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im Elsass"
Bollwiller (Bollweiler) (Dep. Haut-Rhin
/ Alsace / Oberelsass)
Jüdische Geschichte / Synagogue / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Bollwiller bestand eine jüdische Gemeinde bis in die 1930er-/1960er-Jahre. Ihre
Entstehung geht in die Zeit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück.
Doch sollen bereits im 15. Jahrhundert einzelne jüdische Familien am Ort gelebt
haben.
Bereits 1672 wird eine Synagoge am Ort genannt. Im 18. Jahrhundert wurde sie
renoviert oder neu gebaut. 1689 gab es 17 jüdische Familien am Ort. 1784 wurden 199 jüdische Einwohner
gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1846 277 jüdische Einwohner, 1871 190, 1910 nur noch 92.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule und ein rituelles Bad. Bis 1920 war Bollwiller
Sitz eines Rabbinates, wo vor allem die Rabbiner Hirtz Lazarus (Rabbiner
von 1830/31 bis 1883), Dr. Samuel Haymann Schüler (1884 bis nach 1901), Julius
Weil (1913 bis 1920?) wirkten.
1936 waren noch 40 jüdische Personen am Ort. Diejenigen, die bis zur
deutschen Besetzung des Elsass blieben, wurden 1940 nach Südfrankreich
deportiert. Viele von Ihnen wurden ermordet beziehungsweise sind umgekommen.
Von den in Bollwiller geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem): Ludwig (Louis) Bloch (1906), Pauline (Paulette) Caron geb. Wurmser
(1881), Emile Grumbach (1869), Henri Grumbach (1893), Jeanette Haas (1851),
Myrtil Joseph (1882), Rosine
Kling (1876), Sara Levy (1868), Joseph Myrtil (1882), Edgar Nas (1912), Yvonne Picard (1899),
Aline Roth (1875), Germaine Schwartz (1898), Rebekka Steinhardt (1914), Lili
Weill geb. Hirsch (1910), Robert Weill (1904).
Nach 1945 wurde die jüdische Gemeinde neu begründet. 1953 wurden 124
jüdische Einwohner gezählt.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers, Vorbeters und Schächters 1872
/ 1876 / 1877 / 1885 / 1887
Anmerkung: Von Interesse sind die jeweils unterschreibenden Personen:
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1872: "In der
israelitischen Gemeinde Bollwiller (Ober-Elsass) ist die Stelle eines
Vorbeters, Religionslehrers und Schochet (Schächter) vakant und sofort zu
besetzen. Gehalt 14-15.000 Francs. Qualifizierte Bewerber wollen sich an
den Unterzeichneten wenden. Zeugnisse über religiösen Lebenswandel sind
erforderlich. H.
Lazarus, Rabbiner." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. März 1876: "Vakante
Stelle. Die
israelitische Gemeinde zu Bollweiler in Ober-Elsass wünscht einen guten Chasan
(Vorbeter) und tüchtigen Schochet (Schächter) zu engagieren, der auch
die Fähigkeiten besitzt, täglich einige Stunden guten
Religionsunterricht der Jugend zu erteilen. Jährlicher Gehalt 1.600
Franken und nicht unbedeutende Nebenverdienste. Die Stelle ist am 1. Mai
laufenden Jahres anzutreten.
Meldungen unter Befügung der Zeugnisse über Fähigkeit und Religiosität
nimmt der Unterzeichnete entgegen. H. Lazarus, Rabbiner". |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. März 1877: "Die Israelitische
Gemeinde zu Bollweiler in Ober-Elsass wünscht einen geprüften Lehrer, um
der Jugend tüchtigen Religionsunterricht zu erteilen. Derselbe muss auch
die Fähigkeit besitzen, den Gottesdienst als Chasan
(Vorbeter) und Schochet (Schächter) gewissenhaft, pünktlich und gehörig
zu versehen. Jährlicher Gehalt 1.800 Francs. Die Stelle ist am 1. Mai
laufenden Jahres anzutreten. Meldungen unter Beifügung der Zeugnisse über
Fähigkeit und Religiosität nimmt der Unterzeichnete entgegen.
Bollweiler, 19. März 1877. Der Kommissär: Leopold Grumbach". |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1885: "Die Stelle eines geprüften
Elementarlehrers, Chasan und Schochet,
mit welcher ein Einkommen von Francs 2.100 verbunden ist, soll in hiesiger
Gemeinde baldigst wieder besetzt werden. Geeignete, streng religiöse
Bewerber wollen ihre Befähigungszeugnisse und Nachweise über bisherige
Wirksamkeit baldigst an den Unterzeichneten einsehenden. Reisekosten
werden nur dem Anzustellenden vergütet.
Bollweiler (Ober-Elsass), 2. Mai 1885.
S. H. Schüler, Rabbiner." |
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Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August 1887: "Vakanz.
Durch
anderweitige Berufung des bisherigen Lehrers soll die Elementarlehrer-,
Vorsänger- und Schächterstelle dahier zum 1. September dieses Jahres
wieder besetzt werden. Gehalt 1.680 Mark, Geeignete, streng-religiöse
Bewerber wollen ihre Befähigungszeugnisse baldigst an den Unterzeichneten
einsenden.
S. H. Schüler,
Rabbiner, Bollweiler (Ober-Elsass)." |
Aus der Geschichte des Rabbinates
Über Rabbiner Hirtz L. Lazarus (Lazard, 1804 -
1883)
Rabbiner Hirtz Lazarus bzw. Lazard ist 1804
in Bergheim, Oberelsass geboren und
1883 in Bollwiller gestorben. Er war seit 1830/31 Rabbiner in
Bollwiller. |
Rabbiner Dr. Samuel Haymann Schüler gibt
Toralernstunden unter den Orthodoxen in der jüdischen Gemeinde Mülhausen (Mulhause)
(1901)
Anmerkung: unter den orthodox Gesinnten der Gemeinde Mülhausen gab es eine
Talmud-Lern-Gruppe, die sich mit Rabbiner Schüler zu regelmäßigen Lernstunden
(Schiurim) traf. Der Sium wurde gefeiert, wenn das Studium eines Traktates zu
seinem Ende kam und mit einem neuen Traktat begonnen wurde. Die Anwesenheit und
die Worte von Rabbiner Félix Blum zeigten ein inzwischen wohl einigermaßen
entspanntes Verhältnis zwischen den Orthodoxen in der Gemeinde und der
Hauptgemeinde.
Aerkung zur Person: Rabbiner Dr. Samuel Haymann
(Chaim) Schüler (geb. 1844
in Autenhausen als Sohn des Gelehrten
Israel Schüler, gest. 1915): zunächst als Religionslehrer in Autenhausen
tätig, um 1870 Lehrer und Vorbeter in Haßfurt. Er heiratete 1869 in Bad Homburg
Marie, Tochter des Colmarer Groß-Rabbiners Salomon Klein; 1881 bis 1893
Rabbiner in Biesheim, 1884 bis nach 1901 Rabbiner in
Bollwiller und
Gefängnisseelsorger in Ensisheim; 1887 bis 1891 interimistisch Rabbiner in
Soultz; weitere Berichte zu Rabbiner Dr. Samuel Haimann
siehe die Seiten zu Autenhausen und Biesheim).
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März
1901: "Mühlhausen im Elsass,
6. März (1901). Vor ungefähr einem Jahrzehnt fassten einige Männer den
löblichen Entschluss, im Hause des verehrten Herrn Jacques Mayer hier
einen Gemoroh-Schiur ins Leben zu rufen. Herr Rabbiner Schüler in
Bollweiler hat auf deren Ansuchen sich als Lehrer erboten. Trotzdem dieser
Schiur aus Rücksicht für einige Teilnehmer, die während der Woche
geschäftlich verhindert sind, nur an Sonntag Nachmittagen stattfinden
konnte, hatten wir doch das Glück, am letzten Sonntag den 'Sium' des
Traktates Schabbat zu veranstalten. Diese Feier fand im Hause des Herrn
Bloch-Dreyfuß in würdiger Weise statt.
Gegen 4 1/2 Uhr versammelten sich die Teilnehmer des Schiur und dessen ehrwürdiger
Rabbi, um den Traktat Schabbat zu vollenden und den Traktat
Chullin zu beginnen.
Nach Vollendung des Abendgottesdienstes wurde unserem allverehrten Lehrer
als kleine Anerkennung ein prachtvoller Sessel, nebst Widmungsurkunde in
unserer heiligen Sprache verfasst und von allen Schiur-Mitgliedern
unterzeichnet, überreicht.
Bei dem darauf folgenden Festessen begrüßte der Gastgeber die Gäste im
Allgemeinen und insbesondere drückte derselbe Herrn Rabbiner Schüler im
Namen Aller den herzlichsten Dank aus, dass er es niemals versäumt, bei
Regen und Sturm, bei Wind und Wetter, uns Gelegenheit zu geben, seinen
klaren Vortrag über Gemara nicht nur, sondern auch sein reiches
und erprobtes Bewandertsein in allen Teilen unserer Tora zuteil
werden zu lassen. Wahrlich, das Wissen des Herrn Rabbiner Schüler
wäre würdig, einer größeren Gesellschaft, als wir es leider sind,
gewidmet zu werden.
Sodann hielt unser hochgeehrter Rabbi eine längere, tief durchdachte
Rede, die alle Anwesenden zu einer wahren Begeisterung hinriss. Herr Rabbiner
Blum von hier führte aus, wie sehr es ihn freue, dass in hiesiger
Gemeinde sich noch Männer fänden, die die alttraditionelle Fahne noch
hoch hielten und zeigten, dass die Tora auch in Mülhausen noch gepflegt
wird.
Herr Dr. Meyer, eines der eifrigsten Mitglieder unserer Chewrah,
sowie noch andere Herren brachten mit Beifall aufgenommene Toaste aus. Es
war bald Mitternacht, als sich die Gesellschaft mit dem Bewusstsein, einen
herrlichen Abend zu Ehren unserer heiligen Tora verlebt zu haben,
trennte.
Gestatten Sie mir, geehrter Herr Redakteur, noch den Wunsch auszusprechen:
Möge es Gott geben, dass es unserem hochverehrten Lehrer Herrn
Schüler, sowie allen Teilnehmern vergönnt sein möge, den kommenden Traktat
Chullin in gleicher Gesundheit zu lernen und zu vollenden, wie die Gemara
Schabbat und möge sich die Gesellschaft noch vergrößern. Um
groß zu machen und zu verherrlichen die Tora. Ja, so möge der Wille
(Gottes) sein. Amen." |
Über den Tod der Frau von Rabbiner Dr. Samuel Haimann (Chaim) Schüler (1908)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 14. August 1908:
"Bollweiler im Elsass. Freitagabend des Schabbos
Nachmu, an dem wir Trost suchen, verbreitete sich mit Blitzeseile die
Hiobspost in unserer Gemeinde, dass die Gattin unseres ehrwürdigen
Rabbiners S.H. Schüler nicht mehr unter uns weile. Und mit dem vom
Schmerze Tiefgebeugten Gatten beweint nun unsere Gemeinde von neuem die
Zerstörung des heiligen Tempels, denn ein wahres Heiligtum ging mit
dieser Tochter des berühmten Oberrabbiners R. Salomon Klein s.A., Colmar,
dahin.
Frau Rabbiner Schuler, die ein Alter von 51 Jahren erreichte, war ein
Musterbild echt jüdischer Frauentugend, eine Esches chajil in des Wortes schönster Bedeutung. Durch ihre
Herzensgüte war sie die Zierde ihrer Familie. Obwohl sie vor 3 Jahren des
Teuersten, was der Mensch besitzt, des Augenlichtes beraubt wurde, verlor
sie bei den qualvollsten Schmerzen den ihr angeborenen Witz und Humor
nicht, mit welchem sie nicht nur sich und ihre Angehörigen, sondern auch
ihre Mitmenschen im Unglücke zu trösten wusste. Ohne auf Stand oder
Religion zu sehen, trat sie jedem mit Liebe entgegen und verstand es,
Gottesfurcht und Menschenliebe zu verbreiten.
Welche Hochschätzung sie sich durch ihr Wirken erworben hatte, davon
legte das große Leichenbegängnis, das am Montagnachmittag stattfand,
beredtes Zeugnis ab. Im Trauerhause richtete im Namen der Gemeinde, der
Verwandten und Bekannten der intime Hausfreund Seiner Ehrwürdigen Herr
Rabbiner Dr. Joseph Zivi, Winzenheim, an seinen ehrwürdigen Lehrer und
Meister, der laut schluchzend, auf die Schulter seines einzigen Sohnes,
Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Dr. Salomon Schüler, St. Ludwig (St.
Louis) gestützt, an der Bahre seiner Heißgeliebten Gattin stand,
Tiefempfundene Trostworte. Der Trauerzug bewegte sich nach Jungholz. Dem
Sarge folgten außer der Familie der teuren Heimgegangenen sämtliche
Rabbiner der Umgebung, die Vertreter der hiesigen geistlichen und
bürgerlichen Behörden, zahlreiche aus der Ferne herbeigeeilte Freunde
und die Bevölkerung des Ortes. Am Grabe schilderte in bewegten Worten
Herr Rabbiner Blum, Mühlhausen, den schweren Verlust für die Familie.
Herzergreifend und zugleich tröstend sprach noch am Grabe der Neffe des
Verstorbenen, Herr Provinzialrabbiner Dr. Salomon Bamberger, Hanau. Kein
Auge blieb tränenleer bei den letzten Tieferschütternden
Abschiedsworten, die der ehrwürdige Gatte unter lautem Schluchzen seiner
teuren Gattin, mit der er in einer Reihe von 40 Jahren in glücklicher Ehe
Leid und Freud teilte, zurief. Die Erdschollen rollten, vereint mit den
zahlreichen Tränen der umstehen Verwandten und Freunde, auf den Sarg. Die
Erde umschließt nun die irdische Hülle der reinen, edlen Seele, die
verklärt zu Gott emporsteigen und Tröstung für den hinterbliebenen
Gatten, die Tieftrauernden Kinder, Geschwister, Verwandten und Freunde
herabflehen möge. Möge der Allmächtige die Lücke ausfüllen und die
unser aller Herzen geschlagene Wunde heilen!"
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1908:
ähnlich
wie der obige Artikel. |
Rabbiner Samuel Haymann Schüler wird mit dem Roten
Adler-Orden 4. Klasse ausgezeichnet (1912)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 11. Oktober 1912: "Bollweiler im Elsass. Wie wir
soeben erfahren, ist unserm hochverehrten scheidenden Rabbiner S. H.
Schüler von Seiner Majestät dem Kaiser der Rote Adler-Orden 4. Klasse
verliehen worden.
Bis zur Regelung der Frage, ob das Rabbinat Bollweiler wieder besetzt wird
oder nicht, ist die Verwaltung desselben von Seiten des oberelsässischen
Konsistoriums interimistisch Herrn Rabbiner D. Bloch in Mühlhausen
übertragen worden." |
Zum Tod von Rabbiner Samuel Haymann Schüler (1915,
seit 1886 Rabbiner in Bollweiler)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 8. Oktober 1915; "Rabbiner S. H. Schüler seligen Andenkens.
Am Chaul Hammaued Sukkaus wurde der ehemalige Rabbiner von Bollweiler
hier zu Grabe getragen. Die religiöse Verpflichtung ließ jede Klage
verstimmen. Aber die ungemein starke Beteiligung an dem Leichenbegängnis
war der beredteste Ausdruck der Hochschätzung und Beliebtheit, deren sich
der Dahingeschiedene in auswärtigen und hiesigen Kreise zu erfreuen
hatte.
Mit Kriegsausbruch war Rabbiner Schüler aus dem Ober-Elsass hierher
gekommen. Dort hatte er über 30 Jahre segensreich gewirkt, zuerst in Biesheim,
dann seit 1886 in Bollweiler bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amte,
verehrt und geliebt in seinem Bezirke, anerkannt und angesehen bei allen
Behörden. Seine Verdiente waren von allerhöchster Stelle durch
Verleihung des Roten Adler-Ordens gewürdigt worden.
Hier in Frankfurt hat der edle Verstorbene in dem einen Jahre seines
Aufenthaltes durch seine Persönlichkeit und durch seine uneigennützige
Tätigkeit sich bei vielen ein dauerndes Andenken geschaffen. Er war noch
von der alten Garde, ein Typus jener altjüdischen Frömmigkeit, der das Judentum
kein Partei ist, von einer seltenen Bescheidenheit und Selbstlosigkeit,
ausgezeichnet durch Menschenliebe und Herzensgüte. Seine Freude und
seine Sehnsucht waren das Eindringen in das Verständnis und die Erfüllung
der göttlichen Gesetze. Sein Ideal war es, Gottes heilige Lehre zu
bearbeiten, sie zu hüten und sie in ihrer Kraft und Schönheit auf das
jüngere Geschlecht weiterzupflanzen. Mit einem Erstaunen erregenden
Wissensschatze ausgestattet, war er immer bereit, jeden mit der
göttlichen Nahrung zu speisen, der hungrig zu ihm kam. Er hatte keine
Zeit, müde zu sein, wenn jemand bei ihm lernen wollte. Er freute sich
über jede Vergrößerung seines Schülerkreises, und der Siebzigjährige
strahlte in jugendlicher Frische, wenn er mit Gleichgesinnten über Divre
Tauroh (Toraworte) sich unterhalten konnte.
Von felsenfestem Gottvertrauen durchdrungen, bewahrte er sich alle Zeit
seiner Seelenverfassung in jedem Wechsel des Lebens.
Er war nicht bloß Theoretiker: für ihn lag ein Glück und eine
beseligende Befriedigung in der gewissenhaften Betätigung der religiösen
Bestimmungen.
Mit hehrem Hochgefühl durchschritt er noch den letzten mit religiösen
Pflichten gesättigten Monat. Mit ehrfurchtsvollem Empfinden hörte er den
Hall des Schofar, erlebte er die ernste Sammlung des Jaum-Kippur,
mit jüdischer Freude genoss er das Fest der Hütte mit dem Psalmzweig, bis
ihn Gott mitten aus dem Kranze der Mizwaus heraus zu suchen nahm. Das
Gedächtnis des Zaddik sei zum Segen." |
Rabbinatskandidat Dr. Julien /
Julius Weil aus Buchsweiler wird Rabbiner in Bollweiler (1913)
Anmerkung: Dr. Julien / Julian / Julius Weil studierte 1907/08-1912/13 am
Rabbinerseminar in Berlin und wurde 1913 Rabbiner in Bollwiller, danach
in Obernai (Oberehnheim). Von 1924 bis zu
seinem frühen Tod 1927 war er Rabbiner in Dijon (genannt noch in "Jüdische
Rundschau" vom 28.1.1927 S. 33; rückblickend auf seinen Tod in der
"Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 20.7.1928; weitere Informationen liegen nicht
vor).
Artikel
in "Das jüdische Blatt" vom 2. Mai 1913: "Bollweiler.
Das Konsistorium des Oberelsass es hat den Rabbinatskandidaten Dr. Julien
Weil aus Buchsweiler zum Rabbiner
von Bollweiler ernannt. Seine Studien hat der junge Rabbiner am
Hildesheimerschen Rabbinerseminar in Berlin absolviert. "
|
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Artikel
in "Das jüdische Blatt" vom 6. Juni 1913: "Straßburg.
Die von dem Konsistorium zu Colmar vorgenommene Ernennung des
Rabbinatskandidaten Dr. Julius Weil aus
Buchsweiler zum Rabbiner in
Bollweiler ist durch das Ministerium bestätigt worden. Dr. Weil hat seine
Stelle am letzten Sonntag angetreten. " |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Der Krieg bedroht auch viele Orte mit jüdischen
Gemeinden im Oberelsass (1914)
Anmerkung: die angegebene Zahl der jüdischen Gemeindeglieder bezieht sich
auf ca. 1890.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. September 1914: "Hagenau, 10. September (1914).
Die schweren Kämpfe im Oberelsaß, die in letzter Zeit zwischen den
Franzosen und Deutschen ausgefochten wurden, erinnern uns daran, dass die
dortige Gegend ziemlich stark von Juden bewohnt ist, die jetzt nicht nur
zum großen Teil gezwungen waren, Heim und Herd zu verlassen, sondern
neben der schweren seelischen Not auch viel durch die Zerstörung von Hab
und Gut zu dulden haben. Es wohnen in dem vielgenannten Altkirch
289 jüdische Seelen, Hirsingen 74, Dammerkirch (Dannemarie)
15, Hagenbach 26, Bergheim
110, Grussenheim 314, Neubreisach
102, Blotzheim 62, Bollweiler
120, Ensisheim 27, Regisheim
154, Dürmenach 205, Hegenheim
169, Hüningen 50, Kolmar
1105, Dornach 202, Mülhausen
2271, Niederhagental 145, Niedersept
124, Pfastatt 73, Markirch
147, Rappoltsweiler 134, Habsheim
73, Rixheim 69, Sennheim
151, Wattweiler (Wattwiller) 37, St.
Ludwig 60, Kembs 50, Sierenz
113, Uffheim 120, Gebweiler
305, Sulz 182, Thann
163, Winzenheim 421 Juden. Die
meisten Familien, besonders in der Mülhauser Gegend, haben sich flüchten
müssen, viele davon haben sich während dieser schweren Zeit in der
Schweiz niedergelassen.". |
Berichte zu einzelnen Personen aus der
Gemeinde
Bericht über die Hochzeit von Julius Klein mit Delphine geb. Metzger aus
Bischheim (1887)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Januar 1887: "(Eingesandt.).
Bollweiler im Oberelsass. Es ist leider ein Zeichen unserer Zeit, dass
Hochzeit fast in der Regel zu Ess- und Trinkgelagen herabgesunken sind.
‚Jüdische’ Hochzeiten, wie sie sein sollen, sind gar selten. Umso
mehr drängt es mich, über eine Hochzeit, wie sich nach jüdischen
begriffen nicht schöner gedacht werden kann, kurze Nachricht zu
geben. Herr Julius Klein, Sohn des hochberühmten, verewigten
Rabbiners
Schlomo Seew Klein – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen –
aus Colmar, feierte Dienstag, 2.
Tewet, die Vermählung mit seiner Kousine Delphine Metzger aus
Bischheim bei Straßburg. Die israelitische Gemeinde dahier stellte nicht
nur die Synagoge hochherzig zur freien Verfügung, sie ließ dieselbe
sogar festlich schmücken und beleuchten. Eine illustre Gesellschaft hatte
sich zur Feier eingestellt, u.a. die rühmlichst bekannten Herren Dr.
Klein aus Paris und Jacques Meier aus Mülhausen. Meisterhaft hielt Herr
Rabbiner Schüler die Trauungspredigt, hervorhebend, dass er noch nie in
seiner amtlichen Tätigkeit, bei einer Trauung, eine solch sichere Gewähr
hingenommen, dass auch eine echtjüdische Familie gegründet worden sei
wie eben hier beim Brautpaare. Wie sehr habe der Bräutigam, dessen Beruf
ihn zwingt, einen halben Weltteil zu durchwandern, glänzend bewiesen,
dass man auch in den unbequemsten Lagen Jehudi (ein frommer Jude) sein kann. Als aber Redner die leider zu
früh dahingeschiedenen Eltern des Bräutigams erwähnte, als er an den
Lehrer des letzteren, den hochseligen Rabbi Seckel Bamberger – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen – erinnerte, da blieb
kein Auge tränenleer.
Bei Tische verstand es Herr Dr. Klein aus Paris ganz insbesondere, die
Gesellschaft über Worte der Tora
in der gediegensten und zugleich heitersten Weise zu unterhalten.
Gelungene Vorträge wechselten sich mit Gesangspiecen ab, und mancher
schöne Abschnitt aus der Gemara
half das Mahl würzen. Über 50 Telegramme liefen ein, um dem Brautpaar zu
bekunden, wie sehr es auch außerorts beliebt und bekannt sei. So froh und
fröhlich, so festlich und so ‚jüdisch’ hat man in hiesigen Gegenden
seit Zeiten keine Hochzeit gefeiert." |
Achille gen. Elie Weil wird bei den Gemeinderatswahlen als Gemeinderat gewählt
(1908)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Juli 1908:
"Straßburg. Die Gemeinderatswahlen haben auch eine stattliche
Anzahl Juden in die Stadtparlamente gebracht. Wir verzeichneten in der
vorwöchentlichen Nummer bereits eine Anzahl Namen. Es wurden ferner
gewählt:
Marc Blum, Max Frank und Fritz Meyer in Straßburg;
Gilbert Meyer, Abraham Bloch und Joseph Weil in Ingweiler;
David Levy in Dettweiler;
Nathan Heller in Brumath; Leo Ginsburger
in Uffheim; Dr. Leon Weill und
Arthur Moch in Hagenau;
Bernhard Baer und Leopold Klotz in Sulz
u.W.; Achille gen. Elie Weil in Bollweiler;
Jakob Schwab und Leon Bloch in Winzenheim;
Adrian Bloch und Ferdinand Dreyfus in Mülhausen;
Emil Weill in St. Ludwig;
Salomon Heimerdinger und Emile Picard in Grussenheim;
Silvani Beer und August Levy in Saarburg; Tuteur und Leiser
in Metz; Leopold Blum und Julien Levy in Umlingen, Felix Barth
in Forbach; Marcel Cahen und
Levy Aron in
Püttlingen." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Hochzeitsanzeige von Brunette geb. Schüler und Salomon Adler (1912)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. April
1912: "Herr Rabbiner S. H. Schüler und Herr und Frau Nathan
Adler
beehren sich, von der - so Gott will - am Mittwoch, den 17. April (Rosch
Chodesch Ijar = 1. Ijar) im Hotel Schwan in Würzburg stattfindenden
Trauung ihrer Kinder Brunette und Salomon Kenntnis zu
geben.
Bollweiler im Elsass - Kleinsteinach / Frankfurt am
Main." |
Zur Geschichte der Synagoge
1672 wird erstmals eine Synagoge am Ort genannt.
Das noch bestehende Synagogengebäude wurde
1868 erbaut. Die Weiherede hielt Rabbiner Hirtz L. Lazard (veröffentlicht
in L'Univers israélite 24 1868 S. 170-174).
Die Synagoge
wurde in der NS-Zeit schwer beschädigt und entweiht. 1962 ist das Gebäude
restauriert und danach noch unregelmäßig für Gottesdienste verwendet worden.
Adresse/Standort der Synagoge: Rue de la Synagogue (Judagassle),
68540 Bollwiller
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 15.4.2004)
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Straßenschild der "Rue
de la Synagogue
(Judagassle)" |
Die Synagoge von der Westseite
im Gegenlicht |
Die inzwischen verrosteten
Eingangstore
zum Synagogenhof mit Davidsternen |
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Der westliche Giebel |
Das Eingangstor |
Portalinschrift: "Mein
Haus soll ein Bethaus
für die Völker genannt werden" (Jesaja 56,7) |
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Die Synagoge von
unterschiedlichen Seiten (West-, Nord und Ostseite) |
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Innenansicht (Foto: M. Rothé)
(Quelle: hier
anklicken) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
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Michel
Rothé / Max Warschawski: Les Synagogues d'Alsace et leur Histoire.
Ed. 'Chalom Bisamme' Jerusalem 1992. |
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