen ältesten Sohn zu sich
berufen, übertrug ihm mit sokratischem Gleichmut die Tröstung der Mutter
und die Sorge für die Schwester, und - starb.
Zu seinem Leichenbegängnis strömten alle Bewohner des Ortes und der
Umgebung herbei, um dem allgemein verehrten Manne die letzte Ehre zu
erweisen, und die Rede zu hören, welche Rabbiner Traub aus Burgkunstadt
vor offener Synagoge hielt. Letztere war, die die ganze Gemeinde, in
Trauer gehüllt. So ist ein seltener Mann von uns geschieden, dessen Namen
die Geschichte des Judentums mit Verehrung nennen wird." |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Ausschreitungen gegen die jüdischen
Einwohner im Revolutionsjahr 1848
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Aus einem Artikel in der Zeitschrift "Der
Israelit im 19. Jahrhundert" vom 16. April 1848 über antisemitische
Vorkommnisse in Bayern im Revolutionsjahr 1848: "...Als nun in der Nacht vom
12. auf den 13. (März 1848) auch in dem Orte Redwitz das Schloss
demoliert und das Amthaus mit der ganzen Registratur geplündert wurde, da
wendete sich der vom Freiheitsschwindel sowie vom Bayerischen Bier
berauschte Volkshaufe auch gegen die Häuser der dasigen Israeliten, warf
nicht nur bei fast allen de Fenster ein, sondern drang auch mit roher
Gewalt in die Häuser mehrerer Kaufleute und raubte und plünderte, was er
vorfand; andere kauften sich durch Austeilung von Geld an das Raubgesindel
von der Plünderung los. Gewalttätigkeiten gegen Personen wurden weiter nicht
verübt, bloß der Gutsherr und sein Beamter wurden tätlich misshandelt..."
|
.. |
Rückgang der jüdischen
Gemeindeglieder - Berichte 1883 / 1912
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Oktober 1883:
"Altenkunstadt (Bayern), 6. Oktober (1883). Seit Jahren musste
es das Herz eines jeden Glaubensgenossen mit Wehmut erfüllen, wenn er die
einst großen und blühenden jüdischen Landgemeinden in unserer Gegend
sich auflösen sah. So hat sich die jüdische Gemeinde Redwitz,
welche einst 40 Mitglieder zählt und einen eigenen Rabbiner hatte, den
gelehrten Gutmann, welcher auch in der literarischen Welt durch seine in
Geiger's Zeitschrift veröffentlichten Aufsätze über die Leviratsehe
einen Namen sich erworben hatte, fast ganz aufgelöst. In Maineck, in
Mitwitz, Horb wohnt noch eine jüdische Familie. In Oberlangenstadt und
Küps ist auch eine bedeutende Reduktion der Gemeindemitglieder
eingetreten." |
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Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. August 1912:
"Regensburg, 26. Juli (1912). Der hier erscheinenden
'Deutsch-Israelitische Zeitung' wird aus dem Frankenwalde geschrieben.
Auffallend ist der langsame, aber stetige Rückgang der jüdischen
Kultusgemeinden in unserer Gegend. Friesen, Redwitz, Mitwitz sind
schon vor längerer Zeit erloschen; Oberlangenstadt, das früher 30
Judenfamilien zählte, hat nur noch 6 solche. - In solchen Gemeinden
könnte mancher Israelite sich gut ernähren. Neu von auswärts Zuziehende
sollten sich nicht in den Städten anhäufen. Wenn sie sich in
Landgemeinden ansiedelten, würde auch das Judentum gewinnen, manche
schöne Synagoge könnte erhalten werden. Vielleicht zeigt sich der
Hilfsverein der Deutschen Juden auch einmal als Hilfsverein der Deutschen
Juden und gewährt solchen Ansiedlern Subvention zum Bau eines
Häuschens." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen einer der letzten jüdischen Familie am Ort -
Familie E, Gutmann 1890 / 1901 / 1904 / 1907
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1890: "Ich
suche einen jungen Mann mit guter Schulbildung unter günstigen
Bedingungen als Lehrling, bei freier Station im Hause.
E. Gutmann.
Korbwaren-Manufaktur, Redwitz a.d. Rodach (Bayern). |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1901: "Ein
ordentlicher Junge, mit guter Schulbildung und schöner Handschrift
kann unter günstigen Bedingungen in meinem
Korbwaren-Engros-Export-Geschäft sofort als Lehrling
eintreten.
E. Gutmann, Redwitz a.d. Rodach (Bayern)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. März 1904: "Suche
für eine ältere, taubstumme Dame eine ältere Person zur Führung
des Hausstands. Anerbietungen sind an den Vormund
E. Gutmann, Redwitz a.d. Rodach (Bayern) zu
richten." |
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Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 10. Mai 1907: "Suche für meinen Sohn mit
guter Schulbildung Lehrstelle in einem Getreide- oder
Landesproduktengeschäft.
E. Gutmann, Redwitz an der Rodach
(Bayern)." |
Sonstiges
Rechnungen der Textilhandlung Max Fleischmann (1901)
(aus der Sammlung von Christian Porzelt, Kronach)
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Links: zwei Rechnungen der Textilhandlung Max
Fleischmann an den Freiherrn von Aufseß aus dem Jahr 1901. Zu dem Geschäft
liegen folgende Informationen vor:
1888 eröffnete der Kaufmann Max Fleischmann in
Oberlangenstadt ein "Tuch-,
Schnitt- und Kurzwarengeschäft", das er bereits 1890 ins benachbarte
Redwitz an der Rodach verlegte. Um die Jahrhundertwende scheint er nach
Aufseß gezogen zu sein. Ende des Jahres
1905 meldete das Handelsgeschäft Konkurs an. Über das weitere Schicksal von
Max Fleischmann ist nichts bekannt. |
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19.
Jahrhundert
Grabsteine in New York für Sophie Fisher (1831-1886) und Zidonie Hackes geb.
Wald (1786-1864), beide aus Redwitz
Anmerkung: die Gräber befinden sich in einem jüdischen Friedhof in
NY-Brooklyn.
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Grabstein für
"Sophie Fisher, Born in Redwitz - Bavaria Febr. 28,
1831.
Died August 2, 1886" und
"Solomon Fisher. Born in Altenkunstadt
Bavaria, October 11, 1817,
Died September 15, 1906 -
Was a righteous man, perfect in his generation, an he walked with God".
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Grabstein
für
"Zidonie Hackes geborne Wald
geb. 15. Juni 1786 in Redwitz Baiern
gest. den 2. Sept. 1864 -
Die tiefbetrübten Kinder -
ihrer vielgeliebten unvergesslichen Mutter" |
Zur Geschichte der Synagoge
Im 18. Jahrhundert hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal
(1716 erstmals genannt; befand sich im Obergeschoss eines jüdischen Wohnhauses
am Dorfrand). Als dieser zu klein wurde, errichteten die jüdischen Familien 1741
eine Synagoge in der Ortsmitte. Sie hatten dazu die Genehmigung des damaliges
Dorfherrn Alexander Heinrich von Redwitz erhalten. Das - mit Erdgeschoss aus
Sandstein und mit barockem Giebelwalmdach errichtete Gebäude - durfte auf Grund
der Forderungen der christlichen Obrigkeit nur in zweiter Baureihe stehen. Das
Gebäude war etwa 10 Meter lang und 8,5 Meter breit. Um 1790 gab es 32
Männerstände (Betständer) im Erdgeschoss und 31 Frauenstände auf der Empore.
Neben der Synagoge hatte die Gemeinde in der Hauptstraße 15 ein Gemeindehaus mit
der Wohnung für den Lehrer/Vorbeter, einer "Judenherberge" und einer Mikwe
(rituelles Tauchbad) und ein Schlachthaus.
Noch um 1890 wurden Gottesdienste in der jüdischen Gemeinde abgehalten. Zu
den hohen Feiertagen 1891 wurde daher auch ein Vorbeter gesucht, da in Redwitz
damals sicher kein eigener Vorbeter mehr in der Gemeinde angestellt war.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. August 1891: "Wir
suchen für die hohen Festtage einen Vorbeter. Offerten an die
Kultusgemeinde Redwitz a.d. Rodach erbeten." |
Um 1920 wurde die Synagoge aufgegeben. Im Januar 1920
fanden noch zwei Hochzeiten in der Synagoge statt. Nach Auflösung der jüdischen
Gemeinde im August 1921 wurde im Oktober 1927 die Synagoge für 2000 Mark an den
Schreiner Georg Alberth verkauft und im Juni 1928 abgebrochen. An Stelle der
Synagoge wurde eine Schreinerwerkstatt erstellt.
Adresse/Standort der Synagoge: altes Haus Nr. 34,
Plan Nr. 58 (vgl. Markierung auf Plan bei Fotos)
Fotos
(Fotos: Jürgen Hanke, Kronach, Aufnahmen vom Oktober 2021 und Februar 2022)
Seit Oktober 2021:
Gedenktafeln und
Schautafeln zur jüdischen Geschichte am Ort |
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Ortsführung und Festakt
zur Einweihung des
Denkmals und der Schautafeln am 3. Oktober 2021 |
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Haus Hauptstraße 29: Haus der
Familie Marx Wolf,
dann Familie Seligmann Gütermann |
Haus Am Markt 5:
Handlung Gütermann -
Korbhandlung Zinn - Firma Gutmann |
Haus Am Markt 10:
Familie Lust - Familie Kuh |
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Hauptstraße 36:
ehemaliges Haus
der Familie Gütermann, dann Familie Gosser |
Haus Kronacher Str. 6:
ehemaliges
Geschäftshaus Samuel Zinn |
Haus Sonnenweg 5:
Informationen
u.a. zur Korb- und Weidenhändlerfamilie Pauson |
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Gebäude
Hauptstraße 1 mit Denkmal (Menorah und Davidstern / Hinweistafel)
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Hauptstraße 3 -
Informationstafel |
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Informationen zur
Synagoge
mit Foto vom Marktplatz
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Informationen zur
"Judenherberge", Rabbiner
Moses Gutmann, Lage der Gebäude der jüdischen
Gemeinde und Karte zu den Rabbinatsbezirken
Redwitz und Burgkunstadt |
Informationen zum Schicksal
von
jüdischen Personen, die in Redwitz
geboren sind. Elf dieser Personen sind
in der NS-Zeit umgekommen. |
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Informationstafel
Hauptstraße 18 |
Informationen zur
jüdischen Geschichte im Oberen
Maintal und Geleitbrief für Redwitzer Juden von 1519 |
Regeln zur Aufnahme von Juden
in Redwitz
(Schutzbriefe) aus dem 18. Jahrhundert |
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Über
Maximilian Gütermann, Gründer der
Nähseidenfabrik Gütermann in Gutach. |
Markierung der früheren jüdischen
Häuser
im Ortsplan sowie Hausansichten |
Über den Korbhändler
Emanuel Gutmann
und seine Kinder |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 220. |
| Klaus Guth: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken
1800-1942. Bamberg 1988. S. 395. |
| Eva Groiss-Lau: Jüdisches Kulturgut auf dem Land.
München/Berlin 1995. |
| Günter Dippold: Eine jüdische Gemeinde in einem
ritterschaftlichen Dorf - Beiträge zur Geschichte der Juden in Redwitz. In:
750 Jahre Redwitz a.d. Rodach und Unterlangenstadt - Geschichte und
Geschichten. Rolf Kneipp Verlag. Traunau 2000. S. 143-172 Online
zugänglich über die Website www.bezirk-oberfranken.de; |
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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