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im Elsass"
Biesheim (Dep. Haut-Rhin
/ Alsace / Oberelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Zur jüdischen Geschichte in Biesheim gibt es auch
zahlreiche Informationen in der Website
http://biesheim.free.fr/
"Histoire et Généalogie de Biesheim" von Pierre Marck
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Biesheim bestand eine zeitweise große jüdische Gemeinde bis in die Zeit
des Zweiten Weltkrieges. Ihre Entstehung geht in die Zeit Ende des 17. Jahrhunderts
zurück. Unter den jüdischen Familienvorstehern zwischen 1701 und 1707 waren
Joseph Greilsamer von Breisach, Wolf Bloch von Marcholsheim, David Bloch (Sohn
des Wolf Bloch), Judas Bloch (Sohn des Wolf Bloch), Isaac Katz, Jacob Salomon,
Isaac Günzburger von Breisach, Samuel Werth, Isaac Scheyele, Bernard Levy,
Isaac Rieser, Elias Bloch, Cerf Jonas Ulmann, und Fasy Bloch. Schon 1703 dürfte
es zehn religionsmündige Männer gegeben haben, womit die Voraussetzung für
die Gründung einer Gemeinde gegeben war. Der erste Gemeindevorsteher war der
Getreide- und Pferdehändler Jacob Salomon (gest. 1729).
Im Laufe des 18.
Jahrhunderts nahm die Zahl der Familien stark zu:
1723 (25 Familien) bis zu einer bei der Volkszählung am 12. November 1784
festgestellten Zahl von 53 jüdischen Familien
mit zusammen 256 Personen .
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1804 334 jüdische Einwohner, 1808 401 (in 92 Familien), 1824 481,
1844 mindestens 500, 1851 480, 11873 342, 1883 375, 1890 330 (164 Männer, 166
Frauen), 1893 380, 1895 332, 1905 260 (in 60 bis 70 jüdische
Haushaltungen).
Die jüdischen Familien verdienten ihren
Lebensunterhalt zunächst überwiegend als Kaufleute, Händler (Viehhandel,
Landesproduktenhandel, Handel mit Waren aller Art, Geldverleih), Krämer oder
Metzger.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Bis 1910 war Biesheim Sitz eines Rabbinates (Ende des 19.
Jahrhunderts Rabbinat Bisheim-Neubreisach; vgl. Ausschreibung der Rabbinerstelle
1885 unten). Rabbiner waren u.a. um 1729 Lazarus Levy, bis 1815 Hirsch
Kahn (geb. um 1736 in Sulzburg als Sohn des Landrabbiners Isaac Kahn; gest. 1815
in Biesheim), 1808-1819 Kalmann Rachmiel (geb. 1755 in Biesheim, zunächst
jüdischer Lehrer, dann Rabbiner am Ort; gest. 1819 in Biesheim), 1839-1841 Klein Salomon Wolf, 1842-1844 Jakob Wolff
(danach in Bouxwiller),
um 1845-1879 Aron Hirsch (= Cerf Aron, geb. um 1819 in Dieuze, gest. 1879 in
Biesheim), 1880-1883 Samuel Haymann Schüler (dieser war danach Rabbiner in Bollweiler).
Zu den Rabbinern vergleiche den Beitrag
von Günter Boll: Der Rabbonimplatz auf dem jüdischen Friedhof von Biesheim
(pdf-Datei).
Neben dem Rabbiner hatte die jüdische Gemeinde einen Lehrer für den Unterricht an der
jüdischen Volksschule (um 1885/92 wird Hauptlehrer B. Moch genannt).
Die bekanntesten
Familiennamen waren Marx, Salomon, Levy, Bloch, Ginzburger, Greilsammer,
Gugenheim, Dreyfuss, Samuel, Weyl, Bickart u.a.m.. Unter den Vorstehern
der jüdischen Gemeinde sind bekannt: um 1885/92: Abraham Weyl,
1940 wurden alle hier
noch lebenden jüdischen Personen nach Südfrankreich deportiert. Von den in
Biesheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem): Jacques Bernheim (1884, 1885 oder 1890), Camille Bicard (1903), Theophile Bicard
geb. Weil (1889), Elise Bloch (1873), Emile Bloch (1884), Flore Bloch (1938),
Henri Bloch (1861), Leonie Bloch (1875 oder 1876), Salomon Bloch (1878), Zoe
Chaikine (1884), Clemence Greilsammer (1872), Gustave Greilsammer (1870),
Jeanne Greilsammer geb. Levy (1880), Gaston Kahn (1880), Armand Levy (1900),
Caroline Levy geb. Muller (1899), Ernestine Levy (1889), Jacob Lorsch (1875),
Alexandre Marx (1897), Alice Marx (1890), Andre Marx (1897), Celine Marx (1880),
Isaie Marx (1866), Lucien Marx (um 1895), Alice Samuel (1923), Simon Samuel
(1879), Joseph Schwartz (1868), Gabrielle Weil geb. Bicard (1902), Celine Weil
geb. Levy (1885), Moise Weill (1877), Joseph Zivi (1900),
Nach 1945
kehrten nur sehr wenige der frühen jüdischen Personen zurück. Derzeit leben nach den vorliegenden
Informationen keine jüdischen Personen in Biesheim.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte des
Rabbinates in Biesheim
Ausschreibung der Rabbinerstelle für Biesheim - Neubreisach 1885
Anzeige im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. April 1885: "Rabbiner
gesucht. Die vom Staate besoldete Rabbinerstelle zu
Biesheim-Neubreisach mit Nebeneinkünften, freier Wohnung und Heizung
ist sofort zu besetzen. Bewerber wollen ihre Gesuche, versehen mit den fürs
Rabbinat erforderlichen Zeugnissen, franco an Seiner Ehrwürdigen Herr
Ober-Rabbiner Weil zu Colmar oder an den Herrn Abraham Weyl, Vorstand der
israelitischen Gemeinde zu Biesheim (Ober-Elsass) baldigst einzusenden.
Reisekosten werden nur demjenigen vergütet, auf den die Wahl fällt.
Unverheiratete erhalten den Vorzug." |
Das Rabbinat Biesheim ist derzeit unbesetzt (1885)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 5. Mai 1885: "Aus dem Reichslande, im April (1885). Es
sind jetzt mehrere Rabbinate im Reichslande vakant. Vor Allem das
Oberrabbinat von Metz durch den Tod des seligen Herrn Bigard, die
Rabbinate von Bisheim, Cernay, Durmenach,
Hegenheim und Seppois-le-Bas.
Dagegen sind zwei Rabbinate besetzt worden, Sultz
durch Herrn Roller und Brumath durch
Herrn Ury, früher Rabbiner von Lauterburg.
Für Metz denkt man an Herrn Weill, Rabbiner von Pfalzburg, wo auch der
selige Bigard Rabbiner gewesen |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Lehrer Charl (Karl) Marx aus
Biesheim - Lehrer in Ihringen - wird entlassen und war danach noch bis 1924
Lehrer am Ort (1870)
Anmerkung: die Entlassung war nur vorübergehend, denn Karl Marx war noch bis
1924 Lehrer in Ihringen.
Anzeige in der "Karlsruher Zeitung" vom 12. August 1870: "Ihringen.
Eröffnung.
Dem Charl Marx von Biesheim im
Elsass wird auf diesem Wege von dem unterzeichneten Synagogenrat eröffnet,
dass er seines Dienstes als Vorsänger bei hiesiger israelitischer Gemeinde
unterm Heutigen entbunden, respektive entlassen wurde, indem derselbe
unerlaubt fortging.
Ihringen, den 31. Juli 1870. Der Synagogenrat: Hermann Heilbronner.
Alexander Bloch". |
|
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
12. Juni 1924 zum Tod von
Kantor und Schochet Karl (Charl) Marx: "Ihringen (Baden), 1. Juni (1924). Vor kurzem
verschied hier im Alter von 79 Jahren unser Kantor und Schochet Karl Marx.
Derselbe fungierte über 55 Jahre in hiesiger Gemeinde; es war dies seine
erste und letzte Stelle. Am 1. November vorigen Jahres gab er den
Vorbeterdienst auf, dagegen versah er den Dienst als Baal-Kaure und
Schochet bereits bis zu seinem Lebensende. An einem der letzten Sabbate hat
er in halbgebrochenem Zustande noch auf der heiligen Thora vorgelesen. Die
jüdische Gemeinde verliert durch seinen Heimgang einen sehr tüchtigen und
beliebten Beamten und wird ihm ein treues, dauerndes Andenken bewahren.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Goldene Hochzeit der Eheleute Kohn (1892)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1892: "Vermischtes.
Biesheim.
Am 2. März (1892) feierten die Eheleute Kohn von hier das seltene Fest
der goldenen Hochzeit. Das Jubelpaar ist noch in körperlicher Rüstigkeit
und erfreut sich der allgemeinen Achtung aller Mitbürger. Eine hübsche
Anzahl Kinder, Enkel und Enkelinnen, so wie sehr viele Verwandten und
Bekannten scharten sich um das greise Jubelpaar, um diesen Ehretag in
festlicher Weise gemeinsam zu begehen. Um ein Uhr Nachmittags wurde das
greise Paar in feierlichem Zuge zur Synagoge geführt. Dort angekommen
wurden, die Jubilare von den beiden Vorständen Herren Weyl und Bloch
empfangen und in die festlich geschmückte und schön beleuchtete Synagoge
geleitet, welche sehr dicht gefüllt von Gästen und von den hiesigen
Einwohnern beiden Konfessionen war. Bei Beginn des Gottesdienstes sang der
Kantor Levy einen prachtvollen Baruch Haba, später den Psalm 100 und zum Schluss das Jigdalgebet (Jigdal).
Her Rabbiner Schüler aus Bollweiler (früher in Biesheim), welcher den
Gottesdienst leitete, hielt eine sehr gediegene Festrede, in welcher er
besonders die Gnade Gottes hervorhob, die durch diese seltene Feier den
Jubilaren zuteil geworden sei und ermahnte dieselben diese Gnade auch zu würdigen.
Nach Beendigung der Zeremonie vereinigte man sich zu einem Festmahle in
der Wohnung der Eheleute Kohn, wo alsbald die fröhlichste Festesstimmung
herrscht. Rabbiner Schüler und Hauptlehrer Moch feierten in sehr
gelungene Tischreden das glückliche Paar und mehrere Enkel und Enkelinnen
trugen dem Feste entsprechende Sprüche und Gedichte vor. Während des
Tages liefen zahlreiche Glückwünsche von auswärtigen Verwandten,
Freunden und Bekannten ein. So nahm dieses Fest einen glänzenden Verlauf
und wird allen Teilnehmern eine angenehme Erinnerung bleiben. Dem
Jubelpaare wünschen wir, dass es sich noch eine Reihe von Jahren der
gegenwärtigen Gesundheit und Rüstigkeit erfreuen möge.
– Bis 120 Jahre – B. Moch, Hauptlehrer." |
Zum Tod von Prof. Dr. Heinrich Bloch, Direktor des
Rabbinerseminars in Colmar 1882 -
Bericht durch den Rabbiner Samuel Haymann Schüler, 1880-1883 Rabbiner in
Biesheim
Anmerkung: Rabbiner Dr. Samuel Haymann (Chaim) Schüler (geb. 1844
in Autenhausen als Sohn des Gelehrten
Israel Schüler, gest. 1915): zunächst als Religionslehrer in Autenhausen
tätig, um 1870 Lehrer und Vorbeter in Haßfurt. Er heiratete 1869 in Bad Homburg
Marie, Tochter des Colmarer Groß-Rabbiners Salomon Klein; 1881 bis 1883
Rabbiner in Biesheim, 1884 bis nach 1901 Rabbiner in Bollwiller und
Gefängnisseelsorger in Ensisheim; 1887 bis 1891 interimistisch Rabbiner in
Soultz.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Januar 1882: "Biesheim (Elsaß). Es
ist eine höchst traurige Pflicht, welcher ich mich heute zu entledigen
habe, indem ich Ihnen von einem schmerzlichen, tief erschütternden
Todesfalle berichten muss, der nicht nur eine hochachtbare Familie tief
niedergebeugt, sondern der auch jeden wahren Jehudi mit innigem Schmerz
erfüllen muss. Herr Prof. Dr. Heinrich Bloch, Direktor des
Rabbinerseminars zu Colmar, ist nach nur zweitägigem Krankenlager, am 11.
Tewet, nach dem heiligen und unerforschlichen Ratschlusse des Allerhöchsten
– gepriesen sei sein Name –
im Alter von 44 Jahren, aus seinem segensreichen Wirkungskreise in ein
besseres Leben abberufen worden. Der Verblichene ist den Lesern Ihres
geschätzten Blattes schön längst durch sein ausgezeichnetes Wirken als
Lehrer und Erzieher bekannt: schon oft wurde er in verschiedenen öffentlichen
Blättern geschildert als ein Mann, in welchem der bescheidenste, edelste
Charakter verbunden war mit einer glänzenden Begabung, ein Mann, der sich
durch hervorragende Gelehrsamkeit in allen Doktrinen und ganz besonders in
der jüdischen Literatur auszeichnete. Was ihn uns aber ganz besonders
unvergesslich macht, ist seine warme Liebe, seine glühende Begeisterung für
unsere heilige Lehre. An ihr hing er mit Herz und Leben, ihr gehörte jede
Regung seines Geistes, jeder Pulsschlag seines Herzens. Um für die
Verbreitung von unserer Heiligen Tora in größerem Maße wirken zu können,
entschloss er sich vor Jahresfrist seine damalige Stellung, in welcher er
sich einer außerordentlichen Wertschätzung erfreute, zu verlassen und
die Direktion der besagten Rabbinerschule zu übernehmen. Leider sollte er
diese Anstalt nur 8 Monate mit seiner so ersprießlichen Tätigkeit beglücken.
Welche ungeteilte Hochachtung der Edle sich in dieser kurzen Zeit zu
erwerben wusste, konnte man deutlich entnehmen aus der innigen Trauer, die
sich Aller bemächtigte, die von seinem Hintritte hörten. Ein imposanter
Trauerzug, in welchem wir den höchsten Verwaltungsbeamten des Kreises und
viele Professoren des kaiserlichen Lyzeums bemerkten, gab ihm das letzte
Geleite. |
Sein
Wirken an gedachter Anstalt kann ich nicht besser charakterisieren, als,
indem ich folgende Worte aus der so ergreifenden und rührenden Trauerrede
Seiner Ehrwürde, des Herrn Konsistorial-Oberrabbiners zu Colmar, unter
dessen Oberleitung die Anstalt steht, hier anführe: Im Namen des
Konsistoriums spreche ich es mit tiefer Betrübnis aus, dass unsere
Anstalt einen herben Schlag erlitten, einen Verlust, der uns nie wieder
vollständig ersetzt werden kann. – Mit welcher Verehrung und Liebe die
Schüler der Anstalt ihm anhingen, davon gaben die erschütternden
Abschiedsworte, die ein Zögling der Anstalt an die entseelte Hülle
seines teueren Lehrers richtete, das lauteste Zeugnis. Kein Auge blieb tränenleer,
als er mit von Bewegung zitternder Stimme in beredten Worten schilderte,
wie er und seine Mitschüler in dem Verklärten nicht nur den Lehrer,
sondern auch einen wahren Vater ins frühe Grab sinken sehen, wie sie sein
Bild tief ihrem Herzen einprägen, seiner aufopfernden Liebe und treuen
Hingebung ein ewiges Andenken bewahren werden.
Wehe, dass der Träger dieser geistigen Schönheit in der Blüte der
Jahre, in der besten Manneskraft zu Grabe getragen wurde! Welch
vortrefflicher Lehrer, welch leuchtendes Vorbild einer heranwachsenden
Generation ist nun für immer dahin! – Nur der eine Gedanke kann uns in
dem tiefen und allgemeinen Schmerze aufrichten, dass der so früh
Vollendete nicht umsonst gelebt und gewirkt hat, dass die Saat des Wahren
und Guten, die er in so manches junge Herz gestreut, auf fruchtbaren Boden
gefallen und zur Ehre unserer heiligen Religion aufgehen wird. – Auch
der edlen, so tief betrübten Gattin wird der allliebende Vater – gepriesen
sei sein Name – den wohltuenden Balsam des Trostes ins Herz gießen
durch die außerordentliche Anerkennung, die das Wirken ihres verewigten
Gatten gefunden.
Der Geist des Verklärten aber, der sich nunmehr aufgeschwungen hat in die
Regionen des ewigen Lichtes, wird dort reichen Lohn für sein Wirken
hienieden ernten und himmlische, unaussprechliche Seligkeit im Strahle der
göttlichen Herrlichkeit genießen. S.H.
Schüler, Rabbiner". |
Zum Tod von Baruch Zivi, Vater von Rabbiner Dr. Joseph
Zivi (1910)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. März
1910: "Straßburg. In Biesheim verschied im Alter von 96
Jahren der frühere Gemeinderat Baruch Zivi, Vater des Rabbiners Dr.
Zivi - Winzenheim." |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Joseph Zivi (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Mai 1935: "Rabbiner
Dr. Joseph Zivi - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen.
Wintzenheim (Haut-Rhin), 5. Mai (1935). Im Alter von 70 Jahren ist Rabbiner
Dr. Joseph Zivi von dann gegangen. Ein Leben der Arbeit für Tora und
Awoda (Gottesdienst) hat sein Ende gefunden. Festigkeit der eigenen
Überzeugung wusste er mit Liebe und Zuvorkommenheit zu paaren und sich so
in weiten Kreisen Sympathien und Einfluss zu sichern. Seinen Gemeinden war
er ein treuer Führer, seinen Freunden und Kollegen ein nie versagender
Weggenosse, seiner Familie ein fürsorglicher Vater und Berater. Seinen
ersten höheren Unterricht hat er an der Hirsch'schen Realschule in
Frankfurt am Main genossen. Zeit seines Lebens hat sich dieser religiöse
Einfluss, der später durch seinen Lehrer Israel Hildesheimer noch
vertieft wurde, im Großen wie im Kleinen geltend gemacht: ein ganzer
Mensch und ganzer Jehudi, bei dem das gesprochene Wort im Einklang blieb
mit seinem innigsten Denken.
Am Donnerstag, den 29. Nissan, haben wir ihn unter einer Beteiligung, wie
sie diese Gemeinde noch nie erlebt hatte, zur letzten Ruhe geleitet. Fast
sämtliche Rabbiner aus Elsass und Lothringen waren erschienen; sie trugen
die Bahre nach und aus der Synagoge.
Es hielten Nachrufe: Rabbiner Dr. Joseph Bloch aus Barr, Schwager des
Verstorbenen, namens der Familie; Oberrabbiner Dr. E. Weill, Rabbiner Dr.
Armand Bloch (Saverne), einn Jugendfreund des Verstorbenen, namens der
'Association des Rabbins d'Alsace et de Lorraine' und namens der 'Asifa',
die sich monatlich zum 'Lernen' in Straßburg versammelt; H. Paul Wurmser,
Präsident des Israelitischen Konsistoroiums vom Haut-Rhin und Prof. M.
Bloch aus Straßburg im Namen der ehemaligen Schüler. Sein Andenken
sei gepriesen... J. Bl." |
Zur Geschichte der Synagoge
An Gemeindeeinrichtungen war zunächst ein Betsaal
in einem Privathaus vorhanden.
1720 wurde eine erste Synagoge erbaut, die
jedoch, da sie ohne Genehmigung erbaut worden war, 1726 abgebrochen werden
musste. Danach wurde sicher wieder ein Betsaal eingerichtet.
Eine neue Synagoge
wurde 1830 erbaut. Dieses Gebäude wurde durch einen Neubau 1867 ersetzt.
Aus der Geschichte der Synagoge liegen nur wenige Berichte vor, vgl. jedoch den
Bericht über die Goldene Hochzeit der Eheleute Kohn 1892 s.o.. In einem Bericht
von 1904 wird über den damals "schlechten Besuch der Synagogengottesdienste"
beziehungsweise über die nicht mehr bestehenden täglichen
Synagogengottesdienste berichtet:
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 9. Dezember 1904: "Biesheim
im Elsaß. Schlechter Synagogenbesuch.
Die hiesige jüdische Gemeinde zählt 60 bis 70 Haushaltungen und
besitzt eine der größten Synagogen im Elsaß. Diese Synagoge nun steht
die ganze Woche leer. Gegenwärtig sind zwei Brüder owel
(in Trauer), die auf das regelmäßige Kaddischsagen reflektieren. Die
beiden Herren haben des Morgens und des Abends die größte Mühe, um die
10 Mann für ein Minjan zusammenzubringen, und häufig ist ihre Mühe
vergeblich. Wenn die Eltern wenigstens die Jungen, die bereits Barmizwoh
geworden sind, zum Synagogenbesuch anhalten würden, dann würde man noch
eher ein Minjan zusammenbekommen; aber die Eltern sind gleichgültig, die
Oberbehörde und die Schule kümmert sich auch nicht um den
Synagogenbesuch, und so wird man bald so weit sein, dass die Synagoge die
ganze Woche hindurch überhaupt geschlossen bleibt."
Anmerkung zu dem beschriebenen Problem: nach jüdischer Tradition ist
der Sohn eines Verstorbenen verpflichtet, täglich beim öffentlichen
Gottesdienst Kaddisch zu sagen, und zwar für eine Periode von 11 Monaten,
beginnend mit dem Tag der Beerdigung. Offenbar fand 1904 kein täglicher
Gottesdienst mehr in der Synagoge statt, sodass die beiden Herren dieser
Verpflichtung nicht nachkommen konnten. |
Nach
der Deportation der noch in Biesheim lebenden jüdischen Einwohner nach
Südfrankreich 1940 wurde in der Synagoge ein Lager eingerichtet. Bei einer
Bombardierung des Ortes im Februar 1945 wurde die Synagoge zerstört. Die Ruine
und das Grundstück gingen an die Gemeinde über. 1950 wurde die Ruine
abgebrochen.
Als Erinnerung gibt es in Biesheim noch die "Rue de la
Synagogue" (Foto).
Adresse/Standort der Synagoge: Rue de la Synagogue
Fotos
Historische Aufnahmen
(Postkarten: Sammlung Hahn) |
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Historische
Ansichtskarte |
Ausschnittvergrößerung
der Karte links: die ehemalige Synagoge
von
Westen (Eingangsportal mit Inschriften) |
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Nach der Zerstörung |
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Die im Februar 1945 zerstörte
Synagoge, |
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Erinnerung an die Synagoge
(Foto: Hahn, 15.6.2004) |
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Erinnerung an die Synagoge in
Biesheim:
die "Rue de la Synagogue" |
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Besondere Erinnerung an
die
jüdische Geschichte: Siegelring aus
jüdischem Besitz, gefunden in Biesheim
(Foto erhalten von Patrick Biellmann,
Société d'Histoire de la Hardt et du Ried) |
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Oben:
positiver Abdruck des Siegelringes. Erkennbar sind Hände ("segnende
Hände der Kohanim")
und vier hebräische Buchstaben (vermutlich
Abkürzungen für den/die Namen des Besitzers); der Ring
dürfte aus der
Zeit des 18. oder Anfang des 19. Jahrhunderts stammen (Hinweise von
Günter Boll) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Michel
Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire.
Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992. S. 52.153. |
| Günter Boll: Die Entstehung der jüdischen Gemeinde in
Biesheim. Erschienen in "Schau-ins-Land". Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins.
129. Jahresheft 2010. S. 135-138. Auch hier online
eingestellt (pdf-Datei). |
| ders.: Samuel Levy von Biesheim und Reis
Joseph von Muggensturm. online
eingestellt (pdf-Datei).
Zum Inhalt: Samuel Levy von Biesheim (geb. 1720) und Reis
Joseph von Muggensturm heirateten am 24. Mai 1750. Die Heirat der beiden ist
exemplarisch für die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Mitgliedern
der elsässischen jüdischen Gemeinde im oberelsässischen Biesheim
und jenen der beiden kleineren Gemeinden im unterelsässischen Diebolsheim
und im badischen Muggensturm.
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Karin
Huser: "Haltet gut Jontef und seid herzlichst geküsst."
Feldpostbriefe des Elsasser Juden Henri Levy von der Ostfront (1916-1918).
Zürich: Chronos 2014. Gebunden. 167 Seiten, 42 Abbildungen s/w.
ISBN 978-3-0340-1230-0 CHF 32.00 / EUR 29.00. Weitere Informationen in
der Website des Verlages:
https://www.chronos-verlag.ch/node/20786?highlight=Huser.
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