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Wittelshofen
(Kreis Ansbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Angelika Brosig,
Schopfloch (gest. 2013), mit Hinweis auf Forschungen von Heinrich Zollern, Heimatmuseum
Wittelshofen)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Wittelshofen bestand
eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. Die Gemeinde hatte ihre Blütezeit im 18. und in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und gehörte zu den wenigen einigermaßen
wohlhabenden jüdischen Gemeinden der Region. 1716 lebten bereits 30 jüdische
Familien am Ort in einem "Judendorf" genannten Ortsteil, 1801
waren es 34 Familien mit zusammen 207 Personen. 1809/10 wurde die höchste
Zahl mit 282 jüdischen Einwohnern (40,1 % der Gesamteinwohnerschaft von 689
Personen) festgestellt. Wenig später begann die Aus- und Abwanderung der jüdischen
Bevölkerung. 1867 waren noch 104 jüdische Personen am Ort (16,6 % von 625),
1871 83 (13,2 % von 632), 1880 62 (10,0 % von 620), 1910: 42, (7,7 % der
Gesamteinwohnerschaft). Die jüdischen Familien lebten vom Handel, insbesondere
vom Viehhandel. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es mehrere für das
wirtschaftliche Leben des Ortes wichtige Einzelhandelsgeschäfte jüdischer
Familien.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule mit Lehrerwohnung sowie ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen
Gemeinde wurden in Schopfloch beigesetzt. Zur
Besorgung der religiösen Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorsänger und Schächter tätig war (vgl.
Ausschreibungstexte der Stelle unten). Der vermutlich erste staatlich geprüfte
Lehrer war um 1840 Jakob Mandel. Von 1895 bis zu seinem Tod 1927 war Julius
Sommer Lehrer in Wittelshofen (siehe Bericht unten).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Ignatz Jordan
(geb. 25.8.1878 in Wittelshofen, vor 1914 in Hochelheim
[heute Gemeinde Hüttenberg, Lahn-Dill-Kreis] wohnhaft, gest. 14.11.1918 in
Gefangenschaft) und Alfred Jordan (geb. 14.3.1885 in Wittelshofen, gef.
29.9.1916). Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen beider
Weltkriege von Wittelshofen neben der evangelischen Martinskirche in der
Kirchengasse.
Um 1925, als noch 33 jüdische Einwohner gezählt wurden (5,5 % der
Gesamteinwohnerschaft von etwa 600 Personen), waren die Vorsteher der Gemeinde
die Herren Gallinger und Oberdorfer. Als Religionslehrer war Julius Sommer tätig.
Er unterrichtete an der Religionsschule der Gemeinde noch 4 Schüler. Die
Gemeinde unterstand von 1841 bis 1879 dem Bezirksrabbinat Schopfloch,
danach dem Bezirksrabbinat Ansbach. Um
1932 war 1. Gemeindevorsteher Salomon Winter (zugleich Gemeinderat bis
1933), Schatzmeister war Samuel Bravmann.
Nach dem Tod von Lehrer Julius Sommer 1927 wurde die Lehrerstelle nicht
mehr besetzt, zumal es bereits wenig später (Anfang 1928) durch den Wegzug
weiterer Familien keinen Minjan mehr in der Gemeinde gab (notwendige Zehnzahl
von religionsmündigen Männern in der Gemeinde). Lehrer Erlebacher aus Mönchsroth
betreute nun die Gemeinde (vgl. Berichte zum Purimfest 1928).
1933 lebten noch 17 jüdische Personen am Ort. Mit Beginn der
nationalsozialistischen Zeit trafen die Unterdrückungsmaßnahmen auch alsbald
die jüdischen Einwohner in Wittelshofen. Nach einem amtlichen Bericht vom Oktober
1935 durften sie beispielsweise keine Lebensmittel im Dorf einkaufen. Sie
waren gezwungen, ihren Lebensbedarf auswärts zu besorgen. Im September 1938 wurde
die Gemeinde aufgelöst. Inzwischen lebten nur noch acht jüdische Personen
in drei Familien im Dorf. Nach der Zerstörung der Synagoge beim Novemberpogrom
1938 wurden diese acht Personen verhaftet und in einem Lastwagen nach Nürnberg
gebracht. Einige Tage später durften sie nach Wittelshofen zurückkehren,
jedoch nur, um ihren Hausrat zu packen. Im Januar 1939 lebte keine jüdische
Person mehr in Wittelshofen.
Von den in Wittelshofen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emma Bemsel geb.
Freundlich (1865), Martha Bravmann geb. Winter (1890 oder 1900), Samuel Bravmann
(1894), Siegbert Bravmann (1922), Gerda Danzig geb. Winter (1903), Sophie Ebert
geb. Freundlich (1872), Berta Heymann geb. Gallinger (1872), Ludwig Heyman
(1897), Frieda Jordan geb. Bravmann (1890), Max Jordan (1877), Louis (Arye) Lamm
(1871), Doris Oberdorfer (1903), Hermann Oberdorfer (1861), Julius Oberdorfer
(1906), Justin Oberdorfer (1901), Rosa Oberdorfer geb. Hellmann (1875),
Siegfried Oberdorfer (1890), Siegmund Oberdorfer (1875), Hedwig Schachno geb. Östreicher
(1884), Albert Schloßheimer (1878), Selma Sundheimer geb. Gallinger (1903),
Rosa Weinschenk geb. Elkan (1876), Hedwig Winter geb. Sichel (1874), Salomon
Winter (1871).
Das Foto zeigt Salomon und Hedwig Winter an ihrem 39. Hochzeitstag
(Quelle: United States Holocaust Museum in Washington). Beide sind nach der
Deportation umgekommen - Salomon Winter im Ghetto Theresienstadt, Hedwig
Winter in Auschwitz. |
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1868 / 1877 /
1887 / 1891
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. März 1868: Inserat.
Durch das Ableben unseres Religionslehrers ist die hiesige Religions-,
Vorsänger- und Schächterstelle vakant und soll wieder besetzt werden.
Fixer Gehalt nebst freier Wohnung, Nebenverdiensten und Einkommen aus
Stiftungen beträgt 500 Gulden.
Bewerber wollen baldigst ihre Zeugnisse franko dem unterzeichneten
Kultus-Vorstand einsehenden, und kann auch die Stelle baldmöglichst
angetreten werden.
Wittelshofen, den 16. März 1868. Bezirksamt Dinkelsbühl (Königreich
Bayern). Israel Freundlich,
Kultus-Vorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Mai 1877: "Die
israelitische Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in
Wittelshofen bei Wassertrüdingen (Bayern) ist in Erledigung gekommen.
Fixes Gehalt 700 Mark nebst Schechita (Dienst als Schächter) und schöner
freier Wohnung.
Bewerber um dieselben haben sich innerhalb 3 Wochen an den
Unterzeichneten zu wenden.
M.K. Pollack, Kultusvorstand". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1887:
"Die hiesige israelitische Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle in Wittelshofen bei Wassertrüdingen (Bayern) wird bis
zum 15. August dieses Jahres erledigt. Fixer Gehalt 600 Mark nebst
Erträgnis der Schechita und schöner, freier Wohnung. Nur Ledige finden
Berücksichtigung. Bewerber um dieselbe haben sich innerhalb 3 Wochen an
den Unterzeichneten zu wenden.
Joseph Gallinger, Kultus-Vorstand" |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juli 1891:
"Hiesige Lehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle ist in Erledigung
gekommen und soll sofort wieder besetzt werden. Fixer Gehalt Mark 600, bei
freier Wohnung und Beheizung, sowie dem Erträgnis der Schechita. Bewerber
wollen sich wenden an
E. Schlossheimer,
Kultus-Vorstand in Wittelshofen
(Bayern)." |
Lob für den israelitischen Lehrer Jakob Mandel (1842)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 9. April 1842:
"Aus
Mittelfranken, 12. März (1842). Als Beweis, dass die Bestrebungen und
Leistungen der Bekenner des mosaischen Glaubens Allerhöchsten Orts auch
die verdiente Anerkennung finden, mag dienen, dass der israelitische
Lehrer in Wittelshofen, königlich-bayerischen Landgerichts Dinkelsbühl,
Jakob Mandel, für seine Trauerrede beim Absterben der seligen Königin
von Bayern sehr belobende Dankschreiben von Ihrer Majestät der Königin
von Preußen, Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Karl von Bayern, und
Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Marie, zukünftigen
Kronprinzessin von Bayern, erhalten hat." |
Zum Tod von Julius Sommer - Lehrer in der Gemeinde von
1895 - 1926 (gest. Dezember 1926)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7.
Januar 1927: "Am Montag, dem 27. Dezember, wurde ein treuer Kollege,
Lehrer Julius Sommer von Wittelshofen, zu Grabe getragen. Sommer, der am
16. Oktober 1858 in Höchheim geboren war, wirkte von 1878 bis 1895 in den
Gemeinden Geroldshausen -
Kirchheim bei Würzburg, und seit dieser Zeit,
also über 31 Jahre, in Wittelshofen. Viele Jahre hindurch betreute er
auch die Nachbargemeinde Wassertrüdingen.
Fast vollzählig gab ihm seine Gemeinde das letzte Geleit zum weit
entfernten Begräbnisplatz in Schopfloch
und zeigte damit, wie sehr sie ihren Beamten schätzte. Vor dem
Trauerhause würdigte Bezirksrabbiner Dr. Munk (Ansbach)
in einem ehrenden Nachrufe die verdienstvolle Tätigkeit wie das
anspruchslos und bescheidene Wesen des Dahingeschiedenen, worauf die
Kultusvorstände von Wittelshofen und
Wassertrüdingen dem geliebten
Lehrer und langjährigen geistigen Führer Worte warmer Anerkennung und
herzlichen Dankes widmeten. Am Grabe sprachen Lehrer Rosenstein (Schopfloch) für den israelitischen Lehrerverein, Hauptlehrer Levite
(Gunzenhausen) für die Bezirkskonferenz
Ansbach und Lehrer Erlebacher (Mönchsroth)
als Nachbarkollege. Tov schem mischemem tov! Der gute Name, den der
wackere Kollege hinterlassen hat, gereicht mit der trauernden Familie auch
dem Lehrerstande zur Ehre. Max Levite (Gunzenhausen)." |
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Rechts:
Grabstein für Marianne Sommer, die Frau von Lehrer Sommer in
Wittelshofen (geb. 1861, gest. 1920). Marianne Sommer ist bereits über 6
Jahre vor ihrem Mann gestorben und auf dem Friedhof in Schopfloch
beigesetzt worden. |
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Links: Grabstein im
jüdischen
Friedhof in Schopfloch mit Inschrift: "Hier ruhet Herr Julius
Sommer, Lehrer in Wittelshofen, geb. 16. Oktbr. 1858, gest. 25. Dezbr.
1926.
Friede seiner Asche!" |
Kleinere Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben
Über die Spendenbereitschaft der Gemeinde (Bericht von 1864)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Dezember 1864:
"Wittelshofen (Bayern), am Fuße des imposanten Hesselsberg, zählt
zwar zu den kleineren Gemeinden im Regierungsbezirk Mittelfranken; dennoch
wird manches Gute hierorts geleistet, und bedürfte nur der herrschende
religiöse Sinn öfterer Anregung namentlich durch Predigten, um
Größeres zu schaffen. - So wurde, durch einige Artikel in Ihrem schönen
Blatte angeregt, eine Kollekte bei nur einigen Mitgliedern der hiesigen
Gemeinde veranstaltet, und zum Zwecke der Sustentation des neubegründeten
israelitischen Lehrer-Seminars in Würzburg dem ehrwürdigen Direktor
desselben übermittelt. -
Namentlich bewährt sich der religiöse Sinn der hiesigen Gemeinde durch
Gründung und Pflege von wohltätigen Stiftungen, die sich bereits auf
circa 5.000 Gulden beziffern, und deren Zinsen zu verschiedenen guten und
gemeinnützigen Zwecken regelmäßig verteilt und verwendet werden.
-
Bei der in gegenwärtiger Zeit herrschenden Neigung der wohlhabenden
Klasse zur Einwanderung in größere Städte sind derartige wohltätige
Stiftungen für die Zurückbleibenden als ein wahrer Segen zu betrachten.
- Um die Organisation und Verwaltung dieser Stiftungs-Kapitalien haben
sich besonders die beiden Herren Vorstände H. und J. Freundlich große
Verdienste erworben..." |
Purimfest in der Gemeinde (1928) - es gibt keinen Minjan
mehr
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. März 1928:
"Wittelshofen, 8. März (1928). Nach Einnehmen unserer Purimsude
hatten wir noch einen geistigen Genuss. Der Lehrer unserer
Nachbargemeinde, der wir uns als Filiale angeschlossen haben, las uns die
Megilo und hielt einen sehr interessanten Vortrag über die Bedeutung des
Purimfestes. - Seit dem Ableben unseres Lehrers Sommer hat unsere Gemeinde
durch Wegzug weitere drei Familien verloren, sodass das Minjan zerstört
ist." |
Lehrer Erlebacher betreut die Gemeinde (1928)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Mai
1928: "Wittelshofen. Das Purimfest nahm in unserer kleinen Gemeinde
in diesem Jahr unter Leitung des Herrn Lehrers Erlebacher (Mönchsroth),
der auch Wittelshofen mit versieht, einen überaus befriedigenden Verlauf.
Anschließend an die Verlesung der Megilloh, der Alt und Jung andächtig
lauschte, hielt Herr Lehrer Erlebacher einen Vortrag über die Bedeutung
des Purimfestes, der auf alle Zuhörer einen starken Eindruck machte. Es
wäre zu wünschen, wenn derartige Belehrungs- und Erbauungsstunden den
kleinen lehrerlosen Gemeinden von Zeit zu Zeit zuteil würden, damit das
religiöse Leben auch in diesen Gemeinden wach erhalten wird." |
Berichte zu Personen aus der Gemeinde
Zum Tod des aus Wittelshofen
stammenden Lehrers Nathan Freund (ca. 1801 in Wittelshofen - 1868 in Rimpar)
Artikel
in "Der Israelit" vom 12. August 1868: "Heidingsfeld
(Bayern). (Ungern verspätet.) Ein teures Leben ist dahingegangen in Israel!
Ein edles Herz hat zu schlagen aufgehört! Gerne möchte ich schweigen von der
Trauerkunde, von dem im 67. Lebensjahr erfolgten Heimgange des gewiss einem
großen Teile des Leserkreises dieser Blätter rühmlichst bekannten
Lehrers Nathan Freund in Rimpar
bei Würzburg; aber verschwunden ist der Gerechte (Zadik) für sein
verschwindendes Geschlecht und gewiss dieser Gerechte (Zadik) ist
wert, von ganz Israel betraut zu werden. Von unbemittelten Eltern in
Wittelshofen in Mittelfranken geboren, besuchte er in seinen
Jünglingsjahren die Hochschule des berühmten Hagaon Abraham Bing das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abraham_Bing) und war einer von dessen
hervorragenden Schülern. Die profanen Wissenschaften studierte er unter
Leitung der damaligen gelehrtesten Professoren der Würzburger Universität.
Die gründliche Gelehrsamkeit in Schas und Posekim, ganz
besonders aber die eminent Sprachkenntnisse, namentlich in der hebräischen
und chaldäischen Sprache dieses Mannes, seine Universalbildung und seine so
tief wurzelnde G"ttesfurcht, seine Herzensgüte verbunden mit der
aufopfernsten Wohltätigkeit und Spendenbereitschaft (frei
übersetzt) sind allen bekannt, die ihm näher standen. - Als Lehrer
wirkte er erfolgreich in Theilheim,
hierauf circa fünf Jahre in Heidingsfeld,
wo Einsender (sc. dieses Artikels) auch so glücklich war, zu seinen
Schülern zu gehören und zuletzt in Rimpar,
wo er 35 Jahre als Gesetzeslehrer (sc. zur Klärung von halachischen
Problemen berechtigte Person) und Vorbeter segensreich wirkte und
durch seinen so gründlichen Unterricht und seine so glückliche Vorsorge für
die religiösen Institutionen, durch sein eifriges Bemühen, Herz und Sinn von
Klein und Groß im Sinne unserer heiligen Religion auszubilden, Rimpar
zu einer Mustergemeinde hervorhob. Dabei beschäftigte er sich, wenn seine
Berufsgeschäfte es ihm erlaubten, trotz seiner schon vieljährigen
Kränklichkeit, unausgesetzt mit dem Torastudium. - Wie er lebte, so starb
er; mit gottergebener Geduld harte er auf seinem höchst schmerzvollen
Krankenlager aus; bis zu den letzten Stunden genoss er nichts ohne Vor- und
Nach-Bracha (= Segensspruch)! Fortwährend flüsterten die heiligen
Lippen, welchen trotz der heftigsten Schmerzen kein Seufzer entfuhr,
Worte der Tora. Wenn solche Sterne in Israel erbleichen, wem blutet da
nicht das Herz von unaussprechlicher Wehmut? Das bezeugten auch heute seine
Gemeindeglieder, von denen viele seiner Schüler waren, und viele andere
seiner guten Freunde und Gönner, als sie schluchzend und wehklagend den Sarg
des geliebten Lehrers umstanden, - Zadikim werden oft mehr geachtet, wenn
sie unter den Toten als unter den Lebenden sind (frei übersetzt) - und
gewiss wurde heute an seinem Grabe noch bei Manchem der Entschluss, den
Lehren des Seligen unwandelbar treu zu bleiben und hiermit dessen Andenken
am besten zu ehren, nochmals besiegelt und befestigt! Der Gemeinde Rimpar
aber wünschen wir von Herzen wieder einen Mann, in dem sie, bin auch nur
einigermaßen, Ersatz für ihren so schweren Verlust finden möge. ER (=
G"tt) macht verschwinden den Tod auf immer (Jesaja 25,8).
Heidingsfeld, am 18. Tamus. G-dt." |
Über den aus Wittelshofen stammenden Kommerzienrat Jakob Gallinger
(1842 in Wittelshofen - 1912 in Nürnberg)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. September
1912: "Jakob Gallinger. Es gibt Männer, deren Persönlichkeit,
deren Wirken und Schaffen sich weit von dem Rahmen der Alltäglichkeit
abhebt und deren Hinscheiden infolgedessen einen schmerzlichen Verlust
bedeutet und eine große Lücke hinterlässt. Einen solchen Mann hat die
Nürnberger Gemeinde und darüber hinaus die ganze Judenschaft verloren
mit dem Hinscheiden von Kommerzienrat Jakob Gallinger, welcher am 9.
September an den Folgen einer schweren Operation starb. Jakob Gallinger
war im Jahre 1842 in Wittelshofen in Mittelfranken geboren. Aus
bescheidenen Verhältnissen entstammend, hat er es verstanden, sich aus
eigener Kraft zu einer bedeutenden Persönlichkeit nicht nur im
geschäftlichen, sondern vor allem Dingen im öffentlichen Leben
emporzuarbeiten. Er war 20 Jahre lang Armenpflegschaftsrat der Stadt
Nürnberg und galt als einer der fähigsten und bedeutendsten Mitglieder
des Kollegiums. Eine vor Jahren Gallinger angetragene Kandidatur für den
Magistrat hat er wegen geschäftlicher Überlastung abgelehnt. Die
bayerische Regierung hat die rastlose Tätigkeit des Genannten um das
Zustandekommen der bayerischen Landesausstellung im Jahre 1896 durch die
Ernennung zum 'Kommerzienrat' anerkannt. Im Verein für Ferienkolonien hat
Gallinger als Schatzmeister eine hervorragende Tätigkeit entfaltet und
diesem Verein immer neue Hilfsquellen erschlossen, um die kranken und
schwächlichen Kinder in möglichst großer Zahl im Sommer hinaus in die frische
Natur und in stärkende Solbäder schicken zu können. Aus eigener Kraft
hat er ein Hilfswerk organisiert zu dem Zwecke, um Hunderten von armen
Schulkindern im Winter die Wohltat eines warmen Mittagessens zu gewähren.
So war Kommerzienrat Gallinger überall arbeitend, helfend, schützend und
fürsorgend tätig. Am meisten aber im Dienste des Judentums. Für dieses
zu arbeiten war ihm keine Stunde zu früh und zu spät, und kein Opfer zu
groß, es war ihm Herzensbedürfnis und gewährte ihm hohe Befriedigung,
seine Tatkraft hier entfalten zu können. Er war zweiter Vorstand der
jüdischen Kultusgemeinde, deren Verwaltung |
er
nahezu ein Vierteljahrhundert angehörte. Er war in fast allen Komitees
der jüdischen-sozialen Vereinigungen, sowohl hier am Platze, als auch in
den großen deutschen Organisationen tätig. Im 'Gemeindebund', im 'Hilfsverein
der deutschen Juden', in der 'Alliance', im 'Zentralverein deutscher
Staatsbürger', überall stand Gallinger in vorderster Linie, wenn
es galt zu helfen, zu werken und zu organisieren. Er war ein Helfer
in Not und Bedrängnis, ein tatkräftiger und unerschrockener Kämpfer, wo
es galt die Rechte und das Ansehen der Judenschaft gegen Angriffe zu
verteidigen. In den zahlreichen Kollekten, die in den letzten Jahren die
Not der Juden im Osten erforderte, war Gallinger immer als treibende Kraft
an der Spitze aller Veranstaltungen. Er verstand nicht nur selbst zu
arbeiten und zu organisieren, er wusste auch die anderen durch sein
Beispiel und durch die belebende und überzeugende Kraft seines Wortes anzuspornen.
Bei der am Tage vor dem Neujahrsfeste stattgefundenen Beerdigung konnte
die riesige Halle des neuen Friedhofs die zahlreichen Personen aus allen
Schichten der Bevölkerung und aus allen Konfessionen kaum fassen, welche
gekommen waren, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Herr
Rabbiner Dr. Freudenthal, welcher selbst dem Entschlafenen in inniger
Freundschaft nage gestanden, schilderte mit ergreifenden Worten den
Lebensgang und die trefflichen Eigenschaften des Herzens und Charakters,
wie Gallinger bescheiden und selbstlos für seine Person, aber umso
besorgter und hilfsbereiter für andere gewesen war. Seine Tätigkeit war
der Allgemeinheit, der notleidenden Menschheit und in erster Linie dem
Judentum geweiht, eine Tätigkeit, die nicht nur nebenher ging, sondern
die Kraft und Zeit des hervorragenden Mannes ganz absorbierte. 'Wahrlich',
so sprach Dr. Freudenthal bei Beginn seiner Rede, 'es hätte uns keine
schlimmere Botschaft zum Abschluss des alten Jahres treffen können als
das Hinscheiden des allverehrten Mannes'. Herr Justizrat Dr. Held, erster
Vorstand der Kultusgemeinde, welcher eigens von seinem Sommerurlaub zu dem
Begräbnis herbeigeeilt, widmete dem unermüdlichen Berater und Mitarbeiter
der Gemeindeverwaltung tief empfundene Worte des Dankes und des
Gedächtnisses. Herr Justizrat Held sagte, dass Jakob Gallinger das
dienstälteste und zugleich verdienstvollste Mitglied der Verwaltung
gewesen sei, dass der Verstorbene nicht allein seine Tätigkeit hier im
Rat der Gemeinde entfaltet habe, sondern, dass derselbe in zahllosen
Fällen die Gemeinde nach außen bei den Tagungen der großen jüdischen
Organisationen in würdiger und tatkräftiger Weise vertreten habe,
wodurch der Name Gallinger weit über die Grenzen der Stadt hinaus mit
Achtung und Verehrung genannt wurde. Herrn Armenpflegschaftsrat Jonas
Bamberger gedacht der Tätigkeit des Entschlafenen um den 'Verein
israelitischer Krankenpflegerinnen' und dessen eifrigen erfolgreichen
Bemühungen zur Schaffung eines eigenen Heims für die Schwestern. Herr
Hofrat Dr. Goldschmidt legte namens der Vorstandschaft des Vereins
'Ferienkolonien für arme Schulkinder' einen Kranz nieder und rühmte die
rastlosen Bemühungen Gallingers, zahlreichen armen Kindern eine
Erholungsstätte zu gewähren. Herr Justizrat Josephsthal widmete dem
Entschlafenen einen warmen Nachruf im Auftrag des 'Zentralvereins
deutscher Staatsbürger'. Herr Hofrat Dr. Frankenburger legte im Auftrag
des 'Vereins für Tuberkulose' einen Kranz nieder, unter Dankeserstattung
an das rührige Ausschussmitglied. Herr Direktor Gombrich sprach im Namen
der hiesigen jüdischen Wohlfahrtsvereine, des 'Hilfsvereins', 'Wohltätigkeitsvereins',
'Frauenvereins', 'Waisenvereins', ferner für den 'Gemeindebund', den
'Hilfsverein deutscher Juden' und die 'Alliance Israélite', Alle die
zahlreichen hiesigen und auswärtigen Organisationen verlieren in dem
Verstorbenen einen treuen, tatkräftigen und nie versagenden Mitarbeiter,
für den ein Ersatz nicht leichterdings wieder zu finden ist. Herr
Direktor Gombrich erwähnte noch, wie Jakob Gallinger es verstanden hat,
ein guter Juden und zugleich ein guter Deutscher zu sein, und wie er noch
in den letzten Wochen seines Lebens, als er sich schon krank und elend
fühlte, seine ganze Kraft aufbot, um die Differenzen innerhalb der 'Alliance'
einem friedlichen Ausgleich zuzuführen. Herrn Gemeindebevollmächtigter
Wertheimer legte noch namens des Lokalausschusses der Fortschrittlichen
Volkspartei einen Kranz an der Bahre des langjährigen Ausschussmitgliedes
nieder. So hat die Nürnberger Gemeinde einen ihrer hervorragendsten
Männer zur letzten Ruhe bestattet, dessen Andenken fortleben wird als das
eines treuen und unentwegten Förderers und Kämpfers für das Judentum
und für soziale Wohlfahrtspflege." |
Über den aus Wittelshofen stammenden ersten jüdischen
Volksschullehrer in Bayern Isak Bernhard Lamm (geb. 1804 in Wittelshofen, gest.
1882)
Buchbesprechung
über eine 1915 erschienene Publikation in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 4. Februar 1915: "Isak Bernhard, der erste
jüdische Volksschullehrer in Bayern. Aus alten Familien-Papieren von
Louis Lamm, Berlin, Louis Lamm, 1915, 16 S. 12. mit Bildnis.
Der rührige Verlagsbuchhändler Louis Lamm, der im vorigen Jahre die
Stammtafel seiner Familie veröffentlichte, gibt in vorliegender
Broschüre in kurzen Strichen die Lebensgeschichte seines Großvaters und
gewährt hiermit einen Einblick in ein Lehrer- und Dulderleben, wie es vor
einem halben Jahrhundert sich abspielte. Isak Bernhard Lamm, 1804 in Wittelshofen
geboren, besuchte die Religionsschule Dittenheim,
die Jeschiwa in Schwabach und das
Lehrerseminar in Bamberg. Seine erste
Anstellung fand er 1827 in Hüttenbach als Religionslehrer und ein Jahr
später auf Drängen der Behörde und trotz Widerspruch der Gemeinde, die
eine höhere Etatbelastung verhindern wollte, auch als Elementarlehrer mit
einem jährlichen Gehalte von 300 Gulden nebst freier Wohnung. Eine
Tragikomödie war es, als zwei Jahre später an dem geplanten Tage seiner
Verehelichung - Rabbiner, Eltern und Verwandte waren bereits eingetroffen
- auf Einspruch einiger Gemeindemitglieder die Vornahme der Trauung durch
das Patrimonialgericht untersagt wurde. Durch das mannhafte Auftreten der
Betroffenen wurde schließlich nach einigen Wochen die Heiratserlaubnis
erwirkt. Isak Bernhard Lamm fand in seinem erfolgreichen Wirken und in der
Anerkennung der Behörde ausreichenden Lohn. Als erster jüdischer Lehrer
erhielt er 1879 den Ludwigsorden in Anerkennung seiner 50jährigen
amtlichen Tätigkeit. 1881 auf sein Ansuchen als 78jähriger zur Ruhe
gesetzt, fand er am 19. April 1882 die letzte Ruhestätte. Ein schlichtes
Büchlein in schlichter Sprache liegt vor uns. Jeder, der es zur Hand
nimmt, wird, nachdem er seinen Inhalt kennen gelernt hat, dazu gedrängt,
der Lage des Lehrerstandes vor 100 Jahren die heutigen Verhältnisse
gegenüberzustellen und unwillkürlich ausrufen: 'Gepriesen, der die
Zeiten ändert'. Lwstn." |
Zum Tod von Isaak Freundlich in
Bad Tölz - aus
Wittelshofen stammend (1919)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 31. Januar 1919: "In
Bad Tölz starb am 6. Januar an
den Folgen eines Falles Herr Isaak Freundlich im Alter von 89
Jahren; die Leiche wurde nach München übergeführt. Er war von Wittelshofen
vor 28. Jahren nach München gezogen und betätigte sich auf allen
religiösen Gebieten als wahrhaft frommer
Mann." |
Hinweis: aus Wittelshofen stammte Rabbiner Ludwig Rosenthal
(geb. 1870 in Wittelshofen, gest. 1938 in Köln). Er studierte am Berliner
Rabbinerseminar für das orthodoxe Judentum und war zunächst Prediger in Spandau,
seit 1895 Rabbiner in Mannheim, danach seit 1897 (konservativer) Rabbiner in
Köln. Vgl.
https://provenienz.gbv.de/Ludwig_Rosenthal. Dazu die Artikel:
Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wird in Mannheim zum Klausrabbiner ernannt
(1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar
1895: "Mannheim, 24. Dez. Die hiesige israelitische
Gemeinde hat Herrn Dr. Ludwig Rosenthal, bisher Prediger in Spandau, zum
Rabbiner an der Klaussynagoge ernannt. Herr Dr. R. ist Schüler des Berliner
Rabbiner-Seminars." |
Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal wurde nach Köln berufen
(1897)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. September 1897: "Dr. Ludwig Rosenthal, seither Rabbiner der
israelitischen Religionsgemeinschaft zu Mannheim, wurde zum zweiten Rabbiner
in Köln gewählt." |
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober
1897: "Eine Notiz in der vorletzten Nummer berichtigend, erwarten
wir, dass der in Köln neugewählte Rabbiner Dr. Ludwig Rosenthal nicht
Rabbiner der israelitischen Religionsgesellschaft, sondern der Klausstiftung
in Mannheim war. Eine israelitische Religionsgesellschaft, d.h. eine
Separatgemeinde wie in Karlsruhe, Mainz etc. gibt es in Mannheim nicht." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine erste Synagoge war bis 1843 vorhanden
(möglicherweise das ehemalige Haus Nummer 88; dies war die Wohnung des
Vorsängers Bohrim David Isaak).
Eine neue Synagoge
mit einem Schulraum wurde 1842/43
erbaut und am 1. Dezember 1843 feierlich eingeweiht.
Die Finanzierung des Synagogenbaus war für die jüdischen Familien der
Gemeinde ein schwieriges Unternehmen; die eigenen finanziellen Mittel reichten
zum Synagogenbau nicht aus. Daher war bei der Regierung die Durchführung einer
Kollekte bei den jüdischen Gemeinden des Landes Anfang 1840 beantragt worden.
Die Kollekte wurde genehmigt und in ganz Bayern im Frühjahr 1840 durchgeführt.
Zur Kollekte selbst liegen zwei Artikel aus dem "Intelligenzblatt von
Unterfranken..." vor:
Kollekte zum Bau einer Synagoge in Wittelshofen (1840)
Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern 23. April 1840: "24. April 1840. An die fürstlich Löwensteinische
Regierungs- und Justizkanzlei in Kreuzwertheim und an sämtliche
Distrikts-Polizeibehörden des Regierungs-Bezirks.
(Bewilligung einer Kollekte für den Synagogenbau in Wittelshofen betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Seine Majestät der König haben allergnädigst zu genehmigen geruht, dass
zum Behufe der Aufbringung der Kosten des Neubaues einer Synagoge zu
Wittelshofen, Landgerichts Dinkelsbühl, eine Sammlung von Beiträgen bei
den israelitischen Glaubensgenossen im ganzen Königreiche veranstaltet
werde.
Die Distrikts-Polizeibehörden werden daher beauftragt, diese Sammlung durch
die Synagogenvorsteher vornehmen zu lassen, und nach Verlauf von 4 Wochen
das Ergebnis an das Expeditionsamt der unterfertigten königlichen Stelle
einzusenden, zugleich aber auch über das Resultat Bericht, und nach Lage der
Sache Fehlanzeige anher zu erstatten.
Würzburg, den 20. April 1840.
Königliche Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg, Kammer des Innern.
Graf von Lerchenfeld, Präsident. Hübner."
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Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern vom 7. Juli 1840: "2. Juli 1840) (Bewilligung einer Kollekte für
den Synagogenbau in Wittelshofen betreffend).
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
Der Ertrag der Kollekte für den Synagogenbau in Wittelshofen wird in
nachstehender Übersicht bekannt gemacht.
Würzburg den 1. Juli 1840.
Königliche Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg, Kammer des Innern.
I.A.d.P. Stenglein, Direktor.
Hübner."
Aus der Übersicht gehen die Erträge der Sammlung der einzelnen
Behörden/Ämter hervor. |
Anmerkung: die gezeigten Dokumente
aus dem "Intelligenzblatt"
beziehen sich auf die Kollekte in Unterfranken und Aschaffenburg. Weitere
Erträge gab es aus anderen bayerischen Regierungsbezirken und aus der Pfalz.
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Während des Baus und der dazu notwendigen Kollektensammlung erfuhr die
Gemeinde weitere große Unterstützung durch Landrichter Mayer in Dinkelsbühl, der sich
selbst mit großem Engagement um beim Einsammeln von Spenden beteiligte. Dazu
berichtete die "Allgemeine Zeitung des Judentums" am 27. November
1843:
"Aus
Schwaben, 12. November (1843). Die Gemeinde zu Wittelshofen entbehrte
eines angemessenen Gotteshauses. Kaum war der Gedanke eines Neubaus im
Kultusvorstande entstanden, als der königliche Landrichter Mayer in
Dinkelsbühl sich der Sache eifrigst annahm, bei der königlichen
Kreisregierung die Erlaubnis einer Kollekte bei allen Israeliten des
Königsreichs erwirkte, sich selbst an das Haus Rothschild wandte, das
auch 300 Gulden erfolgen ließ, und den Bau auf jede Weise förderte.
Durch seine und des Vorstandes Bemühung steht nun ein schöner Bau
vollendet, der in den nächsten Tagen eingeweiht werden soll." |
Das Datum der
Einweihung der Synagoge ist bekannt aus einem Bericht, der in der "Allgemeinen Zeitung
des Judentums" (Ausgabe vom 8. Juli 1844) anlässlich der Einweihung der
beiden Synagogen in Wittelshofen und Pahres
erschien:
"Aus Mittelfranken, 13. Juni (1844). In unserer
materiellen Zeit ist es ein schönes Zeichen, dass unsere, meist nicht sehr
großen, Gemeinden sehr auf Verschönerung und den Anforderungen der Zeit
entsprechende, innere Ausstattung ihrer Synagogen bedacht sind. Dass hier kein
Opfer zu groß ist, davon überzeugen wir uns leicht, wenn wir in die kleinsten
Gemeinden kommen und uns die Synagoge zeigen lassen. Der Staub voriger
Jahrhunderte ist verbannt, Reichlichkeit, Ordnung, zweckmäßige Einrichtung
sind an seine Stelle getreten. Der Gottesdienst selbst wird auf eine würdige
Weise abgehalten, und wenn auch die Veredlung und Verbesserung des innern
Menschen gleichen Schritt hält mit diesen Einrichtungen, dann - gehen wir
gewiss einer bessern Zeit entgegen. Auch zwei neue Synagogen sind in der
jüngsten Zeit in unserem Kreise entstanden: die zu Wittelshofen, eingeweiht
den 1. Dezember 1843 und die zu Pahres, eingeweiht den 1. Juni 1844, - beide
würde der Gemeinden, denen die Verherrlichung Gottes über Alles ging.
Besonderer Erwähnung verdient eine Rede des königlichen Landrichters Herrn
Meyer in Dinkelsbühl - nunmehr in gleicher Eigenschaft in Nürnberg wirkend, -
welche derselbe bei der Einweihung in Wittelshofen, nachdem ihm ein
Schulkind den Schlüssel auf einem seidenen Kissen überreicht hatte, vor der
Synagogentüre gehalten hat. Er lobte den in dieser Gemeinde herrschenden guten
Geist, stellte dieselbe sogar zum Muster für christliche Gemeinden auf, uns
sprach unter anderen ungefähr auch folgende Worte:
"Möget ihr recht fleißig in diesen, von euch zur Verherrlichung Gottes
erbauten Tempel wallen, wie einst Israel in den Tempel nach Jerusalem wallte!
Möget ihr stets mit freudigem Herzen hierher kommen, zu dem Gott zu beten, der
auch unser Vater ist! Ja, wir haben alle einen Vater, und darum sind wir auch
rüder, darum bilden auch alle Menschen nur eine große Familie, darum sollen
auch die Bekenner verschiedener Konfessionen sich wie Brüder einander
lieben." usw.
- . Sehr zu bedauern ist, dass acht Tage nach Einweihung der Synagoge von
unbekannten, verruchten Händen das Häkdesch ("Opferstock"),
in welchem eine nicht unbedeutende Summe enthalten war, ganz ausgeleert
wurde".
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Als Besonderheit wurde in der Synagoge in Wittelshofen ein
"Stand" (= Betständer, Stehpult) aus der Synagoge in Monheim
aufgewahrt. In Monheim waren 1741 die jüdischen Familien ausgewiesen worden.
Dazu wurde folgende Geschichte erzählt:
Artikel
in "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. September
1842: "In der Synagoge zu Wittelshofen befindet sich ein Stand
aus der ehemaligen Synagoge in Monheim, wo jetzt keine Juden mehr zu
finden sind. Der gegenwärtige Besitzer dieses Synagogenstandes ist ein
alter Mann, namens Monheimer, dessen Großvater, unter den aus Monheim
vertriebenen Israeliten, in sein neues Domizil nichts mitbrachte, da man
ihm aller seiner Habe beraubt hatte, als diesen Synagogenstand, den er auf
seinem Rücken von Monheim nach Wittelshofen getragen hat". |
Die Synagoge in Wittelshofen war fast ein Jahrhundert lang Mittelpunkt des
jüdischen Gemeindelebens am Ort.
Nachdem die meisten jüdischen Einwohner ausgewandert beziehungsweise
fortgezogen waren, wurde die Synagoge bei der Auflösung der jüdischen Gemeinde
im September 1938 geräumt. Die Ritualien wurden dem Verband der
Bayrischen Israelitischen Gemeinden übergeben. Sie wurden beim Novemberpogrom
1938 in München zerstört. In Wittelshofen wurde die Synagoge im Winter
1938/39 abgebrochen.
Nach 1945 wurde das ehemalige Synagogengrundstück mit Garagen und einer
Scheune überbaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Zwischen Postweg 2 und Postweg 6.
Fotos
(Quellen: obere Zeile: Sammlung Hahn; untere Zeile links: United
States Holocaust Museum Washington; untere Zeile Mitte und rechts: Foto von Karl Michelsohn, Ansbach um 1930, veröffentlicht in: Th. Harburger: Die Inventarisation jüdischer
Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Hg. von den Central Archives Jerusalem
und dem Jüdischen Museum Franken in 3 Bänden 1998 Bd. 3 S. 786)
Historische Ansichten |
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Historische Ansichtskarte von
Wittelshofen
(abgestempelt 1941) |
Ausschnittsvergrößerung:
die Synagoge |
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Außenaufnahme der Synagoge
Wittelshofen mit Mitgliedern der
Familie Winter - vor 1938 |
Blick zum Toraschrein in der
Synagoge Wittelshofen, 1843 eingeweiht,
1938 zerstört. |
Detail aus Foto links: über
dem Toraschrein:
Gebotstafeln, Löwen sowie die Inschrift
"Erkenne,
vor wem du stehst". |
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Gedenkstein für die
jüdische Gemeinde
(Foto erhalten von Angelika Brosig,
Schopfloch - www.juden-in-schopfloch.de;
auf dieser Seite auch "Sonderseite
zu Wittelshofen") |
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Das
Gebäude Postweg 3 (Haus Nr. 19) - früheres jüdisches Gemeindezentrum ?
(Fotos mit Erläuterungen erhalten von Angelika Brosig, Schopfloch, www.juden-in-schopfloch.de) |
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Das historische Foto des
Gebäudes im
Postweg zeigt ein typisches jüdisches
Mansarden-Wohnhaus,
das einst der
jüdischen Kultusgemeinde gehörte. Hier
wohnte der
jüdischer Vorbeter und Lehrer |
Das Gebäude wurde
im 20. Jahrhundert umgebaut. Das Mansardendach wurde durch ein Satteldach
ersetzt.
Nach einer - durch neue Forschungen allerdings noch nicht bestätigten - Überlieferung am Ort
war in diesem Gebäude auch eine ältere Synagoge untergebracht.
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli/September 2008:
Friedhofsführungen in Schopfloch
zur Erinnerung an die Juden in Wittelshofen |
Artikel
in der "Fränkischen
Landeszeitung" vom 24. Juli 2008 über eine bevorstehende
Friedhofsführung am 27. Juli 2008: "Erinnerung an Juden in
Wittelshofen. Schopfloch / Wittelshofen. Bei einer Führung durch den
jüdischen Friedhof von Schopfloch am kommenden Sonntag, 27. Juli, ab 14
Uhr steht die ehemalige jüdische Gemeinde von Wittelshofen im
Mittelpunkt. Angelika Brosig vom Projekt 'Juden in Schopfloch' lädt dazu
alle Interessierten ein. Mit Heimatpfleger Heinrich Zoller aus
Wittelshofen besichtigte sie vor Ort die ehemaligen Plätze der schönen
Synagoge und der Mikwe, also des rituelles Frauenbades, die
Vorsängerwohnung und frühere jüdische Häuser...". |
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Führung über den jüdischen Friedhof
Schopfloch am 8. September 2008 zum "Europäischen Tag der Jüdischen
Kultur" |
Artikel
in der "Fränkischen
Landeszeitung" vom 8. September 2008: Zeugen jüdischer
Geschichte. 66 Steine gesichert. Gedenktafel in Wittelshofen.
Schopfloch/Wittelshofen (mw) - In 27 Ländern gaben am gestrigen
Europäischen Tag der jüdischen Kultur viele Vereine und Organisationen,
Museen und Gedenkstätten sowie jüdische Gemeinden und Bürger die
Möglichkeit, jüdisches Leben kennen zu lernen. Der Friedhof im
Schopflocher Ortsteil Deuenbach war gestern Nachmittag Treffpunkt zu einer
Führung, an der über 40 Personen teilnahmen..." |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 243-244. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 189. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 300-301.
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| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band II:
Mittelfranken.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Angela Hager, unter Mitarbeit von
Frank Purrmann und Axel Töllner. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern, Teilband 2: Mittelfranken. Lindenberg im Allgäu 2010.
Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-89870-448-9. Abschnitt zu Wittelshofen S.
757-770. |
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Spuren jüdischen Lebens rund um den Hesselberg. Kleine Schriftenreihe Region Hesselberg Band
6.
Hrsg. von Gunther Reese, Unterschwaningen 2011. ISBN
978-3-9808482-2-0
Zur Spurensuche nach dem ehemaligen jüdischen Leben in der Region Hesselberg lädt der neue Band 6 der
'Kleinen Schriftenreihe Region Hesselberg' ein. In einer Gemeinschaftsarbeit von 14 Autoren aus der Region, die sich seit 4 Jahren zum
'Arbeitskreis Jüdisches Leben in der Region Hesselberg' zusammengefunden haben, informieren Ortsartikel über Bechhofen, Colmberg,
Dennenlohe, Dinkelsbühl, Dürrwangen, Feuchtwangen, Hainsfarth, Heidenheim am Hahnenkamm, Jochsberg, Leutershausen, Mönchsroth, Muhr
am See (Ortsteil Altenmuhr), Oettingen, Schopfloch, Steinhart,
Wallerstein, Wassertrüdingen und Wittelshofen über die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinden. Am Ende der Beiträge finden sich Hinweise auf sichtbare Spuren in Form von Friedhöfen, Gebäuden und religiösen Gebrauchsgegenständen mit Adressangaben und Ansprechpartnern vor Ort. Ein einleitender Beitrag von Barbara Eberhardt bietet eine Einführung in die Grundlagen des jüdischen Glaubens. Eine Erklärung von Fachbegriffen, ein Literaturverzeichnis und Hinweise auf Museen in der Region runden den Band mit seinen zahlreichen Bildern ab. Das Buch ist zweisprachig erschienen, sodass damit auch das zunehmende Interesse an dem Thema aus dem englischsprachigen Bereich
abgedeckt werden kann, wie Gunther Reese als Herausgeber und Sprecher des Arbeitskreises betont. Der Band mit einem Umfang von 120 Seiten ist zum Preis von
12,80 €- im Buchhandel oder im Evangelisch-Lutherischen Pfarramt Mönchsroth, Limesstraße 4, 91614 Mönchsroth, Tel.: 09853/1688 erhältlich
E-Mail: pfarramt.moenchsroth[et]elkb.de.
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| Marion Davies: The Bock Family from Lich. 1700s to
1874/75. Researched and compiled by Marion Davies 2023 (mit Bezügen zu
Wittelshofen).
Eingestellt zum Download als pdf-Datei.
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| Franziska Heyde: Das Leben der Fanny Birkenruth
geb. Freundlich. 2022. ISBN 978-3-00-073862-3. € 18,00. Kontakt-Bestellung:
c.f.heyde@t-online.de
Zu
dieser Publikation: "Familiengeheimnisse gibt es in jeder Familie, oft über
Generationen gehütet, bis durch Zufall aufkommt, was wirklich war. Fanny
Birkenruth geb. Freundlich (1841-1912), entstammt dem orthodoxen
Landjudentum aus Wittelshofen nahe dem mittelfränkischen Dinkelsbühl.
Gezwungenermaßen, als Folge einer Liebesziehung zu ihrem jüdischen Cousin
aus Altenmuhr, verlässt sie als junge
Frau ihren Geburtsort und wird sich später als Salonière in
aristokratisch-protestantischen Kulturkreisen Roms der Jahrhundertwende
etablieren. Ihr imposantes Grabmal auf dem berühmten römischen Friedhof, 'Cimitero
acattolico' (Foto links) neben denen ihrer nächsten Freundin, der
damals prominenten Schriftstellerin Malwida von Meysenbug und neben August
v. Goethe Filius, zeugen noch heute davon. Aber Fanny beginnt früh,
Geheimnisse um ihre Person zu spinnen, belastend für ihre unmittelbaren
Nachkommen und dann lebensrettend in der NS-Diktatur, Geheimnisse, die
unaufgelöst bis in spätere Generationen wirken werden.
Das vorliegende, akribisch recherchierte Werk macht es sich zur Aufgabe,
dieses Gespinst an Geheimnissen aufzulösen, durch Nachlass-Aufarbeitungen,
Entschlüsselung historischer Dokumente, Archiv-Einsichten sowie
Korrespondenzen, persönliche Gespräche mit Nachfahren und spezialisierten
Historikern und mit Hilfe ihres familientherapeutischen Hintergrundwissens:
Die Autorin deckt auf, wie Fannys Familiengeheimnis posthum für ihre
jüdischen Nachkommen während der Shoah zur dramatischen Rettung wird und
dadurch dessen Geheimhaltung nochmals verstärkt. Dieses Spannungsfeld der
Ungereimtheiten nimmt die Autorin zeitlebens wahr und es gelingt ihr zu
großen Teilen, die Wahrheiten sukzessive zu entfalten und ein beeindrucken
realistisches Tableau vor dem Hintergrund der Herkunft aus dem fränkischen
Landjudentum zu entwerfen. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Wittelshofen Middle Franconia. An important Jewish
community existed from the 18th to the mid-19th century, known as one of the
wealthiest in the region. A new synagogue was built in 1842. Most Jews traded in
livestock. The Jewish population numbered 104 in 1867 and 17 in 1933 (total
512). The last eight Jews were expelled after the synagogue was burned to the
ground on Kristallnacht (9-10 November 1938).
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