Für die Mitglieder des Gebetsapostolats war die möglichst tägliche Mitfeier der heiligen Messe schon immer ein zentraler Programmpunkt ihrer Spiritualität. Die im Auftrag des letzten Konzils erneuerte Gestalt der Messe macht es leichter, die apostolische Dimension jener Feier zu erfassen und zu verinnerlichen, die Quelle und Höhepunkt allen Tuns der Kirche ist (vgl. SC 10).
Alle Teilnehmer sind Mitfeiernde
Die erneuerte Messliturgie nimmt alle Anwesenden aktiv in das Geschehen hinein. Der Eindruck entsteht nicht mehr, dass der Priester allein am Altar das Messopfer darbringt. Es ist uns wieder klar geworden, dass alle als Mitbetende und Mitopfernde die Feier mittragen. Die laut vorgetragenen Gebete der Messe sind keine Ich-Gebete des Priesters, sie sind allesamt Wir-Gebete. Vor den meisten ergeht eine ausdrückliche Einladung zum Mitbeten durch den Ruf „Lasset uns beten”. Besonders eindringlich geschieht das vor dem Eucharistischen Hochgebet, wenn der Priester die ganze Gemeinde zur großen Danksagung einlädt. Wenn der priesterliche Vorbeter das Gebet der Danksagung und Heiligung dann im Namen aller vorgetragen hat, stimmen alle mit ihrem „Amen” zu.
Einbezogen in die Hingabe Christi
Auch die Darbringung des Opfers Christi an den Vater ist keine Sache des Priesters allein. Zusammen mit ihm stellen alle Mitbetenden dem Vater „das Lamm vor Augen, das geopfert wurde” (vgl. SC 48) und das uns und alle Sünder mit Gott versöhnt (3. Hochgebet). Wir dürfen uns vorstellen, dass Christus, wenn er mit seinem Opfer vor den Vater tritt, alle mitnimmt, die sich selbst hinein geben in seine Hingabe, aber auch all die anderen, die sie mitbringen und ebenfalls hinein empfehlen in sein Opfer. Das geschieht in der Hoffnung, dass er uns zu einer Gabe macht, die dem Vater wohlgefällt (3. Hochgebet).
Die Fürbitten in der Messfeier
Es gibt eine Stelle in der Eucharistiefeier, an der mehr als anderswo zum Ausdruck kommt, dass alle Gläubigen als Priester die heilige Messe mitfeiern: Das Allgemeine Gebet oder die Fürbitten. Die Einführung in das Römische Messbuch bemerkt dazu (AEM 45): „In den Fürbitten übt die Gemeinde durch ihr Beten für alle Menschen ihr priesterliches Amt aus.” Sie tritt vor Gott ein für „die heilige Kirche, für die Regierenden, für jene, die von mancherlei Not bedrückt sind, und für alle Menschen und das Heil der ganzen Welt”. (SC 53). Die Fürbitten sind der bevorzugte Ort für das apostolische Beten. Dort sollten alle einen Platz bekommen, die Gebetshilfe brauchen und die wir der Sorge und Liebe Gottes besonders empfehlen.
Beten für andere im Hochgebet der Hl. Messe
Auch die Bitten, die der Priester im Eucharistischen Hochgebet vor Gott ausspricht, sind die Bitten aller. Dieses Gebetsgedenken im Herzen der Messe gilt in erster Linie der Kirche und ihren Gliedern: Dass der Herr sie beschütze auf ihrem Weg durch die Zeit und im Glauben und in der Liebe stärke (3. Hochgebet), dass er sein Volk in der Liebe vollende, dass Einheit herrsche mit dem Papst, dem Ortsbischof und allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind (2. Hochgebet). Auch die möglichen Gläubigen von morgen kommen in der missionarischen Bitte des dritten Hochgebets in den Blick: „Führe zu dir auch alle dein Söhne und Töchter, die noch fern sind von dir.” Das Erste Hochgebet empfiehlt Gott mit besonderem Nachdruck die versammelten Gläubigen (Gedächtnis der Lebenden) und die „uns vorausgegangenen” Glieder der Kirche (Gedächtnis der Verstorbenen). Im Vierten Hochgebet gibt es dann wieder eine die aktuellen Grenzen der Kirche überschreitende apostolische Bitte, wenn diejenigen Gott empfohlen werden, die „mit lauterem Herzen dich suchen”.
Das Vaterunser, ein apostolisches Gebet
Das Vaterunser ist vor allem durch die drei Anfangsbitten ein apostolisches Gebet. Es ist gut, dass das Gebet, das „der Herr uns gelehrt hat”, in der Messe nun wieder von allen laut gebetet wird. So wird erfahrbarer, dass auch die Bitte um das Kommen des Reiches Gottes ein Anliegen aller Gläubigen ist. Sie alle sind berufen, mitzuhelfen, dass in ihrer Welt und Zeit die Herrschaft Gottes, die Friede, Gerechtigkeit, Wahrheit und Liebe bedeutet, ausgebreitet und gestärkt wird. Das apostolische Engagement aller ist gefragt zum Aufbau einer „Zivilisation der Liebe”, wie Gott sie will.
(Prof. Dr. Andreas Heinz: „An den Quellen apostolischen Betens“,
hrsg. vom Gebetsapostolat im Bistum Trier, Trier 2006)
Was bedeutet „Lebenshingabe“ im christlichen Sinn?
Die Begriffe wie Lebenshingabe und tägliche Opferhingabe werden verständlich, wenn man ihren Sinngehalt heraushebt: Sie bezeichnen eigentlich eine gemeinchristliche Selbstverständlichkeit, nämlich das Bemühen, in der inneren Haltung und im äußeren Tun christusförmig zu werden, d.h. zu versuchen, sich an der Hingabe Christi zu orientieren und ihr nachzustreben. Sie meinen den immer unzulänglich bleibenden und immer wieder scheiternden Versuch, ganz auf Gott und den Mitmenschen hin ausgerichtet zu sein; ganz im Einsatz Christi zu leben und zu handeln. Das Gebet für die Menschen, für die Welt, für die Kirche, um das Kommen des Reiches Gottes und die daraus erwachsenden Konsequenzen für das eigene Tun können ein wichtiger Bestandteil der Teilhabe an dem „Ganz-für-Gott-und-für-andere-Sein“ Christi, an seiner Hingabe, darstellen.
Sich und die Welt in die Messfeier einbringen
Die Hingabe Christi gipfelte in der Hingabe seines Lebens für das Heil der Welt, in seinem Kreuzesopfer. Die Gegenwart Christi in der Eucharistie bedeutet nicht nur die Gegenwart seiner Person, sondern auch die Gegenwärtigsetzung seines Heilswerks, besonders seines Kreuzesopfers. Weil wir aufgrund der Taufe Leib Christi sind, zieht uns Christus auch in sein Opfer hinein. Der erhöhte Herr bringt in der Eucharistie sein Opfer durch den Dienst der versammelten Gemeinde und durch ihr Opfer des Lobes dar. Das Lob- und Dankopfer der in der Feier der Eucharistie versammelten Gemeinde ist sozusagen die sakramentale Gestalt für die Gegenwart des einen Opfers Christi (vgl. DBK [Hrsg.], Katholischer Erwachsenenkatechismus. Das Glaubensbekenntnis der Kirche, 1985, S. 355). Damit ist die Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11). In der Eucharistiefeier können die Gläubigen sich und ihre Welt in das Opfer Christi mit einbringen und erfahren in Christus die sündenvergebende, lebendig machende Antwort des himmlischen Vaters. Sie ist höchster Ausdruck der Gottesverehrung und Quelle des Einsatzes für die Schwestern und Brüder.
Die Eucharistie ist Quellgrund des Gebetsapostolats
Die Eucharistiefeier ist daher auch der Quellgrund des Gebetsapostolats. Aus der gläubigen Teilnahme an der Eucharistiefeier und aus der inneren Bereitschaft, sich und sein Leben nach dem Vorbild Christi ganz auf Gott und den Nächsten auszurichten, erwächst jene enge Verbindung mit Christus, die Voraussetzung für fruchtbares apostolisches Beten ist.
Im Grunde ist das apostolische Beten nichts anderes als eine sehr schlichte, aber immer auch notwendige Hilfe, um wesentliche Haltungen einzuüben, die zu einem wahrhaft christlichen Leben gehören. Eigentlich ist apostolisches Beten Christenpflicht.
(Prof. Dr. Marion Wagner: „Die Kraft des Gebets neu entdecken“
hrsg. vom Gebetsapostolat im Bistum Trier, Trier, Seite 9-10)