Friedensgottesdienst zum 280. Jahrestag der Schlacht von Klausen am 11.10.2015

Beten - auch für die Verfolger...

Liebe Pilgerinnen und Pilger, liebe Hörerinnen und Hörer des domradio.de,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben!

280 Jahre sind eine lange Zeit. Weit liegt die sogenannte Schlacht von Klausen zurück. Und ich muss ehrlich gestehen, dass ich bis zur Einladung zu diesem Friedensgottesdienst nicht wusste, dass es überhaupt eine solche Schlacht hier in der Nähe des Wallfahrtsortes gegeben hat.

Um die polnische Thronfolge ging es damals, im Jahr 1735. Und man fragt sich unwillkürlich: Wieso wird hier an der Mittelmosel, 1000 Kilometer von Krakau entfernt um die polnische Thronfolge gekämpft? Der Grund dafür waren unterschiedliche Bündnisse: Österreich und Russland machten sich für den Sohn des sächsischen Kurfürsten stark, Frankreich für einen polnischen Adligen. So kam es dazu, dass viele Gefechte am Rhein ausgetragen wurden. Dieser kleine Blick in die Geschichte zeigt uns, wie sehr schon damals die Menschen in Europa eingebunden waren in internationale Konstellationen. Manchmal meinen wir ja, die Menschen früherer Zeiten hätten in ihren Regionen und Ländern wie auf voneinander getrennten Inseln gelebt. Erst wir in der globalen Welt von heute wären von den großen – den positiven wie den belastenden – Entwicklungen dieser Welt betroffen. Aber schon vor 280 Jahren mussten Menschen unserer Region erleben, dass sie in einen Konflikt verwickelt wurden, dessen eigentlicher Schauplatz weit von ihnen entfernt lag.

Auch heute: Menschheit ist Schicksalsgemeinschaft

Durch die Flüchtlinge, die derzeit zu uns kommen, erleben auch wir greifbarer als bisher, dass die Kriege und Konflikte im Nahen Osten und in Afrika, mögen sie auch mehrere tausend Kilometer entfernt liegen, uns angehen und berühren. Lebten schon die Menschen vor 280 Jahren nicht auf einer isolierten Insel, so gilt dies für uns heute umso mehr. Die Menschheit ist eine Schicksalsgemeinschaft. Und doch haben wir - bei aller Erschütterung über das, was sich im Nahen Osten und in Afrika abspielt - bisher gedacht, dass alles ereigne sich in einem sicheren Abstand von uns in Deutschland.
Nun müssen wir einsehen, wie wahr es ist, dass wir in dem „einen gemeinsamen Haus“ dieser Erde leben, wie es Papst Franziskus in seiner letzten Enzyklika ausgedrückt hat. Die Leiden der geschundenen Völker rücken uns näher, bekommen mehr Gesicht als zuvor: Es sind die Gesichter von Menschen, die bei uns Zuflucht und Hoffnung suchen. Insofern ist es gut und richtig, wenn wir heute hier in Klausen um den Frieden beten und damit zeigen, dass wir uns das Geschick derer, die von Gewalt und Krieg betroffen sind, nahegehen lassen.

Friedensgottesdienst für alle „in Finsternis“

Hier in Klausen kommen die Pilger zur schmerzhaften Mutter Gottes. Das Gnadenbild zeigt die Pietà, Maria, die ihren toten Sohn Jesus im Schoß hält. In ihm, der der eine ist, der für alle gelitten hat und starb, dürfen wir auch diejenigen erkennen, die in unserer Zeit an Leib und Seele leiden, diejenigen, die nicht mehr weiter können, die, die zu Tode gebracht werden, und diejenigen, die wie Maria sich um ihre Lieben ängstigen oder sogar trauern. Wir wollen in diesem Friedensgottesdienst Gott all diejenigen ans Herz legen, die „in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“; diejenigen, die sich ohnmächtig Gewalt und Unrecht ausgeliefert sehen; diejenigen, die auf eine bessere Zukunft hoffen, die darauf hoffen, dass es nach dem Karfreitag einen Ostermorgen gibt …

Beten für die Peiniger!? ...

Aber wir wollen im Blick auf die Muttergottes von Klausen noch etwas anderes tun, etwas, das uns schwerer fällt als für die Leidtragenden und die Opfer zu beten. Wir wollen tun, was uns menschlich unmöglich erscheint, nämlich zu beten auch für die, die hassen, die Gewalt antun, die Menschen verfolgen, demütigen, quälen und ermorden. Geht das überhaupt? Kann man das? Jesus selbst hat diese Frage im Evangelium beantwortet, wenn er sagt: „Segnet die, die euch verfluchen und betet für die, die euch misshandeln“ (Lk 6,28). Eine Aufforderung, die uns als glatte Überforderung vorkommt: Die zu segnen, die uns oder andere Menschen verfluchen, und für die zu beten, die andere misshandeln. Aber Jesus hat es getan: Er hat am Kreuz zum Vater gebetet, dass er den Henkern vergibt (Lk 23,24).

Ich stelle mir vor, dass nicht nur Jesus, sondern auch Maria für die Peiniger ihres Sohnes gebetet hat. Wenn wir die Pietà anschauen, dann sehen wir die Muttergottes voller Schmerz und Trauer. Das Bemerkenswerte aber ist, dass wir kein Marienbild finden werden, in dem sich in die Züge von Schmerz und Trauer Wut und Rache mischen, obwohl man es verstehen könnte. Aber Maria ist nicht nur die Mutter Jesu, sondern auch seine Jüngerin, aufnahmebereiter für seine Botschaft als alle anderen.

... dass Gott auch in das Leben der Unterdrücker tritt

Was tun wir also, wenn wir die segnen, die andere verfluchen und für die beten, die Menschen misshandeln? Zunächst einmal gestehen wir damit ein, dass es nicht reicht, wenn wir dem Bösen nur menschliche Mittel entgegensetzen. Wenn wir für die beten, die anderen feindlich gesonnen sind und ihnen Gewalt antun, dann bitten wir darum, dass diese Menschen Gott begegnen; dem Gott, der der Allmächtige und Liebende zugleich ist. Wer für die Feinde betet, der betet darum, dass sie dem begegnen, der die Macht hat, Menschen im Innersten zu treffen und wirklich zu verändern. Für Gewalttäter und Unterdrücker zu beten, heißt, darum zu beten, dass Gott in ihr Leben tritt, sie ihr Unrecht erkennen und davon ablassen. Wir sollen nicht dem Fluch mit Fluch, sondern mit Segen begegnen und dem Hass das Gebet entgegenstellen. Denn wir wissen, wie wenig oft menschliche Worte gegen Gewalt ausrichten, wie wirkungslos Verhandlungen sein können, und wir wissen, dass Gewalt gegen Gewalt nur das äußerste Mittel sein kann, um dem Gegner Einhalt zu gebieten. Frieden können wir mit Gegengewalt nicht schaffen. Dazu braucht es mehr.

Eben deshalb fordert Jesus auf zum Gebet für die Täter: Dass sie doch Gott begegnen mögen, dass er ihnen in den Weg tritt mit seinen Waffen: Vielleicht ist dies der hilflose Blick eines unschuldigen Opfers, der das Herz des Gewalttäters erreicht und sein Gewissen aufrüttelt, ihn nicht mehr ruhig schlafen lässt. Vielleicht ist es die Friedfertigkeit eines Menschen, der auf Gewalt nicht mit Gegengewalt reagiert. Vielleicht ist es das Gebet oder das Bekenntnis, das ein Mensch vor seiner Hinrichtung spricht (wir hören ja immer wieder, dass Christen im Nahen Osten vor ihrer Hinrichtung ein Gebet gesprochen haben). Vielleicht ist es auch die Puppe eines Kindes, die in einem zerbombten Haus zurückgeblieben ist und dem Aggressor die Augen öffnet … Gott wird seine Wege finden, um das Herz auch der Verhärteten zu erreichen. Wir wollen darum beten.

Beten für die politisch Verantwortlichen für den Frieden – immer wieder

Wir wollen auch darum beten, dass Gott die Anstrengungen all derer segnet, die sich auf politischem Weg um Lösungen bemühen, die das Gespräch suchen und den ersten Schritt machen, auch wenn sie es nicht nötig hätten, weil die anderen am Zug wären, oder weil es ihnen aussichtslos erscheint. Liebe Schwestern und Brüder, lassen Sie uns nicht nur in diesem speziellen Friedensgottesdienst für die politisch Verantwortlichen beten, sondern es auch zwischendurch immer wieder tun. Es reicht ja nicht, bloß fassungslos den Kopf zu schütteln, wenn wir in den Nachrichten hören, wie wenig sich wieder zum Positiven bewegt hat. Besser ein Stoßgebet und eine Segensbitte sprechen auch und gerade für die, die uns verhärtet erscheinen und deren Art zu denken und zu handeln uns unverständlich bleibt.

Lassen Sie uns schließlich auch beten für den Frieden unter uns in Deutschland und in Europa. Lasst uns beten für den sozialen Zusammenhalt, dass die Herausforderungen dieser Zeit uns nicht gegeneinander aufbringen, sondern uns mehr zusammenführen, dass sie unsere Gemeinsamkeit stärken, auch in der Diskussion um die richtigen Lösungen.

Beten wir mit den Gebetsworten, mit denen Papst Franziskus seine Enzyklika Laudato sì in der Sorge um unser gemeinsames Haus, die Erde, beschließt:

Wir preisen dich, Vater, mit allen Geschöpfen, die aus deiner machtvollen Hand hervorgegangen sind. Dein sind sie und erfüllt von deiner Gegenwart und Zärtlichkeit.

Sohn Gottes, Jesus, durch dich wurde alles erschaffen. In Marias Mutterschoß nahmst du menschliche Gestalt an; du wurdest Teil dieser Erde und sahst diese Welt mit menschlichen Augen. Jetzt lebst du in jedem Geschöpf mit deiner Herrlichkeit als Auferstandener.

Heiliger Geist, mit deinem Licht wendest du diese Welt der Liebe des Vaters zu und begleitest die Wehklage der Schöpfung; du lebst auch in unseren Herzen, um uns zum Guten anzutreiben …

Die Armen und die Erde flehen, Herr, ergreife uns mit deiner Macht und deinem Licht, um alles Leben zu schützen, um eine bessere Zukunft vorzubereiten, damit dein Reich komme, das Reich der Gerechtigkeit, des Friedens, der Liebe und der Schönheit. Gelobt seist du. Amen.

Weiteres:

Beten für die Verfolger...

in der Predigt