Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Rheinbischofsheim (Gemeinde Rheinau, Ortenaukreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis 1736 zur Grafschaft Hanau-Lichtenberg, danach
bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt gehörenden
Rheinbischofsheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht
in die Zeit des 17. Jahrhundert zurück. Erstmals werden
1717
Juden am Ort genannt. Der Graf von Hanau-Lichtenberg gestattete (teilweise gegen
den starken Widerstand der Straßburger Kaufmannschaft) den Juden, offene Krämerläden
zu führen. 1736 gab es vier, 1790 neun Schutzjuden mit ihren Familien am Ort.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 102 jüdische Einwohner (6,8 % von insgesamt 1.519 Einwohnern),
1875 Höchstzahl von 155 (9,7 % von 1.600), 1895 105 (7,2 % von 1.462), 1900 95
(6,7 % von 1.408), 1910 72 (5,0 % von 1.434).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule (mit Lehrerwohnung im Synagogengebäude) sowie ein rituelles Bad
(vermutlich in einem Nebengebäude zur Synagoge). Die Toten der Gemeinde wurden
in Kuppenheim, später in Neufreistett
beigesetzt. Auf einem in Rheinbischofsheim bestehenden kleinen jüdischen Friedhof
wurden nur ein oder mehrere Angehörige der Familie Löw Simson beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
tätig war. In besonderer Erinnerung blieb Lehrer Daniel Levi, der 1907 sein
25-jähriges Ortsjubiläum in Rheinbischofsheim feiern konnte und 1917 starb
(beigesetzt im jüdischen Friedhof Neufreistett). 1827 wurde die Gemeinde dem Rabbinatsbezirk
Bühl zugeteilt.
Für das wirtschaftlichen
Leben des Ortes waren die jüdischen Handels- und Gewerbebetriebe von großer
Bedeutung.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Vizefeldwebel Max
Bloch (geb. 22.3.1880 in Rheinbischofsheim, gef. 15.10.1918), Josef Bloch (geb.
2.3.1878 in Rheinbischofsheim, gef. 2.11.1918), Eduard Bloch (geb. 20.4.1884 in
Rheinbischofsheim, gef. 18.11.1916) und Feldunterarzt Max Cahnmann (geb.
29.2.1892 in Rheinbischofsheim, vor 1914 in Bonn wohnhaft, gef. 9.12.1916). Ihre Namen stehen auf dem
Gefallenendenkmal der Gemeinde Rheinbischofsheim.
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde 69 Personen gehörten (5,0 % von
insgesamt 1.377 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Moses
Bloch, Gustav Bloch und Sally Kaufmann. Als Lehrer, Kantor und Schochet
wird David Hirschberger genannt, als Synagogendiener M. Kreilsheimer, als Schreiber
P. Weil. Lehrer Hirschberger unterrichtete sechs Kinder in Religion. An
jüdischen Vereinen bestand insbesondere der Krankenverein der
Israelitischen Gemeinde (gegründet 1899; 1924/32 unter Leitung von Moritz
Bloch mit 25 beziehungsweise 31 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet:
Krankenpflege, Wohltätigkeit). 1932 war die Gemeindevorsteher Moses
Bloch (1. Vors.), dazu werden als "Synagogenräte" David Cahnmann und
Jacob Maier genannt. Lehrer war weiterhin David Hirschberger. Im Schuljahr 1931/32
hatte er 13 Kinder zu unterrichten. An weiteren Ämtern in der Gemeinde gab es
das Friedhofsamt (1932 unter Leitung von Lehrer Hirschberger).
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben
im Besitz jüdischer Familien / Personen sind u.a. bekannt: Textilgeschäft Gustav Bloch
(Hauptstraße 122), Textilgeschäft Joseph Bloch (Lindenplatz 2), Viehhandlung Joseph Bloch
(Altrheinstraße 27), Mehl- und Getreidehandlung Moritz Bloch (Lindenplatz 3), Viehhandlung Moses Bloch
(Kirchstraße 23), Textilgeschäft Grumbacher (Lindenplatz 6), Edelbranntweinbrennerei Liebmann & Simon Kahn
(Hauptstraße 119), Viehhandlung Nathan Kahnheimer (Altrheinstraße).
1933 lebten noch 57 jüdische Personen in Rheinbischofsheim. In den
folgenden Jahren verließen die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung den
Ort oder wanderten aus. Am 17. Juni 1935 wurden die jüdischen Gemeinden
Rheinbischofsheim und Freistett vereinigt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Inneneinrichtung der Synagoge und der
Religionsschule zerstört (s.u.). Die jüdischen Männer wurden über Kehl nach
Dachau verbracht. Gustav Bloch starb an den Folgen der dort erlittenen
Misshandlungen am Neujahrstag 1939 im Krankenhaus Offenburg. Am 22. Oktober
1940 wurden die letzten acht jüdischen Einwohner nach Gurs
deportiert.
Von den in Rheinbischofsheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Elsa Bensinger geb. Bloch
(1887), Bertha Bloch geb. Heilbronner (1884), Frieda Bloch geb. Schlessing
(1886), Gustav Bloch (1883), Josef Bloch (1877), Sophie Bloch (1857), Kain
Bodenheimer (1866), Siegfried Boettigheimer (1874), Lina Brauer geb. Maier
(1877), Ida Dreyfuß geb. Bloch (1885), Else Grumbacher geb. Kahn (1863), Elsa
Hammel (1889), Berta Kahnheimer geb. Marob (1882), Hermann Kahnheimer (1882),
Hugo Kaufmann (1889), Johanna Kaufmann (1894), Sally Kaufmann (1891), Clementine
Crämer geb. Cahnmann (1873), Clara Lang geb. Rosenfeld (1877), Emma Ledermann
geb. Bodenheimer (1877), Margot Maier (1923), Thekla (Thea) Maier geb. Kahnmann
(1898), Berta Rindsberg geb. Bodenheimer
(1878).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Lehrers und Vorsängers
(1852)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 25. Dezember 1852 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen): "Vakante
Schulstellen.
Die neben freier Wohnung mit einem festen Gehalte von 150 fl., einem
Schulgelde, welches bei einer Zahl von 36 Schulkindern auf jährlich 48 kr.
für jedes Kind festgesetzt ist, und dem Vorsängerdienste samt den davon
abhängigen Gefällen verbundene Religionsschulstelle bei der
israelitischen Gemeinde Rheinbischofsheim, Synagogenbezirks Bühl,
ist zu besetzen.
Die berechtigten Bewerber um dieselbe werden daher aufgefordert, mit ihren
Gesuchen, unter Vorlage ihrer Aufnahmeurkunden und der Zeugnisse über
ihren sittlichen und religiösen Lebenswandel, binnen 5 Wochen, mittelst
des betreffenden Bezirksrabbinats bei der Großherzoglichen
Bezirkssynagoge Bühl, zu Rastatt, sich zu melden." |
Lehrer Daniel Levy: ab 1882 Lehrer
in Rheinbischofsheim
Anmerkung: Lehrer Daniel Levy ist 1848 als Sohn des Handelsmannes
Lazar Levy und seiner Frau Gotton in
Saarwellingen geboren. Er war nach seiner Ausbildung zunächst Lehrer in
Cönen (ab 1862/63, vgl. Berichte unten) im Rheinland, heiratete 1878 Hanna (Hannchen)
geb. Kahnmann, die 1854 in Rheinbischofsheim geboren und 1932 gestorben ist.
Nach unten stehenden Berichten war Daniel Levy seit etwa 1882 Lehrer in
Rheinbischofsheim; in Mitglieder- und Spendenlisten wird er seit 1884 als Lehrer
in Rheinbischofsheim genannt (siehe unten). Daniel und Hanna Levy hatten zwei
Kinder: Mina (geb. 1872, gest. 1917; war verheiratet mit Isidor Podeswa
in Malsch); Oskar (geb. 1890, später verheiratet mit Erika geb. Heymann aus
Köln; beide konnten 1938 in die USA emigrieren, wo er 1962 starb).
Lehrer Daniel Levy starb 1917 und wurde im
jüdischen Friedhof Neufreistett beigesetzt. Mehr siehe unten bei
Erinnerungsarbeit vor Ort.
Liste
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. September 1884.
|
Liste
im "Rechenschaftsbericht / Achawa, Verein zur Unterstützung hilfsbedürftiger
israelitischer Lehrer, Lehrer-Witwen und -Waisen in Deutschland" von 1884.
S. 26. In den folgenden Rechenschaftsberichten erscheint der Name von D.
Levy jährlich bis in die letzten Jahre vor seinem Tod 1917. |
Liste in der "Israelitischen Wochenschrift für die religiösen und sozialen
Interessen des Judentums" vom 7. Oktober 1886. |
Lehrer Levy spricht bei einer
Versammlung der jüdischen Lehrer des Rabbinatsbezirkes Bühl (1886)
Artikel
in "Die jüdische Presse" vom 9. Dezember 1886: "Bühl,
4. Dezember (Original-Korrespondenz). Jüngsten Sonntag versammelten sich
hier nach vorhergegangener Einladung durch den Bezirks-Rabbiner Herrn Dr.
Mayer sämtliche israelitischen Lehrer des Rabbinatsbezirks
Bühl zur Abhaltung der auf diesen Tag
anberaumten Konferenz. Der Herr Bezirks-Rabbiner hieß die Versammelten,
denen sich auch der derzeitige Bezirksälteste Herr Dr. M. Wertheimer
und Synagogenrat S. Weil dahier angeschlossen hatten, herzlich
willkommen und hob den Anwesenden in wenigen, aber geistreichen Worten den
Wert solcher Versammlungen für den Unterricht hervor. Hierauf erteilte
derselbe dem Hauptlehrer Jacob dahier das Wort zu seinem Referate
über den biblisch-geschichtlichen Religionsunterricht. ... In
der hieran anschließenden Diskussion, an welcher Hauptlehrer Lehmann
aus Lichtenau, Lehrer Levy aus
Rheinbischofsheim, Lehrer Maiersohn aus
Rastatt und andere sich beteiligten,
wurde dieser Vereinigung beigestimmt, aber auch hervorgehoben, dass in den
so genannten Religionsschulen, denen für den Religionsunterricht mehr Zeit
zur Verfügung steht, diese Unterrichtsgegenstände ausführlicher behandelt
werden können. Hierauf sprach Lehrer Pollaschek aus
Bodersweier über den Wert des
Pentateuchunterrichts und hob insbesondere die Schwierigkeit hervor, die dem
Lehrer hierbei dadurch bereitet wird, dass so manche Eltern diesem wichtigen
Unterrichtsgegenstand so wenig Sympathie entgegenbringen. Auch von den
anderen Lehrern, die an der hierauf folgenden Besprechung sich beteiligten,
wurde dieser Indifferentismus tief beklagt. Herr Bezirks-Rabbiner Dr. Mayer
legte jedoch in seiner Schlussrede den anwesenden Lehrern dringend ans Herz,
sich hierdurch nicht stören zu lassen und ihren Obliegenheiten umso
gewissenhafter nachzukommen. Im Allgemeinen glaubte der Vorsitzende den
Lehrern bezüglich des geschichtlichen Unterrichts und unter Bezugnahme auf
das Referat des Herrn Hauptlehrers E. Jakob den Wink geben zu sollen,
dass es nicht so wohl darauf ankomme, sich bei einzelnen unerheblichen
geschichtlichen Erzählungen aufzuhalten, als vielmehr durch lichtvolle
Rekapitulationen des Geschichtsstoffes denselben dem Gedächtnisse der Kinder
dauernd einzuprägen, mit anderen Worten dem Unterricht einen mehr intensiven
als extensiven Charakter zu verleihen. Nachdem hierauf die Tagesordnung für
die nächstjährige Konferenz festgestellt war, vereinigte man sich zu einem
gemeinschaftlichen Mittagessen, bei welchem neben guten Speisen und
Getränken auch der gemütliche Teil, Toaste, gesangliche und humoristische
Vorträge nicht fehlten. Erst am späten Abend trennte man sich, mit dem
Bewusstsein, einen genussreichen Tag verlebt zu haben." |
Kantor Daniel Levy und Hannchen geb. Cahnmann feiern
Silberne Hochzeit (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1903: "Rheinbischofsheim,
12. August (1903). Herr Kantor Daniel Levy und dessen Gattin
Hannchen geb. Cahnmann dahier, begehen am 14. dieses Monats im engsten
Familienkreises das Fest der silbernen Hochzeit. Herr Levy, der nunmehr im
40. Amtsjahre steht, ist ein Schüler des seligen Lehrers Eppstein aus Saarwellingen
und dessen erst im vorigen Jahre verstorbenen Schwagers, Isac Levy in Merzig,
bei dem er seine Ausbildung im Hebräisch erhielt. Nachdem er zunächst in
verschiedenen Orten des Großherzogtums Baden seine Lehr- und
Amtstätigkeit ausgeübt hatte, folgte er vor nunmehr fast 21 Jahren einem
Rufe hierher. Hier hat er sich in langjähriger Tätigkeit als Lehrer und
Kantor, wie auch als wohltätiger und edler Menschenfreunde allgemeine
Achtung und Liebe erworben. Er ist der Verfasser des auch in weiteren
Kreisen bekannten jüdischen ABC-Büchleins.
Nicht nur von seinen Gemeindeangehörigen, sondern auch von christlicher
Seite sind ihm aus diesem Anlasse zahlreiche ehrende Beweise von
Anhänglichkeit und Verehrung zuteil geworden.
(Auch wir senden herzlichste Wünsche für weiteres Wohlergehen dem edlen
Paare und seiner Familie. Redaktion des
'Israelit"). |
Lehrer Daniel Levy feiert sein 40-jähriges
Dienstjubiläum (1904)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Oktober 1904: "Könen
bei Trier. In welchem guten Andenken die hiesige jüdische
Gemeinde bei einem früheren Lehrer steht, zeigt uns der jüngste Besuch
des Herrn Lehrer Daniel Levi aus Rheinbischofsheim (Baden), der vor
40 Jahren als junger Mann hier (sc. Könen) angestellt war und sein 40jähriges
Dienstjubiläum durch diesen Besuch feierte.
Der Jubilar, der bei seinen damaligen Schülern, die jetzt ältere Männer
geworden und bei allen seinen hiesigen Bekannten sehr beliebt war und noch
in bestem Andenken steht, weilte bei seiner Ferienreise über Samstags bei
uns, erfreute uns Freitagabends durch seinen herrlichen Gebetsvortrag und
beschenkte die hiesige Gemeinde mit einem silbernen
Kidduschbecher.
Möchte der Allmächtige den Jubilar noch viele Jahre gesund erhalten,
dass er auch weiter wie bisher in seinem Amte tätig sein kann, wo er
schon 22 Jahre auf einer Stelle wirkt und möge ihm ein fröhlicher
Lebensabend im Kreise seiner Familie und Freunde beschieden
sein." |
Lehrer Levy wirbt für seine Schülerpension (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1903:
"Schüler oder Schülerinnen, welche die hiesige 5-klassige
Realschule besuchten wollen, finden billigste
Pension
bei Lehrer Levy, Rheinbischofsheim (Baden)." |
Lehrer Levy ist 25 Jahre in Rheinbischofsheim
(1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Mai 1907: "Rheinbischofsheim,
10. Mai (1907). Am 2. Juni dieses Jahres werden es 25 Jahre, dass Herr D.
Levi als Lehrer und Kantor in unserer Gemeinde tätig ist. Durch seine
pädagogischen Leistungen und durch seine trefflichen Eigenschaften hat er
sich die Liebe und Achtung der ganzen Gemeinde und aller, die ihn kennen,
in hohem Grade erworben. Man beabsichtigt, das 25-jährige Ortsjubiläum
des verdienten Mannes in der Gemeinde festlich zu begehen." |
Lehrer Daniel Levy feiert sein 30-jähriges Ortsjubiläum
(1912)
Anmerkung: im Text ist falsch vom 40-jährigen Dienstjubiläum die
Rede, das Levi jedoch bereits 1904 gefeiert hatte.
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. Juni 1912:
"Rheinbischofsheim. Lehrer Levi feierte am 8. Juni unter
allgemeiner Beteiligung sein 40-jähriges Amtsjubiläum." |
Lehrer Daniel Levy feiert sein
50-jähriges Dienstjubiläum (1914)
Artikel
in "Das jüdische Blatt" vom 29. Mai 1914: "Rheinbischofsheim. Vorigen
Samstag hielt Herr Lehrer Levy in seiner vor 50 Jahren angetretenen Stelle
zu Cönen (Rheinland) einen Dankgottesdienst ab. Die Gemeinde nahm innigen
Anteil an dieser Weihefeier, obschon wenige mehr da waren, die Herrn Levy im
Amte von damals her noch kannten. Ad multos annos!" |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Aaron Juda aus Lehrensteinsfeld wird in
Rheinbischofsheim wegen "Gotteslästerung" verurteilt (1842)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" vom 13. April 1842 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
"Rheinbischofsheim. [Landesverweisung]. Gegen den unten
signalisierten Israeliten Aaron Juda aus Lehrensteinsfeld,
königlich württembergischen Oberamts Weinsberg, welcher wegen Gotteslästerung
dahier in Untersuchung gekommen, hat das großherzogliche Hofgericht des
Mittelrheinkreises unterm 17. März dieses Jahres Nr. 3017 das Urteil
erlassen:
'Aaron Juda sei der Gotteslästerung für schuldig zu erklären,
und deshalb zu einer Schellenwerksstrafe von vierzehn Tagen, sowie zu
Tragung der Untersuchungs- und Straferstehungskosten zu verurteilen und
nach erstandener Strafe der großherzoglichen badischen Lande zu
verweisen.'
Dieses wird zum Zweck der Arretierung des Aaron Juda für den Fall, als er
die Landesverweisung brechen sollte, hiermit öffentlich bekannt
gemacht.
Rheinbischofsheim, den 29. März 1842. Großherzogliches Bezirksamt.
Signalement des Aaron Juda: Alter 23 Jahre; Größe 5' 4"
7'"; Körperbau untersetzt, etwas vorhängenden Kopf; Farbe der Haare
braun; Augen grau; Augenbrauen dunkelbraun; Gesicht rund; Stirn niedrig;
Nase klein und spitzig; Mund klein und aufgeworfen; Zähne gut; Kinn rund;
Bar dunkelbraun rasiert; Besondere Kennzeichen keine."
|
Aus der Liebmann Kahnheimer'schen
Stiftung ist ein Brautlegat zu vergeben (1868)
Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 24. Oktober 1868: "Rheinbischofsheim.
Bekanntmachung. Aus der Liebmann Kahnheimer'schen Stiftung dahier
ist ein Brautlegat an ein armes Mädchen aus der Verwandtschaft des
seligen Stifters zu vergeben. die berechtigen Bewerberinnen werden daher
aufgefordert, ihre desfallsigen Gesuche unter Anschluss eines Sitten- und
Vermögenszeugnisses, sowie eines Nachweises über deren Verwandtschaftsgrad
binnen 3 Wochen bei dem Synagogenrat allda einzureichen.
Rheinbischofsheim, den 21. Oktober 1868. Der Synagogenrat."
|
Öffentlicher Dank der Landwirte (Tabakpflanzer) an die
jüdischen Tabakhändler (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1894: "Rheinbischofsheim,
18. Januar (1894). Vorige Woche wurde der Tabak vollständig abgewogen zur
großen Zufriedenheit der Pflanzer sowie der Käufer. Es wurden hier rund
2.500 Zentner angebaut und kam die hübsche Summe von ca. 75.000 Mark zur
Auszahlung. Die Käufer sind: A. Hirsch jun.,
Mannheim; Lußheimer,
Hohenheim (verschrieben für:
Hockenheim); Odenheimer u. Marx, beide von
Bruchsal; Kaufmann und Benslein,
Mannheim; Weißmann, Birnheim und Gekler, Straßburg. Die hiesigen
Tabakpflanzer sprechen sämtlichen genannten Firmen für die solide
Behandlung den Dank öffentlich aus." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Fahndung nach Moses Kahnmann von Rheinbischofsheim
(1834)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1834 S. 880 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Vorladung und Fahndung.
Moses Kahnmann von Rheinbischofsheim, welcher dahier wegen Betrugs
in Untersuchung gestanden, und ungeachtet der handgelübdlichen
Versicherung, sich nicht von Hause zu entfernen, entwichen ist, wird
nunmehr aufgefordert, sich zur Vervollständigung der Untersuchung binnen
4 Wochen dahier zu stellen, und über den Handgelübdebruch zu
verantworten, als sonst nach Lage der Akten gegen ihn erkannt werden
würde.
Die Großherzoglichen Polizeibehörden werden zugleich ersucht, auf den
Inkulpaten, dessen Signalement unten folgt, zu fahnden, und ihn im
Vertretungsfalle anher abführen zu lassen.
Kork, den 24. September 1834.
Großherzoglich badisches Bezirksamt.
Signalement. Alter 62 Jahr, Größe 5' 8", Augen braun, Haare
schwarz mit weiß vermischt, Nase groß und gebogen, Gesichtsfarbe blass,
Zähne mangelhaft, Körperbau stark." |
Zum Tod des Kriegsveteranen Moses Kahn (1894)
Anmerkung: die Angabe des Lebensalters - 36 Jahre - dürfte nicht stimmen, wenn
gleichzeitig von vier erwachsenen Kindern die Rede ist und der Krieg 1870/71
23/24 Jahre zurück liegt.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1894:
"Rheinbischofsheim, 19. Januar (1894). Heute hatte unser
Veteranenverein die traurige Pflicht, einen Kameraden zu Grabe zu tragen.
Moses Kahn, 36 Jahre alt, diente beim 4. badischen Infanterie-Regiment Nr.
112 und war ein treues Mitglied unseres Vereins. Er hinterlässt eine
trauernde Witwe und vier erwachsene Kinder. Er war ein braver und
ehrenhafter Mann. Der Verein gab dem Dahingeschiedenen mit umflorter Fahne
das Geleite zur letzten Ruhestätte." |
Auszeichnungen für den
Kriegsfreiwilligen Max Bloch (1915; 1918 gefallen)
Artikel
in "Dr. Bloch's österreichische Wochenschrift: Centralorgan für die gesamten
Interessen des Judentums" (Wien) vom 14. Mai 1915: "Rheinbischofsheim
(Baden). Vizefeldwebel in einem Jägerbataillon Großkaufmann Max Bloch,
Kriegsfreiwilliger, erhielt die Württembergische Tapferkeitsmedaille und das
Mecklenburgische Militärische Verdienstkreuz." |
Zum Tod von Henry Bodenheimer in
Paris (1937; geboren in Rheinbischofsheim)
Anmerkung: Henry (Henri) Bodenheimer starb im Alter von 72 Jahren am 29.
Dezember 1937 in Paris:
https://www.jta.org/1937/12/29/archive/henri-bodenheimer-president-of-ort-board-dies.
Artikel
in der "Central-Verein-Zeitung" vom 13. Januar 1938: "Henry Bodenheimer -
Paris. Aus Paris kommt die Nachricht von dem plötzlichen Tod Henry
Bodenheimers. Bodenheimer, aus Rheinbischofsheim im badischen Hanauerland
gebürtig, war der Inhaber des Bankhauses Maison Bodenheimer an den Champs
Elysees, aber darüber hinaus wuchs er in den letzten Jahren zu einer der
maßgeblichen Persönlichkeiten der französisch-jüdischen Hilfstätigkeit
heran. Insbesondere die Hilfe für die aus Deutschland Ausgewanderten war zum
großen Teil sein persönliches Werk, und wer bei dieser Gelegenheit mit ihm
in Berührung kam, wird den ruhig-freundlichen und selbstlosen Mann nicht
vergessen. Ca." |
Über Clementine Sophie Krämer geb. Cahnmann
(1873-1942)
Clementine Sophie Kraemer geb. Cahnmann (1873
Rheinbischofsheim - 1942 KZ Theresienstadt), Sozialarbeiterin, war führend in der jüdischen Sozialarbeit und der allgemeinen Wohlfahrtspflege in München tätig, seit 1905 für den Verein Israelitische Jugendhilfe; wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert. |
Über den Bankier Herbert Kahnheimer (1897 - ?)
Anmerkung des Webmasters: auf den aus Rheinbischofsheim stammenden Bankier H.
Kahnheimer wurden wir durch den an umfangreichen Recherchen zur
"Darmstädter Sezession" arbeitenden Horst Dieter Bürkle (Darmstadt)
aufmerksam gemacht. Leider liegen zu Herbert Kahnheimer bislang nur die unten
genannten Informationen vor. Wer mehr über H. Kahnheimer weiß, möge sich
bitte an Horst Dieter Bürkle wenden: E-Mail.
links:
"Bildnis des Bankiers H. Kahnheimer" von dem Karlsruher Maler
Georg Scholz (1924; der Maler aus den Reihen der Darmstädter Sezession
wurde in der NS-Zeit als "entartet" eingestuft; das Original des
Bildes ist unauffindbar bzw. verschollen).
Herbert Kahnheimer (geb. 31.5.1897 in Rheinbischofsheim, gest. ?),
in Berlin und Paris als Bankier tätig, 1936 in Berlin
enteignet. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Branntweinbrennerei A. Kahn
Söhne (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1901:
"Selbstgebranntes Schwarzwälder Kirsch- und Zwetschgenwasser. Koscher
al Pessach. empfehle per Liter inklusive Flasche à Mark 2.60
beziehungsweise Mark 2.- ab hier. A. Kahn Söhne, Branntweinbrennerei und
Liqueurfabrik, Rheinbischofsheim, Baden. Wiederverkäufer
Rabatt!" |
Anzeige des Manufaktur- und Modewarengeschäftes Moritz Cahnmann
(1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. März 1901: "Für
mein Manufaktur- und Modewaren-Geschäft suche ich per 1. Mai, oder sofort
nach den jüdischen Feiertagen einen Lehrling mit guten Schulkenntnissen
bei guter Kost und Logis im Haus. Schabbat und Feiertag frei. Moritz
Cahnmann, Rheinbischofsheim, Baden." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Erste
Berichte über die Gottesdienste der Rheinbischofsheimer Juden liegen aus den
1730-Jahren vor. Da es damals noch keine zehn Männer am Ort gab, tat man sich
mit den Juden im Nachbarort Lichtenau
zusammen und traf sich im Haus des Marx Kaufmann in Lichtenau unregelmäßig am
Sabbat und an den Feiertagen. Kaufmann selbst übernahm den Dienst des Vorsängers.
Da die Juden hierzu allerdings keine herrschaftliche Erlaubnis hatten, wurden
die Teilnehmer dieser Versammlungen 1736 zur Verantwortung gezogen. Sie meinten
freilich, dass es sich bei ihrer Zusammenkunft nicht um einen "ordentlichen
Schulgang" gehandelt habe und sie sich auch keiner Übertretung schuldig fühlten.
Oberamtmann Bassy war unnachsichtig und belegte Kaufmann mit einer hohen Strafe
von 20 Gulden, die beiden Mitangeklagten mit je fünf Gulden. Das
Regierungskollegium in Buchsweiler reduzierte wenig später die Strafe um die Hälfte.
Darauf erwarb die Rheinbischofsheimer Judenschaft gegen Entrichtung von 150
Gulden das Recht zur Abhaltung ihrer Schule, das heißt zur Einrichtung eines Betsaales.
Dieser wurde zunächst in einem jüdischen Wohnhaus eingerichtet.
Um 1815 wurde eine Synagoge erbaut (Standort
Oberdorfstrasse 3, Flurstück 230/1).
Im Synagogengebäude befanden sich ein auch Schulsaal und die Wohnung des jüdischen
Lehrers. Vermutlich war in einem Nebengebäude auch ein rituelles Bad
untergebracht, das 1933 nicht mehr benutzt wurde.
Am 28. Juli 1855 fand die
Einweihung einer neuen Tora-Rolle für der Synagoge statt, die mit
einem großen Fest am Ort begangen wurde:
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 5. August 1855: "Rheinbischofsheim,
3. August (1855). Seit langer Zeit waren wieder einmal die Straßen unseres
ruhigen und stillen Amtsortes an den beiden Tagen des 27. und 28. Juli
belebter denn sonst. Es galten diese beiden Tage der hiesigen israelitischen
Gemeinde. Wie anderwärts, so hatte sich auch in der hiesigen
Israelitengemeinde ein Unterstützungsverein gebildet, der sich neben
der Unterstützung der Notleidenden auch zur Aufgabe machte, den Sinn für
Kultus und Religiosität zu wecken und zu kräftigen. Die Mitglieder des
gesamten Vereins stifteten aus eigenen Mitteln eine neue Tora in die
Synagoge dahier, deren Einweihung am 28. vorigen Monats stattfand. Schon
Tags vorher wurde solche unter dem Klange der Musik von den Stiftern durch
den Ort getragen, und währenddessen sah man Gäste, welche sich bei den Fest
beteiligen wollten, von nah und fern eintreffen. Vom Nachmittag an war diese
Tora bis zum andern Morgen 8 Uhr in einem besonders dazu hergerichteten,
schön geschmückten, und Abends prachtvoll erleuchteten Zimmer zur Ansicht
ausgestellt. Der Vorabend wurde durch die Israeliten mit einem heiteren
Balle gefeiert. am anderen Morgen bewegte sich der Zug mit der Tora der
Synagoge zu. Während desselben spielte die Musik, ertönte der Gesang der
israelitischen Schuljugend und der gewählten Sänger, und flatterten die
badischen Fahnen. Die meisten Zuschauer schlossen sich dem Zuge an. Er hielt
in kurzer Entfernung von der Synagoge, und den Mitgliedern des
Unterstützungsvereins, welche die Tora trugen, wurden noch die weiteren in
der Synagoge befindlichen Gesetzesrollen entgegen getragen, wobei Herr
Stadtrabbiner Willstätter von
Karlsruhe (der wegen Unwohlseins des Herrn Bezirksrabbiners Schott
zu Bühl die Feier der Einweihung leitete)
einige Worte zu der versammelten Menge sprach. - Nach dem Eintritte in die
Synagoge wurde ein von dem hiesigen israelitischen Lehrer Witthan gut
gewähltes Quartett von der Schuljugend unter Mitwirkung mehrerer
christlichen Lehrer gesungen. Ergreifend für jedes Gemüt war die nun
folgende Festpredigt des Herrn Rabbiners Willstätter. Die Haltung
aller Anwesenden während der ganzen Feier war eine musterhafte. Es machte
einen wahrhaft erhebenden Eindruck, eine so zahlreiche Versammlung, die
sonst durch Konfession geschieden war, in der Achtung vor dem fremden
Glauben und in der Huldigung für das, allen kirchlichen Gegensätzen zugrunde
liegende rein religiöse Gefühl so, wie hier geschehen, vereinigt zu sehen.
Allen Anwesenden wir das Fest ein denkwürdiges sein, zumal für die
Angehörigen der israelitischen Gemeinde selbst."
|
|
Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 17. August 1855: "Bei A. Bielefeld in
Karlsruhe ist zu haben:
Rede und Gebete, gesprochen bei Gelegenheit der feierlichen
Verbringung einer neu geschriebenen Thora-Rolle in die Synagoge zu
Rheinbischofsheim von B. Willstätter, Stadt- und Bezirks-Rabbiner in
Karlsruhe.
Preis 6 Kr. Der Erlös ist zu einem wohltätigen Zwecke bestimmt."
|
Verzeichnis
der Bestände im Katalog der Gemeindebibliothek der Israelitischen Gemeinde
Frankfurt im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" Januar
1931 S. 174. |
Nachdem die Zahl der Juden in Freistett und Rheinbischofsheim stark zurückgegangen
war, wurde die Freistetter Synagoge 1935 geschlossen und nicht mehr zu
Gottesdiensten verwendet. In der Synagoge in Rheinbischofsheim wurden bis zum
November 1938 Gottesdienste gefeiert.
In der Pogromnacht 1938 wurde nach
vorliegenden Augenzeugenberichten am 10. November 1938 die Inneneinrichtung der
Synagoge und der Religionsschule vollkommen zerstört. Bei den Tätern handelte
es sich dabei großenteils (wie in Bodersweier) um österreichische SS-Leute,
teilweise um örtliche Parteigenossen, angeführt von dem damaligen Ortsgruppenführer
und dem Ortspolizisten. Die Fenster des Gebäudes wurden zerschlagen, die Bänke,
der Kronleuchter und der Toraschrein sowie die rituellen Gegenständen wurden in
den Vorhof geworfen. Eine Torarolle wurde wie eine Fahne an eine Stange gehängt
und damit ein Umzug veranstaltet. Auf dem Hof ist mit dem zerschlagenen Inventar
ein großes Feuer gemacht worden, bei dem auch ein Nussbaum verbrannt ist. Das
Synagogengebäude selbst wurde nicht angezündet, weil inzwischen eine nichtjüdische
Familie in der ehemaligen Wohnung des Religionslehrers wohnte.
Die Juden des Ortes wurden im Ortsarrest gesammelt und mussten anschließend
unter dem Spott der zuschauenden Schulkinder und anderer Ortsbewohner zum
Lindenplatz marschieren. Der damalige Religionslehrer Hirschberger war
gezwungen, in seinem Talar und mit einem Gebetbuch in der Hand, dem Zug
vorauszugehen.
1953 wurde das Gebäude abgebrochen. Der Platz blieb unbebaut (Gärten). Anfang
der 1950er-Jahre wurde von der Staatsanwaltschaft Offenburg Anklage erhoben
gegen zwei Männer, denen man eine Beteiligung beim Pogrom in Rheinbischofsheim
vorwarf. Die Gerichtsverhandlung führte zu keinem Ergebnis, da die Angeklagten
ihre Beteiligung bestritten und es keine klaren Zeugenaussagen gegeben hat.
Adresse/Standort der Synagoge: (1932:
Gebäude Nr. 7)
Fotos
Historisches Foto
(Quelle des Fotos: Hundnurscher/Taddey, s. Lit. Abb. 182; der Plan stammt
aus dem Einschätzungsverzeichnis für die Brandversicherung 1933):
|
|
|
Die Synagoge in
Rheinbischofsheim
|
Synagogengrundstück Oberdorfstraße 3
(rechts davon Nr.
5): 1 markiert das
Synagogengebäude mit Schulsaal
und Wohnung, 2
markiert ein
Nebengebäude mit einer
Malerwerkstatt und 3 war das
Nebengebäude (Toiletten)
|
Lageplan der ehemaligen
Synagoge in
Rheinbischofsheim mit Eintragung der
heute noch bestehenden
Nachbargebäuden.
Der Pfeil zeigt auf die ehemalige Synagoge
(Gebäude auf
Plan links Nr. 1), rechts
darunter die Nebengebäude (Gebäude
auf Plan
links Nr. 2 und 3)
(Quelle: F. Peter s.Lit. S. 10) |
|
|
DIe Synagoge nach dem
Novemberpogrom 1938 |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos 2003:
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum: 1.9.2003) |
|
|
|
Das Grundstück,
auf dem die ehemalige Synagoge Rheinbischofsheim stand
(Oberdorfstraße 3) |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Hinweis auf die
Forschungen von Gerd Hirschberg:
Gerd Hirschberg befasst sich seit längerem mit der Geschichte der ehemaligen jüdischen
Gemeinden Freistett und Rheinbischofsheim. Ausführlich dokumentierte er die Entstehungsgeschichte des jüdischen Friedhofs Freistett und
die Lebensumstände der jüdischen Familien im ausgehenden 19. Jahrhundert
anhand von Aktenauszügen aus dem Gemeindearchiv Rheinau. Der Schwerpunkt
lag auf Informationen aus dem Ort Freistett, weil das Archiv der Gemeinde
Rheinbischofsheim infolge Kriegseinwirkung zerstört wurde. Die Dokumentation endet mit der Darstellung der Schicksale der ehemaligen
jüdischen Freistetter und Rheinbischofsheimer in der NS-Zeit, wie sie aus
den Wiedergutmachungsakten rekonstruierbar sind.
Anfragen an Gerd Hirschberg über E-Mail
[gehirschberg(et)gmx.de].
Artikel in der "Mittelbadischen Presse" vom 23. Februar 2013:
"'Keiner ist wieder hergezogen'. Gerd Hirschberg recheriert
die tragische Geschichte der Juden in Rheinau, die mit den Nazis
endete..."
Link
zum Artikel |
|
Januar 2015:
Vorstellung des Buches von Gerd Hirschberg |
Artikel im "Acher-Bühler-Bote" vom 31. Januar 2015: "Recherche war ein mühseliges
Unterfangen. Autor schreibt über jüdische Geschichte in Rheinau...." |
Weiterer Artikel von Dieter Heidt in der
"Mittelbadischen Presse" - www.bo.de
vom 30. Januar 2015: "Rheinau-Freistett. Hirschberg präsentiert
Buch über jüdische Gemeinden..."
Link
zum Artikel |
|
2018:
Wiedereinführung des Daniel-Levy-Preises |
Lehrer Daniel Levy ist 1849 als
Sohn von Handelsmann Lazar Levy und seiner Frau Gotton in
Saarwellingen geboren. Er heiratete
1878 in Rheinbischofsheim Hanna geb. Kahnmann. Mit der Heirat
erfolgte eine Versetzung nach Rheinbischofsheim. 1914 wurde Lehrer Daniel
Levy vom Großherzog mit der goldenen Verdienstmedaille ausgezeichnet. Er
starb 1917 im Alter von 68 Jahren in Rheinbischofsheim. Auf Daniel Levys
Grabstein im jüdischen Friedhof in
Freistett ist der Spruch zu lesen: "Tue recht und scheue niemand". Von
den Erben Daniel Levys wurde 1918 ein Preis zu dessen Gedächtnis als
Stiftung eingerichtet. 1935 wurde die Stiftung wie alle Stiftungen in
Deutschland aufgelöst. 2018 wurde der Preis wieder eingeführt als Preis des
Anne-Frank-Gymnasiums für Toleranz, Menschlichkeit und Akzeptanz anders
Lebender. Er wird künftig jährlich einem Schüler der elften Klasse des
Anne-Frank-Gymnasiums verliehen.
Siehe dazu Presseartikel vom 14. Dezember 2018:
"'Suche den
Frieden und jage ihm nach. Feier zur Wiedereinführung des
Daniel-Levy-Preises am Anne-Frank-Gymnasium..."
|
|
Juli 2024:
Weitere Stolpersteine werden in
Rheinbischofsheim verlegt |
Artikel von Ellen Matzat-Sauter in "Badische
Neueste Nachrichten" vom 29. Mai 2024: "In Auschwitz umgebracht. Von den
Nazis ermordet: Die Geschichte von Hugo und Hermine Kaufmann aus
Rheinbischofsheim
In Rheinbischofsheim werden am 28. Juni an drei Stellen die ersten
'Stolpersteine' verlegt. Die Menschen, an die dadurch erinnert wird, sind
kaum noch bekannt. Aber die Familien haben mehr als 200 Jahren im Ort
gewohnt. 'Obwohl sie vertrieben und teilweise ermordet wurden, gehören sie
hierher und zu uns', betont Gerd Hirschberg vom Arbeitskreis Stolpersteine
im Historischen Verein Rheinau. Vor der Verlegung sollen die Geschichten der
Menschen vorgestellt werden, denen die Stolpersteine gewidmet sind.
Hugo Kaufmann wurde 1889 in Rheinbischofsheim geboren. Die Verlegung
beginnt in der Hauptstraße 227. Dort wohnte Hugo Kaufmann mit seiner Frau
Hermine. Er wurde 1889 in Rheinbischofsheim geboren. Seine Frau, die aus
einer Rabbinerfamilie in Sterbfritz
bei Fulda stammt, wurde 1897 geboren. In Freistett waren es Angehörige der
Ermordeten, die den Anstoß zur Stolpersteinverlegung gaben. Aber auch in den
anderen Stadtteilen sollen weitere Steine verlegt werden, mit denen an die
Opfer des Nationalsozialismus erinnert wird. 'Wir beginnen an der
Hauptstraße, weil man die Tradition des Geschäfts bis zu Familie Kaufmann
zurückverfolgen kann', fährt Hirschberg fort. Der Vater von Hugo, Isidor
Kaufmann, wurde 1858 in Lichtenau
geboren. Er war verheiratet mit Babette. Seit etwa 1891 war er Besitzer der
bis heute bestehenden Eisenwarenhandlung. Hugo nahm am gesamten Ersten
Weltkrieg als Sanitätssoldat im Kriegslazarett teil. Nach dem Tod des Vaters
1918 führte er zunächst das Geschäft mit seiner Mutter Babette. Bereits im
Januar 1920 gründete er eine eigene Firma für Maschinenhandel, die er unter
dem Namen Isidor Kaufmann OHG in das Handelsregister eintragen ließ. Sitz
war Rheinbischofsheim, mit ihm und seinem Bruder Sally als Geschäftsinhaber.
Daneben gab es eine Filiale in Karlsruhe. Das Geschäft entwickelte sich so
gut, dass die Brüder bald den Karlsruher Standort zum Hauptsitz machten, mit
Hugo als Geschäftsführer. Bruder Sally blieb bis 1932 Geschäftsführer in
Rheinbischofsheim.
35 Arbeiter und Angestellte. Hugo besaß eine fundierte kaufmännische
Ausbildung und war auch ein begeisterter Mechaniker, aber in Karlsruhe hatte
er bessere Entwicklungsmöglichkeiten. Seine Kenntnisse im Maschinenbau
nutzte er zur eigenen Konstruktion von Holzschnitzmaschinen. Daneben baute
Hugo Kaufmann eine Produktion für Frässchneidemaschinen und Hobelmaschinen
ebenso für Werkzeuge für diese Gewerbesparten auf. Er heiratete Hermine
Kaufmann. Die hoch spezialisierte Fabrik galt als die bedeutendste in der
Region. Sie machte einen großen Teil des Umsatzes durch den Export nach
Frankreich und Luxemburg. In der besten Zeit waren 35 Arbeiter und
Angestellte mit dem Abwickeln der Aufträge beschäftigt.
Kindern gelingt die Ausreise. Kaufmanns dachten zunächst an einen
Neuanfang in Frankreich. Doch 1938 war eine Einwanderung nach Frankreich
bereits ebenso schwierig wie nach England oder den USA. Die NS-Behörden, die
unter der Prämisse 'judenreines Deutschland' das Verlassen des Landes
forcierten, plünderten die jüdischen 'Auswanderer' zugleich mithilfe
zahlreicher Bestimmungen finanziell aus. So wurde auch der Familie Kaufmann
die Ausreisegenehmigung zunächst untersagt, weil zuerst noch ausstehende
Forderungen der Firma in Frankreich eingetrieben werden sollten, die der
Staat kassieren wollte. Wenigstens für die beiden Söhne eröffnete sich eine
Fluchtmöglichkeit. Nach dem 9. November 1938 bot sich für 10.000 jüdische
Kinder in Mitteleuropa die Chance, mit einem Kindertransport nach England zu
entkommen. Hugo Kaufmann begleitete seine Söhne bis zur französischen Grenze
als Transit in die Niederlande. Dort gab er seinem Sohn Richard einen
Rechenschieber mit, ein Andenken an die verlorene Fabrik. Auf die erstaunte
Nachfrage des Sohnes soll er bemerkt haben: 'Du wirst schon lernen, wozu das
gut ist.' Die letzten Worte des Vaters beim Abschied haben sich tief in das
Gedächtnis des Sohnes gegraben. Er soll ihm gesagt haben: 'Ich kann Dir
nicht viel mitgeben, aber benütze Deine zwei Augen und sehe, was vorgeht.
Und wachse als braver, frommer jüdischer Mann auf.' Gerade noch rechtzeitig
kam die Erlaubnis für Karl, um gemeinsam mit seinem Bruder am 17. Mai 1939
mit dem Schiff von Rotterdam nach England zu gelangen.
Ausreisepapiere verfielen. 1938 entging Hugo Kaufmann der
Inhaftierung, weil er gerade auf einer Geschäftsreise war. Jetzt wollte die
Familie endlich den Nazis entkommen, was immer schwieriger wurde. Die
Einreisemöglichkeiten in die westlichen Demokratien hatten die Länder extrem
eingeschränkt. So blieb den Kaufmanns am ehesten eine Ausreise in
irgendeines der gegen Barzahlung aufnahmewilligen Länder Südamerikas,
zuletzt Brasilien oder Chile. Als am 27. Dezember 1939 beim Polizeipräsidium
endlich die Reisepässe samt Visa nach Chile vorlagen, hatte der Zweite
Weltkrieg längst begonnen. Die Familie Kaufmann konnte zu diesem Zeitpunkt
Deutschland offiziell nicht mehr verlassen. Die Ausreisepapiere blieben
liegen und verfielen.
Deportation nach Auschwitz. Alle fünf Familienmitglieder wurden am
22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, in ein französisches
Internierungslager. Deshalb war es im Frühjahr 1941 dem bereits 1934
ausgewanderten Bruder von Hermine Kaufmann, Max Dessauer, gelungen, beim
französischen Präfekten von Pau die Entlassung der Familie aus dem Lager zu
erreichen. Sie lebten, wie auch Max Dessauer, mit Familie bis zum August
1942 unter falschem Namen in einem kleinen Dorf. Dann kam es auch in diesem
Teil Frankreichs zu Razzien gegen Juden. Trotz rechtzeitiger Warnung
weigerte sich der inzwischen 84-jährige Salomon Dessauer hartnäckig, erneut
zu fliehen. Als Hugo Kaufmann von der Verhaftung seiner Frau und Schwester
hörte, verließ auch er sein Versteck und bestand darauf, ins Lager Le Vernet
zu gelangen. Es ist ungewiss, ob Hugo Kaufmann seine Frau und die Schwester
noch einmal sah. Fest steht, dass die fast 6.600 Opfer dieser Großrazzia an
den darauffolgenden Tagen in Transportzügen zu je 1.000 Personen nach dem
Sammellager Drancy bei Paris gebracht und von dort nach Auschwitz deportiert
wurden.
Den nach England entkommenen Kindern Karl und Richard Kaufmann gelang es,
sich ohne Eltern eine Existenz in England aufzubauen. Über Richard war
nichts mehr in Erfahrung zu bringen. Karl Kaufmann wanderte nach seiner
Pensionierung nach Bne Barak in Israel aus."
Link zum Artikel |
|
Artikel von Ellen Matzat-Sauter in "Badische
Neueste Nachrichten" vom 27. Juni 2024: "Historiker erzählt
Familiengeschichte. Rheinbischofsheim gedenkt der Familie Kahnheimer mit
Stolpersteinen.
Die ersten drei Stolpersteine in Rheinbischofsheim werden am Freitag, 28.
Juni, zwischen 15 und 18 Uhr verlegt. Die Familien, an die sie erinnern
sollen, lebten über 200 Jahre im Ort. Einer der Stolpersteine findet seinen
Platz am Schlossplatz 9 und erinnert an Berta und Hermann Kahnheimer. Gerd
Hirschberg vom Arbeitskreis Stolpersteine im Historischen Verein Rheinau
berichtet von der Geschichte und vom Schicksal dieser Familie: 'Den Grafen
von Hanau-Lichtenberg ist es zu verdanken, dass sich im Hanauerland in vier
Orten Juden niederlassen durften', sagt Hirschberg. Die Herrscherfamilie
kaufte vom Reich das Recht, in ihrem Gebiet die Niederlassung von Juden zu
gestatten. Das bedeutete, dass sie dafür Sondersteuern, also besonderes
Schutzgeld und weitere Gebühren von 'ihren' Juden eintreiben durften. Auf
dieser Grundlage wurde Familie Kahnheimer in Rheinbischofsheim ansässig
werden. Hirschberg bedauert, dass sich über ihr Leben nicht viel in
Erfahrung bringen ließ, da alle Unterlagen über die früheren jüdischen
Bürger am Ende der Nazizeit aus dem Rheinbischofsheimer Rathaus
verschwanden. 'Aus Kirchenbüchern wissen wir aber, dass schon der Großvater
Hertz Kahnheimer hier wohnte', sagt er. Er war, wie sein Sohn Nathan
Viehhändler. Hermann Kahnheimer wurde 1882 in Rheinbischofsheim geboren und
wurde ebenfalls Viehhändler. Es sei damals auf dem Land in den Familien
weithin üblich gewesen, dass zumindest der Älteste den Beruf des Vaters
übernahm, berichtet Hirschberg. Hermann und seine Familie wurden im Dorf 'de
Hermännel' genannt. Das sei noch um 1990 manchen bekannt gewesen, sagt der
Historiker. Viel mehr konnte er über Hermanns Leben allerdings nicht
erfahren. Hermanns Frau Berta wurde 1890 in
Sandhausen bei Heidelberg geboren und
stammt aus der dort sehr angesehenen Familie Marx. 'Dieser Name wird bei
christlichen Familien vom Evangelisten Markus hergeleitet, bei jüdischen von
der Abkürzung des verbreiteten Vornamens Mordechai und seiner
umgangssprachlichen Abkürzungen Madche – Madch – Marx', erklärt Hirschberg.
Vermittelte Ehen waren im Judentum lange üblich. Bei Juden sei es
lange Zeit üblich gewesen, dass Ehen durch Vermittlungen zustande kamen. Die
jüdischen Gemeinden seien klein und weit verstreut gewesen. So habe es wenig
Gelegenheiten gegeben, einen Partner zu finden, der zu einem passt. Deshalb
gebe es im Judentum seit jeher Heiratsvermittler, Schadchen genannt. Sie
seien in vielen jüdischen Gemeinden herumgekommen und wussten, wo es junge
Leute im heiratsfähigen Alter gab. Sie hätten dabei auf die jeweilige
religiöse Intensität, sehr traditionell oder liberal, und auf den
finanziellen Hintergrund geachtet.Stimmten beide Familien zu, konnten sich
die potenziellen Brautleute kennenlernen. 'Die so zustande gekommenen Ehen
waren in der Regel sehr stabil', sagt Hirschberg. Auf diesem Weg kam Berta
aus Sandhausen zu Hermann Kahnheimer
nach Rheinbischofsheim. Das Paar hatte einen Sohn, den sie Erich nannten. Er
konnte in London der Verfolgung durch die Nazis entkommen.
Sohn fordert nach Ende des Zweiten Weltkriegs Schadensersatz. Er
nannte sich später Eric James Kennedy und beantragte 1952 Schadensersatz für
die Vermögenswerte, die seinen Eltern durch die Nazis entzogen worden waren.
In dem Gerichtsverfahren 1952 hieß es, dass Hermann und Berta Kahnheimer
seit 1942 'verschollen' sind. 'Damals waren die meisten Richter in
Deutschland noch unter den Nazis in ihren Beruf gekommen', erklärt der
Fachmann. Deshalb sei lange Zeit eine eindeutige Bezeichnung der Nazitaten
als Unrecht vermieden worden. Daher sei das Wort 'verschollen' zu einer
verbreiteten Umschreibung für die Tatsache geworden, dass Menschen von den
Nazis ermordet worden waren. 'Da in Deutschland damals der Leitsatz galt,
dass Juden hier nichts zu suchen haben, reichte das, sie aus dem Beruf und
vom öffentlichen Leben auszuschließen', erinnert der Historiker. Die
nichtjüdischen Nachbarn hätten das hingenommen oder hätten sich überfordert
gefühlt, etwas dagegen zu tun, bedauert er. Die Ausgrenzung der Juden wurde
im Laufe der Jahre immer intensiver, bis am 22. Oktober 1940 alle Juden aus
Baden und der Pfalz aus dem Land geschafft und nach Gurs in Südfrankreich
deportiert waren. 'Auf den Listen dieser Transporte finden wir Berta und
Hermann Kahnheimer wieder', fährt Hirschberg fort. Das nächste Mal tauchen
die Namen in der Liste für den Konvoi 17 von Gurs über Drancy bei Paris auf,
mit dem sie am 10. September 1942 in Auschwitz ankamen. 'Wahrscheinlich
wurden sie dort noch am selben Tag ermordet', mutmaßt Hirschberg.
Auf die Frage, ob Sohn Erich bei der genannten Gerichtsverhandlung
Schadensersatz zugesprochen bekam, erklärt der Historiker, dass 1952 die
Grundlage solcher Verfahren noch die von den Alliierten erlassenen
'Rückerstattungsgesetze' waren. 'Erst 1957 trat zusätzlich das
Bundesrückerstattungsgesetz hinzu', sagt er. Da es bei diesem Thema oft zu
einem Konflikt zwischen den Ansprüchen der Opfer und deutscher
Anspruchsabwehr gekommen sei, sei die oberste Gerichtsbarkeit bis 1990 bei
einem international zusammengesetzten Obersten Rückerstattungsgericht, zwar
mit deutscher Beteiligung, aber nicht allein in deutscher Hand, verblieben.
Man habe solche Verfahren in Deutschland 'Wiedergutmachungsverfahren'
genannt, sagt er. Aber lasse sich das 'wieder gut machen', was damals vielen
Deutschen angetan wurde, nur weil sie Juden waren, fragt er. Wie hoch sei
eine angemessene Schadenssumme, wenn jemand aus seiner Heimat vertrieben
wurde, wo die Vorfahren seit Generationen lebten? Wie hoch sei der Schaden,
wenn jemand vergast und dann verbrannt wurde? Auf Fragen wie diese ließen
sich keine Antworten finden, meint er. Aber manche Fragen seien auch ohne
konkrete Antworten hilfreich, damit man eine Sache nicht zu rasch als
'erledigt' zu den Akten legt."
Link zum Artikel |
|
|
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 247-248. |
| Ludwig Lauppe: Burg, Stadt und Gericht Lichtenau. Eine
heimatgeschichtliche Rückschau. Hemsbach 1984 S. 160-164 bzw. 1998² S.
187ff. |
| Nikolaus Honold: Der Rheinbischofsheimer Judenstein.
Der Begräbnisplatz des Löw Simson von Bischofsheim. In: Die Ortenau 75
1985 S. 360-363. |
| Friedrich Peter (Hg.): Als in Deutschland die Synagogen brannten.
Eine Dokumentation zu den Ereignissen in der "Reichskristallnacht"
in den Gemeinden des Hanauerlandes. 2. Aufl. 1989. |
| Gerd Hirschberg: Von Rheinau über Gurs nach
Auschwitz. Stationen der Vernichtung der jüdischen Gemeinden Neufreistett
und Rheinbischofsheim. In: Ortenau 80 2000 S. 237-250. |
| Gerd Hirschberg: Die Geschichte der jüdischen
Gemeinden Neufreistett und Rheinbischofsheim. Ein Erinnerungs- und
Materialbuch. Freistett 2015 318 S.
Das Buch ist für 12.-- € erhältlich in den Rathäusern Freistett und
Rheinbischofsheim, im städtischen Archiv und in der Stadtbibliothek. E-Mail
der Stadtverwaltung: mailpost@rheinau.de
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Rheinbischofsheim Baden.
The first Jews settled in the mid-17th century with the privilege of operating
shops and stalls. In the 19th century many ran auxiliary farms. The Jewish
population reached a peak of 155 in 1875 (total 1,600) and then dropped sharply.
In 1933, 57 remained. During the Nazi era, 39 emigrated and five moved to other
German cities (two of them also emigrating). On Kristallnacht (9-10
November 1938) the synagogue was vandalized. The last seven Jews were deported
to the Gurs concentration camp on 22 October 1940. Three others were deported
after leaving Rheinbischofsheim. All perished, seven of them in Auschwitz in
1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|